Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht

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Wirtz, Markus M. Die Aufsichtspflichten des Vorstandes nach OWiG und KonTraG, WuW 2001, 342 ff.

Woodtli, Reto Marktpreismanipulation durch abgesprochene Geschäfte: Einwirkung auf den Börsenpreis und VerfallBesprechung von OLG Stuttgart, Urteil vom 4.10.2011 – zugleich Erwiderung zu Kudlich, wistra 2011, 361, NZWiSt 2012, 51 ff.

Einleitung

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Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) übt in ihrem Geschäftsbereich Wertpapieraufsicht/Asset-Management[1] (nachfolgend: Wertpapieraufsicht) die staatliche Aufsicht über den Wertpapierhandel mit dem Ziel aus, die Transparenz und Integrität des Kapitalmarktes zu stärken sowie den kollektiven Anlegerschutz zu gewährleisten.[2] Zu den zentralen Aufgaben der Wertpapieraufsicht gehören die Bekämpfung von Insidergeschäften und Markmanipulation, die Überprüfung von Ad-hoc-, Managers’ Transactions- und Stimmrechtsmeldungen, die Überwachung von Unternehmensübernahmen und die Bilanzkontrolle. Zudem führt der Geschäftsbereich die Aufsicht über Finanzdienstleistungsinstitute, Kapitalverwaltungsgesellschaften und von diesen aufgelegten Investmentfonds und ist für die Billigung von Prospekten für Wertpapiere und Vermögensanlagen sowie die Gestattung entsprechender Informationsblätter zuständig.[3]

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Die Wertpapieraufsicht der BaFin trägt damit in Deutschland die wesentliche Verantwortung für die Überwachung der Einhaltung des nationalen und europäischen Kapitalmarktrechts. In Anlehnung an die sanktionsseitige Definition der BaFin[4] sollen unter dem Begriff des Kapitalmarktrechts insoweit insbesondere die Regelungen in WpHG, WpÜG, VermAnlG, WpPG sowie PRIIPs-VO, LeerverkaufsVO, ProspektVO, MiFIR und MAR verstanden werden.

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Um den Gefahren für den Kapital- und Wertpapiermarkt und marktschädigenden Verhaltensweisen entgegenzuwirken, wird die BaFin einerseits als Aufsichtsbehörde und andererseits als Bußgeldbehörde tätig. Neuere Befugnisse der BaFin verwischen die überkommene Einteilung in (präventive) Aufsicht und (repressive) Sanktionierung allerdings (dazu sogleich).

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In ihrer Funktion als Wirtschafts- und Gewerbeaufsicht kommt der BaFin zunächst die Aufgabe zu, den Kapitalmärkten drohenden Gefahren und Missständen durch geeignete Maßnahmen (präventiv) entgegenzutreten (vgl. § 6 Abs. 1 WpHG).[5] Hierzu ist die BaFin befugt, alle Anordnungen zu treffen, die zur Durchsetzung der von ihr überwachten Ge- und Verbote aus den nationalen und europäischen Rechtsakten erforderlich sind (§ 6 Abs. 2 S. 2 WpHG). Die Befugnisse zur Aufdeckung und Bekämpfung kapitalmarktrechtlicher Verstöße stellen sich insoweit als klassische Gefahrenabwehrmaßnahmen dar. Erkenntnisse erhält die BaFin entweder durch eigene Überwachungsinstrumente oder aus externen Quellen, etwa – seit Juli 2016 – durch anonyme Hinweisgeber. Personen, die über ein besonderes Wissen zu Unternehmensinterna verfügen (Whistleblower), können sich seitdem an die Hinweisgeberstelle der BaFin wenden, vgl. § 4d FinDAG.[6] Die Maßnahmen im Aufsichtsverfahren können von den fachlich zuständigen Referaten (Fachreferate) mit Verwaltungszwang durchgesetzt werden, § 17 Abs. 1 FinDAG.[7] So werden in der Praxis etwa im Bereich der Finanzberichte regelmäßig Zwangsgelder zur Durchsetzung der Erstattungspflichten angedroht und festgesetzt.[8]

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Das Fachreferat hat bei einem festgestellten Verstoß zusätzlich oder alternativ die Möglichkeit, das Verfahren an das zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im Bereich der Wertpapieraufsicht zuständige Referat WA 17 abzugeben.[9] Gegenüber dem Aufsichtsverfahren dient das (zumindest auch) repressive[10] Bußgeldverfahren der Ahndung von in der Vergangenheit liegenden, bußgeldbewehrten Verstößen gegen kapitalmarktrechtliche Vorschriften. Die BaFin hat bei der Verfolgung und Ahndung die Grundsätze des Bußgeldverfahrens zu beachten, wie etwa den Opportunitätsgrundsatz (§ 47 OWiG) und die Unschuldsvermutung.

