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13. Sonderbedarfszulassung

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Trotz einer bestehenden Zulassungssperre kann ein Arzt mittels einer erteilten Sonderbedarfszulassung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen.[188] Dies ist sowohl im Rahmen einer Vollzulassung als auch im Rahmen einer Teilzulassung möglich.[189]

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Die Sonderbedarfszulassung ist in §§ 36, 37 Bedarfsplanungs-Richtlinie geregelt. Ermächtigungsgrundlage ist § 101 Abs. 1 Nr. 3 SGB V, eine Sonderbedarfszulassung dient demnach der Sicherung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung. Nach der Rechtsprechung des BSG[190] stellt § 101 Abs. 1 Nr. 3 SGB V eine Ausnahmeregelung zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit einer angeordneten Zulassungssperre dar. Entgegen des Wortlauts der Bedarfsplanungs-Richtlinie „darf“ – muss der Zulassungsausschuss bei Vorliegen der Voraussetzungen einem Antrag auf Sonderbedarfszulassung stattgeben. Voraussetzung für die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung ist grundsätzlich, dass eine wirtschaftlich tragfähige Praxis erreicht werden kann, ansonsten ist an die Ermächtigung zu denken.[191] Dies gilt auch für die Gründung einer Praxis mit hälftigem Versorgungsauftrag.[192] Des Weiteren muss wegen § 36 Abs. 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie der Bedarf dauerhaft sein, eine nur vorübergehende Versorgungslücke ist durch eine Ermächtigung zu schließen. Eine Dauerhaftigkeit ist anzunehmen, wenn die Versorgungslücke im Rahmen einer Prognoseentscheidung länger als zwei Jahre eingeschätzt wird.[193]

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Bei der Bedarfsermittlung sind nicht nur die niedergelassenen Vertragsärzte zu berücksichtigen, sondern auch bereits existierenden Zweigpraxen.[194]

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Auf Grund der Quotenregelungen in § 12 Abs. 5 Bedarfsplanungs-Richtlinie/§ 13 Abs. 6 Bedarfsplanungs-Richtlinie bezüglich der Arztgruppen Nervenärzte, Neurologen und Psychiater/fachärztliche Internisten kann im Einzelfall bei Nichterreichen der entsprechenden Quote für die Subspezialisierung ein starkes Indiz eines Sonderbedarfes vorliegen. Ungeklärt[195] ist, in welchem Umfang bereits durch den antragstellenden Arzt eine ausführliche Bedarfsanalyse gefertigt werden muss. Aus den „Tragenden Gründen“ zu dem Beschluss der Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie v. 20.12.2012 wird von einem begründeten Antrag gesprochen, so dass es in der Praxis immer wieder vorkommt, dass von den Zulassungsgremien eine Bedarfsanalyse verlangt wird. Dies wird man im Ergebnis verneinen müssen Zwar ist aus der Rechtsprechung zur Wirtschaftlichkeitsprüfung bekannt, dass der Arzt dort eine umfassende Mitwirkungspflicht zur Klärung der Wirtschaftlichkeit seiner Behandlungsweise hat; allerdings ist der Arzt nur verpflichtet, seine Praxissituation zu beschreiben. Im Rahmen des Sonderbedarfs ist dagegen zu beachten, dass der antragstellende Arzt nicht die umfassende Kenntnis über die gesamte Versorgungssituation hat. Er würde sich letztlich in Vermutungen verlieren, die in der Sache nicht dienlich sind. Im Ergebnis bleibt es dabei, dass die Zulassungsgremien eine umfassende Pflicht zur Sachverhaltsermittlung haben, und der Arzt auch noch im Klageverfahren über den Vortrag im Verwaltungsverfahren hinaus vortragen kann.

