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b) Besondere Versorgung nach § 140a SGB V

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Nach dem durch das GKV-VSG neu gefassten § 140a Abs. 2 SGB V können die Krankenkassen Versorgungsverträge über die ambulante vertragsärztliche Versorgung hinaus in die stationäre Versorgung und über die Versorgung mit Arzneimitteln oder Teilbereichen davon abschließen, ohne dass die KV daran mitwirken müssen. Ermöglicht werden soll eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende oder eine interdisziplinär fachübergreifende Versorgung sowie unter Beteiligung von Vertragsärzten besondere ambulante ärztliche Versorgungsaufträge. Die früher getrennt geregelte integrierte Versorgung und die besonderen Versorgungsaufträge aufgrund von Selektivverträgen wurden in einer Regelung zusammengefasst.

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Vertragspartner gegenüber den Krankenkassen können nach § 140a Abs. 3 SGB V wie in den früheren Modellen alle Leistungserbringer nach dem 4. Kapitel SGB V oder Gemeinschaften dieser, Träger von Einrichtungen, die eine besondere ambulante Versorgung durch solche Leistungserbringer anbieten, wie auch die KV sein. Neu hinzu gekommen sind Pflegekassen und Pflegeeinrichtungen, pharmazeutische Unternehmer und Hersteller von Medizinprodukten, zuletzt auch die Hersteller von besonderen digitalen Versorgungsangeboten, sog. „Gesundheits-Apps“.[116]

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Ein Anspruch auf Vertragsabschluss besteht auf Leistungserbringerseite nicht. Ob die Krankenkassen, wenn sie sich für ein besonderes Versorgungsmodell entschieden haben, die Aufforderung zur Abgabe entsprechender Versorgungsangebote öffentlich nach den vergaberechtlichen Vorschriften des GWB ausschreiben und nach objektiven Auswahlkriterien vergeben müssen, war für die „alten Verträge auf Basis von § 73c SGB V a.F. entschieden worden.[117] Bei der besonderen Versorgung nach § 140a SGB V dürfte es auf die Art des Versorgungsvertrages ankommen. § 99 GWB verlangt die Vergabe eines öffentlichen Auftrages. Damit besteht in den meisten Fällen die Pflicht zur Ausschreibung (vgl. Bäune Kap. 9, Rn. 30 ff.). Wenn der Versorgungsvertrag mit verschiedenen Leistungserbringern z.B. nur dazu dient, deren Angebote für bestimmte Versicherte zu organisieren und aufeinander abzustimmen (vgl. § 140a Abs. 2 S. 6 SGB V), dürfte eine Ausschreibungspflicht unabhängig vom Überschreiten der Schwellenwerte nicht gegeben sein.[118]

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Die einzelvertraglich definierten Versorgungsbereiche stehen nicht mehr allen Versicherten offen. Die Krankenkassen übernehmen den Sicherstellungsauftrag in den definierten Versorgungsbereichen und bieten diese Versorgung ihren Mitgliedern als Alternative zur vertragsärztlichen Versorgung an. Die Versorgung der eingeschriebenen Mitglieder erfolgt dann durch selektiv unter Vertrag genommene Leistungserbringer oder deren Gemeinschaften. Weitere Details der Einschreibung der Versicherten und deren Bindung an die unter Vertrag genommen Leistungserbringer. Ausnahmen vom Überweisungsgebot sind nach § 140a Abs. 4 S. 5 und 6 SGB V in den Teilnahmeerklärungen und den Satzungen der Krankenkassen zu regeln.

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Eine Mitwirkung der KV an den besonderen Versorgungsverträgen ist zwar zur Unterstützung ihrer teilnehmenden Mitglieder möglich, aber nicht verpflichtend. Systemkonform sieht § 140a Abs. 6 SGB V wiederum die Bereinigung der Gesamtvergütungen um die Leistungsanteile der vereinbarten Versorgungsbereiche vor, weshalb auch hier die gesamtvertragliche Vereinbarung eines Bereinigungsverfahrens notwendig ist (vgl. Rn. 239 ff. und vgl. Rn. 857).

