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ee) Arzt und Medien

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Die frühere Spezialnorm zum öffentlichen Wirken des Arztes und Medientätigkeit ist völlig entfallen. Offenbar geht man davon aus, dass es künftig keinen Unterschied mehr macht, welches Medium der Arzt für seinen Auftritt wählt. Wer darin eine Liberalisierung sieht, wird möglicherweise angesichts der klaren Vorschriften des HWG (siehe Rn. 189) sein „blaues Wunder“ erleben. Im Allgemeinen wird man sagen können, dass bei der Zusammenarbeit des Arztes mit den Medien die Sache und nicht die Person des Arztes im Vordergrund stehen sollte. Letztlich kommt es hier vielfach auf Umstände des Einzelfalls an. Wie bei der Unterscheidung zwischen berufsordnungswidriger Werbung und erlaubter Information können Presseberichte durchaus zulässig sein, auch wenn mit ihnen ein Werbeeffekt einhergeht.[219] Dies gilt selbst für durchaus werblich gewollte Zeitungsartikel, in denen z.B. die von einem Arzt praktizierte OP-Methode positiv-innovativ herausgestellt wird.[220] Man sollte bei alledem nicht vergessen, dass der Kontakt des Arztes mit der Öffentlichkeit im Interesse einer allgemeinen Gesundheitserziehung und auch Gesundheitswerbung durchaus erwünscht und angestrebt wird; dies nicht zuletzt, um dieses Feld nicht unberufenen Propheten und sonstigen unseriösen Meinungsbildnern zu überlassen. Schließlich hat der medizinisch interessierte Bürger auch ein Recht, über die Entwicklung auf diesem Gebiet informiert zu werden.[221] Deshalb darf ein Arzt auch an einer Hörfunksendung zu aktuellen medizinischen Fragestellungen teilnehmen, ohne deshalb berufswidrig für sich zu werben.[222] Gleiches gilt für Aktionen in Zeitschriften, wenn die Information im Vordergrund steht. Dies geht so weit, dass Ärzte sich sogar in „Spezialisten-Listen“ aufnehmen lassen dürfen, wenn das Ranking transparent ist und eine übermäßige Herausstellung einzelner unterbleibt (Focus-Liste 2).[223] Letztlich gab auch hier das Informationsinteresse des Bürgers den Ausschlag.[224] Allerdings kann eine irreführende Bezeichnung als „Spitzenmediziner“ unzulässig sein.[225]

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Allerdings muss der Arzt insbesondere bei der sog. Boulevardpresse Vorsicht walten lassen. Denn er riskiert auch dann wegen unzulässiger Werbung zur Verantwortung gezogen zu werden, wenn er diese durch andere duldet und nicht in zumutbarer Weise hiergegen einschreitet, z.B. durch Verlangen nach Vorlage des Manuskripts der geplanten Veröffentlichung. Verweigert der zuständige Redakteur dies mit dem Hinweis darauf, dies sei völlig unüblich oder technisch nicht machbar, wird zum Teil die Auffassung vertreten, dann besser von der geplanten Veröffentlichung Abstand zu nehmen.[226] Diese überkommene, restriktive Haltung ist vom Deutschen Presserat mehrfach kritisiert worden. Auch auf diesem Feld hat das Bundesverfassungsgericht[227] die bisherige Rechtsprechung deutlich relativiert. Zwar sei das berufsrechtliche Duldungsverbot geeignet, unzulässiger Werbung und damit auch einer Verunsicherung der Bevölkerung vorzubeugen; wie jede einschränkende Maßnahme müsse dieses Duldungsverbot jedoch unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten geprüft werden. So sei z.B. zu prüfen, ob die Initiative zu dem Pressebericht vom Arzt oder von dritter Seite ausgegangen sei. Werde ein Arzt in der Presse angegriffen, müsse er auch die Möglichkeit haben, sich mittels der Medien zu verteidigen, auch wenn diese Berichte dann u.U. einen werblichen Nebeneffekt haben können. Schließlich sei in diesem Zusammenhang deutlich zwischen den zitierten Äußerungen des Arztes selbst und redaktionellen Passagen über ihn zu unterscheiden. Sehe man das Duldungsverbot zu krass und ausnahmslos, wie die bisherige berufsrechtliche Rechtsprechung, werde dem standesrechtlichen Werbeverbot ein Stellenwert eingeräumt, den es im Lichte der Grundrechte (Art. 5 und 12 GG) nicht beanspruchen könne und sein Schutzzweck auch nicht in jedem Fall erfordere. Der Arzt, so das BVerfG[228] dürfe gegenüber der Presse nicht zu einem Verhalten gezwungen werden, das diese bekanntermaßen nicht akzeptiere. Ihn als Konsequenz von Pressekontakten fern zu halten, sei unzumutbar. Der Arzt muss den Journalisten aber auf standesrechtliche Werberegeln hinweisen. Er kann normalerweise nicht darauf vertrauen, der Journalist werde diese Regeln nach Inhalt und Umfang schon kennen.[229]

