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1.1.6 Zahl der Vorstandsmitglieder

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In der Satzung sind nach § 23 Abs. 3 Nr. 6 AktG die Zahl der Mitglieder des Vorstands oder die Regeln, nach denen diese Zahl festgelegt wird, anzugeben. Gem. § 76 Abs. 2 S. 1 AktG kann der Vorstand aus einer oder mehreren Personen bestehen. Bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als 3 000 000 EUR hat er nach S. 2 aus mindestens zwei Personen zu bestehen, es sei denn, die Satzung bestimmt, dass er aus einer Person besteht. Bei mitbestimmten Gesellschaften ergibt sich aus § 33 Abs. 1 S. 1 MitbestG, dass der Vorstand aus mindestens zwei Mitgliedern zu bestehen hat, da ihm ein Arbeitsdirektor als gleichberechtigtes Mitglied angehören muss; wegen des zwingenden Charakters dieser Vorschrift ist eine entgegenstehende Satzungsregelung nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig.[67] Die Satzung kann daher entweder eine feste Zahl von Vorstandsmitgliedern oder eine Mindest- oder Höchstzahl angeben. In der Praxis wird überwiegend keine feste Mitgliederzahl bestimmt; ansonsten wird bei jeder Änderung der Zahl der Vorstandsmitglieder eine Satzungsänderung erforderlich. Bestimmt die Satzung eine Mindest- oder Höchstzahl, ist auch zu regeln, wem die nähere Bestimmung der Zahl der Vorstandsmitglieder obliegt.[68] Grundsätzlich ist dies Aufgabe des Aufsichtsrats, da er nach § 84 AktG für die Bestellung der Vorstandsmitglieder zuständig ist. Die Satzung kann aber auch bestimmen, dass die Hauptversammlung die Mitgliederzahl festlegt.

1.1.7 Bekanntmachungen

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Nach § 23 Abs. 4 AktG muss die Satzung Bestimmungen über die Form der Bekanntmachungen der Gesellschaft enthalten. Die Bekanntmachungsform betrifft die gesetzlichen und die statutarischen Bekanntmachungspflichten der Gesellschaft.[69] Bestimmt das Gesetz oder die Satzung, dass eine Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern zu erfolgen hat, so gibt § 25 AktG den (elektronischen) Bundesanzeiger als das obligatorische Bekanntmachungsblatt vor. Durch diese mit der Aktienrechtsnovelle 2016 eingeführte Konzentration der Bekanntmachungspflichten auf den Bundesanzeiger sollen die bis dahin bestehenden Unklarheiten über den Zeitpunkt der Bekanntmachung ausgeräumt werden, wenn die Satzung mehrere Bekanntmachungsblätter vorsieht. An die Veröffentlichung in diesen zusätzlichen Bekanntmachungsblätter werden keine Rechtsfolgen mehr geknüpft (§ 26h Abs. 3 EGAktG).[70]

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Nach herrschender Auffassung ergibt sich aus einer Gesamtschau von § 23 Abs. 4 und § 25 AktG, dass § 23 Abs. 4 AktG nur die sog. freiwilligen Bekanntmachungen der Gesellschaft erfasst, also solche, die das Gesetz oder die Satzung vorschreiben, ohne zugleich die Gesellschaftsblätter als Publikationsmedium zu bestimmen.[71] Fälle solcher freiwilligen Bekanntmachungen sind (für nicht börsennotierte Gesellschaften) die Zwischenfinanzberichte.[72]

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Von der Bekanntmachung ist die Zugänglichmachung von bestimmten Informationen durch die Gesellschaft zu unterscheiden wie zum Beispiel der Gegenanträge nach § 126 Abs. 1 AktG oder die Erklärung zum Corporate Governance Kodex nach § 161 Abs. 1 AktG. Hierzu reicht es aus, dass die Information auf die Internetseite der Gesellschaft eingestellt wird; eine Bekanntmachung im Bundesanzeiger ist nicht erforderlich.

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Seit Inkrafttreten des TUG am 20.1.2007 sind bestimmte Unternehmensinformationen über die Internetseite des Unternehmensregisters zugänglich; dazu gehören nach § 8b Abs. 2 Nr. 1 HGB die Eintragungen im Handelsregister und deren Bekanntmachungen und zum Handelsregister eingereichte Dokumente. Die meisten der in § 8b Abs. 2 HGB genannten Dokumente sind vom Bundesanzeiger, der zugleich Betreiber des Unternehmensregisters ist,[73] diesem zur Einstellung zu übermitteln, während das (börsennotierte) Unternehmen nur die in § 8b Abs. 2 Nr. 9 und 10 HGB genannten Unterlagen übermitteln muss.

