Sanktionsbewehrte Aufsichtspflichten im internationalen Konzern

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Teil 1 Einführung › D. Terminologie

D. Terminologie

15

Hinzuweisen ist bereits an dieser Stelle auf sprachliche Ungenauigkeiten, die in der rechtswissenschaftlichen Literatur im Zusammenhang mit dem Konzernrecht üblicherweise vorzufinden sind. Sofern sich Abhandlungen mit dem Konzernrecht auseinandersetzen, werden damit in den meisten Fällen die Regelungen über verbundene Unternehmen im Allgemeinen bezeichnet.[1] Der Konzern im engeren Sinne, dessen Legaldefinition sich in § 18 AktG findet, stellt jedoch lediglich eine Form der Unternehmensverbindung dar. Daneben werden etwa in § 16 AktG Unternehmen in Mehrheitsbesitz sowie in § 17 AktG Unternehmen in einem Abhängigkeitsverhältnis beschrieben. Sofern im Rahmen dieser Untersuchung die Bezeichnung des Konzernrechts aufgegriffen wird, folgt die Darstellung der rechtswissenschaftlichen Praxis und nimmt damit Bezug auf die Regelungen über die verbundenen Unternehmen im Ganzen. Im Rahmen des Aktiengesetzes sind dabei zum einen die Regelungen der §§ 15 bis 22 AktG relevant, die durch ihren Charakter als vor allem definierende Normen als allgemeiner Teil des Konzernrechts bezeichnet werden können. Daneben sind die Vorschriften der §§ 291 bis 328 AktG umfasst. Hier finden sich Bestimmungen über abhängige Aktiengesellschaften. Sofern die Unterscheidung der verschiedenen Formen von Unternehmensverbindungen für die Untersuchung Relevanz entfaltet, erfolgt freilich eine ausdrückliche Differenzierung unter Benennung der konkreten Art der Unternehmensverbindung.

16

Eine zweite sprachliche Klarstellung hat mit Blick auf die Begriffsverwendung im Rahmen der am Konzern beteiligten Gesellschaften zu erfolgen. Um die Lesbarkeit zu vereinfachen, werden mit den Begriffen Obergesellschaft, Muttergesellschaft oder auch Mutterunternehmen unterschiedliche Bezeichnungen verwendet, die jedoch synonym verstanden werden sollen. Gleiches gilt für die Begriffe Untergesellschaft, Tochtergesellschaft oder Tochterunternehmen. Wo mehrstufige Konzernverbindungen Erwähnung finden, wird überdies auch der Begriff der Enkelgesellschaft genutzt.

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Ein weiterer terminologischer Hinweis ist schließlich mit Blick auf die Verwendung des Strafrechtsbegriffes angezeigt. Sofern hier von § 130 OWiG als eine der bedeutsamsten Regelungen des Wirtschaftsstrafrechts die Rede ist, mag dies missverständlich wirken. Denn die Norm ist eine solche des Ordnungswidrigkeitenrechts, das trotz unübersehbarer Nähe und Parallelen durch den Gesetzgeber vom Strafrecht abgegrenzt wurde. Dennoch erlangt das Ordnungswidrigkeitenrecht im Rahmen der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität große Bedeutung. Zurückzuführen ist dies mitunter auch auf die Regelung des § 30 OWiG, die es erlaubt, Bußgelder direkt gegen Unternehmen zu verhängen. Sofern für das Wirtschaftsstrafrecht das Ordnungswidrigkeitenrecht ganz wesentliche Bedeutung erlangt, erscheint es auch aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit[2] angezeigt, insofern von einem umspannenden weiten Strafrechtsbegriff auszugehen, der das Ordnungswidrigkeitenrecht einschließt und sodann auch dieser Untersuchung zu Grunde gelegt wird.[3] Sofern Differenzierungen geboten sind, werden solche explizit bezeichnet.

Anmerkungen

[1]

Vgl. hierzu auch Bayer in: MK-AktG, § 15 AktG Rn. 6; Vetter in: Schmidt/Lutter, § 15 AktG Rn. 8; Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 1 Rn. 2; Theisen Der Konzern, S. 27; Koch in: Hüffer, § 15 AktG Rn. 2; Maier-Reimer in: Henssler/Strohn, § 15 AktG Rn. 1; Raiser/Veil Recht der Kapitalgesellschaften, § 50 Rn. 2.