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Besondere Rücksicht muss der Arzt bei der Mitwirkung von Presseberichten auf die Vorschriften des HWG nehmen.[230] § 11 HWG enthält einen Verbotskatalog mit zahlreichen Einzeltatbeständen für die Werbung außerhalb der Fachkreise. § 12 HWG enthält ein absolutes Werbeverbot außerhalb der Fachkreise für Mittel, Verfahren, Behandlungen oder Gegenstände, die sich auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung in einer Anlage zu § 12 HWG aufgeführten Krankheiten beziehen. Ausgenommen ist lediglich die Werbung für Verfahren oder Behandlungen in Heilbädern, Kurorten und Kuranstalten. Ziel des Gesetzes ist die Eindämmung der Selbstbehandlung bei den als schwerwiegend eingestuften Erkrankungen. Ob alleine schon das Foto eines Arztes in einer Zeitschrift als unzulässige Werbung zu bezeichnen ist, ist umstritten.[231] Eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen beanstandete früher bereits die Zurverfügungstellung von Photos für einen Journalisten bzw. das Photographieren in der Praxis.[232] Gehört das Foto zur Art des Mediums ist seine Veröffentlichung nicht schlechthin berufsordnungswidrig. Vielmehr kommt es auf die Gesamtaufmachung und den begleitenden Text an.[233] Insgesamt erscheinen viele berufsgerichtliche Entscheidungen, sofern sie bis in die achtziger Jahre hinein ergangen sind, ziemlich anachronistisch. In den Medien gehört das Bild zum Menschen und der Mensch zum Bild. An dieser einfachen Wahrheit wird auch das Berufsrecht letztlich nicht vorbeikommen. Dementsprechend ist schon in § 27 Abs. 2 MBO a.F. die Zurverfügungstellung des Bildes bzw. die Gewährung eines Photos ersatzlos gestrichen worden. Allerdings wird bei derartigen Bildberichten § 11 Nr. 4 HWG zu beachten sein, wonach die Werbung für Behandlungsmethoden nicht mit der bildlichen Darstellung von Personen in Berufskleidung erfolgen darf. Der BGH[234] legt diese Norm im Lichte von Art. 12 Abs. 1 GG jetzt allerdings einschränkend dahingehend aus, dass das Verbot nur dann gilt, wenn die bildliche Darstellung irreführend ist. Durch die 16. AMG-Novelle (in Kraft seit 26.10.2012) wurde das bisherige Verbot in § 11 Nr. 4 HWG, wonach die Werbung für Behandlungsmethoden nicht mit der bildlichen Darstellung von Personen in Berufskleidung erfolgen darf, aufgehoben. Die Werbung eines Zahnarztes mit Lichtbildern einer Patientin vor und nach einer umfassenden Gebisssanierung verstößt nach einer Entscheidung des OLG Celle[235] weder gegen § 11 Abs. 1 S. 3 HWG noch gegen § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 HWG, wenn für die Behandlung eine medizinische Indikation bestand.