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Inhalt eines Versorgungsvertrages kann nicht nur die gesamte ambulante Versorgung abweichend von dem im 4. Kapitel SGB V vorgegebenen Rahmen sein, sondern auch Versorgung aus anderen Sektoren, zum Beispiel stationäre Leistungen wie auch die Arzneimittel-, Heil und Hilfsmittelversorgung. Deshalb darf nicht nur von den Vorschriften des 4. Kapitels SGB V, sondern auch von KHG und KHEntgG abgewichen werden. Auch dürfen die Leistungen des 3. Kapitel SGB V anders definiert werden. Sogar die Einbeziehung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ist möglich, solange diese der G-BA nicht aus der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossenen hat. Allerdings dürfen die vom G-BA in Richtlinien aufgestellten Qualitätsanforderungen auch in den besonderen Versorgungssystemen nicht unterschritten werden. Binnen vier Jahren ab Umsetzung eines besonderen Versorgungsvertrages muss dessen Wirtschaftlichkeit nachgewiesen werden. Zu weiteren Details siehe Bäune Kap. 9.

c) Modellvorhaben

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Zur Weiterentwicklung der Verfahrens-, Organisations-, Finanzierungs- und Vergütungsformen können Krankenkassen nach § 63 SGB V im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenstellung Modellvorhaben durchführen, die einer Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung dienen. Hierbei darf von den Vorschriften des IV. und X. Kapitels des SGB V abgewichen werden, soweit damit nicht der Grundsatz der Beitragssatzstabilität gefährdet wird und nicht Leistungen erfasst werden, die der G-BA von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen hat.[119] Anders als die besonderen Versorgungsverträge sind Modellvorhaben auf längstens 8 Jahre zu befristen. Nach § 65 SGB V müssen die Modellvorhaben wissenschaftlich begleitet und ausgewertet werden.

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Zur Durchführung der Modellvorhaben können die Krankenkassen oder deren Verbände mit einzelnen oder Gruppen zugelassener Leistungserbringer nach § 64 SGB V Verträge schließen. Die KV dürfen einbezogen werden. Interessant hierbei sind die Möglichkeiten einerseits nach § 63 Abs. 3b SGB V die Verordnung von Verbands- und Pflegehilfsmittel und die Ausgestaltung der häuslichen Krankenpflege, wenn es sich dabei nicht um die selbstständige Ausübung der Heilkunde handelt und anderweitige, nach § 63 Abs. 3c SGB V unter dem Arztvorbehalt stehende Heilkundemaßnahmen im beschränkten Umfang, auch wenn damit selbstständige Heilkunde ausgeübt wird,[120] auf qualifizierte Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner zu übertragen.[121]

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Bei Modellvorhaben, die die Verbesserung und Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung zum Ziel haben, können nach § 64a SGB V neben den KV auch die Apothekerorganisationen einbezogen werden. Dadurch eingesparte Verordnungskosten sind in Teilen an die beteiligten Leistungserbringer weiterzugeben. Wie das zu realisieren ist und welche Wirkstoffe umfasst sein sollen, ist zwischen den Beteiligten vertraglich zu regeln.

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Im durch das PsychEntgG neugeschaffenen § 64b SGB V wird der Anwendungsbereich der Modellvorhaben auf die sektorenübergreifende Versorgung psychisch kranker Menschen erweitert. Mit einbezogen werden soll das häusliche Umfeld der Patienten. Als Vertragspartner neben den Vertragsärzten kommen hier auch die Institutsambulanzen nach § 118 SGB V in Betracht. Auch private Krankenversicherer dürfen sich beteiligen.

d) Bereinigungsverfahren

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Systematisch folgerichtig muss die von den Krankenkassen in den jeweiligen selektivvertraglichen Systemen an die teilnehmenden Vertragsärzte ausgeschüttete Vergütung von der an die KV zur Verteilung bezahlte Gesamtvergütung abgezogen werden, damit es nicht zu Doppelzahlungen kommt (siehe Rn. 856 ff.).[122] Nach §§ 73b Abs. 7 und 140a Abs. 6 SGB V hat dies bei der hausarztzentrierten und bei der besonderen Versorgung durch entsprechende Bereinigung des als Grundlage der Gesamtvergütung nach § 87a Abs. 3 S. 2 SGB V gesamtvertraglich zu vereinbarenden Behandlungsbedarfs. Die Bereinigung ist entgegen des § 73b Abs. 3 S. 2 SGB V a.F. zwingend.[123] Hierüber haben sich die KV mit den Landesverbänden der Krankenkassen rechtzeitig zu einigen. Dazu haben die Krankenkassen die erforderlichen Daten zu liefern.