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Wegen der „Doppelrolle“ der BaFin als Aufsichts- und Bußgeldbehörde muss sichergestellt sein, dass durch die Ausübung der weitreichenden Eingriffsbefugnisse im Aufsichtsverfahren die Rechte des Betroffenen im Bußgeldverfahren nicht unterlaufen werden (sog. Verbot der Rollenvertauschung).[11] Diesem potenziellen Spannungsverhältnis begegnet die BaFin mit organisatorischen Maßnahmen. So ist das für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zuständige Bußgeldreferat WA 17 personell und sachlich getrennt von den im Aufsichtsverfahren tätigen Fachreferaten.[12] Die Vorgänge im Aufsichts- und Bußgeldverfahren werden in der Konsequenz gesondert veraktet. Der Gesetzgeber hat im Übrigen normative Vorkehrungen getroffen, um die Betroffenenrechte des Verpflichteten im Aufsichtsverfahren zu schützen. So bleiben gem. § 6 Abs. 3 S. 3 WpHG gesetzliche Auskunfts- und Aussageverweigerungsrechte und gesetzliche Verschwiegenheitspflichten im Aufsichtsverfahren unberührt.

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Neben die Maßnahmen im klassischen Aufsichts- und Bußgeldverfahren sind aufgrund europarechtlicher Vorgaben weitere Befugnisse getreten, deren Einordnung als (eher) präventiv oder (eher) ahndend nicht immer leichtfällt. So enthalten insbesondere die Abs. 6–10 des § 6 WpHG sanktionsrechtliche Verwaltungsmaßnahmen, die der BaFin als retrospektive Reaktionsmöglichkeiten auf vergangene Verstöße zur Verfügung stehen (siehe zu den hier sog. Verwaltungssanktionen Rn. 1006 ff.).

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Schließlich sind die allgemeinen Verwaltungsmaßnahmen, Zwangsmittel, Verwaltungssanktionen und Geldbußen bei Vorliegen der Voraussetzungen jeweils in einem eigenen Verfahren öffentlich bekanntzumachen, siehe insb. §§ 124 ff. WpHG. Dies kann dem Schutz und der Information von Anlegern und Öffentlichkeit dienen, aber auch eine Prangerwirkung für genannten Personen erzeugen (siehe hierzu Rn. 1094 ff.).

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Die Rechtsnatur von Verwaltungssanktionen[13] und öffentlichen Bekanntmachungen[14] ist insoweit nicht eindeutig: abhängig von der konkreten Maßnahme weisen sie sowohl präventive als auch repressive Elemente auf. Behördenintern ist die zentrale Zuständigkeit für die Verhängung von Geldbußen, Verwaltungssanktionen und deren öffentliche Bekanntmachung insgesamt im Bußgeldreferat der BaFin-Wertpapieraufsicht (WA 17) gebündelt.

1. Kapitel Das Bußgeldverfahren der Wertpapieraufsicht

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Die BaFin ist für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach dem WpHG (§ 121 WpHG), dem WpÜG (§ 61 WpÜG), dem WpPG (§ 24 Abs. 9 WpPG) und nach dem VermAnlG (§ 29 Abs. 4 VermAnlG) sachlich zuständig. Sie ist insoweit Verwaltungsbehörde i.S.d. § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG. Ist einer der genannten Ordnungswidrigkeiten Bezugstat einer Aufsichtspflichtverletzung gem. § 130 OWiG, ist die BaFin auch für die Verfolgung und Ahndung dieser Ordnungswidrigkeit zuständig (§ 131 Abs. 3 OWiG).

