Titus Schulgeschichten III

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Titus Schulgeschichten III
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Titus Schulgeschichten III

Titus ist ein Lehrer an einem imaginären Gymnasium. Titus unterrichtet Deutsch. Was Titus in seinem Deutschunterricht und an seiner Schule erlebte, erzählte er im ersten und zweiten Teil. Da Titus noch mehr zu erzählen hat, folgt ein dritter Teil. Wieder erzählt Titus nicht nur das Selbsterlebte. Titus erzählt auch Geschichten von Kollegen, Kolleginnen, Schülern und Schülerinnen.

A.D. Titus Schulgeschichten III

A.D.

Erste Auflage 2021

978-3-7549-2870-7

Copyright: © 2021 A.D.

Andreas Dietrich

Rietzer Straße 12

14776 Schmerzke

www.ad-schreibt.net

kontakt@ad-schreibt.net

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Am Ende funktioniert es doch

Ein Gymnasium hat das Ziel, die Schüler und Schülerinnen zu ihrem Abitur zu begleiten. Die Inhalte der Unterrichtsstunden sind in der Regel vorgegeben. Wie der Inhalt den Schülerinnen und Schülern beigebracht wird, ist die Sache des Lehrers oder der Lehrerin.

Die Schule soll Wissen vermitteln. Es soll zunächst um Grundwissen gehen. In der Grundschule lernen die Schüler und Schülerinnen das Lesen, Schreiben und Rechnen. Auch Kunst, Musik und Sport stehen auf dem Stundenplan. In den weiterführenden Schulen wird auf das gelernte Wissen aufgebaut.

Auch wenn die Schule Wissen vermittelt, alles an Wissen kann die Schule nicht vermitteln. Manches Wissen kann ein Mensch nur erlangen, wenn der Mensch lebt. Wie die Liebe funktioniert, wie der Schüler seinem Schwarm nahe sein kann, wie die Schülerin ihre Liebe gestehen kann, dass kann die Schule nicht beibringen. Dafür gibt es kein Rezept. Es gibt keine Theorie, die auf jeden Fall stimmt. Es ist immer wieder ein Einzelfall.

Nehmen wir nur Corinna und Gordon zum Beispiel. Schon vom ersten Tag an konnte jeder erkennen, dass aus ihnen etwas werden wird. Öffentlich gaben die Beiden es nie zu. Sie verstanden sich gut. Sie neckten sich immer wieder. Eine Beziehung mit dem jeweils Anderen führen? Nein, das wollten sie nicht. Das kam für sie nicht in Frage. Sie wollten ihr Abitur machen. Sie waren gerade einmal in der elften Klasse. Bis zum Abitur sollte es nicht mehr weit sein. Aus diesem Grund hätten sie gar keine Zeit für einen Freund oder eine Freundin. Ein Freund oder eine Freundin würde nur Zeit stehlen. Zeit, die für das Lernen des Stoffes wichtiger war. So war es zu mindestens nach außen hin immer wieder von Gordon und Corinna zu hören.

Die anderen Schüler und Schülerinnen glaubten es nicht. Vor allem die Schülerinnen und Schüler, die einen Partner oder eine Partnerin hatten, glaubten es nicht. Sie versuchten Corinna und Gordon davon zu überzeugen, dass ein fester Freund oder eine feste Freundin auch positive Auswirkungen haben kann.

Gordon und Corinna war es egal. Sie würden nie ein Paar sein. Sie wären nur Klassenkameraden, die sich gut verstehen. Mehr nicht.

Am Ende des Schuljahres wurden die Zwei von den anderen Schülern und Schülerinnen auf die Probe gestellt. Unter einem Vorwand lockten sie die Beiden in den Keller. Corinna und Gordon dachten sich zunächst nichts dabei. Sie folgten zwei Klassenkameraden.

An einem Raum angekommen, öffneten beide Klassenkameraden die Tür. Sie hielten die Tür für Gordon und Corinna auf. Corinna und Gordon gingen als Erstes hinein. Als sie im Raum standen, ging hinter ihnen die Tür zu. Die zwei Klassenkameraden schlossen ab.

Gordon und Corinna protestierten. Sie wollten wieder raus. Das verneinten die anderen zwei Klassenkameraden. Sie würden morgen Mittag wiederkommen. Wenn Corinna und Gordon die richtigen Antworten geben würden, dann wären sie morgen wieder frei. Etwas zu Essen und zu Trinken würde auf dem Tisch stehen. Eine Matratze mit Kopfkissen und einer Zudecke gab es ebenfalls im Raum.

Dann waren Gordon und Corinna allein. Was dann im Raum geschah, ist bis heute nicht bekannt. Weder Corinna noch Gordon erzählten davon.

Am nächsten Tag, es war ein Samstag, kamen die zwei Klassenkameraden wieder. Sie stellten ein paar Fragen. Gordon und Corinna gaben die richtigen Antworten. Die zwei Klassenkameraden sperrten die Tür auf. Corinna und Gordon verließen Hand in Hand den Raum.