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Einigen sich KV und Krankenkassen nicht über den Umfang der Bereinigung, kommt eine Gesamtvergütungsvereinbarung nicht zustande. Daher kann das Schiedsamt nach § 89 SGB V angerufen werden, welches dann den Umfang der Bereinigung festzulegen hat. Zusätzlich können auch die Partner der jeweiligen Versorgungsverträge das Schiedsamt anrufen.

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Die größte praktische Schwierigkeit besteht in der Bereinigung der an die KV zu zahlenden Gesamtvergütung um die direkt in der HzV bezahlten Vergütungsbestandteile. Das liegt u.a. auch an der kaum möglichen Aufteilung der Behandlungsfälle in die der Zuständigkeit der KV entzogenen Fälle aus dem jeweiligen Selektivvertrag und die in der Regelversorgung verbleibenden Fälle, vor allem wenn die Patienten die Versorgungsgrenzen nicht beachten. Nach § 87a Abs. 5 S. 9 SGB V hat der Bewertungsausschuss geeignete pauschalierende Bereinigungsverfahren zu beschließen. Dem ist er in mehreren Beschlüssen nachgekommen.[124] Diese Beschlüsse sind von den Partnern der Gesamtverträge umzusetzen. Einen eigenen Gestaltungsspielraum haben sie nur insoweit, als dieser ihnen in den Beschlüssen durch Subdelegation zugewiesen ist.[125]

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Die Herausnahme der über die Selektivverträge gesteuerten Versorgung aus der Regelversorgung der KV verursacht wegen der den KV nicht mehr zur Verfügung stehenden Leistungsdaten aus der HzV zahlreiche weitergehende Probleme, z.B. im Zusammenhang mit den Datengrundlagen für die Abrechnungsprüfungen nach § 106d SGB V, bei den Arzneimittelvereinbarungen nach § 84 Abs. 1 SGB V und bei den Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 106 SGB V.

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Hinweis

Die jeweilige KV verfügt systembedingt regelmäßig über keine Daten über die in den selektiven Versorgungssystemen abgewickelten Behandlungsfälle. Die der KV vorliegenden Abrechnungsdaten vermitteln daher ein unzureichendes oder sogar falsches Bild des wirklichen Behandlungsgeschehens in einer geprüften Praxis. Daher muss der Arzt erforderlichenfalls die Daten liefern um ungerechtfertigte Prüfergebnisse abzuwehren.

5. Dreiseitige Verträge

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Zur Abgrenzung der Schnittstellen, wie auch zur Überwindung der Trennung der ambulanten und stationären Versorgungssektoren sieht § 115 Abs. 1 SGB V den Abschluss von dreiseitigen Verträgen zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen einerseits und den KV und den Landeskrankenhausgesellschaften auf der anderen Seite vor. Der Vertrag soll eine nahtlose ambulante und stationäre Behandlung der Versicherten durch enge Zusammenarbeit zwischen Vertragsärzten und zugelassenen Krankenhäusern gewährleisten. Dazu gehören nach § 115 Abs. 2 SGB V Regelungen zur Förderung des Belegarztwesens und der Zusammenarbeit in Praxiskliniken, der gegenseitigen Unterrichtung in Bezug auf Krankenhauseinweisung und -entlassungen, der Zusammenarbeit beim Notdienst, der Abgrenzung vor- und nachstationärer Behandlungen und der allgemeinen Bedingungen ambulanter Behandlungen im Krankenhaus. Die Vergütung der Leistungen darf im Vertrag jeweils mitgeregelt werden.[126]

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Das Nichtzustandekommen von Verträgen nach § 115 SGB V in den meisten Bundesländern, einschließlich der Rahmenempfehlungen nach Abs. 5, veranlasste den Gesetzgeber zur Einführung der §§ 115a und 115b SGB V durch das GSG. § 115a SGB V öffnet die ambulante vor- und nachstationäre Behandlung für die Krankenhäuser und grenzt diese Leistungen gleichzeitig von der stationären Krankenhausbehandlung ab. Die hierfür anfallenden Vergütungen sind nach Abs. 3 von den Landesverbänden der Krankenkassen mit den Landeskrankenhausgesellschaften und dem Verband der privaten Krankenversicherer im Benehmen mit den KV zu vereinbaren.