ff) Der Arzt als Unternehmer/mittelbare Werbung

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Das Verbot berufswidriger Werbung richtet sich an jeden Arzt, gleichgültig, ob er niedergelassen, im Krankenhaus angestellt, für einen Gewerbebetrieb, eine Behörde oder die pharmazeutische Industrie tätig ist[236]. Unabhängig von der Rechtsform hat sowohl der Arzt als auch der nichtärztliche Inhaber einer entsprechenden Einrichtung die Vorschriften des HWG zu beachten.[237] Probleme treten dann auf, wenn der Arzt als Betreiber eines gewerblichen Unternehmens mit anderen Instituten in Wettbewerb tritt, deren Leiter selbst nicht den berufsrechtlichen Werbebeschränkungen unterliegen. Prinzipiell ist der Arzt auch in diesen Fällen an die Berufsordnung gebunden.[238] Dies soll nach Auffassung des BGH[239] auch dann gelten, wenn eine GmbH im ambulanten Bereich mit einer stationären Einrichtung konkurriert, da die Ungleichbehandlung im Werbebereich durch höhere betriebswirtschaftliche Aufwendungen der stationären Einrichtung gerechtfertigt sei. Zumindest für den Fall der Werbung einer Klinik für ambulante Heilbehandlung hat das BVerfG[240] diese Unterscheidung nicht nachvollzogen. Gewichtet man die Ausführungen des Gerichts zu den „Belegarztfällen“, könnten sich entsprechende Informationen auch für niedergelassene Ärzte rechtfertigen lassen. Im Ergebnis ist das Kriterium „stationär/ambulant“ daher in den meisten Fällen nicht mehr ausschlaggebend (siehe Rn. 192).

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Allerdings werden die Regelungen einer Berufsordnung zunehmend wettbewerbsrechtlich als Marktverhaltensregeln i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG angesehen. Bietet z.B. ein Gastronomiebetrieb einem Arzt im Rahmen einer sog. „Botox-Party“ den gesellschaftlichen Rahmen, außerhalb seiner Klinik zu Werbezwecken u.a. kostenlose Faltenbehandlungen durchzuführen, leistet er Beihilfe zu Verstößen dieses Arztes gegen die Berufsordnung und kann selbst als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.[241]

i) Berufsrechtlicher Adressatenkreis

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Da die Berufsordnung sich nur an Ärzte und nicht an juristische Personen, z.B. Krankenhausträger, MVZ oder Heilkunde-GmbH richtet, ist umstritten, nach welchen Grundsätzen sich ein nichtärztlicher Inhaber, der eine derartige Firma leitet, zu richten hat. Versorgungszentren unterliegen z.B. nicht unmittelbar dem ärztlichen Berufsrecht, wohl aber die in ihm tätigen Ärzte, unabhängig davon, ob es sich um ein „Freiberufler-MVZ“ oder ein Versorgungszentrum mit angestellten Ärzten handelt.[242]

