Spiddels Welt

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Spiddels Welt
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Titel:

Spiddels Welt

Untertitel:

10 kurze Reisegeschichten.

Impressum:

Texte und Fotos: © Copyright by Andreas M. Jendryke (Spiddel)

Verlag:

Andreas M. Jendryke, Ostpreußenstr.47, D-58089 Hagen, fotoart@spiddel.de

ISBN: 9783741830754

Reiseberichte der etwas anderen Art, aus einer vergangenen Zeit.

Einer befremdlichen, merkwürdigen und wirren Zeit, 1977 bis 1981.

Aufgeschriebene, meist authentische, Erlebnisse,

mit etwas Fantasie ausgeschmückt.

Geschichten, überwiegend geprägt von schnoddrigem Humor;

manchmal auch nachdenklich.

Inhalt:

1 The Queen Barbados, 1977

2 Caracas Venezuela, Caracas 1977

3 Quak Venezuela, Ciudad Bolivar, Orinoco 1977

4 Im Schlangenfluss Malaysia, Penang 1978

5 Shoes shine? Mister Ägypten, Kairo 1979

6 Es gibt kein Bier in Hurghada Ägypten, Hurghada 1979

7 24h Balige Indonesien Sumatra 1980

8 Bakschisch auf der Howrah Bridge Indien, Kalkutta 1981

9 Der Tod auf dem Gehweg Indien, Kalkutta 1981

10 Tigerhill Indien, Darjeeling 1981

Barbados, 1977

The Queen

Das Taxi, vom Barbados Airport, hatte uns hier, 2 km vor Georgetown, ausgespuckt.

What you are looking for?

"A cheap hotel".

"Here is it", waren die letzten Worte des Fahrers.

Links ein "Kentucky Fried Chicken"-Schnellimbiss,

rechts, durch einen Vorhof 20 Meter von der Landstraße entfernt, stand ein einstöckiges, blassrosa Haus.

"Wir können ja mal fragen gehen."

Hinter dem Haus ragen schornsteinhohe Kokospalmen in den Himmel. Eine breite, einladende, mehrstufige Treppe führte auf die großzügige Veranda. Ein großes, hellblaues, handgemaltes Schild macht aufmerksam auf: Kaffee und Saft von Dienstag bis Samstag.

"Von Hotel oder so steht hier aber nichts."

"Egal, klopf mal. Sieht doch gut aus."


"Yes, yes I coming", quietschte eine hohe Frauenstimme aus dem Inneren.

Die Tür wurde geöffnet und eine, für unseren jugendliche, verzerrten Blick, mindestens 80 Jahre alte Lady begrüßte uns. Eine Lady! Dezent geschminkt, die verschnörkelte Lesebrille an einem Goldkettchen um den Hals, dazu ein türkisfarbenes Kleid mit großen rosa Blumen. Passend zum Haus. Ein langer, weiß gestrichener Gang, Türen mit zierlichen, abgegriffenen Messingklinken zu beiden Seiten, führte ins Innere. Der raue, unbehandelte Dielenboden knarzte laut. Wir bekamen ein geräumiges Doppelzimmer mit einem, mit Kokosläufern umrandeten, Doppelbett, Kleiderschrank, Tisch, zwei Stühlen, einem Schaukelstuhl, einem kleinen Balkon und einem Handwaschbecken. Keine die patinierte Idylle belästigende Luxustechnik, wie Klimaanlage oder Windmaschine.

"Ein Glück, wenigstens ein Waschbecken."

Unsere kleinen Frösche vom Orinoco hatten schon in verschiedenen Unterkünften, in Duschbecken, ihr kleines Leben fristen müssen.

"Hoffentlich springen die da nich‘ raus."

Ein Marmeladenglas diente den Fröschen als Transportbehälter. Sichtlich erleichtert hüpften sie aus ihrem Glasgefängnis in die vermeintliche Freiheit.

"Lass ihnen ein bisschen Wasser rein, dann können sie auch nicht durch den Abfluss abhauen."

"Die sind hier gut aufgehoben. Nur die Lady ...; die darf hier nicht mehr rein."

"Breakfast gents", riss uns am nächsten Morgen ihre schrille Stimme, unterstützt durch energisches Klopfen an der Zimmertür, aus dem Schlaf.

"Breakfast."