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Nach § 115b SGB V haben die Spitzenverbände der Krankenkassen mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der KBV einen Katalog ambulant durchführbarer Operationen und sonstiger stationsersetzender Eingriffe, die Vergütung dieser Leistungen und Maßnahmen der Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit vereinbart.[127] Nach Abs. 3 sind die Krankenhäuser zur ambulanten Durchführung der in dem Katalog aufgeführten Eingriffe automatisch zugelassen. Sie müssen allerdings in den Leistungsbereichen, in denen sie ambulant operieren, auch stationäre Krankenhausbehandlungen erbringen.[128] Die Erweiterung der Krankenhausleistungen auf die ambulanten Leistungen der §§ 115a und 115b SGB V ist im Zusammenhang mit § 39 Abs. 1 SGB V zu sehen, der den Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlungen ausdrücklich auch auf diese ambulanten Leistungen ausdehnt.

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Für die spezialfachärztliche Versorgung nach § 116b SGB V, deren inhaltliche Ausgestaltung der G-BA in Richtlinien regelt, vereinbaren der Spitzenverband Bund, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die KBV nach § 116b Abs. 6 S. 2 SGB V gemeinsam und einheitlich die Kalkulationssystematik, diagnosebezogene Gebührenpositionen in Euro sowie deren verbindliche Einführungszeitpunkte nach Inkrafttreten der jeweiligen Richtlinie des G-BA, sowie Details des Abrechnungsverfahrens.

6. Vereinbarungen über zahntechnische Leistungen

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Nach § 88 SGB V sind Vereinbarungen über die zahntechnischen Leistungen, die nach § 28 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 SGB V zur vertragszahnärztlichen Behandlung gehören, zu treffen. Die Vereinbarungen werden auf zwei Ebenen abgeschlossen. Zunächst vereinbart der Spitzenverband Bund mit dem Verband Deutscher Zahntechnikerinnungen (VDZI) nach § 88 Abs. 1 SGB V ein bundeseinheitliches Verzeichnis der abrechnungsfähigen zahntechnischen Leistungen (BEL).[129] Die Vertragszahnärzte sind an dieser Vereinbarung insoweit beteiligt, als das BEL im Benehmen mit der KZBV vereinbart werden muss.[130] Nicht beteiligt ist die KZBV an den nach § 88 Abs. 2 SGB V von den Landesverbänden der Krankenkassen mit den Zahntechnikerinnungen zu vereinbarenden Vergütungen für die im BEL aufgeführten zahntechnischen Leistungen.

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Unabhängig von den Regelungen des § 88 SGB V vereinbaren der GKV-Spitzenverband und der VDZI nach § 57 Abs. 2 S. 1 SGB V jährlich, wiederum ohne Beteiligung der KZBV, die bundeseinheitlichen durchschnittlichen Preise für die zahntechnischen Leistungen bei den Regelversorgungen für Zahnersatz im befundorientierten Festzuschuss-System. Auf deren Basis legen die Landesverbände der Krankenkassen mit den Innungsverbänden der Zahntechniker nach § 57 Abs. 2 S. 3 SGB V die Preise für die Regelversorgungen nach § 56 Abs. 1 SGB V fest, die die bundeseinheitlichen durchschnittlichen Preise um bis zu 5 % über- oder unterschreiten dürfen. Der Grund für die Einführung der Sonderregeln für die Festlegung der Preise für Zahnersatzleistungen war die Herausnahme des Zahnersatzes aus der Regelversorgung für Versicherte. Dafür war eine gesonderte Finanzierung des Zahnersatzes vorgesehen, die aber inzwischen wieder entfallen ist.[131] Daher besteht der Grund für eine gesonderte Vereinbarung neben den Vereinbarungen nach § 88 SGB V nicht mehr.

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Sowohl diese regional vereinbarten Vergütungen, als auch die Preise des BEL sind Höchstpreise. Über die Höchstpreise hinausgehende Vergütungen darf der einer Innung angehörende Zahntechniker gegenüber dem auftraggebenden Zahnarzt nicht verlangen.[132] Die Höchstpreislisten sind keine Taxe i.S.v. § 632 BGB. Sie gelten dennoch gegenüber den nicht innungsgebundenen Zahntechnikern über die Rechtsfigur der sog. „Außenseitererstreckung“.[133] Zahnärzte, die im eigenen Labor technische Leistungen erbringen, müssen die Höchstpreise sowohl bei den Leistungen der Regelversorgung, als auch beim BEL insgesamt um 5 % unterschreiten, §§ 57 Abs. 2 S. 6 und 88 Abs. 3 SGB V.