Auf den Weg nach draußen kam ich ihnen entgegen. Ich wunderte mich, was vier Schüler an einem Samstag in einer Schule machten. Sie klärten mich auf. Dass Gordon und Corinna Hand in Hand gingen, blieb mir nicht verborgen. Ich kommentierte es auch. Am Ende funktioniert es doch. Am Ende kommen zwei Verliebte doch zusammen, auch wenn sie immer das Gegenteil behaupten. Ende gut. Alles gut.

Paula, Du musst Dich besonders anstrengen!

Den Schülern und Schülerinnen Wissen vermitteln reicht nicht. Die Schülerinnen und Schüler müssen es auch verstehen. Ein einfaches „Ich habe verstanden“ reicht nicht. Wahrscheinlich die ganze Klasse würde das sagen, wenn ich danach frage. Doch nur die Hälfte von ihnen hätte es wirklich verstanden.

Es muss also eine Lernkontrolle geben. Es muss einen Test geben. Es kann ein unangekündigter Test sein. Es kann aber auch die angekündigte Klassenarbeit sein. Eine Klassenarbeit hat meist eine Länge von vierzig bis fünfundachtzig Minuten. Ein unangekündigter Test kann kürzer sein. Zehn Minuten sind möglich, aber eher unwahrscheinlich. Zwanzig Minuten sind schon wahrscheinlicher.

Zwanzig Minuten hatte ich auch für meinen unangekündigten Test veranschlagt. Im Deutschunterricht kamen in den letzten Tagen die rhetorischen Mittel dran. Heute sollte die Klasse zeigen, ob sie die rhetorischen Mittel kannte.

Die Unterrichtsstunde begann pünktlich. Nach einem gegenseitigen guten Morgen forderte ich die Schüler und Schülerinnen auf, Hefter beiseite zu packen. Jetzt wurde ein Test geschrieben.

Die Schüler und Schülerinnen waren nicht begeistert. Paula hingegen schien es erwartet zu haben. Kein Wunder. Diesen Test gab es in jeder Klasse. Wer Bekannte aus einer höheren Jahrgangsstufe hatte, wusste es. Paula wusste es auch. Sie drehte eine Extrarunde. Aus diesem Grund musste sich Paula auch folgende Sätze anhören: „Paula, Du musst Dich besonders anstrengen. Du weißt ja, was auf dem Spiel steht.“

Paula wusste es. Ich wusste auch, dass Paula am Nachmittag oft lernte. Ihr fiel das Abitur nicht so leicht. Die anderen Schülerinnen und Schüler hatten es oft leichter. „Einmal gehört, nie wieder vergessen“ war aber selten. Die anderen Schüler und Schülerinnen mussten auch noch einmal den Stoff durchlesen. Das reichte den meisten Schülerinnen und Schülern aber. Paula musste sich den Stoff schon mehrmals durchlesen. Dann schrieb sie den Stoff auf. Nach mehrmaligem Lesen hatte Paula den Stoff verinnerlicht.

Zurück zum Test: Nachdem die Schüler und Schülerinnen die Hefte und Hefter beiseite gelegt hatten, verteilte ich den Test. Der Test bestand aus ein paar Fragen. Manchmal wurde das rhetorische Mittel genannt und die Schülerinnen und Schüler mussten es erklären. Ein passendes Beispiel durfte natürlich nicht fehlen. Ich stellte aber auch andersherum die Frage. Ich gab die Definition für das rhetorische Mittel vor und die Schüler und Schülerinnen mussten das korrekte rhetorische Mittel benennen. Es gab natürlich auch Fragen, da gab ich das Beispiel und die Schülerinnen und Schüler mussten das passende rhetorische Mittel erkennen.

Frage Eins lautete zum Beispiel: „Erkläre, was ein Paradoxon ist.“ Die Antwort hätte dann lauten müssen, dass ein Paradoxon ein Scheinwiderspruch war. Ein Beispiel im Buch dafür war „Vor lauter Individualismus tragen sie Uniform“.

Die fünfte Frage lautete: „Nenne das korrekte rhetorische Mittel für folgende Definition: Wiederholung eines charakteristischen semantischen Merkmals des Bezugswortes.“ Natürlich war der Pleonasmus gesucht. Ein Beispiel dafür war der nasse Regen. Trockenen Regen habe ich bisher noch nicht gesehen.

Die fünfzehnte und letzte Frage lautete: „Veni, vidi, vici! Welches rhetorische Mittel ist hier zu erkennen. Gebe auch die Definition an.“ Natürlich war veni, vidi, vici eine Klimax, also eine dreigliedrige Steigerung: Er kam, sah und siegte.

Ich gab den Schüler und Schülerinnen zwanzig Minuten Zeit. Das sollte genug sein. Paula war schon nach fünfzehn Minuten fertig und begann Däumchen zu drehen. Den Unterricht konnte Paula nicht verlassen. In zirka fünf Minuten sollte der normale Unterricht weitergehen.

