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Corona Magazine #355: Dezember 2020

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From the series: Corona Magazine #355
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Spotlight: Lebenszeichen aus den Wolken der Venus?

von Brandon Q. Morris

Unser heißer Schwesterplanet Venus besitzt auf seiner Oberfläche kaum das Potenzial für Leben – dafür sind Druck und Temperatur viel zu hoch. In meinem Roman »Clouds of Venus« macht ein NASA-Team trotzdem eine interessante Entdeckung. Daran musste ich denken, als ich eine neue Pressemitteilung der Universität Cardiff las. Die Astronomin Jane Greaves und ihre Kollegen haben über mehrere Jahre die Atmosphäre der Venus analysiert und sind dabei auf einen interessanten Stoff gestoßen: Monophosphan (ältere, aber chemisch inkorrekte Sammelbezeichnung: Phosphin).


© NASA / Wikipedia

Auf der Erde ist Monophosphan, eine Verbindung aus Phosphor und Wasserstoff (PH3), ein Gas, das vorwiegend durch anaerobe biologische Quellen erzeugt wird. Die Bedingungen an der Oberfläche der Venus sind zwar lebensfeindlich, aber in der oberen Wolkendecke – etwa 53 bis 62 Kilometer über der Oberfläche – sind die Verhältnisse gemäßigt. Die Zusammensetzung der Wolken ist jedoch stark sauer, und unter solchen Bedingungen würde Monophosphan sehr schnell zerstört werden.

Trotzdem fanden die Forscher eine spektrale Signatur, die einzigartig für Monophosphan ist, und ermittelten daraus eine Häufigkeit von 20 Teilen pro Milliarde in den Wolken der Venus. Das Gas muss also aus irgendeiner Quelle kontinuierlich nachgeliefert werden. Die Autoren des Papers untersuchten denn auch verschiedene Möglichkeiten, wie das Monophosphan entstehen könnte, etwa durch Quellen auf der Oberfläche des Planeten, Einschläge von Mikrometeoriten, Blitze oder chemische Prozesse, die in den Wolken ablaufen. Letztendlich war das Team jedoch nicht in der Lage, die Quelle der Spuren eindeutig zu bestimmen. Keiner der bekannten chemischen Prozesse genügt jedenfalls, um ausreichende Mengen Monophosphan entstehen zu lassen.

Die Autoren argumentieren vorsichtig, dass der Ausschluss bekannter chemischer Prozesse natürlich kein robuster Beweis für mikrobielles Leben sei und nur auf potenziell unbekannte geologische oder chemische Prozesse hinweise, die auf der Venus stattfinden könnten. Weitere Beobachtungen und Modellierungen wären erforderlich, um den Ursprung des Monophosphans in der Venusatmosphäre zu erforschen. Gleichzeitig zeigen sie in ihrem Paper aber auch Wege auf, wie Leben in den Wolken der Venus das Gas produzieren könnte.


© Nature / Universität Cardiff / Links: farbkodiert die Stärke des empfangenen Signals über die Venusoberfläche. Die rechte Darstellung zeigt, aus welcher Höhe das Signal kommt. Die Kurve hat ihren Peak bei 56 Kilometern über der Venusoberfläche

Das Fragezeichen in der Überschrift scheint nach aktuellem Stand wichtig zu sein. Es gibt einige Probleme, die die Theorie der Forscher zu Fall bringen könnten. Erstens sind die Bedingungen in den Venuswolken, die zu 90 Prozent aus Schwefelsäure bestehen, ungeeignet für Leben, wie wir es von der Erde kennen. Man bräuchte also eine andere Biologie. Zweitens basieren die Annahmen auf Messungen u. a. der sowjetischen Wega 2-Sonde aus den 1980er-Jahren. Wega 2 hatte relativ wenig Phosphor auf der Venusoberfläche gefunden. Dafür fehlt aber noch eine unabhängige Bestätigung.

Die Entdeckung ist trotzdem interessant, weil wir unsere heiße Schwester Venus in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt haben. Zum Mars fliegen weitaus mehr Sonden. Die mögliche Entdeckung von Leben könnte damit Geld für eine Expedition dorthin lockermachen. Ob dann letztlich Leben gefunden wird, wird man sehen. Dabei erinnere man sich daran, dass auch auf dem Mars immer wieder Spuren (etwa von Methan) ausgemacht wurden, die zuerst an Leben denken lassen. Inzwischen geht man in diesen Fällen meist von abiologischen Ursachen aus.