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Regelungen über die Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und gewerblichem Zahnlabor enthalten die Vereinbarungen nicht.[134] Die Gesamtverträge der Krankenkassen mit den KZV enthalten Regelungen, die das Rechtsverhältnis der Vertragszahnärzte mit den KZV bzw. Krankenkassen betreffen und insoweit auf das Rechtsverhältnis der Vertragszahnärzte zu den gewerblichen Laboren ausstrahlen, dieses aber nicht inhaltlich ausgestalten.[135] Seitdem die Versicherten bei Zahnersatzversorgungen Anspruch gegenüber ihrer Krankenkasse auf befundorientierte Festzuschüsse nach § 55 Abs. 1 S. 1 SGB V haben, entsteht der Krankenkasse durch Überschreitung der Höchstpreise, wie auch durch Kickbacks kein Schaden mehr, weil die Festzuschüsse nach § 55 Abs. 1 S. 2 SGB V auf Basis der Höchstpreise unabhängig von den tatsächlich in Rechnung gestellten Preisen festgesetzt werden.[136]

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Sowohl das BEL, wie auch die Höchstpreisvereinbarungen, sind öffentlich-rechtliche Verträge nach § 53 SGB X. Da die Vertragszahnärzte über die gesamtvertraglichen Regelungen hinsichtlich der von ihnen betriebenen Praxislabore auch an das BEL gebunden sind und damit die von Krankenkassen und Zahntechnikerinnungen vereinbarten Höchstpreise auch für sie gelten, ist die Nichtbeteiligung der KZV am Abschluss der Verträge über zahntechnische Leistungen systemwidrig. Es handelt sich insofern um Verträge zu Lasten Dritter, deren Wirksamkeit gegenüber den Vertragszahnärzten nach § 57 Abs. 1 SGB X von deren Zustimmung abhängt.[137] Diese Zustimmung kann über die Gesamtverträge fingiert werden, wenn diese Regelungen über die Verbindlichkeit der Höchstpreislisten für die Vertragszahnärzte enthalten.

7. Vergütungsvereinbarung zum Standard- und Basistarif der PKV

253

Der durch das GKV-WSG eingeführte § 75 Abs. 3b SGB V sieht als Folge der den KV in Abs. 3a übertragenen Sicherstellung der Versorgung der im brancheneinheitlichen Standardtarif bzw. im Basistarif der PKV nach § 153 VAG versicherten Personen vor, dass die KV und die KBV mit dem Verband der privaten Krankenversicherer einvernehmlich mit Wirkung für die Mitgliedsunternehmen und im Einvernehmen mit den beamtenrechtlichen Trägern der Beihilfe Vereinbarungen abschließen können, mit denen von den gesetzlich geregelten Vergütungsätzen des Standardtarifs nach § 257 Abs. 2a i.V.m. § 314 SGB V und nach § 257 Abs. 2a i.V.m. § 315 SGB V und des Basistarifs nach § 12 Abs. 1a VAG abgewichen werden kann. Davon haben die beteiligten Vertragspartner Gebrauch gemacht und mit Wirkung ab 1.4.2010 die Vergütung der ärztlichen Leistungen mit einigen Ausnahmen zum 1,2-fachen Satz der GOÄ vereinbart.[138] Für zahnärztliche Leistungen kam noch keine Vereinbarung zustande.[139]

8. Rechtsqualität der Verträge

254

Alle innerhalb des vom SGB V eröffneten Aufgabenbereichs von den unterschiedlichen Beteiligten geschlossenen Verträge sind öffentlich-rechtlich und unterliegen damit den formellen Bestimmungen der §§ 53 ff. SGB X, soweit das insoweit vorrangige SGB V keine Abweichungen vorsieht.[140] Die Verträge sind nach § 72 Abs. 2 SGB V schriftlich abzuschließen.[141] Die Erstellung einer einheitlichen Vertragsurkunde ist bei den Kollektivverträgen nicht erforderlich und wegen deren vielfältigen Bestandteilen, die zu verschiedenen Zeiten vereinbart werden, auch gar nicht möglich. Bezugnahmen sind zulässig und im Hinblick auf die gesetzlich vorgegebenen Vertragsstrukturen auch ausreichend. Die Unwirksamkeit einzelner Regelungen führt abweichend von § 58 Abs. 3 SGB X in der Regel nicht zur Gesamtnichtigkeit, da die Vertragspartner gesetzlich verpflichtet sind, den Vertrag hinsichtlich der übrigen Bestandteile abzuschließen.[142]