Nach zwanzig Minuten sammelte ich alle Zettel ein. Die Auswertung sollte dann in der nächsten Stunde sein. Paula sollte alles richtig haben. Das konnte ich schon zu diesem Zeitpunkt sagen. Es gab auch Schülerinnen und Schüler, die es nicht geschafft haben. Davon kann ich aber eventuell ein anderes Mal erzählen.

Wenn’s hilft, macht euch einen Spicker!

Es stehen einmal wieder Klausuren an. Den Schülern und Schülerinnen gefällt es natürlich nicht. Nach ihren Meinungen könnten Klausuren auch ausfallen. Dafür bekommt dann jeder eine Eins.

Das funktioniert natürlich nicht. Für das Nichtstun eine Eins zu vergeben ist Blödsinn. Dann können die Zensuren auch gleich abgeschafft werden. Nein. Zensuren sind nicht schlecht. Objektiv vergeben erlauben sie eine Vergleichbarkeit der Schülerinnen und Schüler. Wie sollte sonst jemand erkennen, wie gut er ist? Woher weiß ein Schüler oder eine Schülerin, dass sie gut in Deutsch ist? Nur weil sie es sagen? Das soll reichen? Das reicht nicht.

Noten müssen sein. Klar können wir uns darüber streiten, ob es Noten zum Weiterkommen geben muss. Doch sollte jeder Schüler egal mit welcher Note weiterkommen? Das würde doch zweitens bedeuten, dass der Schüler oder die Schülerin in einem Jahr Probleme hat. Im folgenden Jahr würden die Probleme doch größer werden. Oft bauen später folgende Schulfächer auf das Wissen von vorherigen Schulfächern auf. Wer also schon am Anfang Probleme hat, wird später auch nicht mehr mitkommen. Lieber noch einmal das Grundwissen vertiefen. Dann klappt es vielleicht auch mit dem Aufbauwissen. Erstens würden die Schülerinnen und Schüler dann wohl gar nichts mehr machen. Da die Note für die Versetzung egal ist, müssen sie auch nichts weiter tun, als in die Schule gehen und sich hinsetzen. Soll das wirklich so sein?

 

Ich glaube nicht. Zensuren haben ihre Daseinsberechtigung. Tests und Klausuren auch. Irgendwie muss das Wissen der Schüler und Schülerinnen abgefragt werden können. Wenn alle Schülerinnen und Schüler eine schlechte Note erzielen, dann muss die Lehrkraft wohl noch einmal nachsitzen. Wenn eine gesamte Klasse den Stoff nicht versteht, dann muss die Lehrkraft einen Fehler gemacht haben. Sollten aber einige Schüler und Schülerinnen eine gute Note bekommen haben, dann liegt es wohl eher an den schlechten Schülerinnen und Schülern. Dann müssen wohl sie nachsitzen.

Wer in einer Klausur bestehen will, der muss in den meisten Fällen lernen. Nur wenige Schüler und Schülerinnen können es einfach so. Ich gebe vor den Klausuren den Schülerinnen und Schülern immer wieder Tipps. Oft nenne ich ihnen die Themen, die dran kommen sollten. Ich nenne natürlich nicht die Fragen oder gebe ihnen schon vorher die Aufgaben.

Vor jeder Klausur sage ich auch immer wieder meinen Standardsatz: „Wenn’s hilft, macht euch einen Spicker!“ Die Schüler und Schülerinnen, die den Satz zum ersten Mal hören, glauben dann, dass bei mir Spicker erlaubt sind. Das sind sie natürlich nicht.

Den Tipp mit dem Spickermachen gebe ich aus folgendem Grund: Die Schülerinnen und Schüler müssen dazu erst einmal den Stoff wiederholen. Sie müssen sich das Wichtigste merken und komprimiert auf den Zettel unterbringen. Platz, um Romane zu schreiben, gibt es nicht. Wer zudem keine guten Augen hat oder ziemlich groß schreibt, der muss das Wissen noch stärker komprimieren. Diese Schüler und Schülerinnen lesen sich den Lernstoff dann mehrmals durch. Eventuell schreiben sie auch mehrere Spicker, weil auf dem ersten Spicker kein Platz mehr ist und sie zu viel aufgeschrieben haben. Dann lesen die Schülerinnen und Schüler noch einmal den Lernstoff und streichen etwas, was nicht auf den Spicker kommen soll. So vertiefen die Schüler und Schülerinnen den Lernstoff und prägen sich ihn besser ein. Das soll dann gut für ihr Ergebnis in der Klausur sein.

Manche Schülerinnen und Schüler haben den geschriebenen Spicker dann wirklich benutzt. Pech für sie. Für das Spicken gab es eine Sechs. Wenn ich am Anfang der Klausur es bemerkte, war ich selten streng. Ich nahm den Spicker weg und der Schüler oder die Schülerin konnte die Klausur fortsetzen. Am Anfang konnte ich ja noch davon ausgehen, dass der Spicker kaum benutzt wurde. Spätestens nach zehn Minuten war Schluss. Dann brauchte ich den Spicker nicht mehr wegnehmen. Ich nahm der Schülerin oder dem Schüler die Arbeit weg. Note Sechs. Damit musste der Schüler oder die Schülerin dann leben. Selber Schuld.

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