Höllenteufel

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„Der sieht aus, als käme er direkt aus einem Fantasyfilm. Aus Herr der Ringe oder so.“

Thomas nickte bekräftigend.

„Ja, er erinnert an eine rituelle Waffe, eine Art Opferdolch.“

Schweigend studierten sie Klinge und Griff des Objekts, die reich verziert und mit seltsamen Symbolen graviert wa­ren. Die beiden bemühten sich, die Geschehnisse und die Waffe in einen plau­siblen Kontext zu bringen. Nach einigen Mi­nuten trafen sich ihre Blicke und Thomas sagte:

„Du zuerst!“

Sarah nahm die Einladung gerne an und begann, ohne auf die schweigend auf die in der Front sitzenden Beamten zu achten, ihre Theorie vorzutragen.

„So grotesk das auch klingen mag, aber ist es möglich, dass das junge Mädchen an einer rituellen Zeremonie teilge­nom­men hat? Sie nach Vollzug an dem Opfer, sei es ein Tier oder ein Mensch einen Schock erlitt und verwirrt in den Wald lief?“

„Genau diesen Gedanken hatte ich auch.“ Er sah un­ge­duldig auf die Uhr.

„Wir brauchen dringend die Hunde und auch die Spu­ren­sicherung. Ich bin sicher, dass es einen Tatort zu finden gibt.“

Jetzt erst wandte sich Thomas an die Beamten auf dem Fah­rer- und Beifahrersitz.

„Haben Sie noch etwas bemerkt, was Ihnen aufgestoßen ist oder was für uns von Relevanz sein könnte?“

Zwei übermüdete Augenpaare trafen sich, dann drehten sich beide nach hinten um und schüttelten den Kopf.

„Nicht, dass ich mich an etwas erinnern könnte“, sagte der ältere Polizist auf dem Fahrersitz.

„Okay, dann wären Sie beide eigentlich hier fertig. Den voll­ständigen Einsatzbericht bitte an das K11 zu meinen Hän­den.“

Nachdem er ein verlangsamtes, fast resigniertes Nicken entgegengenommen hatte, setzte er im Laufe des Montagvor­mittags hinzu, woraufhin die Gesichter der Poli­zisten deut­lich entspannter wirkten. Sarah nahm diese ver­ständ­nisvolle Geste ihres Partners ein wenig erstaunt aber erfreut wahr, ließ Thomas doch für gewöhnlich keine Ver­zö­gerungen oder Entschuldigungen zu, wenn es um be­ruf­liche Anweisungen ging. Der Uniformierte auf dem Beifah­rersitz übergab Tho­mas, der die Tür bereits geöffnet hatte, einen wei­teren Beutel, in dem ein Stück weißer, mit Blut be­schmutzter Stoff zu se­hen war.

„Dankeschön! Ihnen einen stressfreien Abend“, wün­schte Sarah den Beamten, nachdem ihr Kollege den Wa­gen gruß­los verlassen hatte. Sie stieg ebenfalls aus, setzte sich zurück in den ML und beobachtete das Wendemanöver des Ein­satz­fahrzeugs. Noch bevor der Wagen außer Sicht war, kün­­digte eine Komposition aus gelben und blauen Blink­lichtern die Ankunft der Hundestaffel und der Kriminal­tech­nik an. Vo­raus fuhr ein ziviler Schneepflug, den die Kollegen ir­gend­wie zu dieser nächtlichen Stun­de orga­nisiert hatten. So­fort nahm sich Thomas eine Ta­schen­lampe und das mobile Funk­gerät. Dann stieg er aus, um das städt­ische Fahrzeug und die ihm folgenden Wagen der Polizei vor der Stelle zu stoppen, an dem das Mädchen aus dem Wald aufgetaucht war. Sarah rüstete sich ebenfalls mit Walkie­Talkie und Ta­schenlampe aus und verließ den Wagen. Noch während ihr Partner den Schneepflug anwies, zu wenden und die Straße weiter frei­zuhalten, verließen zwei in Winteruniformen ge­packte Be­amte der Hundestaffel das erste Fahrzeug und gin­gen in Rich­tung der Hecktüren des Kastenwagens. Sogleich war aufgeregtes Gebell zu hören. Auch dem Wa­gen der Spu­ren­sicherung entstiegen den Witterungs­verhält­nissen ent­sprech­end gekleidete Polizisten. Thomas wandte sich an die Kollegen.