Im Speisezimmer, eigentlich war es einfach die Küche, angekommen, stellten wir fest, dass wir die einzigen Hotelgäste waren. Während dem ausgiebigen, frisch zubereiteten, englischen Frühstück erzählte unsere Hausherrin, sie hatte eine weiße Schürze angelegt, unentwegt von Gott, der Welt und der Queen. Das Ende ihrer Ausführungen ließ uns aufhorchen.

"Tomorrow, morgen früh, stelle ich euch zwei kleinen, netten, hübschen Freundinnen vor."

Wir hielten kurz inne, die gebackenen Bohnen und die Cornflakes mussten warten, um einen "Hoppla-jetzt-wird’s-interessant-Blick" zu tauschen.

"I will introduce you Lilli and Penny."

"Breakfast, boys! Come please!"

Ha! Wir waren schon lange auf, frisch gewaschen, gekämmt und mit unseren am wenigsten zerschlissenen T-Shirts ausgestattet. Auf geht’s.

In der Küche war außer unserer „Queen“ niemand. Sie saß am weit geöffneten Fenster.

"Sit down."

"Tschiep, tschiep", quietschte sie, während sie, mit automatischen Bewegungen, Toastbrot mit dem Daumen in der Hand zerkrümelte und auf ein kleines Holztischchen, unterhalb des Fensters, streute.

"Come, come tschiep."

Auf der Fensterbank landeten zwei Glanzstare, lukten kurz mit schiefem Kopf in die Küche und hüpften auf den mit Krümeln übersäten Tisch. Strahlend, mit leuchtenden Augen sah die Lady uns an und mit einer auf die Vögel weisenden Handbewegung:

"Gents! Penny and Lilli."

Hoffentlich hatte sie unseren entgeisterten, stieren Blicke und die bis auf den Tisch herunterhängenden Kinnladen nicht bemerkt.

No girls. No fun.

Aber es sollte noch besser kommen. Am Tag unserer Abreise, die Seesäcke waren schon gepackt, die Frösche in ihrem Glascontainer untergebracht, lautes Geschrei auf dem Flur. Die Zimmertür wurde, ohne anzuklopfen, aufgerissen. Wild gestikulierend, die Arme hochreißend, stürmte die Lady ins Zimmer.

"The Queen, the Queen is coming!"

Völlig aufgelöst, das Gesicht vor Aufregung gerötet, mit einem kleinen Transistorradio herumfuchtelnd:

"Elizabeth II is here, the Queen is here."

Is‘ ja gut. Wir lächelten höflich.

"The Queen is coming", rufend rannte sie den Flur entlang, Richtung Küche.

"Lass uns abhauen. Die is‘ ja total durchgeknallt."

"O.K., wir warten besser am Airport."

Wir bezahlten, bedankten und verabschiedeten uns, schleppten unser Gepäck, in der Hoffnung auf einen aufmerksamen, vorbeikommenden freien Taxifahrer, an den Bordstein. Auf der Straße war es auffallend ruhig. Null Verkehr. Keine Autos. Kein Taxi. Nach einer Stunde (warten war kein Problem für uns, man kann es gut lernen) war der Straßenrand gesäumt von lachenden, Fähnchen schwingenden, in adretten Schuluniformen gekleideten Schulkindern.

Kein Taxi.

Wir hatten es uns auf einer kleinen Mauer bequem gemacht. Nach zwei Stunden: ein Polizeiauto. Ein paar Minuten später eine Motorradeskorte und im Gefolge ein tiefschwarzer Rolls-Royce. Die Kinder jubelten ehrlich, Elizabeth II winkt hinter geschlossenen Seitenfenstern, wir waren verblüfft, unsere Lady hatte Recht behalten.


Unser Abflug verzögerte später noch um 8 Stunden. Angeblich, weil die königliche Concord es sich auf dem Rollfeld zu breit gemacht hatte. Unsere Essens-Voucher tauschten wir in feinsten Barbados-Rumlikör. So ließ es sich sehr noch komfortabel und entspannter warten.

Venezuela, Caracas 1977

Caracas

Caracas ist eine Millionenmetropole. Wunderbar gelegen, in einem hoch gelegenen Gebirgstal, umsäumt von steil ansteigenden dschungelbewachsenen Bergen. Was machen wir hier, zwischen den Hochhäusern in diesem von Billigst-Erdöl angetriebenen Straßenverkehr? Manche Straßen sehen an den Rändern aus wie verbrannter Baumkuchen. Teerdecke verschlissen? Na und! Einfach noch eine 5cm dicke Schicht auftragen. Kost’ ja nix.