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Innerhalb der gerichtlichen Kontrolle wird keine vollständige Überprüfung vorgenommen, vielmehr beschränkt sich die Kontrolldichte auf die Frage, ob die Zulassungsgremien von ihrem Beurteilungsspielraum sachgerecht Gebrauch gemacht haben.[196] Allerdings unterliegt es keinem Beurteilungsspielraum, welche Ermittlungen zur Ausübung des Beurteilungsspielraums bzw. Ermessens angestellt werden müssen; diese Frage ist vollständig überprüfbar.[197] Überprüfbar ist dabei, wie weit der Zulassungsausschuss seiner Ermittlungspflicht hinsichtlich des besonderen, aktuell vorliegenden Sonderbedarfs Genüge getan hat.[198] Dabei ist es nicht ausreichend, auf die Aussagen der bereits niedergelassenen Ärzte zu vertrauen; erforderlich ist es vielmehr, dass die Zulassungsgremien anhand der Abrechnungsunterlagen diesen Sachverhalt objektivieren.[199] Ferner ist zu prüfen, wie die Versorgungsstruktur ist, wie also die Patientenströme sind. Sollte sich bei der Bedarfsermittlung ergeben, dass ein Bedarf für eine volle Zulassung nicht existiert, ist weiter die Frage einer Sonderbedarfszulassung im Rahmen einer Teilzulassung zu prüfen.[200]

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Eine Leistungserbringung ist nur beschränkt möglich. Sofern eine Sonderbedarfszulassung wegen lokalem Sonderbedarf ausgesprochen wird, ist sie an den Ort der Niederlassung gebunden (§ 36 Abs. 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie). Begehrt der Arzt eine Verlegung des Vertragsarztsitzes, hat er nicht die Möglichkeit, nach § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV den Sitz zu verlegen, vielmehr muss von ihm eine neue Sonderbedarfszulassung beantragt werden.

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Bei dem qualitativen Sonderbedarf nach § 37 Abs. 4 Bedarfsplanungs-Richtlinie wird nicht eine allgemeine Zulassung ausgesprochen, vielmehr wird aufgrund von § 36 Abs. 6 Bedarfsplanungs-Richtlinie die Zulassung nur für die Leistungen ausgesprochen, die im Zusammenhang mit dem Ausnahmetatbestand stehen. Bei dem Sonderbedarf im Zusammenhang mit der Dialyse nach § 37 Abs. 4 Nr. 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie ist die Zulassung beschränkt auf den Versorgungsauftrag im Zusammenhang mit der Anlage 9.1 BMV-Ä.

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Die Beschränkung auf den Sonderbedarf ist grundsätzlich unbefristet. Sie endet jedoch mit der Feststellung des Landesausschusses, dass eine Überversorgung nicht mehr besteht.

a) Lokaler Versorgungsbedarf

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Auf Grund der unterschiedlichen Niederlassungsdichte in großräumigen Planungsbereichen kann in einzelnen Bereichen immer wieder eine Unterversorgung entstehen, die eine weitere Zulassung für einen speziellen räumlichen Bereich erforderlich macht. Von einem großräumigen Planungsbereich kann man dann ausgehen, wenn die längsten Strecken innerhalb eines Landkreises 70 km erfüllen.[201] In Konkretisierung dieser Entscheidung geht das BSG davon aus, dass ein lokaler Sonderbedarf im Bereich allgemeiner Leistungen[202] sogar dann bestehen kann, wenn die Versorgungsangebote mehr als 25 km entfernt sind. Dem lokalen Sonderbedarf kommt insofern eine besondere Bedeutung zu, als dass für die spezialisierte fachärztliche Versorgung der Planungsbereich nach § 13 Bedarfsplanungs-Richtlinie die Raumordnungsregion ist. Ferner ist für die gesonderte fachärztliche Versorgung nach § 14 Abs. 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie der Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung maßgeblich. Daher wird in der Rechtsprechung[203] auf Grund der Differenzierung der Versorgungsstrukturen vorgeschlagen, dass bei der Beurteilung der Zumutbarkeit für die Versicherten, den Arzt zu erreichen, zwischen den unterschiedlichen Versorgungsebenen differenziert werden müsse. Dies führt dazu, dass bspw. die hausärztliche Versorgung eine „Anreisezumutbarkeit“ von maximal 25 Kilometern besteht, während in der gesonderten fachärztlichen Versorgung die Zumutbarkeit bei maximal 100 Kilometern liegen soll. Daher räumt § 36 Abs. 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie die Möglichkeit eines lokalen Sonderbedarfs ein. Bei der Beurteilung, ob ein lokaler Versorgungsbedarf existiert, sind eine Vielzahl von Faktoren zu prüfen, z.B. wie sich das Leistungsangebot der niedergelassenen Ärzte ausgestaltet, wie die Bevölkerungs- und Morbiditätsstruktur ist sowie der Umfang und die räumliche Verteilung der Nachfrage aufgrund der vorhandenen Verkehrsverbindungen.[204] Hierbei steht den Zulassungsgremien ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu,[205] wobei sich die Zulassungsgremien zunächst mit der Frage beschäftigen müssen, welche Versorgungsdichte für den jeweiligen Fachbereich erforderlich ist.[206]