„Guten Abend, oder besser: Guten Morgen zusammen. Wir haben folgende Situation: Dort vorne“, er wies auf die Stelle, die das Ehepaar zuvor gezeigt hatte, „ist es zu einem Bei­na­he­unfall mit einer Minderjährigen gekommen, die nur mit einem Nachthemd bekleidet und einem Messer in der Hand aus dem Wald aufgetaucht ist. Die Kleidung war mit einer ziemlichen Menge an Blut beschmutzt. Das Mädchen hat sich nicht zu dem Vorfall äußern können, aber wir vermuten in der Umgebung einen wie auch immer gearteten Tatort. Das bedeutet: Die Hunde gehen voraus, um die Spur auf­zu­neh­men. Meine Partnerin und ich folgen, um gegebenenfalls den Tatort zu sichern. Sie von der Spusi haben also noch etwas Zeit, um Ihre Ausrüstung zu packen. Wir rufen Sie, wenn wir etwas finden, das kriminaltechnisch unter­sucht werden muss. Kanal 48.“

Er stöpselte den Kopfhörer in das Gerät und drückte sich den Lautsprecher in den Gehörgang. Dann winkte er mit dem Funkgerät und wandte sich an die Hundeführer.

„Ich habe eine Geruchsprobe, die sowohl von dem Kind als auch von unbekanntem Blut kontaminiert ist.“

Sarah zog die Tüte aus ihrer Tasche und zeigte sie den Be­amten.

„Das Mädchen war wohl barfuß unterwegs. Entscheiden Sie, welcher Ihrer Vierbeiner am besten geeignet ist.“

Die beiden sahen auf das Stück Stoff in dem Beutel, blickten einander kurz an und schienen wortlos übereingekommen zu sein.

„Das mache ich mit Connor“, sagte der jüngere Hunde­füh­rer, ging um den Wagen herum und erschien kurz darauf mit einem Australian Shepherd Rüden. Der Ältere nahm Sarah die Tüte ab, öffnete sie und ließ den Hund die Schnau­ze hin­ein­stecken. Dieser schnüffelte, zog nach einer knappen hal­ben Minute die Nase aus der Tüte, setzte sich auf die Hin­terläufe und wartete.

„Such!“

Es dauerte nicht lange, bis Connor anschlug, und den Er­zäh­lungen der Zeugen zufolge musste dies die Stelle gewe­sen sein, wo das Kind das Messer hatte fallen lassen. Der Hunde­führer blickte fragend in Sarahs und Thomas` Rich­tung. Letz­terer bedeutete dem Kollegen, den Hund weiter­suchen zu lassen. Wieder vergingen keine fünf Minuten, bis der Vier­­beiner sein Herrchen schnurstracks von der Straße weg in den Wald zog.

„In Ordnung“, meinte Sarah und schaltete die Taschen­lam­pe ein. „Dann mal los.“

„Ohrhörer rein und Funkgerät auf VOX stellen! Ich möchte nicht, dass wir uns lautstark unterhalten müssen. Handys auf lautlos!“

Während Sarah und der Beamte der Hundestaffel der Auf­for­derung nachkamen, kramte Thomas noch sein Smart­phone aus der Tasche, aktivierte die GPS gestützte Strecken­aufzeichnung und ließ ebenfalls die Lampe aufleuchten. Dann folgten sie Connor in kurzem Abstand ins Dickicht des Waldes.

Auch wenn unter den hohen Tannen, um die sie der Spür­hund leitete, nicht ganz so viel Schnee lag wie auf der Straße, war es anstrengend, sich durch den Wald zu bewegen. Was von den Flocken am Boden ankam, reichte allemal aus, um die Spuren des Kindes innerhalb der letzten zwei Stunden unkenntlich zu machen. Zusammen mit dem Altschnee, der in den vorangegangenen Tagen im Süd­schwarzwald nieder­gegangen war, bildete er einen an­spruchs­vollen Untergrund für die Vierergruppe. Allein Con­nor, der mit der Schnauze den Neuschnee durchpflügte, brach nicht tief ein. Manchmal versanken die Polizisten bis zur Hüfte in der weißen Pracht und Sarah begann sich zu fragen, wie das Mäd­chen es über­haupt bis zur Straße geschafft hatte. Wahr­scheinlich, so mut­maßte sie, war das Kind wie auch der Vier­beiner einfach nicht schwer genug gewesen, um die knapp unter dem Neu­schnee liegende, angefrorene Schicht zu durchbrechen und einzusinken. Während sie sich wieder ein­mal aus einem Loch befreite und etwas zurückblieb, sah sie, wie ihr Partner und der Hunde­führer mit ihren Lampen ge­radezu ge­spens­tische Szenen heraufbeschworen. Mal mu­tierte der Schat­ten des Hundes zu einer übergroßen Bestie, die mit geöffnetem Maul alles zu verschlingen versuchte, mal wurde einer der Kollegen zu einem riesigen Troll, der von Baum zu Baum sprang, bereit, alles und jeden mit seiner gewaltigen Keule zu zer­schmet­tern! Da es selbst Sarah bei diesem Schau­spiel ein wenig mulmig wurde, war sie einer­seits froh, dass das Mädchen im Dunkel der Nacht unter­wegs gewesen war. Allerdings wurde ihr schnell gewahr, dass sie in fast abso­luter Dunkelheit von einem Baum zum nächsten ge­stol­pert sein musste, vollkommen orientierungs­los und ohne er­kenn­bares Ziel; vor Kälte zitternd, mit halber­frorenen Glied­­­ma­ßen, das Messer wie eine Art Rettungsring krampf­haft um­klammernd. Sarah schüttelte sich.