1.2 Fakultativer Satzungsinhalt

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Über den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestinhalt hinaus sind je nach Sachverhalt bei der Gründung der Gesellschaft weitere Bestimmungen in die Satzung aufzunehmen.

1.2.1 Festsetzungen der Einlage

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Zwingend in die Satzung aufzunehmen sind Bestimmungen über die Einlagen der Aktionäre dann, wenn sie nicht in bar (Sacheinlagen) oder durch Übereignung von Wirtschaftsgütern unter Anrechnung auf die Einlageverpflichtung (Sachübernahme) erbracht werden (§ 27 Abs. 1 AktG).[74] Dabei muss nicht der gesamte der Übertragung des Sacheinlagegegenstandes zugrunde liegende Vertrag (Einbringungsvertrag)[75] in die Satzung aufgenommen werden. Angegeben werden muss jedoch bei der Sacheinlage der Gegenstand der Sacheinlage, die Person des Einlegers und der Nennbetrag bzw. bei Stückaktien die Zahl der bei der Sacheinlage zu gewährenden Aktien. Bei einer Sachübernahme sind ebenfalls der Gegenstand der Übernahme, die Person, von der die Gesellschaft den Gegenstand erwirbt und die von der Gesellschaft zu gewährende Vergütung anzugeben. Ohne diese Festsetzungen oder bei mangelhafter Festsetzung in der Satzung sind die Vereinbarungen über die Sacheinlage bzw. die Sachübernahme (verdeckte Sacheinlage), d.h. das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft, der Gesellschaft gegenüber zwar nicht unwirksam; gleiches gilt für die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung, d.h. für das dingliche Erfüllungsgeschäft (§ 27 Abs. 3 Satz 2 AktG). Rechtsfolge ist das Weiterbestehen der Geldeinlagepflicht des Inferenten, auf die der Wert der tatsächlich an die Gesellschaft geleisteten Vermögensgegenstände im Zeitpunkt der Handelsregisteranmeldung der Gesellschaft bzw. der Leistungserbringung angerechnet werden.[76]

1.2.2 Festsetzung von Sondervorteilen

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Auch ein einem Aktionär oder einem Dritten von der Gesellschaft eingeräumter besonderer Vorteil muss nach § 26 Abs. 1 AktG in der Satzung unter Bezeichnung des Berechtigten festgesetzt werden. Die Sondervorteile müssen aus Anlass der Gründung der Gesellschaft eingeräumt werden, ohne dass der Berechtigte hierfür eine Gegenleistung erbringt. Es handelt sich um ein Gläubigerrecht zugunsten des Berechtigten und damit nicht um ein mitgliedschaftliches Sonderrecht, das mit der Eintragung der Satzung entsteht.[77]

1.2.3 Festsetzungen nach Aktiengesetz und Umwandlungsgesetz

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Die bei der Gründung der AG entstehenden Kosten (Beurkundungs-, Gerichts-, Rechtsberatungs- und Prüfungskosten) sind, wenn sie zu Lasten der Gesellschaft gehen, nach § 26 Abs. 2 AktG in der Satzung gesondert festzusetzen.[78] Aus dieser Satzungsregelung ist für jeden Dritten ersichtlich, in welcher Höhe der Gründungsaufwand das Grundkapital der Gesellschaft aufgezehrt hat. Die Vorschrift des § 26 Abs. 2 AktG, die auch für die Verschmelzung und Spaltung zur Neugründung gilt (§§ 36 Abs. 2, 135 Abs. 2 UmwG), will durch Offenlegung der Mittelverwendung einem missbräuchlichen Zugriff auf das Vermögen der Gesellschaft durch die Gründer entgegenwirken und dient so dem Interesse der gegenwärtigen und zukünftigen Aktionäre und der Gläubiger.

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Änderungen der oben in den Rn. 51–53 beschriebenen Festsetzungen sind nach §§ 26 Abs. 4, 27 Abs. 5 AktG erst möglich, wenn die Gesellschaft fünf Jahre im Handelsregister eingetragen ist. Eine Beseitigung der Festsetzungen, d.h. ihre Streichung ist überhaupt erst möglich, wenn die ihnen zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse seit mindestens fünf Jahren abgewickelt sind und die Gesellschaft dreißig Jahre im Handelsregister eingetragen ist (§§ 26 Abs. 5, 27 Abs. 5 AktG).[79] Dazu ist eine Satzungsänderung erforderlich.

