Heinrich der Seefahrer

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ALVISE DA CÀ
DA MOSTO
Reise nach Westafrika

»Newe unbekanthe landte und ein newe weldte in kurtz verganger zeythe erfunden« Übertragen von Rudolf Kroboth nach der deutschen Ausgabe von 1508

Einleitend handelt dieses Buch von der ersten Schiffsfahrt über den Atlantischen Ozean, die bis in das in Niederäthiopien83 gelegene Land der Neger führte und die auf Geheiß des Erlauchten Fürsten und Herrn, Prinz Heinrich, des Bruders des portugiesischen Königs Eduard84, unternommen wurde.

83 Das südlich von Arabisch-Nordafrika gelegene, damals noch weitgehend unbekannte Schwarzafrika.

84 König Duarte (1433–38).

Erstes Kapitel

Es gibt darüber Auskunft, wer als Erster den Schiffsweg auf dem Atlantik in Richtung Süden entdeckt hat.

Ich, Aloisius Cà da Mosto, geboren in der bezaubernden Stadt Venedig, war der erste Mensch, der auf dem Atlantik über die Straße von Gibraltar hinaus in das südlich gelegene Negerland in Niederäthiopien segelte.

Auf dieser Reise sah ich viele neue Dinge, die es wert sind, beschrieben zu werden. Damit die Nachwelt versteht, was mich bewogen hat, ein vorher unbekanntes Land aufzusuchen und dort nach allerlei seltsamen Dingen Ausschau zu halten, also in ein Land zu fahren, das, vergleicht man die Bräuche und Gewohnheiten, die in unseren Städten, Dörfern und Landschaften herrschen, mit denen, die ich dort zu Gesicht bekam, wahrlich als eine völlig andere Welt bezeichnet werden muss, kam ich zu der Einsicht, dass es nützlich wäre, von dieser Reise Aufzeichnungen zu machen. Sofern mich mein Gedächtnis hie und da nicht im Stich lässt, will ich getreulich meiner Erinnerung all das beschreiben, was ich gesehen und erlebt habe. Sollten meine Beschreibungen zugegebenermaßen der Wirklichkeit der Dinge, über die ich berichten möchte, auch nicht immer in allen Einzelheiten gerecht werden, so will ich dennoch möglichst weit bei der Wahrheit bleiben und in Zweifelsfällen – statt Dinge zu behaupten, die die Wirklichkeit überzeichnen – lieber etwas untertreiben.

Da es bis auf die Zeit unseres Stammvaters Adam zurückblickend bis zum heutigen Tag keinerlei Aufzeichnungen gibt, aus denen hervorgehen könnte, dass in das besagte Gebiet schon früher vorgedrungen wurde, ist davon auszugehen, dass der Erste, der eine Schiffsexpedition in das Land der Neger in Niederäthiopien veranlasst hat, Prinz Heinrich von Portugal, der Sohn des Erlauchten Königs Johann I., war.

Über Prinz Heinrichs herausragende Tugenden wäre viel zu sagen. Hier will ich mich aber darauf beschränken zu betonen, dass Heinrich mit all den Kriegen, die in seinem Namen gegen die verschiedenen wilden Völker Afrikas geführt wurden, einzig und allein unserem Herrn Jesu Christo und der Sache des christlichen Glaubens dienen wollte. Bemerkt werden muss auch, dass er niemals eine Frau begehrte und seine Jugend in völliger Keuschheit und Enthaltsamkeit verbrachte. Ferner ist daran zu erinnern, dass er viele ehrenhafte und ritterliche Taten vollbrachte, und zwar durch seine List und – vor allem in den Kämpfen gegen die Neger – durch seinen überragenden Verstand.

Als sein Vater, König Johann I., todkrank daniederlag, ließ er Prinz Heinrich zu sich rufen und vertraute ihm die Führung über die gesamte portugiesische Ritterschaft an. Vor allen Dingen ermahnte er seinen Sohn aber, sich dem ihm bis zuletzt heiligen Anliegen, alle Feinde des Christentums erbarmungslos zu verfolgen, mit aller Kraft zu widmen, worauf ihm der Prinz in kurzen Worten versprach, diesem Wunsch nachzukommen.