b) Besonderer Versorgungsbedarf in speziellen fachlichen Teilbereichen

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Mit der Regelung in § 37 Abs. 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie soll erreicht werden, dass eine Versorgungslücke geschlossen wird, sofern für einen Schwerpunkt, eine fakultativen Weiterbildung oder eine besonderen Fachkunde für das Facharztgebiet nach der Weiterbildungsordnung ein entsprechender Bedarf existiert. Diese Beschränkung für die Sonderbedarfszulassung bei gleichzeitigem Außerachtlassen von sonstigen Qualifikationen ist durch § 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V gedeckt.[207] Insoweit ist eine Bedarfsanalyse durchzuführen, bei der eine mögliche Leistungserbringung im Krankenhaus – sowohl ambulant als auch stationär – außer Betracht bleibt; entsprechendes gilt auch für Ermächtigungen. Bei der Analyse, ob ein Bedarf existiert, kann nicht nur auf die Aussagen der bereits niedergelassenen Ärzte abgestellt werden, denn diese können häufig interessenorientiert sein. Es ist vielmehr anhand von objektiven Daten die Frage zu prüfen, ob ein zusätzlicher Bedarf existiert oder nicht.[208] Diese Regelung findet für Psychotherapeuten nur eine eingeschränkte Anwendung, weil es die erforderlichen Differenzierungen im Weiterbildungsrecht der Psychotherapeuten trotz der Modifikationen durch das Gesetz zur Reform der Psychotherapeuten nicht gibt.[209] Auf der anderen Seite hat das BSG[210] unter Beachtung der Änderung in § 101 Abs. 4 S. 5 SGB V durch das GKV-OrgWG aus dem Jahr 2008, die Regelung in § 37 Abs. 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie einschränkend ausgelegt, um Wertungswidersprüche zu vermeiden, dies für den Fall dass sich ein psychologischer Psychotherapeut eine Sonderbedarfszulassung für den Bereich der Kinder- und Jungendpsychotherapie begehrt. Wegen dieser Neufassung gelangte das Gericht zu dem Ergebnis, dass diese Sonderbedarfszulassung zu gewähren ist, wenn ein Bedarf vorhanden ist. Ferner ist auch der Bedarf bei den Psychotherapeuten anhand des Umfangs der Leistungserbringer in dem jeweiligen Richtlinienverfahren für die psychotherapeutische Versorgung aufzuklären.[211]

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Wollen die Zulassungsgremien auf die Wartezeiten für Versicherte auf Behandlungstermine abstellen – dieser Gesichtspunkt gilt wieder für alle Fachgruppen – ist zu prüfen, ob die Wartezeit zumutbar ist. Speziell für den Fachbereich der Kardiologie gelangt das BSG[212] zu der Auffassung, eine Wartezeit von 2 Monaten und mehr sei in der kardiologischen Versorgung nicht zumutbar. Dieser Ansatz von 2 Monaten ist sicherlich die äußerste Grenze für einen Versicherten, sie muss im Ergebnis wesentlich kürzer gefasst werden. Dies ergibt sich auch aus § 75 Abs. 1a S. 5 SGB V, wo von einer 4wöchigen Frist für die Terminvergabe gesprochen wird; für eine psychotherapeutische Akutbehandlung ist eine Frist von zwei Wochen in § 75 Abs. 1a S. 15 SGB V vorgesehen. Die genaue Analyse der Versorgungssituation richtet sich nach den gleichen Regeln wie bei der Ermächtigung; zusätzlich muss ein dauerhafter Bedarf existieren.