Dann doch viel lieber so, dachte sie und beeilte sich, zu ihren Kollegen aufzuschließen.

„Licht aus!“, zischte Thomas ohne Ton aber mit viel Druck in der Stimme, dass sowohl Sarah als auch der Hundeführer die Aufforderung gut hören konnten. Fast gleichzeitig er­lo­schen die Taschenlampen der drei Polizisten. Keiner von ih­nen regte sich! Das einzige Geräusch, das wahrzunehmen war, war das Hecheln des Hundes, welches über die Schnee­decke merkwürdig gedämpft an die Ohren drang. Nach etwa einer Minute bemerkte Sarah, dass sie begann, Konturen wahr­zunehmen. Erstaunt stellte sie fest, dass offensichtlich trotz der Dunkelheit und der Wolkendecke ein klein wenig Restlicht des Mondes den Waldboden erreichte. Jetzt erkann­te sie auch, warum ihr Partner sie aufgefordert hatte, die Lampen auszuschalten: Etwas entfernt, es mochten weitere einhundert Meter sein, war ein erleuchtetes Fensterkreuz zu erkennen, das leicht flackernd zwischen den Bäumen zu schweben schien. Wie groß die Behausung, oder was auch immer sich dort befinden musste, war, konnte Sarah nicht sagen. Vom Bauwagen bis hin zu einem Schwarzwaldhof hielt sie alles für möglich. Langsam bewegte sie sich auf Thomas zu, der immer noch an der Stelle verharrte, von der aus er das Licht entdeckt hatte.

„Und tut sich dort etwas?“, fragte Sarah, als sie ihren Partner erreicht hatte.

„Hat man uns entdeckt?“

Thomas schüttelte den Kopf.

„Gerührt hat sich bisher nichts. Keine Silhouette hinter dem Fenster, keine Tür, die sich geöffnet hat oder Ähnliches. Viel­leicht ist niemand da. Oder aber man hat un­sere Taschen­lam­pen nicht bemerkt. Steuert der Hund die­se Hütte dort an?“

 

Der Hundeführer drehte sich um.

„Ja, Connor zieht schnurstracks in Richtung dieses Fensters. Von dort ist das Mädchen gekommen. Oder sie lief in der Nä­he daran vorbei.“

„Dann sehen wir uns das einmal genauer an“, entschied Tho­mas und setzte seinen Weg fort. Sarah und der Hunde­führer folgten ihm. Alle behielten das flackernde Licht und dessen Umgebung scharf im Blick und als Thomas seine Waffe zog, durchlud und vor sich hielt, taten Sarah und der Kollege es ihm gleich. Es hatte mittlerweile aufgehört zu schne­ien und als sich das Trio plus Vierbeiner bis auf knappe fünfzig Meter angenähert hatten, konnten sie erkennen, dass es sich bei dem Gebäude um eine Waldhütte handelte, ein­stöckig, aber doch recht groß. Anhand der Anzahl der un­beleuchteten Fenster mochten es drei, vielleicht sogar vier Räume sein. Einer davon, am rechten Ende des länglichen Gebäudes, war möglicherweise eine Küche oder zumindest mit einer Möglichkeit zu heizen ausgestattet, denn an der rechten Seitenwand ragte ein Kamin in die Höhe. Dass dieser in Betrieb war, erkannten die Polizisten erst jetzt, offen­sichtlich hatte eine leichte Brise den angenehmen Geruch von Buchenfeuer von ihnen weggetrieben. Außerdem war in diesem Raum ein leich­tes Flackern zu erkennen, deutlich dezenter als in dem Fenster am anderen Ende des Hauses; es entsprang wohl ei­nem Ofen oder Herd. Die Hütte befand sich nicht auf einer Lichtung, sondern war von Wald um­geben. Wahr­schein­lich hatte man nur eine Anzahl Bäume gefällt, um Platz für die Behausung zu schaffen. Allerdings verriet eine relativ schma­le Schneise, die sich neben der Hüt­te im Dunkel verlor, dass dieser Ort auch mit dem Auto zu erreichen war. Sicher nicht mit einem gewöhnlichen Fahr­zeug, aber mit einem tauglichen Geländewagen und der rich­tigen Berei­fung moch­­te dieser Weg durchaus befahrbar sein. Und wenn der Anschein nicht trog, hatte ein solches Auto vor nicht allzu lan­ger Zeit den Weg benutzt; es waren zwei pa­rallele Ver­tiefungen zu erahnen, wo der Neuschnee ein biss­chen we­niger an Höhe erreicht hatte, als auf dem Rest der Fläche.

„Sie gehen einmal um das Haus und klären ab, ob es eine weitere Tür gibt“, wies Thomas den Hundeführer an. „Und sorgen Sie dafür, dass der Hund nicht Laut gibt!“

Der Angesprochene nickte, vermittelte dem Australian She­ph­erd mittels einer Geste, dass er nicht mehr anschlagen muss­­te, und entfernte sich von Thomas und seiner Partnerin.