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Die örtliche Zuständigkeit der BaFin erstreckt sich auf das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und deckt sich damit mit dem Geltungsbereich des OWiG.[1]

A. Verhältnis von Aufsichts- und Bußgeldverfahren

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Die BaFin kann das Aufsichtsverfahren parallel zum Bußgeldverfahren durchführen, vgl. § 11 S. 4 WpHG (arg a maiore ad minus). Die den Verpflichteten im Aufsichtsverfahren treffenden Mitwirkungspflichten, z.B. nach einem Auskunfts- und Vorlageersuchen („AuV“) gem. § 6 Abs. 3 WpHG, können dabei mit seinen strafprozessualen Rechten als Betroffener im Bußgeldverfahren kollidieren.

I. Kollisionsgefahren im Aufsichtsverfahren

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Die zeitgleiche Durchführung von Aufsichts- und Bußgeldverfahren findet in praxi nicht statt.[2] Sobald der Vorgang wegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit von den zuständigen Fachreferaten an das Bußgeldreferat abgeben wird, unternehmen die Fachreferate typischerweise keine weiteren Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung im Aufsichtsverfahren.[3]

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Die Kollisionsgefahr besteht hingegen im Aufsichtsverfahren, also noch bevor das Bußgeldverfahren formell eingeleitet worden ist. Ergeben sich dort Anhaltspunkte für die Begehung einer Ordnungswidrigkeit, hat die BaFin insbesondere die verfassungsrechtlich geschützte Selbstbelastungsfreiheit (nemo tenetur se ipsum accusare) natürlicher Personen zu beachten (vgl. § 6 Abs. 3 S. 3 WpHG). Die mitwirkungspflichtige natürliche Person darf nicht gezwungen werden, sich durch ihre eigene Aussage straf- bzw. bußgeldrechtlich zu bezichtigen oder an ihrer eigenen Überführung aktiv mitzuwirken (Verbot des Selbstbezichtigungszwanges).[4] Zu diesem Schutz steht ihr ein im Aufsichtsverfahren geregeltes Auskunftsverweigerungsrecht zu, das zur Nichtbeantwortung einzelner Fragen im Aufsichtsverfahren berechtigt. Gemäß § 6 Abs. 15 S. 1 WpHG kann der Verpflichtete die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1-3 der Zivilprozessordnung bezeichneten Angehörigen (z.B. Ehepartner) der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde. Hierüber muss die BaFin den Verpflichteten gem. § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG im Aufsichtsverfahren belehren.

 

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Seit Januar 2018 (2. FiMaNoG) ist die BaFin gem. § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG verpflichtet, den Verpflichteten alternativ über das dem Beschuldigten bzw. Betroffenen im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht zustehende Aussageverweigerungsrecht zu belehren.[5] Im Unterschied zum Auskunftsverweigerungsrecht ist das Aussageverweigerungsrecht umfassend und berechtigt nicht nur zur Nichtbeantwortung einzelner Fragen, sondern zur vollständigen Verweigerung der Aussage.

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Die Vorschrift des § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG („Auskunft oder Aussage“) verlangt im Aufsichtsverfahren von der BaFin somit die Prüfung, ob der Verpflichtete noch bloßer „Tatverdächtiger“ ist (dann Belehrung über das Auskunftsverweigerungsrecht nach WpHG ausreichend), oder schon Beschuldigter einer Straftat oder Betroffener einer Ordnungswidrigkeit (dann Belehrung über das Aussageverweigerungsrecht nach StPO notwendig). Die Belehrungspflicht über das Aussageverweigerungsrecht besteht, sobald der Verpflichtete den Status eines Betroffenen erlangt hat. Den Betroffenenstatus kann der Verpflichtete dabei nicht erst dann erlangen, wenn das Bußgeldreferat der BaFin gegen ihn ein förmliches Bußgeldverfahren eingeleitet hat.[6] Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann bereits die objektive Stärke des Tatverdachts die Beschuldigtenstellung begründen.[7] Diese Rechtsprechung ist auch auf die Begründung der Betroffenenstellung im Bußgeldverfahren anwendbar. Der Tatverdacht kann sich so stark verdichtet haben, dass der Verpflichtete schon im Aufsichtsverfahren als Betroffener einer Ordnungswidrigkeit behandelt werden muss, um die Umgehung seiner strafprozessualen Rechte zu vermeiden.