c) Besonderer Versorgungsbedarf bei der Dialyse

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Bei der Versorgung von Versicherten mit dialysepflichtigen Leistungen ist Anlage 9.1 BMV-Ä zu beachten. Hier ist darauf hinzuweisen, dass eine wohnortnahe Dialyseversorgung für die Versicherten gewährleistet werden muss, da für die Krankenkassen regelmäßig Fahrtkosten nach § 60 SGB V i.V.m. der Krankentransport-Richtlinie anfallen.[213] Da die Qualitätssicherungsvereinbarung zu den Blutreinigungsverfahren nach § 135 Abs. 2 SGB V für die Versorgung einen Arzt-Patienten-Schlüssel vorsieht, der dazu führt, dass eine Praxis nicht unbeschränkt dialysepflichtige Patienten dialysieren darf, muss trotz einer Sperre für die fachärztlichen Internisten die Möglichkeit eingeräumt werden, eine Sonderbedarfszulassung zu erteilen. Dies gilt jedenfalls – sogar ohne spezielle Bedarfsprüfung – dann, wenn ein zweiter Nephrologe in einer Dialysepraxis seine Tätigkeit aufnehmen möchte.[214] Dies geschieht nach § 37 Abs. 4 Bedarfsplanungs-Richtlinie aber nur dann, wenn durch die KV bereits ein entsprechender Versorgungsbedarf positiv festgestellt wurde.[215]

d) Belegarzt

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Für das Belegarztwesen existiert eine Regelung über die Sonderbedarfszulassung nicht in der Bedarfsplanungs-Richtlinie, sondern in § 103 Abs. 7 SGB V. Systematisch handelt es sich hierbei auch um eine Sonderbedarfszulassung, da diese dann zur Anwendung gelangt, wenn Zulassungsbeschränkungen angeordnet wurden. Erhält ein Arzt eine Sonderbedarfszulassung auf Grundlage von § 103 Abs. 7 SGB V, führt das nicht zu einer Beschränkung seines Leistungsangebotes, vielmehr kann er das gesamte Leistungsspektrum seiner Fachgruppe erbringen.[216] Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass ein Krankenhausträger einen Belegarztvertrag ausgeschrieben hat; hierbei ist eine besondere Form der Ausschreibung nicht erforderlich, soweit gewährleistet ist, dass die im Umkreis des Krankenhauses niedergelassenen Vertragsärzte die Möglichkeit der Kenntnisnahme haben.[217] Inhaltlich ist bei der Ausschreibung darauf zu achten, dass das Anforderungsprofil nicht auf einen bereits durch das Krankenhaus favorisierten Arzt fokussiert wird.[218] Dadurch wird die Sonderbedarfszulassung subsidiär zur Frage des Abschlusses eines Belegarztvertrages mit bereits niedergelassenen Ärzten. Das Krankenhaus hat zunächst die Verpflichtung, mit bereits niedergelassenen Ärzten, die auch „belegarztfähig“ sind,[219] Vertragsverhandlungen aufzunehmen und ernsthaft zu verhandeln, wobei das Krankenhaus nicht verpflichtet ist, von seinen Vorstellungen über die Belegabteilung abzuweichen, sofern diese nicht rechtsmissbräuchlich sind.[220] Dies ist ggf. gegenüber den Zulassungsgremien nachzuweisen, wobei die Beurteilung des Verhaltens des Krankenhauses der uneingeschränkten Kontrolle durch die Gerichte unterliegt.[221] Nur wenn die Vertragsverhandlungen scheitern, besteht die Möglichkeit des Abschlusses eines Belegarztvertrages mit einem nicht niedergelassenen Arzt, der sodann eine auf das Vorliegen eines Belegarztvertrages beschränkte Zulassung nach § 103 Abs. 7 SGB V erhält.[222] Die Zulassungsgremien sind berechtigt, die Frage des Scheiterns der Verhandlungen sowie der ordnungsgemäßen Ausschreibung zu überprüfen.[223] Hierbei ist es nicht erforderlich, dass die Anzahl der Belegbetten innerhalb der Ausschreibung aufgeführt wird. Um den Rechtsmissbrauch durch eine pro forma Ausschreibung von einem Belegarztvertrag entgegen zu treten, sind grundsätzlich zehn Belegbetten erforderlich.[224] Die Zahl 10 stellt hierbei keine starre Grenze dar, vielmehr ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob nicht möglicherweise eine geringere Anzahl von Belegbetten ausreicht.[225] Auch die Anzahl der Belegärzte – selbst bei einer kleinen Belegabteilung – innerhalb desselben Fachgebietes ist nicht von Bedeutung.[226] Nicht zulässig sind Belegarztverträge, die selbst gegen das Berufs- oder Vertragsarztrecht verstoßen, so bspw., wenn letztlich die Grenzen des Belegarztwesens überschritten werden.[227]