Es gibt eine "Teleférico" Seilbahn über den "Pico Avila" bis zur Karibik. Immerhin 2137m hoch. Das wäre ein lohnendes Ziel.

Wir suchen uns ein Taxi.

"Where do you want to go?"

"Teleferico, por favor."

"Teleférico!?"

Den kleinen Polyglott rausgekramt.

"Look here."

"Si, El Avila."

An der Seilbahnstation herrschte gepflegte Totenstille. Abgesehen vom Verkehrslärm der nahe gelegenen sechsspurigen Autobahn.

Wir waren uns einig, hier stimmte etwas nicht. Ein großes Schild am Kassenhäuschen verhieß nichts Gutes. Der frisch erworbene "Guia de Conversación" Español-Alemán wurde aus der Tasche gekramt. Einen Deutsch-Spanisch-Übersetzer konnten wir in Caracas leider nicht auftreiben. Unser Übersetzungsversuch bleibt natürlich erfolglos. Erst ein freundlicher Gärtner erklärt uns in bestem "Pidginenglisch" (das entspricht in etwa genau unseren Englischkenntnissen):

"No Teleférico, tzree mäibi quadro wieks- -inspektiona. Ju anderstänt?"

Schei...e!

Jetzt bloß nicht den Tag verderben lassen. Es ist ca. 11 Uhr und die Temperatur steigt. An einer kleinen Bodega verkauft man uns zwei Dosen Sprite.

"Soll´n wir zu Fuß ein Stück den Berg rauf?"

"Nee - - oder doch."

"Na gut. Mal seh´n wie weit wir kommen."

Wie immer sind wir natürlich hervorragend für solche spontanen Aktionen ausgerüstet. Nämlich, gar nicht! T-Shirt, Jeans, Halstuch, Stiefel!!, überdimensionierte Messer (Marke: Bud Spencer), Umhängetaschen (natogrün mit diversen Verzierungen, waren damals absolut IN) und ein halbvoller, lederner Trinkbeutel (Marke: Ziege) und die alte 4x4 Agfa-Kamera. That´s all. Zwischen uns und dem rufenden Berg, die „Avenida Cota Mil”. Wie gesagt: sechs Spuren. Das Problem stellte sich nach wenigen Minuten als recht klein heraus. Ein Fußgängertunnel unter der Autobahn löste es. Schon nach 200-300m hatten wir die letzten Häuser hinter uns gelassen und den Urwald erreicht. Buschwerk, Dornen, Moskitos, Bäume, sandiger, haltloser Boden. Zunehmende Hitze.

 

"Ob es hier Schlangen und so was gibt?"

"Mit Sicherheit!"

"Raubtiere?"

"Hmm?"

Kein Weg. Noch mehr Kakteen, Agaven und Moskitos. Viel staubige Hitze.

Und...Durst!

"Haben wir was Trinkbares?"

"Klar, im Lederbeutel!"

(Ziegenlederbeutel haben den Ruf, Wasser frisch zu halten. Daher gehörte neuerdings einer zu unseren Reiseutensilien.)

"Gib her!"

"Jetzt nich´, da oben, auf dem Weg."

Noch 30 Meter, was ungefähr 20 Minuten weiterleiden bedeutete.

"...". Eine Handbewegung musste reichen.

Mund und Rachen sind trocken wie Stroh. Die Zunge ein verdorrter Fremdkörper. Den Beutel mit fliegenden Fingern aufschrauben. Ansetzen...schlucken. Eine lauwarme, lakritzige, schweißige, leicht brennende, mit kräftigen Ziegenkäsearoma versetzte, süße Flüssigkeit rann mir durch die Kehle.

"SCHE..se, WAS IST DAS!"

"Baccardi aus dem Dutyfree.....mit Cola. Warum?"

Gourmet-Tipp (für alle, die dem Alkohol auf ewig abschwören wollen): Ca. 400ml weißer Baccardi und 1 Dose Cola. Diese Zutaten in einen Ziegenlederbeutel geben. So lange schütteln, bis sich die Kohlensäure restlos verflüchtigt hat. Drei Tage körpernah durch die Gegend tragen. Acht Stunden in die pralle Sonne legen.

Fertig.

Hmmm.

Die Aussicht tröstete.


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