Über den Autor: Brandon Q. Morris ist Physiker und Science-Fiction-Autor. Unter hardsf.de schreibt er mehrmals wöchentlich über für SF-Leser interessante Wissenschaftsthemen aus Astrophysik und Kosmologie.

Phantastisches Hören

Na hör mal – Die Audible-Kolumne: Das Theater ex libris – mehr als nur ein Live-Hörspiel-Ensemble


von Reinhard Prahl

Liebe Leserinnen und Leser,

Hörbücher und Hörspiele sind etwas Wundervolles. Sie führen uns in spannende Welten des Rätselhaften und des Phantastischen. Die Stimmen der talentierten Sprecherinnen und Sprecher, die Musik der Komponisten und der intensive Klangteppich von begabten Sounddesignern erwecken eine Geschichte erst so richtig zum Leben und erzeugen unvergessliche Bilder in den Gehirnwindungen, die noch tage- und wochenlang nach dem Genuss eines guten Werkes in unseren Köpfen herumspuken. Anbieter wie Audible ermöglichen es mit ihren leicht zu bedienenden Apps, unsere Lieblingsstücke quasi überall und auf jedem Endgerät jederzeit abrufen zu können. Egal ob auf der heimischen Couch, beim Bügeln oder abends im Bett. Wer sein Handy in der Hosentasche trägt, hat auch immer seine Alltime-Favorites dabei.

Doch da draußen gibt es noch so viel mehr als ins aa- oder aax-Format gepressten Hörgenuss. Längst haben die Großen der Szene wie Oliver Rohrbeck, Jens Wawrczeck und Andreas Fröhlich (Die Drei ???) erkannt, dass man aus einem Hörspiel noch viel mehr herausholen kann. Live aufgeführt, vor einem leidenschaftlichen Publikum, bedarf es nicht viel, um eine tolle Atmosphäre zu erzeugen. Die 2014er-Tour Sinfonie der Angst war nicht nur eine Livelesung, sondern vielmehr ein unvergleichliches Event, das mir als Hörspiel- und Drei ???-Fan eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken jagte. Und da ich dank Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews nun so richtig auf den Geschmack gekommen war, wollte ich natürlich mehr. Doch woher nehmen und nicht stehlen?


Die Antwort liegt manchmal näher, als man glaubt. Einige Jahre später bekam ich eine Karte für eine Live-Lesung geschenkt, die auf der Burg Vischering in Lüdinghausen (NRW) stattfand. Als Gastgeber wiesen sich Christoph Tiemann und sein Theater ex libris aus, die auf der Bühne, unterstützt von atmosphärischen Bildern und mit grandioser Musik unterlegt, einen alten Fall der drei Detektive zum Besten gaben. Und der Terminus »zum Besten« war keineswegs untertrieben, wie sich bald herausstellen sollte. Statt zwar leidenschaftlichen, aber leider doch nur semiprofessionellen Sprechern präsentierte sich dem Publikum nämlich ein ebenso sympathisches wie routiniertes Profi-Ensemble mit einer riesigen stimmlichen und musikalischen Bandbreite. Die Drei, pardon, drei Stunden vergingen wie im Flug und ich war mir sicher, dass ich das Theater ex libris nicht zum letzten Mal gesehen hatte. Die Verbindung von Visualisierung, Sounds, Musik und Livelesung, die Tiemann und seine Kolleginnen und Kollegen in ihren Auftritten erschaffen, gehört wahrscheinlich zum Ungewöhnlichsten und Besten, was es derzeit im Bereich des Live-Hörspiels zu erleben gibt.

Dass dieses Lob nicht etwa übertrieben, sondern absolut gerechtfertigt ist, konnte das Team um Christoph Tiemann in den letzten Monaten mehrfach auf Facebook und Twitch unter Beweis stellen. Da die Künstler rund um den Moderator, Schauspieler, Kabarettisten und Liveperformer, wie viele andere auch, die ganze Härte der Corona-Krise zu spüren bekamen, verfiel man auf den Gedanken, einige Stücke live in den sozialen Netzwerken aufzuführen. Aus den angedachten rund einhundert Zuhörern wurden rasch sechshundert, die gebannt an den Lippen der bis zu fünf Sprecher klebten. Abgesehen von Klassikern wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde präsentierte das Theater ex libris auch eine Eigenproduktion namens Alarmstufe Mond, die nicht weniger als eine humorvolle Hommage an einige der größten Science-Fiction-Klassiker der Moderne darstellt. Das Stück ist gespickt mit coolen Sprüchen und einer so irrwitzig abgedrehten Handlung, dass man aus dem Lachen kaum herauskommt.