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Wird dem Arzt eine Zulassung erteilt, so erhält er innerhalb der ambulanten Versorgung abrechnungstechnisch eine Vollzulassung, die jedoch für den Zeitraum von 10 Jahren akzessorisch zum Belegarztvertrag ist. Wird der Belegarztvertrag innerhalb dieser Zeit beendet, erlischt die Zulassung automatisch.[228]

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Ferner haben die Zulassungsgremien die Frage zu klären, ob die für das Krankenhaus verbindlichen Vorschriften der Krankenhausbedarfsplanung eingehalten worden sind und ob der Arzt seinen Wohnsitz in ausreichender Nähe zum Krankenhaus genommen hat.[229] Diese Sonderregelung gilt auch für ein MVZ, wobei der Träger des MVZ den Vertrag mit dem Krankenhaus abschließen muss.[230]

14. „Gnadenquartal/Praxisverweser/Witwenquartal“

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Die Zulassung eines Vertragsarztes endet immer durch seinen Tod (§ 95 Abs. 7 S. 1 SGB V). Dies hat zur Konsequenz, dass die Praxis ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich nicht mehr betrieben werden kann; dies kann Versorgungsprobleme für Versicherte mit sich bringen. Gleichzeitig können die Erben die Praxis nicht betreiben, was zu Zeitverlusten im Nachbesetzungsverfahren führt[231] und noch Praxis-Personal beschäftigt ist. Um diesen nicht wünschenswerten Zustand zu vermeiden, sieht § 4 Abs. 3 BMV-Ä eine Sonderregelung vor. Nach dieser Regelung ist die KV berechtigt, für die Dauer von bis zu zwei Quartalen nach dem Tod des Vertragsarztes die Fortführung der Praxis durch einen anderen Arzt zu genehmigen; hierüber sind die Krankenkassen zu informieren. Eine vergleichbare Regelung existiert für den Bereich der Zahnärzte nicht; nach zutreffender Auffassung des SG Potsdam[232] kann jedoch auf § 10 MBO-Zahnärzte, der die Möglichkeit einer Tätigkeit eines Zahnarztes für den verstorbenen Zahnarzt für die Dauer von zwei Quartalen vorsieht, zurückgegriffen werden. Teilweise wird diese Fortführung der Praxis nicht durch eine Entscheidung der KV, sondern über den Weg der Ermächtigung durch den Zulassungsausschuss gewählt.[233] Bei letztgenanntem Weg wird in der Praxis jedoch nicht eine ernsthafte Prüfung des Bedarfs i.S.v. § 116 SGB V durchgeführt, sondern aus praktischen Gründen gleich die Ermächtigung ausgesprochen.

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Rechtsgrundlage für diese bundesmantelvertragliche Regelung ist wohl in § 31 Abs. 2 Ärzte-ZV zu sehen, wonach in den Bundesmantelverträgen Regelungen getroffen werden können, die über die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Ärzte-ZV hinaus Ermächtigungen zur Erbringung bestimmter Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung vorsehen. Wenn man sich dieser Auffassung anschließen will, wäre jedoch die KV nicht mehr zuständige Behörde, vielmehr müssten die Zulassungsgremien entsprechende Entscheidungen treffen, da in den Bundesmantelverträgen nur materiell-rechtliche Regelungen, nicht jedoch Zuständigkeitsentscheidungen der Behörden getroffen werden dürfen.[234]

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Inhaltlich ist zu fragen, ob der Praxisverweser „Vertreter“[235] des Verstorbenen ist oder ob er nicht eine eigene Berechtigung erworben hat, Leistungen zu erbringen, mit der Konsequenz, dass dem Praxisverweser die Vergütung innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung zusteht und nicht den Erben. Aus den Regelungen der Bundesmantelverträge lässt sich hierzu nichts Eindeutiges herleiten, denn die Genehmigung betrifft lediglich die Weiterführung der Praxis des verstorbenen Vertragsarztes. Im Ergebnis wird man dazu kommen müssen, dass wegen des Todes und dem damit verbundenen Verlust der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung die Erben keine direkte Beziehung mehr zur vertragsärztlichen Versorgung haben und deswegen der Praxisverweser eine eigene Berechtigung innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung besitzen muss.[236] Dies hat zur Folge, dass alle Rechte und Pflichten auf privatrechtlicher Ebene zwischen den Erben und dem Praxisverweser vereinbart werden müssen. Letzterer ist dann auch innerhalb seiner Tätigkeit umfassend eigenverantwortlich, so dass Regresse, Honorarkürzungen und ähnliches zu seinen Lasten gehen.