Nach dem Tod des Vaters führte Heinrich, und zwar mit Unterstützung König Eduards, seines älteren Bruders, der dem Vater auf den Thron gefolgt war, viele mehrere Jahre dauernde Kriege gegen das am Atlantischen Ozean gelegene marokkanische Reich von Fes, wobei er mit allen Mitteln versuchte, dieses Königreich zu zerschlagen und ihm an möglichst vielen Orten Schaden und Zerstörung zuzufügen. Jahr für Jahr sandte der Prinz seine Flotte gen Süden aus, wobei jedes Mal gewinnträchtige Beutezüge gegen die dortige Negerbevölkerung unternommen wurden. Genau dies stachelte Heinrich an, jedes Jahr weiter nach Süden vorzustoßen. Auf einer dieser Unternehmungen wurde schließlich ein in das Meer hineinragendes Gebirge erreicht, das auf Italienisch »Capo Non« genannt wird, auf Deutsch also »Kap Nichts«, und so heißt es bis zum heutigen Tag. Dieser Ort galt – deshalb sein Name – als das Ende der Welt. Bislang war nämlich davon ausgegangen worden, dass jeder, der dieses Kap zu umsegeln versuchte, niemals wieder zurückkehrte. Ein Sprichwort besagte: »Wer wagt, diesen Ort zu passieren, kommt nimmer heim.«


Die besagten Karavellen Prinz Heinrichs landeten schließlich an diesem Ort, über den hinaus aus dem oben genannten Grund eigentlich nicht gefahren werden durfte. In seinem unbändigen Wissensdurst und im Vertrauen auf Gott entschloss sich Heinrich allen Bedenken zum Trotz, im folgenden Jahr ein Schiff über dieses Kap hinaus vorstoßen zu lassen. Da die portugiesischen Karavellen als die besten Schiffe der Welt galten, bestens ausgerüstet mit allen Erfordernissen, glaubte der Prinz, mit ihnen überall, wohin er auch wollte, hinsegeln zu können. Sein Verlangen, neue Dinge über die Bewohner dieser Länder in Erfahrung zu bringen, und auch sein Wunsch, den dortigen Völkern Schaden zuzufügen, ließen ihn denn auch für die geplante Expedition drei Schiffe, bestückt mit allen erforderlichen Waffen, Munition und Lebensmitteln, ausrüsten und mit mutigen Seeleuten bemannen.

So gerüstet fuhr man schließlich los und passierte nach einiger Zeit das besagte Kap, wobei tagsüber an der Küste entlang weiter nach Süden gesegelt und nachts geankert wurde. Auf diese Weise gelang es den Schiffen Heinrichs, ungefähr 100 Meilen über das »Kap Nichts« hinaus vorzustoßen, um dann wieder, da weder Völker noch Siedlungen, sondern nur sandiges und ausgetrocknetes Land vorgefunden wurde, umzukehren.

Da die Ausbeute dieser Expedition nicht sehr ergiebig gewesen war, schickte Heinrich im folgenden Jahr erneut Schiffe aus – mit dem Befehl, dieses Mal 150 Meilen, und wenn möglich, noch weiter, über den bislang erreichten Punkt hinauszusegeln. Die neue Expedition erfüllte diesen Auftrag befehlsgemäß, wobei man allerdings erneut nichts anderes als ein menschenleeres, sandiges und trockenes Land zu Gesicht bekam.

Nichtsdestoweniger sandte der Prinz Jahr für Jahr neue Schiffe aus, bis schließlich einige Wüstensiedlungen entdeckt wurden, die von Arabern bewohnt waren. Noch weiter südlich trafen die portugiesischen Schiffe auf einen Volksstamm, der Azanaghi genannt wird. Es handelt sich dabei um eine dunkelhäutige Menschenrasse, über die später Näheres berichtet werden soll. Auf diese Weise war schließlich und endlich das Land der Neger entdeckt worden. Und auf weiteren Vorstößen dieser Art lernte man noch andere Negervölker verschiedener Sprache, Bräuche und Religion kennen. Aber darüber soll an anderer Stelle ausführlicher geschrieben werden85.