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Eine restriktive Auffassung will der Berufsordnung in diesen Fällen eine Reflexwirkung beimessen. Zwar richte sich die Berufsordnung nicht an eine juristische Person als Arbeitgeberin der Ärzte. Die juristische Person dürfe aber die ihr verbundenen Ärzte nicht hindern, ihren Berufspflichten gerecht zu werden; diese Pflicht binde die juristische Person mittelbar.[243] Die Gegenansicht[244] sieht die Berufsordnung als reines „Binnenrecht“, welches, da von der ärztlichen Selbstverwaltung beschlossen, keine außen stehenden Dritten binden könne. Nur dort, wo vom Gesetzgeber entsprechende Einschränkungen vorgesehen seien (wie z.B. im HWG), könnten entsprechende Sanktionen greifen. Einen anderen Ansatz wählt der BGH[245]. Dieser sieht bereits in der Duldung der berufswidrigen Handlung durch den Arzt den Wettbewerbsverstoß, den sich die juristische Person als Träger der Einrichtung zu eigen macht. Insoweit ist die juristische Person schon als „Störer“ i.S.v. § 1 UWG a.F. anzusehen.[246] Das bedeutet im Ergebnis, dass derartige Unternehmen (z.B. Heilkunde GmbHs oder MVZ) sozusagen nicht völlig losgelöst vom ärztlichen Berufsrecht agieren können. Verleitet oder zwingt ein Unternehmen seine Ärzte zu berufsrechtswidrigen Handlungen bzw. Unterlassungen, kann es wettbewerbsrechtlich als Störer in Anspruch genommen werden. Hält sich das Unternehmen hingegen z.B. bei seiner Informationspolitik an die mittlerweile vom BVerfG weit gezogenen Grenzen, ist der Vorteil für den Arzt dann ein Reflex, der für sich alleine nicht berufsordnungswidrig ist.[247] Der im Unternehmen tätige Arzt kann sich im Falle eines Verstoßes gegen das ihn bindende Berufsrecht nicht darauf berufen, er habe auf Weisung des Trägers des Unternehmens handeln müssen bzw. im Falle der Weigerung hätten ihn Sanktionen getroffen. Dieses Problem mag im Rahmen der zu treffenden berufsrechtlichen Maßnahme eine Rolle spielen, stellt aber keinen Rechtfertigungsgrund dar; insofern steht dem Arzt wie jedem anderen Arbeitnehmer das (sanktionslose) Recht zur Demonstration zu. Wurde eine GmbH nur gegründet, um zulässige ärztliche Werbebeschränkungen zu umgehen, kann der Arzt, dem das Unternehmen gehört, u.U. dennoch direkt belangt werden.[248] Die frühere Unterscheidung, wonach anderes nur dann gelte, wenn der Arzt weder Geschäftsführungsbefugnisse habe, noch finanziell an dem Unternehmen beteiligt sei,[249] ist heute obsolet. Im Übrigen ist auch der frühere Ansatz, für die finanzielle Beteiligung solle es bereits ausreichen, wenn der Arzt durch die Art der Vergütung am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens partizipiere,[250] heute nicht mehr entscheidend.[251] Allerdings bleibt es bedenklich, wenn die Geschäftsführung mit dem Namen des Arztes „hausieren“ geht, und der Arzt diese Form der Werbung durch Angabe bestimmter Informationen in einer Art und Weise fördert, durch die die Grenze zur „Anpreisung“ überschritten wird. Werden diese Grundsätze beachtet, dürfte auch die Verwendung des Arztnamens in Werbeprospekten nicht zu beanstanden sein. Ob derartige Werbeprospekte „ungezielt“ oder nur auf bestimmte Anfragen hin verteilt werden dürfen, ist umstritten. Die frühere Rechtsprechung,[252] wonach Patientenanfragen nur individuell beantwortet werden durften, ist sicherlich überholt.[253] Eine vermittelnde Auslegung[254] will die Zulässigkeit der Verwendung von Werbeprospekten von einer entsprechenden Patientenanfrage abhängig machen. Die unaufgeforderte Zusendung von Werbematerial sei anpreisende Werbung. Unbestreitbar dürfen aber die in den fraglichen Prospekten enthaltenen Aussagen, sofern der Rahmen des HWG eingehalten wird, in Zeitungsannoncen verwendet werden.[255] Es stellt sich daher zwangsläufig die Frage aus Sicht des „Verbrauchers“, worin der Unterschied zwischen einer Anzeige und einem unverlangt zugeschickten Prospekt liegt. Durch die Entscheidung des BVerfG[256] zur Zeitungsannonce ohne besonderen Anlass dürfte der restriktiven Auffassung die Grundlage entzogen sein.