[2]

Ähnlich Schünemann Unternehmenskriminalität, S. 7 f. So zeigt sich die enge Verknüpfung schon durch das strafrechtliche Gesetzlichkeitsprinzip, das auch im Ordnungswidrigkeitenrecht Geltung entfaltet, vgl. nur Rogall in: KK-OWiG, § 3 OWiG Rn. 1; Klesczewski Ordnungswidrigkeitenrecht, Rn. 70.

[3]

Siehe hierzu auch Rotsch in: Rotsch, Criminal Compliance, § 1 Rn. 11. Zur dogmatischen Abgrenzung von Ordnungswidrigkeiten- und Kernstrafrecht vgl. nur Gürtler in: Göhler, vor § 1 OWiG Rn. 4 ff.

Teil 2 Gesellschaftsrechtliche Grundlagen

Inhaltsverzeichnis

A. Einführung in das Konzernrecht

B. Erscheinungsformen des verbundenen Unternehmens

C. Auswirkungen auf den unternehmerischen Pflichten- und Haftungsumfang

D. Zusammenfassung

Teil 2 Gesellschaftsrechtliche Grundlagen › A. Einführung in das Konzernrecht

A. Einführung in das Konzernrecht

18

Die Relevanz des Konzerns ist mit Blick in die Praxis unübersehbar. Wie einführend dargelegt, ist jedenfalls die überwiegende Zahl der deutschen Kapitalgesellschaften Teil von Unternehmensverbindungen.[1] Der Konzern ist in der Unternehmenspraxis heute damit nichts anderes als die gängige Organisationsform.[2]

Anmerkungen

[1]

Vgl. insofern bereits oben die Nachweise in 2. Fn. zu Rn. 4.

[2]

So auch Theisen Der Konzern, S. 21; Wiesenack/Klein in: Eisele/Koch/Theile, S. 7; vgl. auch Raiser/Veil Recht der Kapitalgesellschaften, § 50 Rn. 1; Görling Konzernhaftung, S. 27, 47 ff.; van Vormizeele WuW 2010, 1008 (1008).

Teil 2 Gesellschaftsrechtliche Grundlagen › A. Einführung in das Konzernrecht › I. Historische Entwicklung des Konzernrechts

I. Historische Entwicklung des Konzernrechts

19

Die Wurzeln dieser heute die globale Wirtschaftslandschaft so prägenden Erscheinung reichen weit in die Vergangenheit. Insbesondere die Idee der Bündelung von Arbeitskraft und Arbeitsmitteln unter einer koordinierenden, einheitlichen Leitung bei gleichzeitiger Erhaltung einer gewissen Selbstständigkeit ist bereits in der frühen Wirtschaftsgeschichte zu finden. Der nicht selten auch freiwillige Zusammenschluss von Bauern unter einer Grundherrschaft begann bereits gegen Ende des 6. Jahrhunderts im fränkischen Reich.[1] War hier jedoch noch der erhoffte Schutz vor Anderen wesentlicher Anstoß des Zusammenschlusses, waren es im Rahmen der Etablierung der Zünfte, beginnend ab dem 12. Jahrhundert in Italien, bereits Motive, die einem modernen Ökonomieverständnis sehr nahe kommen. Wesentliches Merkmal war mitunter die Reduzierung des Wettbewerbs und die Förderung der Produktion, etwa durch Nutzung gemeinsamer Einrichtungen.[2]

20

Mit den modernen Erscheinungsformen von Konzernverbindungen hatten diese Formen der Bündelung dennoch wenig gemein. Die Voraussetzung von Konzernen im Sinne des heutigen Verständnisses schuf erst die erfolgreiche Verbreitung von Aktiengesellschaften, die allerdings bedeutend später einsetzte. Zwar wurden bereits im 15. Jahrhundert in Italien erste gemeinschaftliche Unternehmen gegründet, bei denen Papiere zur Legitimation der Eigentümer ausgegeben wurden.[3] Ihre wesentliche Gestalt erlangte die Aktiengesellschaft aber erst durch den französischen code de commerce im 18. Jahrhundert. Festgesetzt wurden darin eine Generalversammlung der Aktionäre, ein von dieser Versammlung abhängiger Vorstand als Geschäftsführungsorgan sowie ein Aufsichtsrat zur Kontrolle des Vorstandes.[4] Maßgeblich für die Etablierung dieser neuen Gesellschaftsform war vor allem der zunehmende Kapitalbedarf in der Zeit der industriellen Revolution.[5] Große Produktionsanlagen erforderten Kapital, das auch durch den Zusammenschluss mehrerer Einzelunternehmen als solches nicht zu verwirklichen war. Die Abkehr vom anfänglichen Konzessionssystem kurz vor der Reichsgründung sorgte ab 1870 schließlich dafür, dass auch in Deutschland die Verbreitung von Aktiengesellschaften erheblich zunahm.[6] Allein zwischen 1871 und 1873 wurden 500 neue Aktiengesellschaften gegründet.[7] Gab es in Preußen 1835 insgesamt 25 Unternehmen dieser Rechtsform,[8] waren es 1890 im Kaiserreich bereits 2383.[9] Nur 16 Jahre später sollten es 5060 Aktiengesellschaften sein.[10]