8. Kapitel Vertragsarztrecht › G. Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung › VII. Ermächtigung

VII. Ermächtigung

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Eine weitere Möglichkeit der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung gem. § 116 SGB V i.V.m. § 31 Ärzte-ZV besteht in Form einer Ermächtigung eines Arztes, einer ärztlich geleiteten Einrichtung oder eines Krankenhauses, einer Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtung oder stationären Pflegeeinrichtungen sowie einer Einrichtung der beruflichen Rehabilitation. Eine Ermächtigung stellt den ermächtigten Arzt hinsichtlich der Rechte und Pflichten weitestgehend mit einem zugelassenen Arzt gleich. Der Ermächtigte kann Leistungen für GKV-Versicherte erbringen und Vergütung durch die KV verlangen, soweit er diese Leistungen persönlich erbracht hat.[237] Die Leistungen werden nach § 120 Abs. 1 S. 3 SGB V an das Krankenhaus gezahlt; bei Streitigkeiten zwischen ermächtigtem Ärzten und dem Krankenhaus auf Auszahlung der Vergütung ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet.[238] Die Ermächtigung kann nur für Leistungen ausgesprochen werden, die in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung erbracht werden können und dürfen;[239] sie darf im Übrigen nicht rückwirkend erteilt werden.[240]

594

Bei der Ermächtigung von Ärzten gelten die gleichen Voraussetzungen an die persönliche und fachliche Qualifikation wie bei der Zulassung mit der Ausnahme, dass die Tätigkeit als Krankenhausarzt nicht zur Anwendbarkeit die Rechtsprechung zur Nebentätigkeit führt. Weder für einen Konsiliararzt noch einen Belegarzt kann eine Ermächtigung ausgesprochen werden, da beide Ärzte nicht in das Krankenhaus eingegliedert sind.[241] Bei dem Krankenhausarzt ist es erforderlich, dass er hauptberuflich im Krankenhaus tätig ist, eine reine Nebentätigkeit ist insoweit nicht ausreichend. Der Tätigkeitsumfang muss der Hälfte eines vollbeschäftigten Arztes entsprechen.[242] Bei der Bestimmung des Ortes, an dem die Ermächtigung ausgeübt werden soll, ist es nicht erforderlich, dass die Tätigkeit auch für den Sitz des Krankenhauses, an dem der Arzt beschäftigt ist, ausgesprochen wird.[243]

595

Ferner bedarf die Ermächtigung für den Arzt der Zustimmung des Krankenhausträgers. Unzulässig ist es für den Krankenhausträger jedoch diese Zustimmung zu verweigern, um dadurch eine Institutsermächtigung zu erhalten.[244]

596

Eine Ermächtigung ist nur bei einem bestehenden Bedarf nach der Leistung gem. § 116 S. 2 SGB V/§ 31 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV möglich. Hierbei ist nach den Grundsätzen der Bedarfsplanung und Versorgungssicherstellung eine Ermächtigung im Verhältnis zur Zulassung subsidiär.[245] Der Bedarf muss entweder quantitativ-allgemein oder qualitativ-speziell sein.[246] Beim quantitativ-allgemeinen Bedarf ist es nicht zwingend, die Prüfung des Zulassungsausschusses auf Schwerpunktbezeichnungen[247] oder Zusatzbezeichnungen[248] zu verfeinern.

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Einen quantitativ-allgemeinen Bedarf wird man nur bejahen können, wenn auf Grundlage der Bedarfsplanung nach § 99 SGB V keine Überversorgung[249] vorliegt, eine Unterversorgung im Sinne der Bedarfsplanungs-Richtlinie ist dagegen auch nicht erforderlich. Ferner wird man einen entsprechenden Bedarf auch dann bejahen können, wenn die Wartezeiten auf einen Behandlungstermin zu lang sind.[250] Dabei ist es auch möglich, sich bei den niedergelassenen Ärzten weitere Informationen einzuholen.[251]