aa) Inhalt und Aufmachung der Praxisschilder

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Die oftmals als „Schilderordnung“ verspottete Vorschrift D I Nr. 2 MBO ist ersatzlos gestrichen worden. Allerdings mussten auch schon bisher die aufgrund der genannten Vorschriften ausgesprochenen Verbote dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Ist nicht ersichtlich, inwieweit Interessen des Gemeinwohls durch eine Untersagung geschützt werden können, verstieß die Untersagung eines in Kap. D I Nr. 2–5 MBO nicht explizit genannten Zusatzes u.U. gegen das Grundrecht auf freie Berufsausübung.[257] Die bloße Erleichterung berufsrechtlicher Überwachung rechtfertigte eine Einschränkung regelmäßig nicht. § 27 Abs. 4 MBO n.F. schafft einheitliche Vorgaben für jedwede Form der Ankündigung, sei es auf der Homepage,[258] in Anzeigen und eben auch auf dem Praxisschild. Die früher vorgesehene Beschränkung auf ein Praxisschild ist weggefallen. Ob ein Arztschild zur besseren Kenntlichkeit in der Dunkelheit beleuchtet werden darf, wird unterschiedlich beurteilt.[259] Die ablehnenden Entscheidungen sind wenig überzeugend. Wer die entgegengesetzte Übung in anderen Ländern, z.B. Österreich oder auch Frankreich kennt, weiß, dass derartige Hinweisschilder kaum geeignet sind, dem ärztlichen Ansehen zu schaden. Vielmehr helfen sie dem ortsunkundigen Patienten, rechtzeitig einen für ihn zuständigen Arzt zu finden. Entscheidend wird hier – wie so oft – die konkrete Ausgestaltung sein.

bb) Zulässige/unzulässige Angaben und berufsbezogene Informationen

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Die zulässigen Angaben sind im Gegensatz zu Kap. D I Nr. 2 MBO a.F. nicht mehr katalogmäßig, sondern nur noch sehr allgemein aufgeführt. Der 103. Deutsche Ärztetag 2000 in Köln hatte schon einige Ausnahmen zugelassen. Feststeht, dass man wohl keineswegs hinter die bereits bisher in Kap. D I Nr. 2 MBO a.F. genannten Ausnahmeregelungen zurückgehen will. Nicht führungsfähig waren früher die fakultativen Weiterbildungsteile sowie Fachkunden nach der (Muster-)Weiterbildungsordnung aus dem Jahre 1992.[260] Rechtlich ist diese „Ungleichbehandlung“ heute nicht mehr verständlich. Aus § 27 Abs. 4 MBO ergibt sich, dass lediglich eine Verwechslungsgefahr hinsichtlich solcher Qualifikationen ausgeschlossen werden soll, die nicht von einer Ärztekammer verliehen werden. Demgemäß dürfen Ärzte heute auf die von ihnen ausgeübte Akupunktur[261] hinweisen oder auf sonstige Qualifikationen Bezug nehmen, wenn sie eine Verwechslungsgefahr vermeiden.[262] Zulässig dürfte auch ein Hinweis auf solche Qualifikationen sein, deren Berechtigung der Arzt aufgrund §§ 135 ff. SGB V erworben hat. Selbst die Bezeichnung als „Spezialist für (. . .)“ ist vom Bundesverfassungsgericht[263] im Falle eines für eine Klinik arbeitenden Arztes nicht beanstandet worden, wenn sie der Wahrheit entsprach. Z.T. wird die Auffassung vertreten, Selbsteinschätzung über die persönliche Qualifikation, Teilnahme an bestimmten Fortbildungskursen (mit Ausnahme des neuen Fortbildungszertifikats der Ärztekammern) oder eine besondere (elegante, teure oder technisch aufwendige) Praxisausstattung könne hingegen unzulässig sein. Wenn allerdings eine besondere Methode nur mit einem bestimmten aufwendigen oder neuartigen Gerät durchzuführen ist, dürfte das Informationsbedürfnis der Patienten überwiegen.[264] Hier wird vielfach nur eine Einzelfallbetrachtung weiter führen, zumal die neuere Rechtsprechung die Zulässigkeit von Selbstdarstellung und Selbsteinschätzung unter dem Aspekt der Irreführung[265] mehr oder weniger ausschließlich an ihrem Wahrheitsgehalt misst.