255

Rechtsprechung[143] und Literatur[144] sind sich einig, dass den zur Ausgestaltung der vertragsärztlichen Versorgung nach § 2 Abs. 2 S. 3 i.V.m. §§ 69 ff. SGB V geschlossenen Verträgen eine normative Wirkung zukommt. Auch der EBM ist ein solcher Vertrag mit Normwirkung.[145] Die Normwirkung der Verträge ist aus der im Gesetz angeordneten Verbindlichkeit für die Mitglieder der Vertragsparteien und teilweise auch für Dritte, die über die gesetzlichen Transformationsmechanismen in den Geltungsbereich der Verträge einbezogen werden, ableitbar. Darüber hinaus führt die traditionell „gemeinsame“ Selbstverwaltung der vertragsärztlichen Versorgung durch die Krankenkassen und die KV zur Notwendigkeit, über ihre Institutionen verbindliche Vereinbarungen für ihre Mitglieder abzuschließen.

256

Alle Vereinbarungen der Kollektivvertragspartner, die Vergütungen zum Inhalt haben, sind nach § 71 Abs. 4 SGB V den zuständigen Aufsichtsbehörden vorzulegen, welche ein Beanstandungsrecht innerhalb von zwei Monaten haben. Dadurch soll u.a. die Einhaltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität überwacht werden können.

257

Die vertraglichen Vereinbarungen können ihre normative Wirkung gegenüber den am Vertragsschluss nicht unmittelbar Beteiligten nur durch öffentliche Bekanntgabe erlangen.[146] Hierfür gelten die in den Satzungen der KV und Krankenkassen festgelegten Bekanntmachungsverfahren.[147] Nach Meinung des LSG Bayern[148] gelten die Satzungsbestimmung der KV nicht für die Bekanntmachung gesamtvertraglicher Vereinbarungen.[149] Wie diese bekannt zu machen sind, bleibt offenbar den Vertragspartnern überlassen. Ein Rundschreiben ohne Beifügung der maßgeblichen Richtgrößenvereinbarung, das auf die Internetseite und Hotline der KV Bayern für weitere Informationen verwies, hat das BSG in der Revision als rechtsstaatlich ausreichend angesehen.[150] Diese „verkürzte“ Bekanntmachungsform mag für Strukturverträge ausreichen,[151] weil deren Teilnahme auf freiwilliger Basis erfolgt und es daher dem interessierten Arzt zumutbar ist, sich vorab zu informieren. Bei allgemeinverbindlichen Verträgen, die wie die früheren Richtgrößenvereinbarungen, zu grundrechtsrelevanten und existenzbedrohenden Maßnahmen der Prüfungsgremien führen können, muss der betroffene Vertragsarzt frühzeitig und umfassend über deren Inhalt und Tragweite informiert werden. Daher ist entgegen dem BSG die Bekanntmachung des Volltextes der Norm erforderlich.[152] Die fehlende Unterzeichnung der bekanntgemachten Norm steht deren wirksamer Bekanntmachung nicht entgegen, wenn sie mit der später unterzeichneten Version übereinstimmt.[153]

258

Abweichend von den vorstehenden Ausführungen handelt es sich bei den Vereinbarungen mit dem Verband der privaten Krankenversicherer nach § 75 Abs. 3b SGB V hinsichtlich der Vergütungen im Standard- bzw. Basistarif zwar um öffentlich-rechtliche Verträge, weil sie von dem auf freiwilliger Basis gebildeten PKV-Verband als beliehener Unternehmer kraft hoheitlicher Befugnis abgeschlossen werden.[154] Andererseits fehlen die für die Normwirkung der Verträge erforderlichen Transformationsmechanismen, weil der Verband der privaten Krankenversicherer keine öffentlich-rechtliche Körperschaft, sondern ein eingetragener Verein[155] ist und eine Verpflichtung zur Mitgliedschaft im Verband gesetzlich nicht vorgesehen ist.

8. Kapitel Vertragsarztrecht › D. Rechtsgrundlagen des Vertragsarztrechts › III. Schiedswesen

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4983 p. 6 illustrations
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9783811492691
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