85 Bei den hier beschriebenen Expeditionen handelt es sich um die von Gil Eanes, der das Kap Bojador umsegelte, und um die von Nuno Tristão, der 1443 den Golf von Argium erreichte.

Zweites Kapitel

Dieses Kapitel handelt von den Dingen, die Aloisius Cà da Mosto auf seiner Fahrt in das Land der Neger entdeckt hat.

Im Jahre unseres Herrn 1454 weilte ich, Aloisius Cà da Mosto, damals 22 Jahre alt, in meiner Geburtsstadt Venedig. Nachdem ich unter venezianischer Flagge schon verschiedene Teile des Mittelmeeres befahren hatte, beschloss ich nun – in der Hoffnung, dort einträgliche Geschäfte tätigen zu können –, nach Flandern zu gehen, wo ich bereits zuvor einmal gewesen war. Mein Sinnen und Streben war zu jener Zeit einzig und allein darauf ausgerichtet, mich auf allen möglichen Wegen auf der Welt umzusehen, nicht nur um Reichtümer zu erwerben, sondern auch um Erfahrungen und Wissen zu sammeln, was mir in späteren Jahren einen guten Ruf und viel Ehre einbringen konnte. Als ich mich hierzu durchrang, besaß ich nur noch sehr wenig Geld. Ich ging an Bord einer flandrischen Galeere, die unter dem Kommando eines Ritters namens Marco Zen stand. Am 8. August des genannten Jahres legten wir zusammen mit zwei anderen flandrischen Schiffen in Venedig ab und segelten im Vertrauen auf Gott in südlicher Richtung, bis schließlich Spanien erreicht war.

Wegen verschiedener Ungewitter waren wir gezwungen, einige Tage am Kap St. Vinzenz zu ankern. Damit befand ich mich ganz zufällig in der Nähe von Prinz Heinrich, der hier auf seinem Landgut Reposera86 lebte. Als Heinrich unsere Anwesenheit in Erfahrung gebracht hatte, schickte er sofort seinen Sekretär Antonio Conzales zu uns. Dieser war begleitet von Patrizio di Conti, einem Venezianer, der damals Konsul meines Heimatlandes im Königreich Portugal war, wie er mir gegenüber mit einem Schreiben, das mit dem Siegel der venezianischen Regierung versehen war, zu erkennen gab. Patrizio stand außerdem im Dienst von Prinz Heinrich.87

Auf dessen Befehl kamen die beiden nun zu uns an Bord und brachten einige Proben des auf Madeira hergestellten Zuckers, von Drachenblut88 sowie anderer Produkte mit, die auf seinen Domänen und Inseln hergestellt wurden. Diese Dinge wurden in meiner Gegenwart vielen Leuten auf unserer Galeere gezeigt, und die beiden stellten uns viele Fragen. Sie berichteten uns, dass Prinz Heinrich in der jüngsten Vergangenheit einige Inseln erobert und besiedelt hatte, die vordem unbewohnt gewesen waren und von denen der Zucker, das Drachenblut und all die anderen nützlichen Dinge, die sie mit sich führten, stammten. Und sie gaben uns zu verstehen, dass die uns gezeigten Dinge nur einen Ausschnitt dessen darstellten, was auf diesen Inseln alles hergestellt und gehandelt würde. Ferner sagten sie uns, dass genannter Fürst seit geraumer Zeit Schiffsexpeditionen veranlasse, die in Gebiete vorstießen, die bislang kein Mensch zu Gesicht bekommen habe. Dabei seien neue Länder, bevölkert von seltsamen Menschen, entdeckt und dabei sonderbare Dinge gesehen worden. Ausdrücklich wurde uns auch berichtet, dass diejenigen, die an solchen Reisen teilgenommen hätten, mit den Waren, die sie den Eingeborenen dort abgekauft hätten, in der Heimat großen Gewinn machten, und zwar im Verhältnis 1:6 oder gar 1:10.