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Unterschiedliche Rechtsprechung gibt es u.a. zu der Frage, ob Ärzte sich in den gelben Seiten bzw. vergleichbaren Internet-Portalen in der Rubrik „Plastische und ästhetische Chirurgie“ auch dann eintragen lassen können, wenn sie nicht Fachärzte für Plastische Chirurgie sind.[266] Ähnlich divergierende Entscheidungen gibt es bei Zahnärzten und Kieferorthopäden (siehe hierzu auch Greiff Kap. 35 Heilmittelwerberecht).[267]

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In Informationsbroschüren und damit auch auf der Homepage können besondere Untersuchungsmethoden[268] (sofern das HWG beachtet wird),[269] spezielle Sprechstunden, aber auch Informationen zum Gesundheitswesen bzw. allgemeine medizinische Erkenntnisse enthalten sein. Auch eine Darstellung des Praxisprofils bzw. Vorstellung der einzelnen Praxismitarbeiter (selbst mit Foto)[270] ist zulässig. Dies kann gewisse Zuständigkeitsregeln umfassen, Organisationsabläufe, aber auch Fremdsprachenkenntnisse, wenn die Praxis ein entsprechendes Klientel hat oder in einer Gegend belegen ist, die einen hohen Ausländeranteil aufweist. Nach den Interpretationshilfen der BÄK sollen hingegen Hinweise auf Apotheken oder andere Praxen (mit Ausnahme der Vertretung) unzulässig sein, da diese keine praxisbezogene Information darstellen.[271] Aus anderem Zusammenhang wird jedoch deutlich, dass diese Einschränkung nicht für den Praxisverbund und wohl auch nicht für eine eventuelle Teilnahme im Rahmen der integrierten Versorgung gilt. Auf ihn bzw. sie darf selbstverständlich hingewiesen werden (eventuell auch mit Link),[272] genauso wie der Verbund eine eigene Homepage einrichten kann. Begriffe wie „Ärztehaus“,[273] „Ärztezentrum“,[274] „Gesundheitszentrum“, „Schmerzambulanz“ oder auch „Röntgen-Institut“ sind mittlerweile durchgängig für unzulässig erklärt worden.[275] Unzweifelhaft darf sich aber ein „Mini-MVZ“ aus zwei Vertragsärzten „Medizinisches Versorgungszentrum“ nennen. Inwieweit dies auf die Rechtsprechung bezüglich der vorgenannten Modelle Einfluss haben wird, bleibt abzuwarten. Dies ist insoweit interessant, als man bisher für die Bezeichnung „Zentrum“ eine gewisse Größe voraussetzte,[276] andernfalls die Gefahr der Irreführung des Patienten/Verbrauchers bestünde.[277] Nach einer neueren Entscheidung des BVerfG wird man auch bei derartigen Bezeichnungen künftig wesentlich großzügiger sein können.[278] Nach OLG Düsseldorf[279] soll die Bezeichnung „zahnärztliche Privatpraxis“ unzulässig sein. Die Bezeichnung „Röntgenpraxis am Hauptbahnhof“ kann eine unzulässige Etablissementbezeichnung sein.[280] Die Frage, ob eine Arztpraxis sich als „Tagesklinik“ bezeichnen darf, wurde bislang abschlägig beschieden.[281] Dieser Auffassung ist insofern zuzustimmen, als die Bezeichnung als „Tagesklinik“ nicht irreführend sein darf, also z.B. dann unzulässig ist, wenn sich die Ausstattung der Räumlichkeiten in räumlicher, personeller und technischer Hinsicht von einer herkömmlichen Arztpraxis nicht unterscheidet.