21

Die Aktien dieser in ihrer Anzahl zunehmenden Gesellschaften wurden aber nicht allein von Individualpersonen erworben und gehalten. Auch die Unternehmen selbst beteiligten sich untereinander. Ziel war vornehmlich die Schwächung oder gar Ausschaltung des Wettbewerbs durch Beherrschung ganzer Marktsegmente sowie die Sicherung von Rohstoffen.[11] Die Marktdominanz sollte daher nicht nur den Absatz stärken, sondern auch konjunkturelle Schwankungen absichern.[12]

 

22

Die zunehmende Konzernierung erfolgte dabei parallel zur – zunächst bedeutsameren – Bildung von Kartellen.[13] Beide Erscheinungen nahmen eine beachtliche Rolle in der weiteren Wirtschaftsentwicklung ein. Die durch sie beginnende Phase der Unternehmenskonzentration lässt sich in vier wesentliche Phasen einteilen.[14]

1. Erste Konzentrationsphase: Das Deutsche Kaiserreich

23

Sowohl Kartelle wie auch Konzernverflechtungen konnten sich in der deutschen Wirtschafts- und Rechtswirklichkeit zunächst weitgehend schrankenlos etablieren und dabei von einer vermeintlich nachteiligen Wirkung des freien Wettbewerbes profitieren.[15] Vor dem Hintergrund der konjunkturellen Interessenslage legitimierte auch das Reichsgericht in seiner bedeutenden Entscheidung zum Sächsischen Holzstoff-Fabrikanten-Verband die Zulässigkeit von Kartellen[16] und konnte sich dabei auf die herrschende Ansicht in der Rechtswissenschaft, aber auch auf die öffentliche Meinung stützen.[17] Und wenn es auch eine vollständige Selbstentmündigung von Aktiengesellschaften als unzulässig erachtete,[18] so waren der Rechtsprechung des Reichsgerichts dennoch zumindest keine Bedenken hinsichtlich der Beteiligung von juristischen Personen an anderen juristischen Personen zu entnehmen.[19] Anders war dies in den USA, wo der Sherman Anti-Trust Act vom 2.7.1890 sowohl Kartelle wie auch Unternehmensbeteiligungen untersagte und vielmehr ausschließlich vollständige Fusionen zur einzig zulässigen Form der Unternehmenskooperation erklärte.[20]

24

Vor allem die Minderheitsaktionäre genossen damit im deutschen Kaiserreich einen sehr viel beschränkteren Schutz, während die Erleichterung der Unternehmensleitung in den deutlich sichtbaren Vordergrund gerückt wurde. Im Grundsatz stand zwar gegen schädigende Einflussnahme durch den Mehrheitsaktionär bald die Schadensersatznorm des § 826 BGB zur Verfügung, aufgrund der strengen Anspruchsvoraussetzungen erwies sich dieser Schutz jedoch als nur sehr unzulänglich.[21]

2. Zweite Konzentrationsphase: Die Weimarer Republik

25

Auch wenn die Bedingungen zur Unternehmenskonzentration damit schon vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges günstig waren, so war es vor allem die Inflation zu Beginn der 1920er Jahre, die der Entwicklung zusätzliche und entscheidende Geschwindigkeit verlieh. Die mit der drastischen Inflation verbundene Möglichkeit des Kapitaleinsatzes sorgte für einen Kampf um die Machtverhältnisse innerhalb von Aktiengesellschaften und legte den Grundstein für „industrielle Herzogtümer“.[22] Die Konzernierung überflügelte im Rahmen dieser Entwicklung bald die Kartellierung.[23] 1927 waren bereits 60 % des Aktienkapitals in Konzerne eingebunden,[24] von den insgesamt 9634 Aktiengesellschaften im Jahre 1932 bildeten 4060 Bestandteile von Unternehmensgruppen.[25] Von insgesamt 22,3 Milliarden RM, die das Gesamtkapital der Aktiengesellschaften zu dieser Zeit ausmachten, verfügten die konzerngebundenen Gesellschaften über 18,8 Milliarden RM.[26]