 

Derartige Erzählungen stießen bei mir und den anderen auf viel Bewunderung und Erstaunen. In mir regte sich daraufhin wachsende Begierde, die Orte, von denen die Rede gewesen war, selbst aufzusuchen. Ich fragte deshalb Heinrichs Abgesandte, ob der Prinz einem solchen Wunsch stattgeben würde. Ihre Antwort war »Ja«. Allerdings müsste von mir eine von zwei genannten Bedingungen erfüllt werden: Wenn man das Schiff – so lautete die eine Bedingung – auf eigene Kosten ausrüste und mit Handelsware belade, sei man bei der Rückkehr gesetzlich verpflichtet, ein Viertel der Waren, die man auf der Reise erstanden habe, besagtem Fürsten abzutreten. Alles Übrige könne man selbst behalten. Wenn aber umgekehrt der Fürst die Ausrüstung des Schiffes übernehme – die mitgeführte Handelsware werde allerdings auch in diesem Fall nicht von ihm bezahlt –, müsse bei der Heimkehr die Hälfte der mitgebrachten Handelsgüter dem Prinzen überlassen werden. Und falls von einer solchen Reise überhaupt nichts zurückgebracht werde, sei der Fürst bereit, die gesamten Kosten der Expedition zu tragen, sodass also in einem solchen Fall allein er Schaden und Verlust erleiden würde. Freilich wurde mir gegenüber ausdrücklich beteuert, dass von einer solchen Reise normalerweise niemand zurückkehre, ohne großen Gewinn gemacht zu haben. Und wenn immer einer unserer Landsleute – sagte man mir weiter – eine solche Fahrt unternehmen wolle, würde dies von dem Fürsten ausdrücklich begrüßt und auch tatkräftig unterstützt werden, da er glaube, dass in den betreffenden Gegenden vielerlei Spezereien und andere wertvolle Produkte eingehandelt werden könnten und außerdem die Venezianer für solche Unternehmungen geeigneter seien als andere Völker.

Nachdem ich dies vernommen hatte, entschloss ich mich – mit dem festen Vorsatz, eine solche Reise zu unternehmen –, mit den beiden Gesandten Prinz Heinrich persönlich aufzusuchen, was ich denn auch tat. Dieser bestätigte mir, dass all das, was die beiden mir erzählt hatten, voll und ganz der Wahrheit entsprach. Darüber hinaus sagte er mir Anerkennung und Hilfe zu, falls ich tatsächlich reisen wollte.

Daraufhin war ich endgültig entschlossen, die Reise anzutreten, zumal ich noch jung und bei sehr guter Gesundheit war, sodass ich all die Mühen und Strapazen, die ein solches Unterfangen mit sich brachte, ohne Weiteres auf mich nehmen zu können glaubte. Außerdem war ich begierig darauf, die Welt und allerlei sonderbare Dinge kennenzulernen, die vor mir noch keiner meiner Landsleute gesehen hatte. Und nicht zuletzt hoffte ich auch, mit einer solchen Reise zu Ruhm und Reichtum zu kommen.

Nachdem ich mich mit der notwendigen Ausrüstung und Handelsware versehen hatte, kehrte ich auf die Galeere zurück, um dort alle meine Habseligkeiten, die ich bei mir hatte, einem meiner Freunde anzuvertrauen. Gegen Sonnenuntergang ging ich schließlich wieder an Land, während die Galeeren kurz darauf ihre Fahrt nach Flandern fortsetzten.

86 Reposera lag ungefähr fünf Meilen landeinwärts von Sagres an der Spitze von Kap St. Vinzenz in der Provinz Algarve, der Heinrich als Gouverneur vorstand. Hier hatte er sich nach der Eroberung von Ceuta im Jahr 1415 niedergelassen, und von hier aus dirigierte er auch die Entdeckungsfahrten.

87 Patrizio di Conti arbeitete dort als Geograf.

88 Drachenblut ist ein Harz, das aus der Dracaena draco gewonnen wird, früher zu medizinischen Zwecken verwendet wurde und heute vor allem als Färbemittel dient.