4. Kapitel Satzung › II. Inhalt der Satzung › 2. Satzungsautonomie

2. Satzungsautonomie

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Nicht jede Regelung kann in die Satzung einer AG aufgenommen werden.[80] Zum Verhältnis von Gesetz und Satzung gibt § 23 Abs. 5 AktG die sog. Satzungsautonomie oder Satzungsstrenge vor: Soweit das Aktiengesetz abschließende Regelungen enthält, können diese mittels Satzung nicht geändert werden. Nur wenn das Gesetz selbst Abweichungen oder Ergänzungen zulässt, können die Gründer oder die Hauptversammlung von ihrer Gestaltungsfreiheit Gebrauch machen.[81] Dabei ist für jede einzelne Bestimmung zu prüfen, ob sie im Rahmen der Satzungsautonomie zulässig ist.[82]

2.1 Abweichende Satzungsbestimmungen

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Bei den abweichenden Satzungsbestimmungen wird anstelle der gesetzlichen Regelung des Aktiengesetzes eine andere gesetzt. Die verdrängte gesetzliche Regelung muss die Abweichung ausdrücklich zulassen, z.B. durch Formulierungen wie „die Satzung kann bestimmen, dass …“[83]. Beispielsweise sei die durch die Aktienrechtsnovelle 2016 neu eingeführte Flexibilisierung der Ausgestaltung der Vorzugsaktie durch entspr. Satzungsregelung genannt: § 139 Abs. 1 Satz 3 AktG bestimmt, dass der auf die Aktie entfallende Gewinnanteil (Vorabdividende) nachzuzahlen ist, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt. Nach dieser Neuregelung steht es der Gesellschaft frei, ob sie Vorzugsaktien mit Nachzahlungsrecht oder ohne Nachzahlungsrecht oder mit einer Kombination aus beidem ausgeben will.[84]

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Schweigt das Aktiengesetz, ist eine Abweichung unzulässig.[85] Wegen des Wortlauts des § 23 Abs. 5 S. 1 AktG besteht in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend Einigkeit, dass Abweichungen von anderen gesetzlichen Vorschriften als denjenigen des Aktiengesetzes möglich sind, wenn diese eine Abweichung zulassen.[86] Den Rahmen der Abweichung gibt die Vorschrift in der Regel selbst vor.[87]

2.2 Ergänzende Satzungsbestimmungen

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Ergänzende Bestimmungen sind nach § 23 Abs. 5 S. 2 AktG in der Satzung dann möglich, wenn das Aktiengesetz keine abschließende Regelung enthält oder sich aus der Gesetzesnorm selbst und aus ihrem Zusammenhang mit anderen Bestimmungen durch Auslegung ergibt, dass eine abschließende Regelung nicht gewollt war.[88] Oberster Grundsatz dürfte sein, dass die Satzung nur solche Tatbestände regeln kann, die nicht im Gesetz zwingend anders gestaltet worden sind[89] oder für die das Gesetz ausdrücklich eine Ermächtigung ausspricht.[90] Dies ist anhand der jeweiligen gesetzlichen Bestimmung sowie ihres Sinns und Zwecks zu beurteilen.[91]

2.3 Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 5 AktG

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In Rspr.[92] und Schrifttum[93] besteht Einigkeit über die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen dieses Prinzip der Satzungsstrenge oder Satzungsautonomie: Satzungsbestimmungen, die nicht im Rahmen des gesetzlichen Dispositionsfreiraums liegen, sind nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig.

2.4 Ausfüllende und beschreibende Satzungsbestimmungen

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Weder abweichende noch ergänzende, sondern ausfüllende und beschreibende Bestimmungen stellen Vorschriften der Satzung dar, die wesentliche Teile des Gesetzes nur wiedergeben oder zusammenfassen.[94] Dies geschieht häufig bei der Aufzählung der Organe der Gesellschaft sowie bei der Beschreibung des Jahresabschlusses, des Lageberichts und des Berichts des Aufsichtsrats.