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Für das Wirtschaftsverwaltungsrecht untypisch[8] muss der Verpflichtete im Aufsichtsverfahren gem. § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG zusätzlich auf das Recht auf einen Verteidiger hingewiesen werden, und zwar nicht nur, wenn er einer Straftat beschuldigt wird, sondern auch dann, wenn er Betroffener einer Ordnungswidrigkeit ist.[9]

II. Belehrungspflichten der BaFin im Aufsichtsverfahren

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Zusammenfassend sind zur Wahrung der Selbstbelastungsfreiheit des Verpflichteten die nachfolgenden Belehrungspflichten von den Fachreferaten der BaFin bereits im Aufsichtsverfahren zu beachten:[10]

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Tab. 1: Belehrungspflichten im Aufsichtsverfahren
Belehrungspflichten im Aufsichtsverfahren
Verpflichteter ohne Betroffenenstatus Verpflichteter mit Betroffenenstatus
- Der Verpflichtete ist gem. § 6 Abs. 15 S. 2 Var. 1 WpHG über sein Auskunftsverweigerungsrecht zu belehren. - Der Verpflichtete ist gem. § 6 Abs. 15 S. 2 Var. 2 WpHG über sein Aussageverweigerungsrecht zu belehren.
- Kein Hinweis auf das Recht auf einen Verteidiger, das ihm gem. § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG „nach dem Gesetz“ – also als Betroffener gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 137 StPO – zusteht. - Der Verpflichtete ist gem. § 6 Abs. 15 S. 3 WpHG auf sein Recht auf einen Verteidiger gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 137 StPO hinzuweisen.
- Kein Vorlageverweigerungsrecht, deshalb auch keine Belehrung. - Kein Vorlageverweigerungsrecht, deshalb auch keine Belehrung.

1. Verpflichteter ohne Betroffenenstatus

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Unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 15 S. 1 WpHG ist der (jedenfalls tatverdächtige) Verpflichtete über sein Auskunftsverweigerungsrecht zu belehren.

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Der Hinweis auf das Recht auf einen Verteidiger, das ihm gem. § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG „nach dem Gesetz“ – also als Betroffener gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 137 StPO – zusteht, erfolgt im Aufsichtsverfahren nicht, solange der Verpflichtete nicht als Betroffener einer Ordnungswidrigkeit einzustufen ist.[11]

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Im Aufsichtsverfahren vermittelt die Selbstbelastungsfreiheit dem Verpflichteten kein Vorlageverweigerungsrecht.[12] Anders als beispielsweise in § 22 Abs. 1 S. 2 ArbSchG, hat der Gesetzgeber im WpHG kein Vorlageverweigerungsrecht geregelt. Wird der Verpflichtete aufgefordert, Unterlagen vorzulegen, soll er die Vorlage selbst dann nicht verweigern dürfen, wenn er sich straf- oder bußgeldrechtlich belasten müsste.[13]

2. Verpflichteter mit Betroffenenstatus

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Ist der Verpflichtete wegen der Stärke des gegen ihn gerichteten Tatverdachts schon vor der Einleitung eines Bußgeldverfahrens in den Betroffenenstatus gerückt, ist er im Aufsichtsverfahren gem. § 6 Abs. 15 S. 2 Var. 2 WpHG über sein Aussageverweigerungsrecht zu belehren. Die Belehrung lediglich über das Auskunftsverweigerungsrecht wäre nicht ausreichend.[14]

24

Der Verpflichtete ist gem. § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG zudem auf sein Recht auf einen Verteidiger gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 137 StPO hinzuweisen.

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Nach der Rechtsprechung soll dem Verpflichteten, obgleich er bereits Beschuldigter bzw. Betroffener ist, im Aufsichtsverfahren kein Vorlageverweigerungsrecht zustehen.[15] Die Selbstbelastungsfreiheit schützt nach diesem Verständnis nur vor aktiver, nicht vor passiver Mitwirkung an der Tatüberführung. Durch das Vorlageverlangen wird aus Sicht der Rechtsprechung von der mitwirkungspflichtigen Person – trotz des „Realaktes“ der Übergabe und der faktisch enthaltenen Erklärung, dass die Unterlagen vorhanden sind[16] – lediglich die passive Duldung der behördlichen Einsichtnahme verlangt.[17] Dies berge zwar das Risiko einer „ungünstigen Tatsachenwürdigung“ durch die Behörden,[18] nach Auffassung des BVerfG wird dadurch jedoch weniger in die personale Freiheit der Willensentschließung eingegriffen als durch die – wegen der Selbstbelastungsfreiheit verbotenen – Nötigung, durch eigene Äußerungen strafbare Handlungen offenbaren zu müssen.[19]