Drittes Kapitel

Das Kapitel hat die Abfahrtszeit des Schiffes sowie die Winde, unter denen es segelte, zum Inhalt.

Dass ich in Kap St. Vinzenz zurückblieb, stieß bei Fürst Heinrich auf großes Wohlgefallen. Er erwies mir auf vielerlei Art seine Freundschaft, und nach einer gewissen Zeit hatte er für mich ein Schiff, eine Karavelle, ausgesucht. Dieses Schiff konnte mit 90 Buthen89 beladen werden, was etwa 40 Fuder Wein entspricht, und es stand unter der Gönnerschaft eines gewissen Vinzente Diaz90 aus Lagos, einem 16 Meilen von Kap St. Vinzenz entfernten Hafen.

Nachdem die Karavelle mit allem Erforderlichen ausgerüstet war, stachen wir am 22. März 1455 – in Gottes Namen und mit großen Hoffnungen – von Kap St. Vinzenz aus in See. Mit Nordwind im Rücken segelten wir geradewegs westwärts auf die Insel Madeira zu und erreichten so am 25. des Monats gegen Mittag die Insel Porto Santo, die 600 Meilen von Kap St. Vinzenz entfernt liegt.

89 Zwei Buthen entsprechen einer modernen Tonne.

90 Ein Kaufmann, der 1445 an einer Expedition nach Westafrika teilgenommen hatte.

Viertes Kapitel

Es beschreibt die Insel Porto Santo, ihre Beschaffenheit und die Dinge, die dort hergestellt werden. Besonderes Interesse gilt dabei dem »Drachenblut«, der Art seiner Herstellung sowie einem allerbesten Honig.

Die Insel Porto Santo ist sehr klein; sie hat lediglich einen Umfang von 25 Meilen. Sie war vor 27 Jahren [richtig: 37 Jahren] von Seefahrern Fürst Heinrichs entdeckt worden. Bis dahin unbewohnt, wurde sie daraufhin auf Geheiß Heinrichs mit portugiesischem Volk besiedelt. Regiert wurde sie von Bartholomäus Pollastrella, einem Lehensmann des Fürsten.

Auf dieser Insel gibt es reichlich Korn und Hafer sowie im Überfluss Rindfleisch, Wildschweine und unzählige Kaninchen. Ferner findet man hier das sogenannte Drachenblut, das aus bestimmten Bäumen gewonnen wird. Es handelt sich hierbei um eine Art Gummi oder Harz, das zu einer bestimmten Jahreszeit aus den betreffenden Bäumen herausrinnt. Man sammelt es auf folgende Weise: In den untersten Teil des Stammes werden mit einer Axt oder einem Beil einige Kerben gehauen, woraus dann im folgenden Jahr zu einer bestimmten Zeit Gummi oder Harz fließt, das gekocht und gereinigt schließlich »Drachenblut« ergibt. Diese Baumart trägt auch eine Frucht, die sehr gut schmeckt. Sie sieht aus wie eine Kirsche, ist aber gelb.

Außerdem liegen um diese Insel herum ausgedehnte Fischgründe, voll von Dentali und Orade91 und anderen guten Fischen. Einen Hafen findet man hier nicht, dafür aber einen ausgezeichneten Ankerplatz, der gegen alle Winde gut geschützt ist, außer gegen die Winde aus östlicher und südlicher Richtung, gegen die er kaum Schutz zu bieten vermag.

Diese Insel heißt Porto Santo, und man stellt hier den besten Honig der Welt her, außerdem Wachs in großen Mengen.

91 Schellfisch und Dorsch

Fünftes Kapitel

Dieses Kapitel handelt von einem Hafen auf der Insel Madeira, der Moncricho92 genannt wird.

Am 27. März verließen wir Porto Santo und erreichten am gleichen Tag noch Moncricho, einen der Häfen der Insel Madeira. Dieser liegt ungefähr 40 Meilen von Porto Santo entfernt, wobei bei klarem Wetter der eine Ort vom jeweils anderen zu sehen ist.