26

Die in der Gesetzgebung bis dahin noch nicht in besonderer Weise gewürdigte Erscheinung des Konzerns profitierte in dieser Phase von zwei entscheidenden Regelungen. Durch das sogenannte Schachtelprivileg wurde zum einen die Doppelbesteuerung von Konzernunternehmen verhindert.[27] Zum anderen nahm das zunächst durch die Rechtsprechung eingeführte Prinzip der Organschaft an, dass ein untergeordnetes Unternehmen Teil und damit Organ einer Gesamtkörperschaft sei.[28] Die bedeutende Konsequenz war der Wegfall der Umsatzsteuerpflicht auf konzerninterne Umsätze sowie die Möglichkeit des Ausgleichs von Gewinnen und Verlusten einzelner Konzerngesellschaften.[29] Maßgeblich für die Anerkennung als untergeordnetes Unternehmen war dabei die Frage nach der Möglichkeit der eigenen Willensbildung.[30] Hielt ein anderes Unternehmen die Mehrheit des stimmberechtigten Kapitals, wurde diese Möglichkeit regelmäßig verneint und die Organschaft angenommen.[31] Weitere Merkmale für das Vorliegen einer abhängigen Konzerngesellschaft konnten in der Verlustübernahme durch die herrschende Gesellschaft, die Identität der entscheidenden Verantwortungsträger der Unternehmen oder aber in einer Absichtserklärung der gemeinsamen Förderung der Obergesellschaft zu sehen sein.[32]

27

Aufgegeben wurde dabei auch das anfangs durch das Reichsgericht postulierte Selbstentmündigungsverbot.[33] Die Möglichkeit der vertraglichen Weisungsrechte wurde damit weiterer Katalysator konzernartiger Verbindungen und Verflechtungen. Muttergesellschaften profitierten darüber hinaus in dem bedeutsamen Bereich des Außenhaftungsrechts von weitreichendem Schutz. Für die Verbindlichkeiten von Tochterunternehmen musste sie nur in den selten bejahten Fällen der Durchgriffshaftung einstehen.[34] Auch im Rahmen der Innenhaftung musste das Interesse der abhängigen Unternehmen zunehmend einem übergeordneten Konzerninteresse zurückweichen. Nach der wohl herrschenden Meinung konnten Schädigungen der untergeordneten Konzernglieder mit Rücksicht auf das Gesamtkonzerninteresse jedenfalls dann nicht verhindert werden, wenn zugleich Abfindungsansprüche für Minderheitengesellschafter vorgesehen waren.[35]

28

In die Zwischenphase der beiden großen Kriege fielen neben diesen konzernfreundlichen Entwicklungen jedoch auch Elemente einer ersten Kehrtwende.[36] Insbesondere für Kartelle brachte die Kartellverordnung von 1923 erste Einschränkungen.[37] Auf die Konzernierung hatte dies jedoch kaum Einfluss.[38] Erst das Hereinbrechen der Weltwirtschaftskrise und die daraus resultierenden Zusammenbrüche von Konzernen führten zu – wenn auch zögerlichen – Reaktionen. Die für das Aktienrecht bedeutsame Notverordnung vom 19.9.1931[39] traf erstmalig – wenn auch nur wenige[40] – Regelungen zum Konzernrecht, insbesondere zur Rechnungslegung.[41] Fortan mussten unabhängige Abschlussprüfer jährliche Bilanzprüfungen durchführen,[42] der Jahresabschluss konnte zudem allein durch die Generalversammlung beschlossen werden.[43]