„Was glaubst du, erwartet uns da drinnen?“, fragte Sarah ihren Kollegen. Ihre Stimme war nicht mehr als ein leises Flüs­tern.

„Keine Ahnung!“, lautete die lakonische Antwort.

„Meinst du, wir finden dort tatsächlich Spuren, die auf die Anwesenheit des Mädchens hindeuten?“

Thomas wandte sich ihr zu und rümpfte die Nase.

„Ich habe mehrere Ideen, wie es da drin aussehen könnte, und keine davon gefällt mir sonderlich.“

Kapitel IV

Professor Doktor Schwarz, Leiter der Rechtsmedizin an der Uni Freiburg, sah mit hoffnungsvollen Augen auf die junge Ärztin, die aus dem Behandlungszimmer kam, sich kurz umsah und dann auf ihn zuschritt.

„Physisch gesehen geht es der Patientin bis auf die leichten Erfrierungen und eine mittelschwere Unterkühlung gut“, be­gann sie ohne Umschweife. „Sie weist bis auf die eindeutigen Fesselspuren an Hand- und Fußgelenken keinerlei äußere Verletzungen auf, hat guten Pupillenreflex, Greifreflex, re­agiert auf Ansprache mit Drehung des Kopfes. Sie ist gefügig bezüglich meiner Anweisungen, ich meine, sie tut, was ich ihr zeige. Aber sie spricht nicht! Es ist ein mittelschwerer Zu­stand von Lethargie. Sie reagiert nicht auf Fragen, die eine Antwort oder Geste wie Nicken oder Kopfschütteln erfor­dern. Wenn ich sie bitte, den Arm zu heben, tut sie nichts, bis ich ihr den Arm führe. Das lässt sie aber bereitwillig zu.“

Schwarz runzelte die Stirn. Diese Art, auf ein Trauma zu re­agieren, kam, neben einer in unterschiedlichen Ausprä­gun­gen auftretenden Lethargie, gelegentlich vor.

„Nicht ungewöhnlich“, sagte er. „Wir wissen zwar nicht, was ihr widerfahren ist, aber die Kollegen vor Ort vermuten, dass es etwas Schreckliches gewesen sein muss. Sie haben die Kleidung ja ebenfalls gesehen. Nichtsdestotrotz müssen wir so schnell wie möglich mit der Beweissicherung anfangen. Ich habe leider derzeit keine medizinische Mitarbeiterin. Wür­den Sie mich unterstützen?“

„Natürlich! Aber gestatten Sie mir eine Frage. Sie erinnern sich nicht an mich?“

Der Rechtsmediziner musterte die Ärztin einen Moment eindringlich.

„Ja, Sie kommen mir irgendwie bekannt vor“, gab er von sich. „Sie saßen sicher während des Studiums in einem mei­ner Kurse zum Thema Rechtsmedizin?“

Die Frau lachte.

„Ja, das auch. Außerdem haben Sie mich mündlich geprüft. Vier Jahre ist das her, damals wog ich satte 20 Kilo mehr, hatte noch kurzes Haar und war blond.“

Jetzt klickte es bei Schwarz.

„Saskia Fichter!“, brach es aus ihm heraus. „ich erinnere mich! Ich gab Ihnen damals eine Eins.“

Die Ärztin wiegte den Kopf ein wenig hin und her.

„Eine Eins minus“, korrigierte sie und lächelte. „Und dass ich nicht mehr Fichter heiße, sondern Wiese, hat es Ihnen ne­ben den Haaren sicher nicht leichter gemacht.“

Der Rechtsmediziner nickte zustimmend.

„Ja, das stimmt. Brünett steht Ihnen aber gut! Nun, dann sind Sie ja geradezu prädestiniert, die Beweise abzunehmen. Eine Frage vorweg: Haben Sie das Mädchen schon gynä­ko­logisch untersucht?“

Dr. Wiese nickte.

„Ja, und zwar ohne Befund. Ich meine, keinerlei Anzeichen eines sexuellen Missbrauchs. Das Hymen ist intakt, sie ist de­finitiv noch Jungfrau.“

„Gott sei Dank!“, entfuhr es Schwarz. „Wenigstens ist ihr das erspart geblieben. Einen Moment bitte.“

Er griff nach seinem Handy, das stummgeschaltet in seiner Kitteltasche vibrierte.

„Ja, Mustafa?“, meldete er sich und lauschte dem Gegen­über.

„Haben Sie Bierman schon Bescheid gegeben?“, hakte er nach.

Das Gespräch war kurz. Als Schwarz aufgelegt hatte, sah er mit ernster Miene zu Dr. Wiese hinüber.