92 Machico.

Sechstes Kapitel

Es befasst sich mit der Bedeutung des Namens Madeira und der ersten Besiedlung dieser Insel wie ihrer Fruchtbarkeit. Ferner berichtet es von wilden Tauben, die vor den Menschen nicht fliehen, zudem von weißen Pfauen und vom Zucker. Und schließlich von Weintrauben, die in der Karwoche reif werden.

Die Insel Madeira, vordem völlig unbewohnt, war vor 24 Jahren [richtig: 30 Jahren] von besagtem Fürst mit Portugiesen besiedelt worden. Zu ihrer Verwaltung hatte er zwei seiner Ritter zu Gouverneuren bestellt. Der eine namens Trista Tessera [Tristão Vaz Teixeira] erhielt als Hoheitsgebiet die Inselhälfte um Moncricho, der andere, mit Namen Joao Conzales [João Gonçalves Zarco], die Gebietshälfte um Fonzal [Funchal]. Diese Insel erhielt die Bezeichnung Madeira, das heißt so viel wie »Insel des Holzes«, so benannt, weil auf ihr, als sie von Leuten des erwähnten Fürsten zum ersten Mal entdeckt wurde, kein Fleckchen Erde zu finden war, das nicht mit großen Bäumen bewachsen war. Wollte man diese Insel besiedeln, so war es zunächst notwendig, diese Bäume niederzubrennen, was denn auch geschah, sodass eine geraume Zeit ein wildes Feuer über diese Insel fegte. Die erste Feuersbrunst war gar so groß, dass besagter Joao Conzales, der sich damals gerade dort befand, gezwungen war, zusammen mit allen Männern, Frauen und Kindern vor der Gewalt und der Hitze des Feuers aufs Meer zu fliehen. Um dem Tod zu entgehen, mussten sie dort, bis zu den Hälsen im Wasser und ohne etwas zu essen und zu trinken zu haben, zwei Tage und zwei Nächte lang ausharren. Auf diese Weise räumten sie einen großen Teil des Baumbestandes weg, wodurch Grund und Boden für die Kultivierung frei wurden.

Die Insel hat vier Ansiedlungen, erstens Moncricho, zweitens Zum Heiligen Kreuz (Santa Croce)93, drittens Fonzal und schließlich viertens Camera de Loui, was »Kammer der Wölfe« bedeutet94. Obwohl es noch einige andere Siedlungen gibt, so sind doch diese vier die wichtigsten. In ihnen leben ungefähr 800 Männer, davon allein ungefähr 100 Reitersleute. Der Umfang der Insel beträgt 140 Meilen. Auf ihr gibt es keine landumschlossenen Häfen, dafür aber einige ausgezeichnete Ankerplätze. Der Boden der Insel ist sehr fruchtbar, sodass ihre Bewohner mit allem Notwendigen versorgt werden können.

Obwohl diese Insel so gebirgig wie Sizilien ist, erntet man auf ihr jährlich 300 000 venezianische Stara95 Getreide, manchmal mehr, manchmal etwas weniger. Anfangs stand der Ertrag der Aussaat in einem Verhältnis 60 oder 70:1. Dieses hat sich aber mittlerweile auf 30 oder 40:1 verringert, weil die Anbaufläche – wegen Überbeanspruchung des Bodens – Tag für Tag kleiner wird. An Wasser besteht in diesem Land kein Mangel, denn es gibt hier zahlreiche Quellen, aus denen gutes Wasser in Fülle hervorsprudelt, außerdem acht Flüsse von beträchtlicher Größe, die die Insel durchfließen. An diesen Flüssen befinden sich Sägemühlen, in denen ununterbrochen Holz zu Brettern und Holztafeln der verschiedensten Art verarbeitet wird, um damit das portugiesische Königreich wie auch andere Gegenden zu versorgen. Zwei Holzsorten werden besonders geschätzt: einmal das Zedernholz, das einen sehr starken Geruch hat und dem Zypressenholz ähnelt; aus ihm fertigt man wunderschöne Tische, breit und lang, Schränke und andere Möbelstücke. Bei der anderen Holzart handelt es sich um Eibe, ebenfalls sehr schön und rot wie eine rote Rose. Wegen des Wasserreichtums der Insel hat Prinz Heinrich entlang den Flüssen viel Zuckerrohr anpflanzen lassen und damit einen großen Gewinn gemacht. Ein einmaliges Sieden des ungereinigten Rohstoffes erbrachte nicht weniger als 400 Zentner96 Zucker, woraus ich schließe, dass auf absehbare Zeit hier Zucker in großen Mengen hergestellt wird, denn das warme Klima auf dieser Insel ist für den Zuckeranbau sehr geeignet. Es ist hier niemals so kalt wie auf Zypern oder Sizilien. Aus diesem Zucker machen sie mancherlei Mixturen und Gewürze von bester Qualität.