3. Dritte Konzentrationsphase: Das nationalsozialistische Reich

29

Die weitgehend schrankenlose Kartellierung und Konzernierung der Zeit vor Hitlers Machtergreifung führte dazu, dass der Wettbewerb weitestgehend der Kontrolle von mächtigen Privatorganisationen weichen musste. Die Nationalsozialisten machten sich die Verflechtungen und Verbindungen zu eigen, um ihrerseits die Wirtschaft zu lenken und zu beeinflussen.[44] Da aber auch sie Interesse an einer leistungsstarken nationalen Wirtschaftslandschaft hatten, wurde auf Beschränkungen der Konzernierung verzichtet.[45]

30

In die Zeit des totalitären Dritten Reiches fiel auch der Erlass des Aktiengesetzes 1937.[46] Im Wesentlichen war es Ergebnis von Reformbemühungen, die noch zu Zeiten der Weimarer Republik begonnen und fortentwickelt wurden.[47] Dennoch war es nicht frei von nationalsozialistischen Elementen. So wurden die Rechte des Vorstandes nachhaltig gestärkt, letztlich wohl auch als Ausfluss des Führerprinzips.[48] Hinsichtlich der Konzernierung bediente sich das Aktiengesetz der Begrifflichkeiten der Notverordnung von 1931, definierte aber in § 15 AktG-1937 Konzerne erstmals als rechtlich selbstständige Unternehmen unter einer gemeinsamen Leitung. Insgesamt normierte das Konzernrecht zwar Einschränkungen, es betonte aber auch den entschädigungslosen Vorrang des Konzerninteresses und schaffte ein weiterhin konzernfreundliches Wirtschaftsumfeld.[49]

4. Vierte Konzentrationsphase: Der Anfang der Bundesrepublik

31

Nachhaltige Veränderungen ergaben sich damit erst nach Ende der nationalsozialistischen Herrschaft. Der große Umschwung in der Frühphase der Bundesrepublik umfasste auch die Wirtschaftsordnung. Insbesondere Kartelle sollten zurückgedrängt werden, die Schaffung von mehr Wettbewerb stand im Vordergrund.[50] Bereits in der Besatzungsphase wurden daher Maßnahmen zur Dekartellierung getroffen,[51] ehe zum Beginn des Jahres 1958 das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in Kraft trat und in § 1 GWB ein grundsätzliches Kartellverbot kodifizierte.[52]

32

Die Konzernierung wurde hingegen weit weniger deutlich eingeschränkt.[53] Das neue Aktiengesetz von 1965 regelte das Konzernrecht zwar erheblich umfassender, mitunter durch eine Verstärkung der Offenlegungspflichten,[54] die grundsätzliche Akzeptanz blieb aber erhalten. Insbesondere herrschte in Deutschland weiterhin das Verständnis eines vorrangigen Konzerninteresses,[55] anders als etwa in den USA.[56]

33

Der Weg der Konzernierung wurde damit – anders als der der Kartellierung – bis heute nicht verlassen. Er vollzog sich seit der Etablierung der Aktiengesellschaften fortlaufend durch die Phasen der nationalen Geschichte und Wirtschaftsordnung, wenn auch – abhängig von der geschichtlichen Phase – mit verschiedenen Rahmenbedingungen und unterschiedlicher Intensität.[57]

Anmerkungen

[1]

Schmoeckel Rechtsgeschichte, Rn. 56.

[2]

Schmoeckel Rechtsgeschichte, Rn. 59.

[3]

Schmoeckel Rechtsgeschichte, Rn. 261.

[4]

Schmoeckel Rechtsgeschichte, Rn. 263.

[5]

Schmoeckel Rechtsgeschichte, Rn. 265.

[6]

Schmoeckel Rechtsgeschichte, Rn. 278.

[7]

Dettling Entstehungsgeschichte, S. 51.

[8]

Schmoeckel Rechtsgeschichte, Rn. 264.

[9]

Schmoeckel Rechtsgeschichte, Rn. 280.

[10]

Schmoeckel Rechtsgeschichte, Rn. 280.

[11]

Dettling Entstehungsgeschichte, S. 52.

[12]

Dettling Entstehungsgeschichte, S. 52.

[13]

Vgl. hierzu Dettling Entstehungsgeschichte, S. 51 f.

[14]

Die nachstehende Einteilung folgt Dettling Entstehungsgeschichte, S. 49.

[15]

Dettling Entstehungsgeschichte, S. 51.