„Das war ein Mitarbeiter des kriminaltechnischen Labors, dem schon eine Blutprobe gebracht wurde. Er ist schnell und gut, und er hat herausgefunden, dass es sich bei dem Blut auf der Kleidung des Mädchens und auf dem Messer, das es bei sich trug, eindeutig um menschliches Blut handelt! Ich wage mir gar nicht auszumalen, was die Kleine hat ansehen müs­sen!“

„Schrecklich!“, pflichtete Dr. Wiese bei. „Wollen wir los­le­gen?“

Sie schritt voran und führte den Rechtswissenschaftler zu dem Behandlungsraum, aus dem sie kurz zuvor gekommen war. In dem einzigen Bett lag mit aufgerichtetem Oberkörper das etwa vierzehn Jahre alte Mädchen unter einer Schicht war­mer Decken, und ein Bedienmodul, das am Bett hing, zeig­­­te an, dass auch eine Heizdecke in Betrieb war. Außer ei­ner Fingermanschette, welche die Sauerstoffsättigung und den Puls auf einen Monitor übertrug, war die Patientin an keine weiteren Geräte angeschlossen. Die Schwester, die ne­ben der Jugendlichen auf der Bettkannte saß und ihr die freie Hand hielt, sah auf, als die beiden Ärzte eintraten. Auch das Mädchen hob den Kopf und wandte sich der Tür zu, ihr Blick aber war leer und ausdruckslos und sie zeigte keinerlei Mi­mik.

„Da bin ich wieder“, flötete Dr. Wiese in fröhlichem Tonfall, um die Situation gar nicht erst bedrückend oder beängs­ti­gend werden zu lassen.

„Und wie ich dir gesagt habe, habe ich dir einen netten Herrn mitgebracht, der sich deine Arme, Hände und Füße anschauen möchte. Hab keine Angst, du brauchst dich nicht aus­zuziehen!“

Ob das Mädchen die an sie gerichtete Erklärung verstand, war in keiner Weise festzustellen. Kaum waren die Worte der Ärz­tin verklungen, sah sie wieder mittig auf die Bettdecke vor sich, ohne dass eine Regung auf dem Gesicht zu erken­nen gewesen wäre. Sie zuckte nicht einmal zurück, als die Ärztin vorsichtig ihren rechten Arm von der Bettkante auf­nahm und ihrem Kollegen das Handgelenk zeigte, an dem sich blauunterlaufene Einschnürungen abzeichneten. Sogar das Muster eines sehr groben, dicken Stricks oder Seils war zu erkennen. Schwarz winkte seine Kollegin in eine Ecke des Raumes und besprach sich mit ihr in gedämpfter Lautstärke.

„Hatten die Sanis die Hände in Plastiktüten gepackt?“, frag­te Schwarz hoffnungsvoll.

Mit einem belustigten und gespielter Empörung durch­setz­ten Blick sah Wiese den Rechtsmediziner an.

„Ihnen merkt man aber auch an, dass Sie sonst nur an Lei­chen arbeiten“, gab sie zurück. „Selbstverständlich nicht, schließ­lich muss­te die junge Frau erst mal stabilisiert wer­den.“

Schwarz zuckte die Schultern.

„Machen Sie bitte trotzdem einen Abstrich rund um das Gelenk und sehen Sie sich die Schürfmale unter der Lupe an. Vielleicht lässt sich ja doch noch ein Faserstück finden. Die Fingernägel?“

Die beiden Mediziner traten wieder ans Bett und Dr. Wiese nahm die Hand des Mädchens behutsam, ja fast zärtlich, und hob die Fingerspitzen ins Licht. Es waren im­mer noch Reste von dem Blut zu erkennen, das wohl nur not­dürftig wegge­wischt worden war.

„Nichts zu sehen, ich nehme natürlich trotzdem Proben“, sagte die Ärztin und begann, das Gelenk mit einer Lupe ab­zusuchen. Schwarz sah ihr interessiert zu, wie sie im An­schluss ge­schickt ein steriles Tuch nahm, um das Hand­ge­lenk fuhr und es in eine Beweismitteltüte gleiten ließ.

„Meinen Sie nicht, bei den Mengen an Sanguis ist eine Tat­ort­zuordnung auch ohne weitere forensische Spuren eindeu­tig?“, fragte sie, während sie mit dem Fuß des Mädchens auf die gleiche Weise verfuhr. Um das Mädchen nicht zu ver­schrecken nutzte sie bewusst den medizinischen Fach­aus­druck für Blut.

„Sicher“, bestätigte Schwarz. „Aber meist gilt es, ver­schie­dene andere Dinge ebenfalls forensisch in Verbindung zu brin­­gen. DNA von Drittpersonen, die Eigentümerschaft be­ziehungsweise den Lagerort des Seils, vielleicht sogar die Einzigartigkeit eines Knotens. Deswegen machen Sie auch bitte Makroaufnahmen jeder einzelnen Druckstelle. Eine ent­sprechende Kamera habe ich dabei. Stopp!“

Wiese hielt inne.

„Hatten die Sanis einen Zugang am Fuß der Patientin ge­legt? Oder Sie hier in der Klinik?“

Die Angesprochene schüttelte den Kopf.