3. Zum Begriff des Betroffenen

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Von Bedeutung ist nach den vorstehenden Erläuterungen, ab wann der Verpflichtete im Aufsichtsverfahren als Betroffener behandelt werden muss. Der Begriff des Betroffenen ist im Gesetz nicht definiert, sodass auf die Rechtsprechung des BGH[20] zur Beschuldigteneigenschaft zurückgegriffen werden muss.[21] Die Beschuldigteneigenschaft setzt subjektiv den Verfolgungswillen der Verfolgungsbehörde voraus, der sich objektiv in einem Willensakt manifestiert (vgl. § 397 Abs. 1 AO).[22] Spätestens mit der Einleitung eines gegen ihn gerichteten Bußgeldverfahrens rückt der Verpflichtete in die Stellung eines Betroffenen. Wenn – wie im Aufsichtsverfahren regelmäßig – die Beschuldigteneigenschaft nicht aus dem Willensakt der BaFin gedeutet werden kann, ist die objektive Stärke des Tatverdachts maßgebend. Dies ist stets eine Frage des Einzelfalls. Zur Orientierung in der Praxis hat der BGH das Folgende angemerkt:


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4. Juristische Personen als Verpflichtete

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Sind juristische Personen Verpflichtete aufsichtsrechtlicher Maßnahmen, gelten die obigen Ausführungen entsprechend. Juristischen Personen (bzw. ihren vertretungsberechtigten Organen) steht im Bußgeldverfahren gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 444 Abs. 2 S. 2, 426 Abs. 2, 163a Abs. 3 S. 2, 136 Abs. 1 S. 2 StPO ein einfach-gesetzliches Schweigerecht zu, das im Aufsichtsverfahren nicht umgangen werden darf.[26] Sobald im Aufsichtsverfahren die auf Tatsachen gestützte Möglichkeit der Verhängung einer Verbandsgeldbuße gem. § 30 OWiG gegen die verpflichtete Gesellschaft besteht (str.)[27], rückt sie verfahrensrechtlich in eine beschuldigtenähnliche Stellung.[28] In dieser Situation stehen ihr sämtliche prozessualen Rechte aus dem Bußgeldverfahren (wie das Schweigerecht oder das Recht auf einen Rechtsanwalt) zu, die durch die vertretungsberechtigten Organe wahrgenommen werden.[29] Bestehende Belehrungspflichten sind sodann bereits im Aufsichtsverfahren von den Fachreferaten der BaFin zu beachten.

III. Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Aufsichtsverfahren

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Während Fragen nach der Verwertbarkeit von Beweismitteln im Strafverfahren von maßgeblicher Bedeutung sein können, sind sie im Bußgeldverfahren der BaFin nicht in gleicher Weise relevant. Das mag bereits mit der Motivlage der Betroffenen im Kapitalmarktordnungswidrigkeitenrecht zu tun haben. Noch im Aufsichtsverfahren wird an die Verpflichteten die Erwartungshaltung herangetragen, mit der BaFin die „größtmögliche Kooperation zu leben“[30]. Auch im Bußgeldverfahren kann es im Interesse der Betroffenen bzw. der betroffenen Gesellschaften liegen, sich im Grundsatz weiterhin kooperativ zu verhalten. Umso wichtiger wird es sein, dass die BaFin ihrer gesetzlich zugewiesenen Rolle gerecht wird und nicht nur belastende, sondern auch entlastende Umstände (vgl. § 160 Abs. 2 StPO) ermittelt und Fragen der Verwertbarkeit von Beweismitteln im Bußgeldverfahren hinreichende Beachtung schenkt. Denn Beweisverwertungsverbote – so sie auch im Bußgeldverfahren greifen – sind im Ermittlungsverfahren unabhängig von einer Beanstandung durch den Betroffenen von Amts wegen zu berücksichtigen.[31] Nach dem Verständnis des BGH werden Verwertungsverbote bereits durch den Gesetzesverstoß und nicht erst durch eine Beanstandung begründet.[32]