2.5 Nebenabreden

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Nicht zum Satzungsinhalt gehören die sogenannten satzungsergänzenden Nebenabreden oder Nebenverträge. Dabei handelt es sich um Absprachen, die die Aktionäre bei der Gründung oder im Anschluss an diese zur Regelung ihrer Rechtsverhältnisse innerhalb der Gesellschaft oder zu dieser außerhalb der Satzungsurkunde treffen.[95] Hierunter fallen bspw. Vorkaufs- und Vorerwerbsrechte, Stimmbindungen,[96] Besetzung der Organe und ihre Vergütung, Festlegungen zur Ausschüttungs- und Bilanzierungspolitik, Regelungen über die Finanzierung der Gesellschaft sowie wechselseitige Informationspflichten.[97] Solche Nebenabreden sind schuldrechtliche Verträge oder auch gesellschaftsrechtliche Regelungen i.S.d. §§ 705 ff. BGB.[98] § 23 Abs. 1 AktG findet auf sie keine Anwendung; sie sind grundsätzlich von der Satzung getrennt zu beurteilen (Trennungsprinzip).[99] Schuldrechtliche Nebenabreden können Regelungen enthalten, die in der Satzung nicht zulässig wären.[100] Sie können aber keine Rechte und Pflichten begründen, die mitgliedschaftsrechtlicher Natur sind; solche Abreden sind notwendige materielle Satzungsbestandteile, die wirksam nur in der Satzung selbst geregelt werden können.[101]

2.6 Typische Beispiele abweichender und ergänzender Satzungsbestimmungen
2.6.1 Organisation der AG

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Die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Organen der AG, ihre Zusammensetzung und ihre innere Organisation gibt das Aktiengesetz grundsätzlich zwingend vor. Die Satzung kann zusätzliche weitere Gremien vorsehen, wie z.B. Beiräte oder Verwaltungsräte. Ihnen können aber nicht Zuständigkeiten übertragen werden, die das Aktiengesetz zwingend den vorgeschriebenen Organen zuweist, wie z.B. die in § 119 Abs. 1 AktG beschriebenen Rechte der Hauptversammlung.

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Auch die Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes sind überwiegend zwingender Natur.[102] Abweichungen, die durch entspr. Satzungsbestimmungen möglich sind, sieht § 7 Abs. 1 S. 2, 3 MitbestG bei der Festlegung der Anzahl der Mitglieder des Aufsichtsrats vor: Ist in einem mitbestimmten Unternehmen aufgrund der Anzahl der Arbeitnehmer der Aufsichtsrat aus einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern zu bilden, so kann die Satzung eine der in den nächsten Stufen des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 MitbestG vorgesehene höhere Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder festlegen.[103] Dagegen ist es nicht möglich, die Wahl des Vorsitzenden des Aufsichtsrats und seines Stellvertreters nach § 27 MitbestG durch den Aufsichtsrat etwa auf die Hauptversammlung zu delegieren[104] oder die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats entgegen § 28 MitbestG von der Teilnahme einer bestimmten Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner abhängig zu machen.[105] Durch die Aktienrechtsnovelle 2016 ist ferner klargestellt worden, dass der Grundsatz der Dreiteilbarkeit der Aufsichtsratsmitglieder nach § 95 S. 3 AktG nicht für die sogenannten kleinen Aktiengesellschaften gilt; daher kann die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder oberhalb der Mindestzahl von drei Mitgliedern frei durch entsprechende Satzungsbestimmung festgelegt werden, sofern nicht aus mitbestimmungsrechtlichen Vorgaben eine Dreiteilbarkeit einzuhalten ist.[106] Das sind nach derzeitiger Rechtslage Gesellschaften, die dem Anwendungsbereich des Drittelbeteiligungsgesetzes unterfallen, § 4 Abs. 1 DrittelbG.

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Die Satzung kann über die Anforderungen des § 100 AktG (persönliche Voraussetzungen für die Mitglieder des Aufsichtsrats) hinausgehende Anforderungen nur für solche Aufsichtsratsmitglieder fordern, die von der Hauptversammlung ohne Bindung an Wahlvorschläge gewählt oder aufgrund der Satzung in den Aufsichtsrat entsandt werden, § 100 Abs. 4 AktG.[107] Statutarische persönliche Voraussetzungen für die Wahl von Arbeitnehmervertretern verstoßen gegen das schon im BetrVG 1952 verankerte Prinzip der Wahlfreiheit und sind unzulässig.[108] Für die innere Ordnung des Aufsichtsrats[109] gibt das Aktiengesetz nur einige wesentliche Regelungen vor, die von allen AG einzuhalten sind, und überlässt weitergehende Regelungen der Satzung: etwa nach § 107 Abs. 1 AktG hinsichtlich der Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden und mindestens eines Stellvertreters oder nach § 108 Abs. 2 S. 1 AktG hinsichtlich der Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats.[110] Auch Satzungsbestimmungen über die Bildung von Aufsichtsratsausschüssen sowie das Verfahren in den Ausschüssen sind als ergänzende Regelungen i.S.d. § 23 Abs. 5 S. 2 AktG zulässig, wenn sie das pflichtgemäße Ermessen des Gesamtaufsichtsrats, wie er seine Arbeitsweise sachlich und personell gestalten will, nicht in einer mit Sinn und Wortlaut des § 107 Abs. 3 S. 1 AktG unvereinbaren Weise einengen.[111] Bei mitbestimmten Gesellschaften gilt zumindest hinsichtlich der Besetzung des Personalausschusses wiederum der Vorrang der §§ 27 ff. MitbestG; aus der Sonderregelung des § 27 Abs. 3 MitbestG dürfen jedoch keine Folgerungen für eine zwingende Besetzung anderer Ausschüsse gezogen werden.[112]