„Ich sehe, was Sie meinen“, kam sie Schwarz zuvor und deu­tete auf einen Punkt am Spann des Fußes, um den sich ein blau­er Fleck gebildet hatte.

„Als sie eingeliefert wurde, waren ihre Gliedmaßen noch kälteinduziert zyanotisch, da ist mir das nicht aufgefallen.“

Sie beäugte die kleine Wunde mit der Lupe.

„Ja, das wird ein Zugang gewesen sein. Mit einer sehr dün­nen Kanüle.“

„Machen Sie ein Foto!“, ordnete Schwarz an. „Wird bei dem Tox-Screening auch auf BTM getestet?“

Wiese hob den Kopf.

„Sie glauben, dass sie über diesen Zugang anästhesiert wur­de? Wäre denkbar. Und ja, auch diese Werte habe ich ange­fordert.“

„Sehr gut!“, kommentierte der Rechtmediziner und reichte seiner Kollegin die digitale Spiegelreflexkamera. Bevor diese den Apparat entgegennahm, warf sie einen prüfenden Blick auf die kleine Patientin. Das Mädchen schien von nichts, was um es herum vorging, Kenntnis zu nehmen. Selbst dass die Krankenschwester auf dem linken Bettrand fürsorglich durch seine Haare strich und ihm beruhigend zuflüsterte, lag offen­bar außerhalb seiner Wahrnehmung. Erst als der Ringblitz, der sich vorne auf dem Objektiv befand, das erste Mal das Behandlungszimmer erleuchtete, zeigte die junge Patientin eine sehr massive Reaktion: Sie schlug so plötzlich beide Arme über dem Ge­sicht zusammen und zog die Knie ruckartig bis ans Kinn, dass sie heftig mit der über sie ge­beugten Dr. Wiese zusam­menstieß. Die Kamera, hinter deren Sucher sich das Gesicht der Ärztin befand, schlug ihr hart ins Gesicht und die Ge­troffene taumelte zwei Schritte zurück, in der einen Hand die Canon, die andere Hand auf die rechte Augenbraue gepresst. Alle im Raum waren schwer er­schrocken und der erste Blick von Schwarz und der Kran­kenschwester galt der jungen Pa­tientin, die jetzt bewegungs- und tonlos im Bett saß und die Arme weiter vor dem Gesicht verschränkt hielt. Da sie keine Anzeichen einer weiteren Dekompensation hatte, legte die Schwester wieder ihre Hand auf die Stirn des Mädchens und Dr. Schwarz wandte sich seiner Kollegin zu. Dr. Wiese hatte die Kamera inzwi­schen abgelegt und fing mit der frei ge­wordenen Hand ei­nige Blutstropfen auf, die sich ihren Weg zwischen den Fingern hindurch gebahnt hatten.

 

„Oh, da haben Sie wohl eine Platzwunde über dem Auge“, stellte Schwarz in aller Ruhe fest. „Haben Sie was zum Nä­hen da?“

„Da drüben, zweite Schublade links.“

Auch Dr. Wiese schien die Folge des Zwischenfalls recht prag­­matisch zu sehen und machte keinerlei Anstalten, zu flu­­­chen oder zu jammern.

„Können Sie denn mit so feinem Garn noch umgehen?“, frag­­te sie lächelnd, auf das grobe Paketgarn anspielend, mit dem der Rechtsmediziner nach Abschluss einer Obduktion die Leichname wieder zuzunähen pflegte.

„Sie werden staunen!“, kokettierte er, desinfizierte sich die Hände und nahm das Nähbesteck. „Setzen Sie sich mal da auf den Hocker und legen Sie den Kopf in den Nacken. Ja ge­nau so.“

Er zog etwas sterilen Verbandsmull aus dem Spender an der Wand.

„Betäubungsmittel?“, fragte er und reichte der Verletzten den Mull, um das Blut etwas abzutupfen.

„Wie viele Stiche werden es denn?“, entgegnete sie.

Schwarz blickte auf die Wunde, die seine Kollegin geschickt mit Daumen und Zeigefinger zusammendrückte.

„So zwei bis drei, denke ich.“

„Dann legen Sie los.“

Schwarz sah noch einmal zu dem Mädchen, das sich zurück in eine liegende Position begeben hatte und abermals in Apa­thie gefallen war. Nachdem die Kranken­schwester ihm durch ein aufmunterndes Nicken versichert hatte, dass sie die Situation kontrollierte, setzte er die Nadel an.

„Ich denke“, begann er, um Dr. Wiese abzulenken, „dass un­sere Patientin, während sie traumatisiert wurde, unter an­de­rem Blitzlicht ausgesetzt wurde. Sei es ein Gewitter, ein Stro­boskop oder das Blitzlicht eines Fotoapparates gewesen. Nicht auszudenken, was abgelichtet wurde!“

Dr. Wiese war so sehr bei der Sache, dass sie den ersten Stich nicht wahrnahm.