598

Sofern ein so großer Versorgungsbedarf besteht, dass unter Berücksichtigung der Bedarfsplanung eine weitere Zulassung möglich wäre, muss primär versucht werden, den Bedarf durch Erteilung einer weiteren Zulassung eines Arztes zu decken. Dabei muss der fraglich unterversorgte Leistungsbereich aber auch für eine weitere Zulassung wirtschaftlich ausreichend sein. Erst wenn Vertragsarztsitze trotz Ausschreibung mangels Bewerber nicht vergeben werden können, kommt eine Ermächtigung in Frage. Allerdings geht in einer solchen Fallkonstellation die Sonderbedarfszulassung einer Ermächtigung vor.[252]

599

Zusätzlich gilt für den Bereich der ärztlich geleiteten Einrichtung – Institutsermächtigung –, dass die Ermächtigung einer ärztlich geleiteten Einrichtung grundsätzlich subsidiär im Verhältnis zur Ermächtigung eines Arztes ist.[253] Ferner entfällt die Möglichkeit einer Institutsermächtigung in den Fällen, in denen um qualitätsgebundene Leistungen im Sinne von § 135 Abs. 2 SGB V gestritten wird, da diese Ermächtigung nur einem einzelnen Arzt übertragen werden kann.[254] Durch das Untersagen einer Nebentätigkeitserlaubnis für einen Krankenhausarzt kann die Subsidiarität der Institutsermächtigung im Verhältnis zur Ermächtigung eines Krankenhausarztes nicht unterlaufen werden.[255]

600

Die Prüfung des qualitativ-speziellen Bedarfs ist innerhalb eines komplexen Verfahrens vorzunehmen. Die abstrakte Aussage, als Krankenhausarzt sei man höher qualifiziert, ist keine Grundlage für die Erteilung einer Ermächtigung, da aufgrund einer generalisierenden Betrachtungsweise davon ausgegangen wird, alle Ärzte hätten aufgrund des Aus- und Weiterbildungsstandes die gleiche Qualifikation.[256] Grundsätzlich wird für die Prüfung des Versorgungsbedarfs das Versorgungsangebot innerhalb des Planungsbereichs betrachtet; lediglich in Ausnahmefällen kann auch für den angrenzenden Planungsbereich geprüft werden, ob in diesen nicht der Versorgungsbedarf abdeckt wird.[257] Hierbei spielt der Bedarfsplan nach § 99 Abs. 1 SGB V nur eine untergeordnete Rolle.[258] Die „Monopolstellung“ eines Vertragsarztes, der die entsprechenden Leistungen erbringt, rechtfertigt nicht, einen Krankenhausarzt zu ermächtigen, um den Versicherten eine Behandlungsalternative zu bieten.[259] Hierbei kommt es nicht darauf an, dass bei der Versorgung von Ausländern die jeweilige Muttersprache vom zu Ermächtigenden beherrscht wird.[260] Nach der aus versorgungspraktischen Überlegungen fragwürdigen Rechtsprechung des BSG stellt es im Übrigen keinen Bedarf dar, wenn ein Radiologe für radiologische Leistungen ermächtigt werden soll, die auf Überweisung von ermächtigten Krankenhausärzten des gleichen Krankenhauses erbracht werden sollen.[261] Nicht zulässig ist es von Seiten der Zulassungsausschusses bei der Bedarfsprüfung im Rahmen der Anfrage bei niedergelassenen Ärzten auf die Aussage zu vertrauen, sie hätten noch freie Kapazitäten. Hier besteht die Verpflichtung, ggf. auch anhand der Abrechnungsstatistiken zu prüfen, ob tatsächlich noch freie Kapazitäten existieren.[262]

601

Wird eine Ermächtigung erteilt, ist es zulässig den Zugang zu dem ermächtigten Arzt in der Form zu begrenzen, dass er nur auf Überweisung einer oder mehrerer Fachgruppen tätig werden darf.[263] Dies gilt dann nicht, wenn sich bereits bei der Bedarfsanalyse herausstellt, dass der zu ermächtigende Arzt der Einzige ist, der diese Leistungen erbringen kann. Ist dies der Fall, ist die Beschränkung der Überweiser auf bestimmte Fachgruppen unzulässig.[264]