[282] Eine unkritische Fortführung dieser Rechtsprechung würde jedoch die bedeutsame Entwicklung des ambulanten Operierens in den letzten Jahren außer Betracht lassen. Der Trend zu hochwertig ausgestatteten ambulanten Operationszentren, besetzt mit entsprechend qualifizierten Ärzten, ist nicht zu leugnen. § 115 Abs. 2 Nr. 1 SGB V erwähnt selbst den Begriff der „Praxisklinik“,[283] der jetzt führungsfähig ist. Hierunter versteht man ebenso wie bei der Tagesklinik eine Einrichtung zur Durchführung operativer Eingriffe, nach denen der Patient die Nacht in der Regel wieder zu Hause verbringt, eine Versorgung über Nacht jedoch möglich ist[284] (zu den weiteren Voraussetzungen siehe Empfehlung der BÄK, 9 ff.). Weiterführende Informationen über die spezielle Struktur einzelner Leistungen mit eher werblichem Charakter, die auch bisher nur kollegenintern zulässig waren, dürfen auch in Zukunft nur in einem Intranet verbreitet werden, das ausschließlich Ärzten offen steht. Die Frage der Zulässigkeit eines „Gästebuches“ ist in den bisherigen Verlautbarungen nicht explizit erwähnt.[285] Für den anwaltlichen Bereich gilt das Gästebuch als unzulässig, da es dazu dienen könne, mit Mandantenlob zu werben.[286] § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG enthält eine ähnliche Verbotsnorm. Kritisch wird das Anerbieten eines e-Mail-Kontaktes gesehen. Im Prinzip ist gegen die Zulässigkeit nichts einzuwenden. Ein Patient/Interessent, der auf diesem Wege Kontakt mit einer Praxis aufnimmt, muss wissen, dass es Probleme mit der Datensicherheit gibt. Ein gesonderter Hinweis wird jedoch hilfreich sein. Problematisch war in der Vergangenheit eine individuelle telekommunikative ärztliche Beratung.[287] § 7 Abs. 4 a.F. MBO verbot die ausschließliche individuelle Beratung und Behandlung(Fernbehandlung) in Kommunikationsmedien und Computerkommunikationsnetzen (kein cyber-doc).[288] Nicht verboten war allerdings eine solche Beratung, wenn sie bei einem bereits bekannten Patienten durchgeführt – oder mit einer anschließenden persönlichen Kontaktaufnahme verbunden ist. Wenn es sich um einen unbekannten Patienten handelte, ging der Arzt jedoch – ebenso wie bei der Telefonberatung – ein ganz erhebliches forensisches Risiko ein. Bereits 2015 deutete die Bundesärztekammer durch Hinweise und Erläuterungen eine vorsichtige Öffnung an, die schließlich vom 121. Deutschen Ärztetag 2018 zu einer grundlegenden Reform von § 7 Abs. 4 MBO führte und nun in geeigneten Fällen auch eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien erlaubt. Hierzu hat die Bundesärztekammer (Stand: 22.3.2019) Hinweise und Erläuterungen beschlossen, die über die Homepage der BÄK abgerufen werden können (DOI: 10.3238/arztebl.2019.mbo.fernbehandlung). Diese Neuregelung ist mittlerweile in nahezu allen Landesärztekammerbereichen umgesetzt. Die Erfahrungen aus Nachbarländern wie z.B. der Schweiz stimmen zuversichtlich. Die Honorierung ist in Deutschland allerdings noch unbefriedigend gelöst. Bei aller Euphorie über technische Neuerungen dürfen durchaus relevante und auch teilweise schwierige forensische Probleme der ausschließlichen Fernbehandlung nicht vernachlässigt werden.[289] Flankiert wird diese Öffnung durch das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) vom 7.11.2019.[290]Wesentliche Inhalte des Digitale-Versorgung-Gesetzessind u.a.:


Ärzte können künftig digitale Anwendungen, wie Tagebücher für Diabetiker, Apps für Menschen mit Bluthochdruck, zur Unterstützung der Physiotherapie oder bei vielen weiteren Erkrankungen verschreiben. Diese werden von den Krankenkassen erstattet. Damit Patienten gute und sichere Apps schnell nutzen können, wird für die Hersteller ein neuer, zügiger Weg in die Erstattung geschaffen: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) prüft Sicherheit, Funktion, Qualität, Datenschutz und Datensicherheit der Produkte. Innerhalb eines Jahres muss der Hersteller nachweisen, dass die App die Versorgung verbessert.
Patientinnen und Patienten sollen sich darauf verlassen können, dass ihre Ärztinnen und Ärzte sowie weitere Leistungserbringer an die Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen werden. Apotheken müssen sich bis Ende September 2020 und Krankenhäuser bis Januar 2021 anschließen lassen. Für Ärzte, die sich weiterhin nicht anschließen, wird der Honorarabzug von bislang 1 % ab dem 1. März 2020 auf 2,5 % erhöht. Hebammen und Physiotherapeuten sowie Pflegeeinrichtungen können sich freiwillig an die TI anschließen. Die Kosten hierfür werden erstattet.
Patientinnen und Patienten sollen Ärzte, die Online-Sprechstunden anbieten, leichter finden. Darum dürfen Ärztinnen und Ärzte künftig auf ihrer Internetseite über solche Angebote informieren. Die Aufklärung für eine Videosprechstunde kann jetzt auch im Rahmen der Videosprechstunde erfolgen.
Die Zettelwirtschaft im Gesundheitswesen wird abgelöst durch digitale Lösungen. Bislang erhalten Ärztinnen und Ärzte für ein versendetes Fax mehr Geld als für das Versenden eines elektronischen Arztbriefs. Die Selbstverwaltung wird beauftragt, das zu ändern. Außerdem haben Ärztinnen und Ärzte künftig mehr Möglichkeiten, sich auf elektronischem Weg mit Kollegen auszutauschen. Wer einer gesetzlichen Krankenkasse freiwillig beitreten möchte, kann das auch auf elektronischem Wege tun. Wahlleistungsvereinbarungen können etwa im Vorfeld geplanter Krankenhausaufenthalte auch elektronisch abgeschlossen werden. Außerdem können auch alle weiteren veranlassten Leistungen wie Heil- und Hilfsmittel oder aber die häusliche Krankenpflege auf elektronischem Weg verordnet werden.

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Schon zuvor war durch das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) vom 9.8.2019 die Möglichkeit zur Einführung des E-Rezepts eröffnet und die Abschaffung des Fernverordnungsverbots beschlossen worden.[291]

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Andere Rechtsfragen tun sich bei der Gestaltung von domain-Namen auf. Bezeichnungen wie „bester-gynäkologe.de“ stellen eine berufswidrige Anpreisung dar. Vorsicht ist auch dann geboten, wenn der domain-Name eine Alleinstellung für einen Ort oder eine Region signalisiert, die in dieser Form nicht besteht.[292] Gegen die Verwendung der Fachgebietsbezeichnung in Verbindung mit dem eigenen Namen „xy-augenarzt.de“ oder „xy-orthopädie.de“ dürfte jedoch nach einem Urteil des BGH[293] dann nichts einzuwenden sein, wenn damit kein Alleinstellungsanspruch verknüpft wird. Wenn ein Arzt eine Homepage ins Netz stellt, müssen die Pflichtangaben nach § 6 Teledienstgesetz (TDG) leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar halten. Es handelt sich um den Namen, Anschrift, Telefon- und Faxnummer, die e-Mail-Adresse, die gesetzliche Berufsbezeichnung und die Angabe des Staates, in welchem sie verliehen wurde. Ferner sind Namen und Anschriften zuständigen Ärztekammer und der KV, der der Arzt als Mitglied angehört, anzugeben. Schließlich sind die berufsrechtlichen Regelungen (also die Berufsordnung der jeweiligen Ärztekammer), denen der Arzt unterworfen ist, anzugeben und wo sie zugänglich sind. Es wird für empfehlenswert gehalten, auf die Homepage der jeweiligen Körperschaft einen Link zu legen.

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4983 p. 6 illustrations
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9783811492691
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