„Ja, schrecklich! Ich werde für die nächsten Aufnahmen den Blitz abschalten und die ISO nach oben drehen. Die Fotos werden trotzdem sehr gut.“

„Das sehe ich auch so“, pflichtete Schwarz bei. „Wer weiß, was wir bei dem armen Kind mit dem Flashlight auslösen, beziehungsweise ob sie uns nicht komplett durchdreht.“

Er zog den Faden ein weiteres Mal durch. Diesmal zuckte seine Patientin leicht zusammen.

„Keine Sorge, mit drei komme ich aus“, beruhigte er sie und beeilte sich, die Arbeit zum Abschluss zu bringen.

„So, das war`s. Brauchen Sie ein Päuschen?“

„Nein, sagte Dr. Wiese bestimmt. „Lassen Sie uns weiter­machen, damit die Kleine ihre Ruhe bekommt.“

Sprach es, stand auf und nahm sich den Fotoapparat vom Sideboard.

Reinschleichen oder stürmen?“, flüsterte Sarah, als sie mit Thomas an der Tür angekommen war und sie rechts und links davon Position bezogen hatten. Sie hielt die Pistole mit beiden Händen knapp über der rechten Schulter nach oben gerichtet und wartete, was ihr Partner entscheiden wür­­de. Thomas sprach leise in das Mikrofon am Ohrhörer­kabel.

„Wie sieht die Rückseite aus? Gibt es da noch einen Ein­gang?“

Unter leichtem Rauschen kam die Antwort des Kollegen.

„Hier ist eine weitere Tür, die auf eine Art Veranda führt. In diesem Raum brennt ein sehr schwaches Licht, wie wir es schon von der anderen Seite aus gesehen haben. Ansonsten ist nichts zu erkennen. Keinerlei Regung.“

„Okay, dann sichern Sie die Rückseite, wir gehen rein. Be­hut­sam und leise, um deine Frage zu beantworten.“ Er blick­te auf die Türklinke und sah Sarah an, die daraufhin mit der linken Hand vorsichtig zu dem verrosteten Stück Eisen griff, es hinunterdrückte und die Tür langsam nach außen öffnete. Thomas ging in die Knie und wagte einen schnellen Blick in das Zimmer dahinter. Dann einen weiteren, etwas längeren, und schließlich schob er seinen Oberkörper nach vorne, um sich den schwach erleuchteten Raum genauer anzu­sehen.

„Leer!“, informierte er mit gedämpfter Stimme. „Rechter Hand sehe ich einen Ofen, in dem noch schwach ein Feuer brennt. Mittig steht ein Küchentisch mit fünf Stühlen darum. An den Wänden befinden einfache Holzschränke. Linker Hand ist eine geschlossene Tür, die zum nächsten Raum führt.“

Er richtete sich auf, behielt die erwähnte Tür über das Visier seiner Waffe im Auge und betrat den Raum. Sarah folgte ihm und hielt ihre Pistole ebenfalls in Richtung des weiteren Zu­gangs zu dem Zimmer, während sie die Eingangstür mit der Linken vorsichtig hinter sich schloss. Wie aus der Beschrei­bung ihres Kollegen herauszuhören gewesen war, handelte es sich bei dem Raum um eine Art Wohnküche, das mit alten, nicht zueinander passenden Möbeln ausgestattet war, die gespenstische, flackernde Schatten an die Wände warfen. Sie sah zu dem Ofen, in dessen nur knapp über dem Boden liegenden Heizklappe ein einzelner Scheit die Reste seines brennfähigen Materials den spärlichen Flammen opferte. Sa­rah wurde bewusst, dass wegen der tiefen Position des Feu­ers die Schatten der Stühle und des Tisches so groß und be­droh­lich über die Wände zitterten und die unheimliche Stim­mung im wahrsten Sinne des Wortes befeuerten. Tho­mas vor ihr hatte inzwischen seine Taschenlampe ein­geschaltet und leuchtete, den Lichtstrahl stark abgeschirmt, auf den Boden. Er deutete mit seiner Heckler&Koch nach unten. Dort waren zwei, drei Blutstropfen zu sehen, ein Stückchen weiter konn­te Sarah den roten Teilabdruck eines kleinen menschlichen Fußes erkennen. Das Mädchen war bei seiner Flucht durch diesen Raum gekommen und zu­vor in Blut getreten! Es gab also keinen Zweifel mehr, dass sie hier richtig waren! Ein Schauer überkam Sarah, würden sie doch möglicher­weise in wenigen Augenblicken entdecken, was dem Kind wider­fahren war oder welche Umstände dazu geführt hatten, dass es halbnackt und blutverschmiert auf der Straße aufgetaucht war.