Wachs und Honig werden ebenfalls hergestellt, allerdings nicht in großen Mengen. Dafür, dass die Insel erst vor Kurzem besiedelt worden ist, ist der hier produzierte Wein sehr gut und so reichlich vorhanden, dass damit nicht nur der Bedarf der Inselbewohner gedeckt, sondern auch ein Teil des Weins ausgeführt werden kann. Unter den Weinsorten, die besagter Prinz anpflanzen ließ, ist auch der Malmasier-Wein97, der auf seinen Befehl hin von Candia hierher gebracht wurde. Dieser Wein gedeiht wegen des fruchtbaren Bodens der Insel so ausgezeichnet, dass die Weinstöcke mehr Reben als Blätter tragen. Die Reben sind etwa vier Ellen lang und bieten einen wunderbaren Anblick, einen schöneren mag man auf der ganzen Welt nicht finden. Es wachsen hier auch – und zwar an Stangen – Trauben von schwarzer Farbe, die innen keine Kerne haben und sehr gut schmecken.

 

Ferner werden hier aus dem roten Holz der Eibe herrliche und sehr feine Pfeile und Armbrustgestänge hergestellt, die nach Westen ausgeführt werden. Man findet auf dieser Insel auch wilde Pfauen, von denen einige weiß sind, und Rebhühner. Ansonsten gibt es hier kein Wild, außer Wachteln und einer Vielzahl von wilden Schweinen in den Bergen. Von Inselbewohnern, die durchaus glaubhaft waren, wurde mir erzählt, dass hier zu Beginn der Besiedlung riesige Mengen von Tauben gelebt hätten und man diese immer noch finden könne. Gefangen werden diese Vögel auf folgende Weise: An Stangen werden Schlingen angebracht, um damit die Tauben an ihren Hälsen erfassen und so von den Bäumen herunterziehen zu können. Und die Tauben sollen dabei nicht einmal Furcht zeigen, weil sie die Absichten des Vogelfängers nicht zu durchschauen vermögen. Ich will das durchaus glauben, denn mir war zu Ohren gekommen, dass auf einer anderen Insel, die neulich entdeckt wurde, dies auf eine ähnliche Weise geschieht. Rindfleisch ist auf dieser Insel im Überfluss vorhanden. Und da sie ein einziger großer Garten ist, begegnet man hier – gemessen an den hier gültigen Maßstäben – sehr vielen reichen Leuten, deren gesamter Besitz aus Gold besteht. Es gibt hier auch einige Klöster vom Orden der »Minderen Brüder«98, in denen Mönche leben, die ein geheiligtes Leben führen. Und schließlich wurde mir glaubhaft versichert, dass hier Weintrauben wachsen würden, die schon in der Osterwoche reif seien.

93 Das heutige Santa Cruz.

94 Das heutige Camera de Lobos.

95 Dies entspricht 70000 Bushels.

96 In der englischen Ausgabe ist von 400 Cantara die Rede, wobei eins Cantaro etwa drei Gallonen entspricht.

97 Dieser Wein stammt ursprünglich aus der Gegend um Napoli di Malvasia (Monemvasia).

98 Teil des Franziskanerordens, der sich besonders streng dem Armutsgebot verpflichtet hat.