[16]

RGZ 38, 155 (157 f.): „Sinken in einem Gewerbezweige die Preise der Produkte allzu tief herab, und wird hierdruch der gedeihliche Betrieb des Gewerbes unmöglich gemacht oder gefährdet, so ist die dann eintretende Krisis nicht nur dem Einzelnen, sondern auch der Volkswirtschaft im allgemeinen verderblich, und es liegt daher im Interesse der Gesamtheit, daß nicht dauernd unangemessen niedrige Preise in einem Gewerbszweige bestehen. (…) Hiernach kann es auch nicht schlechthin und im allgemeinen als dem Interesse der Gesamtheit zuwiderlaufend angesehen werden, wenn sich die an einem Geschäftszweige beteiligten Unternehmen zusammenschließen, um die gegenseitigen Preisunterbietungen und das dadurch herbeigeführte Sinken der Preise ihrer Produkte zu verhindern oder zu mäßigen; es kann vielmehr, wenn die Preise wirklich dauernd so niedrig sind, daß den Unternehmen der wirtschaftliche Ruin droht, ihr Zusammenschluß nicht bloß als eine berechtigte Betätigung des Selbsterhaltungstriebs, sondern auch als eine dem Interesse der Gesamtheit dienende Maßregel erscheinen. Es ist denn auch von verschiedenen Seiten die Bildung von Syndikaten und Kartellen der hier fraglichen Art gerade als ein Mittel bezeichnet worden, das bei fachgemäßer Anwendung der ganzen Volkswirtschaft durch Verhütung unwirtschaftlicher, mit Verlusten arbeitender Überproduktion und der an diese sich knüpfenden Katastrophen Nutzen zu schaffen besonders geeignet ist.“ Vgl. dazu ausführlich Schmoeckel Rechtsgeschichte, Rn. 381 ff.

 

[17]

Spindler Interdependenzen, S. 42 f.

[18]

Betont wurde das Selbstentmündigungsverbot durch das Reichsgericht in zwei Entscheidungen: RGZ 3, 123 (132) aus dem Jahre 1888 und RGZ 82, 308 (316 f.) aus dem Jahre 1913; vgl. hierzu auch Spindler Interdependenzen, S. 76.

[19]

Vgl. hierzu nur RGZ 105, 236 (241), wo die Zulässigkeit der Beteiligung von Unternehmen an anderen Unternehmen vorausgesetzt und lediglich eine Sittenwidrigkeit aufgrund übermäßiger Bindung diskutiert wurde. Vgl. zur Zulässigkeit unternehmerischer Beteiligungen auch Dettling Entstehungsgeschichte, S. 54; Spindler Interdependenzen, S. 76.

[20]

Schmoeckel Rechtsgeschichte, Rn. 289; vgl. zum Sherman Anti-Trust Act auch Dettling Entstehungsgeschichte, S. 19. Eine Ablichtung der Gesetzesausfertigung wird durch die US-amerikanische National Archives and Records Administration bereitgestellt im Internet unter http://www.ourdocuments.gov/document_data/pdf/doc_051.pdf (Seite 1) sowie http://www.ourdocuments.gov/document_data/pdf/doc_051b.pdf (Seite 2). Die Regelungen sind heute verankert in Title 15 (Commerce and Trade) des United States Code, §§ 1 bis 7, abrufbar auf der Internetseite des US Government Printing Office unter http://www.gpo.gov/fdsys/pkg/USCODE-2013-title15/pdf/USCODE-2013-title15-chap1.pdf.

[21]

Dettling Entstehungsgeschichte, S. 55.

[22]

So etwa Friedlaender Konzernrecht, S.7.

[23]

Friedlaender Konzernrecht, S. 7; Dettling Entstehungsgeschichte, S. 57.

[24]

Schmoeckel Rechtsgeschichte, Rn. 288; Dettling Entstehungsgeschichte, S. 58. Vgl. auch die Zusammenstellung von Treude Gebundene Wirtschaft, S.43, wonach 1929 in vielen Branchen 75 bis 95 % des Nominalkapitals der Aktiengesellschaften von Konzernen beherrscht wurde. Siehe hierzu auch Spindler Interdependenzen, S. 42.

[25]

Dettling Entstehungsgeschichte, S. 58.

[26]

Spindler Interdependenzen, S. 41 f.; Dettling Entstehungsgeschichte, S. 58.

[27]

Dettling Entstehungsgeschichte, S. 59 f.; vgl. zur Entstehung des Schachtelprivilegs auch Spindler Interdependenzen, S. 15 ff.