602

Im Zusammenhang mit der auch ambulanten Tätigkeit eines Krankenhauses ist eine Ermächtigung häufig nicht möglich. Ein steuerndes Verhalten des Krankenhauses im Zusammenhang mit ambulanten Operationen nach § 115b SGB V, nach dem bestimmte ambulante Operationen nicht angeboten werden, um eine Ermächtigung eines Krankenhausarztes zu ermöglichen, rechtfertigt in der Regel eine Ermächtigung des Krankenhausarztes nicht.[265] Gleichfalls soll eine Ermächtigung im Zusammenhang mit der nachstationären Versorgung von Patienten nicht möglich sein.[266] Diese Entscheidung differiert mit der Entscheidung des BSG[267], wonach die nachstationäre Behandlung eine subsidiäre Behandlungsform des Krankenhauses ist, die nur zulässig ist, wenn innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung keine ausreichende Behandlungsmöglichkeit besteht. Es bleibt in diesem Zusammenhang abzuwarten, wie die unterschiedlichen Auffassungen des 6. Senates und des 1. Senats in Einklang gebracht werden; sofern nicht ein Senat seine bisherige Rechtsauffassung aufgibt, wird der Große Senat des BSG zu entscheiden haben.

603

Die Prüfung des Versorgungsbedarfs führt dazu, dass eine Ermächtigung als „Notlösung“ zu beenden ist, wenn zu einem späteren Zeitpunkt der Versorgungsbedarf durch eine Zulassung eines Arztes gedeckt wird. Das Ziel der Schließung einer Versorgungslücke wird durch die Befristung der Ermächtigung erreicht, so dass es unzulässig ist, noch zusätzlich durch Bedingungen oder Vorbehalte des Nichteintrittes bestimmter – die Versorgungssituation verändernder – Ereignisse abhängig gemacht werden kann.[268]

604

Die Ermächtigung ist zeitlich, räumlich und ihrem Umfang nach (gemeint ist der abrechenbare Leistungsbereich und ggf. die Begrenzung auf Tätigkeit nach Überweisung) zu bestimmen. Hierbei kann der Umfang auch auf einzelne Leistungen bzw. Gebührenordnungspositionen begrenzt werden. Auch ist es im Einzelfall zulässig, die Ermächtigung insoweit zu beschränken, dass Überweisungen nur von Ärzten desselben Fachgebietes erfolgen dürfen.[269] Dies führt jedoch nicht zur generellen Zulässigkeit der Beschränkung der Ermächtigung, ohne dass tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt worden ist.[270] Die zeitliche Beschränkung – Befristung – ist zulässig, und die Zulassungsgremien überschreiten ihren Beurteilungsspielraum in der Regel nicht, wenn die Ermächtigung für zwei Jahre befristet erteilt wird.[271] Die Ermächtigung eines Arztes kann auch durch das Ausscheiden aus der Krankenhaustätigkeit beendet werden.[272] Weiter ist bei der Berechtigung auf Grundlage einer Ermächtigung zu beachten, dass die Möglichkeit für den ermächtigten Arzt, selbst eine Überweisung auszustellen, innerhalb des Ermächtigungsbescheides geregelt werden muss. Sollte eine entsprechende Regelung im Ermächtigungsbescheid nicht vorhanden sein, ist das Ausstellen einer Überweisung durch den ermächtigten Arzt unzulässig.[273]

605

Die Kontrolldichte der Gerichte bei Ermächtigungen ist eingeschränkt. Den Zulassungsgremien steht ein Beurteilungsspielraum zu, ob eine Versorgungslücke bzw. ein Bedarf besteht.[274] Wird eine Nebenbestimmung zum Ermächtigungsbescheid erlassen, ist diese im Rahmen des Verfahrens über die Ermächtigung anzufechten, nicht dagegen im Zusammenhang mit einer nachfolgenden sachlich-rechnerischen Berichtigung der Honorarabrechnung.[275]

606

Nach § 31 Abs. 2 Ärzte-ZV i.V.m. § 5 Abs. 2 BMV-Ä besteht die Möglichkeit eine gesonderte Ermächtigung ohne Bedarfsprüfung auszusprechen. Dies betrifft folgende Leistungen:


Zytologische Diagnostik von Krebserkrankungen, wenn der Arzt oder die Einrichtung mindestens 6.000 Untersuchungen jährlich in der Exfoliativ-Zytologie durchführt und regelmäßig die zum Erwerb der Fachkunde in der zytologischen Diagnostik notwendigen eingehenden Kenntnisse und Erfahrungen vermittelt,
ambulante Untersuchungen und Beratungen zur Planung der Geburtsleitung im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge gemäß den Richtlinien des G-BA.

607

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4983 p. 6 illustrations
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9783811492691
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