Thomas hatte sich inzwischen der rückwärtigen Tür ge­nä­hert. Er bedeutete Sarah, auch herzukommen und erneut gin­­­­gen sie rechts und links davon in Stellung. Thomas zog sein Smartphone aus der Tasche, schaltete auf Ka­me­ra und hielt es an den Türrahmen. Sarah war klar, dass er diese Vorsichtsmaßnahme ergriff, weil sich diesmal seine Silhou­ette vor dem mäßig beleuchteten Raum deutlich ab­zeich­nen und somit ein leichteres Ziel sein würde. Dem auf­mun­ternden Nicken folgend legte sie die Hand an die Klin­ke und zog das Blatt nur einen spaltbreit auf, so dass Thomas das Handy durch die entstandene Öffnung schieben konnte. Der LED-Blitz fiel unter der Tür durch, als er den Auslöser betätigte, und sofort zog er das Telefon wieder aus dem Schlitz. Er betrachtete die Aufnahme und hielt sie nach ei­nigen Sekunden Sarah hin. Zu sehen war eine Art Wohn­zim­mer, doch Couches und Sessel waren an eine Wand ge­scho­ben, einen kniehohen Tisch hatte man ebenfalls an den Rand des Zimmers gestellt. Stattdessen befand sich in der Mitte des Raums ein schwerer, wuchtiger Tisch, der Sarah unwei­gerlich an einen Altar erinnerte. Viel mehr konnte man auf dem dunklen Bild nicht erkennen, doch es schien sicher ge­nug zu sein, den Raum zu betreten. Dieser Meinung war wohl auch Thomas, der sich aufrichtete, die Tür öffnete und innen neben dem Rahmen nach einem Licht­­schalter tastete. Der Art, wie er nach wenigen Sekunden den Arm verdrehte, und das mit dem Aufflackern des Lichts ertönende Klacken zeigten Sarah, dass er fündig geworden war und es sich bei dem elektrischen Bauteil um ein solches handeln musste, wie sie es aus dem Keller ihres Elternhauses kannte: einen Dreh­schalter, der mit erheblichem mechani­schen Wider­stand zu betätigen war und laut in der nächsten Position einrastete. Das Licht indes, das jetzt durch die ge­öff­nete Tür fiel, ver­diente diesen Namen kaum. Funzelig er­hell­te es die Szenerie, und als Sarah hinter Thomas in den Raum trat, war es immer noch nicht leicht, die Details des Horror­kabinetts zu erken­nen, in dem sie sich befanden. Zu­erst blie­ben die Blicke an dem altarähnlichen Tisch haften, in dessen vier Ecken me­tallene Ösen schweren Ketten als Anker dien­ten. An deren Enden befanden sich gürtelähnliche Schnal­len aus Leder, deren Zweck eindeutig die Fixierung von Hand- und Fuß­gelenken sein musste. Die Schlaufen sa­hen neu aus und der Gedanke, dass sie noch nicht allzu oft in Gebrauch ge­wesen sein konnten, dämpften die schreck­lichen Vorstel­lun­gen, die Sarah mit dem Anblick verband. Doch die zen­trale Opfer­stelle, denn danach sah die massive Platte aus, war bei Weitem nicht das einzige schreckener­regende Acces­soire. An den Wänden hingen Jagdtrophäen, bei denen der Prä­parator sich augenscheinlich viel Mühe gegeben hatte, einen aggressiven, bösen Gesichtsausdruck zu konser­vieren. So säumten Dachse mit gefletschten Zähnen, Füchse mit hoch­gezogenen Lefzen, Marder mit kampfbereiten Kie­fern und Wildschweine mit entblößten Hauern die Wän­de. Selbst die schwarze Krähe, die auf einem Rundholz saß, stellte einen eigentümlich mensch­lichen, hasserfüllten Ge­sichts­aus­druck zur Schau. Lediglich ein Chamäleon, das als Exot defi­nitiv nicht in die Sammlung der sonst heimischen Fauna pass­te, sah recht friedlich aus. Auf einem Highboard neben der Tür dienten mehrere Totenschädel als Kerzen­halter, ein weißes Huhn war dazwischen an die Wand gena­gelt und der Bauch­raum geöffnet worden, so dass die In­nereien in eine aus Silber anmutende Schale hingen. Der Ge­ruch des Ensem­bles bestätigte dessen Echtheit, während den Totenschädeln an­zu­sehen war, dass sie eher in China herge­stellt denn einem Grab entnommen worden waren. Als sich Sarah der Wand zuwandte, durch deren offenstehende Tür sie den Raum be­treten hatten, sah sie ein gigantisches Pen­tagramm, in dem keltische Runen in verschiedenen Far­ben wohl Schreckliches offenbarten. In dem Bild eines ge­hörn­ten Ziegenkopfes er­kannte Sarah die Darstellung von Baphomet, dem Götzen­bild, dem den Templerprozessen zu­folge die Ritter des Or­dens angeblich huldigten. Auf einem Eckregal ragte eine Hüh­nerpfote aus einem Messingtiegel und die Spritzer von geronnenem Blut, die auf einer kruden Zeich­nung eines Ge­sichtes zu sehen waren, ließen keinen Zweifel an dem Inhalt des Gefäßes.