[28]

Zur Rechtsprechung des Reichsfinanzhofes nur RFHE 22, 183 (183 ff.); vgl. zur Rechtsprechungshistorie auch Spindler Interdependenzen, S. 17 ff.

[29]

Dettling Entstehungsgeschichte, S. 60.

[30]

RFHE 22, 183 (187); Dettling Entstehungsgeschichte, S. 60.

[31]

Dettling Entstehungsgeschichte, S. 61.

[32]

Vgl. zum Ganzen Dettling Entstehungsgeschichte, S. 60 f.; sowie ausführlich Spindler Interdependenzen, S. 17 ff.

[33]

So wurden die beiden Entscheidungen aus den Jahren 1888 und 1913 (siehe hierzu bereits oben 4. Fn. zu Rn. 23) durch das Reichsgericht später nicht mehr aufgegriffen, vgl. etwa RGZ 105, 236 (241); entsprechend Dettling Entstehungsgeschichte, S. 63.

[34]

So Dettling Entstehungsgeschichte, S. 62; vgl. dazu auch Spindler Interdependenzen, S. 247 ff.

[35]

Dettling Entstehungsgeschichte, S. 65.

[36]

Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 1 Rn. 5.

[37]

Verordnung gegen Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellungen vom 2.11.1923, RGBl. I 1923, S. 1067 ff.; siehe dazu Dettling Entstehungsgeschichte, S. 46 ff.

[38]

Dettling Entstehungsgeschichte, S. 68.

[39]

Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie vom 19.9.1931, RGBl. I S. 493 ff.

[40]

Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 1 Rn. 11.

[41]

Vgl. hierzu Dettling Entstehungsgeschichte, S. 70 f.

[42]

§ 262a Abs. 1 HGB-1931: „Der Jahresabschluß der Gesellschaft ist unter Einbeziehung der zugrunde liegenden Buchführung und des Geschäftsberichts durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer (Bilanzprüfer) zu prüfen, bevor der Jahresabschluß der Generalversammlung zur Beschlußfassung vorgelegt wird.“ Vgl. auch Schmoeckel Rechtsgeschichte, Rn. 291.

[43]

§ 260 Abs. 1 HGB-1931. Vgl. hierzu auch Dettling Entstehungsgeschichte, S. 71.

[44]

Dettling Entstehungsgeschichte, S. 72. Haussmann Konzentration, S. 288 f. führte hierzu aus: „Unter diesen Umständen, in denen sich in der Tat eine objektiv kritische Einstellung gegenüber den Konzentrationserscheinungen nicht durchsetzen konnte, ist es nicht verwunderlich, daß sich in der Entwicklung, die nach 1933 einsetzte, bereits ein Netz von kartellmäßigen Organisationen und konzernmäßigen Verdickungen in Deutschland vorfand, welches der denkbar geeignete Nährboden für die nunmehr beginnende totalitäre Wirtschaftslenkung darstellte.“

[45]

So Dettling Entstehungsgeschichte, S. 73.

[46]

Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) vom 30.1.1937, RGBl. I S. 107 ff.

[47]

Dettling Entstehungsgeschichte, S. 73.

[48]

Vgl. Schmoeckel Rechtsgeschichte, Rn. 291, wonach die Stärkung des Vorstandes aber auch Ergebnis US-amerikanischer Einflüsse gewesen sein könnte.

[49]

Dettling Entstehungsgeschichte, S. 77 f.

[50]

Schmoeckel Rechtsgeschichte, Rn. 292.

[51]

Schmoeckel Rechtsgeschichte, Rn. 399.

[52]

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27.7.1957, BGBl. I 1957, S. 1081 ff.; vgl. hierzu auch Schmoeckel Rechtsgeschichte, Rn. 405.

[53]

Gleichwohl fanden auch hier vereinzelt angeordnete Entflechtungen statt, vgl. dazu Schmoeckel Rechtsgeschichte, Rn. 399; Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 1 Rn. 6.

[54]

Schmoeckel Rechtsgeschichte, Rn. 292.

[55]

Dettling Entstehungsgeschichte, S. 361.

[56]

So Schmoeckel Rechtsgeschichte, Rn. 293.

[57]

Erst in der jüngsten Vergangenheit sind erstmalig auch autonome Entflechtungstendenzen spürbar, vgl. insofern die Untersuchungsergebnisse von Wiesenack/Klein in: Eisele/Koch/Theile, S. 38.