2.6.2 Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte

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Da die Kompetenz zur Geschäftsführung ausschließlich dem Vorstand zusteht, können dem Aufsichtsrat keine Maßnahmen der Geschäftsführung übertragen werden. Jedoch haben die Satzung oder der Aufsichtsrat kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung zu bestimmen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen (§ 111 Abs. 4 AktG). Durch diese gesetzliche Vorgabe soll der Aufsichtsrat bei wesentlichen Maßnahmen präventiv in die Willensbildung der Gesellschaft eingebunden werden.[113] Das Aktiengesetz enthält keine inhaltlichen Vorgaben, welche Maßnahmen dem Zustimmungsvorbehalt unterliegen müssen; hier hilft Ziff. 3.3 DCGK weiter: in Übereinstimmung mit der Gesetzesbegründung[114] müssen Geschäfte von grundlegender Bedeutung zustimmungspflichtig sein. Was ein grundlegendes Geschäft in diesem Sinne ist, ist in der Satzung bzw. von dem Aufsichtsrat in einem auf die tatsächlichen Verhältnisse der betroffenen Gesellschaft zugeschnittenen Mindestkatalog unternehmensbezogen zu konkretisieren.[115] Hinsichtlich der Konkretisierung ist der Aufsichtsrat weitgehend frei; entscheidend ist jedoch, dass die zustimmungsbedürftige Maßnahme für den Vorstand eindeutig erkennbar ist.[116]

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Enthält die Satzung einen Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte, ist der Aufsichtsrat hieran gebunden; er kann den Vorbehalt nicht selbst abschaffen oder durch einen Generalkonsens leerlaufen lassen.[117] Umgekehrt kann die Befugnis des Aufsichtsrats, seinerseits einen Zustimmungskatalog zu beschließen, nicht durch die Satzung beschränkt oder ausgeschlossen werden;[118] der jeweils strengere Zustimmungsvorbehalt geht insoweit vor.[119] Im Falle der Übertragung von Aktien auf einen dann alleinigen Aktionär soll ein in der Satzung festgelegtes Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrats unbeachtet bleiben können.[120] Der Vorstand ist jedoch grds. verpflichtet, die Zustimmung des Aufsichtsrats für die festgelegten Geschäfte einzuholen (§ 82 Abs. 2 AktG); ein Ermessen steht ihm nicht zu, da seine Pflichten von der Satzung vorgegeben sind. Holt er die Zustimmung nicht ein, handelt er pflichtwidrig i.S.d. § 93 Abs. 1 AktG.[121]

2.6.3 Vorstand

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Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind nach § 78 Abs. 2 S. 1 AktG grds. alle Vorstandsmitglieder zur Vertretung der Gesellschaft befugt. Dieses Prinzip der Gesamtvertretung ist dispositiv; dies zeigen die verschiedenen in der Praxis anzutreffenden Vertretungsregelungen wie die Einzelvertretung,[122] die unechte Gesamtvertretung und die gemischte Gesamtvertretung.[123] Von der Möglichkeit, durch die Satzung Einzelvertretung anzuordnen, wird nur selten Gebrauch gemacht.[124] Üblicherweise sieht die Satzung zur Etablierung des Vieraugenprinzips vor, dass die Gesellschaft von zwei Vorstandsmitgliedern gemeinsam oder von einem Vorstandsmitglied und einem Prokuristen gemeinschaftlich vertreten wird. Zudem kann es sinnvoll sein, von der Möglichkeit des § 78 Abs. 3 S. 2 AktG Gebrauch zu machen und den Aufsichtsrat zu ermächtigen, einzelnen oder mehreren Vorstandsmitgliedern Einzelvertretungsbefugnis zu erteilen. Gemäß § 78 Abs. 3 S. 1 und 2 AktG analog kann der Vorstand durch die Satzung auch von § 181 BGB befreit werden bzw. der Aufsichtsrat zur Befreiung des Vorstands ermächtigt werden.[125]

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9783811443150
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