Doch genug des Lobs. Wer ist der Mann hinter ex libris? Was ist für ihn gute Science-Fiction und wie sieht er die Zukunft seiner Schöpfung? Diese Fragen und einige mehr hat mir Tiemann vor einiger Zeit im Interview beantwortet.

Im Gespräch mit Christoph Tiemann – über Live-Hörspiele, Facebook und die Zeit nach Corona

Reinhard Prahl (R.P.): Hallo Christoph, du bist Schauspieler, Kabarettist, Sprecher und Gründer des Theater ex libris. Ihr bringt seit zehn Jahren Live-Lesungen und Live-Hörspiele auf die Bühne. Abgesehen davon arbeitest du unter anderem für den WDR und hast dort für WDR 5 auch einige Radio-Features produziert. Die Hälfte davon befasst sich mit sehr nerdigen Themen wie Star Trek oder Zukunftsträumereien. Wie kommt es zu diesem Schwerpunkt?

 

Tiemann: Das ist ein ganz großes privates Interesse von mir. Ich bin ein großer Science-Fiction-Fan, obwohl es nur relativ wenig SciFi gibt, die mich wirklich mitreißen kann. Aber wie definiert man schon den typischen Fan, den Enthusiasten?

R.P.: Da hake direkt einmal nach: Was würdest du denn als gute Science-Fiction definieren und wo ist dir das Genre vielleicht sogar narrativ zu oberflächlich?

Tiemann: Für mich ist das gar nicht mal unbedingt eine Frage der Oberflächlichkeit, oder sogar des künstlerischen Anspruchs, sondern eher des persönlichen Geschmacks. Ich bin, wie viele von uns, über Star Trek zur Science-Fiction gekommen. Ich kann aber mit Space Operas trotzdem nicht allzu viel anfangen. Wenn Perry Rhodan beispielsweise zur Wega fliegt, wird mir das oft so megalomanisch, dass ich mich im Setting verliere. Die Geschichten beginnen immer sehr interessant, werden mir persönlich aber dann viel zu groß. Ich habe es später noch einmal mit Perry Rhodan: Neo versucht, doch das Gefühl blieb. Vielleicht ist es gerade das, was den meisten Lesern gefällt, mich interessieren aber eher Geschichten, die eine gar nicht mal so sehr veränderte Welt zeigen. Manchmal reicht es mir da schon, wenn nur ein Aspekt geändert und dadurch eine alternative Welt erschaffen wird. Ein gutes Beispiel dafür ist die schwedische Serie Real Humans, die mir sehr gefallen hat. Nicht, dass ich Space Operas nicht mögen würde. Aber wenn der menschliche hinter dem technologischen Faktor zurücksteht, verliere ich relativ schnell das Interesse.


R.P.: Diese Aussage ist im Zusammenhang mit deiner Stückeauswahl sehr interessant. Da finden sich Stücke wie Dr Jekyll and Mr. Hyde oder auch Dracula darunter, die thematisch in eine ähnliche Kerbe schlagen. Spielt dein persönlicher Geschmack da hinein?

Tiemann: Wahrscheinlich ja, wenn auch nicht unbedingt bewusst. Die Geschichte um Dr. Jekyll, der zu Mr. Hyde wird, interessiert mich seit vielen Jahren, aber wir haben das Stück eigentlich überhaupt nicht im Programm. Ich habe immer das Gefühl, dass man Dr. Jekyll and Mr. Hyde nicht mehr so gut erzählen kann, weil eben jeder den Twist kennt. Selbst wer den Roman nie gelesen hat, weiß, wer Hyde ist. Deshalb stellt sich diese Frage in Filmen auch erst gar nicht mehr und das Ende der Geschichte wird an den Anfang gesetzt, um eine neue Erzählerperspektive zu erschaffen. Wir fanden es bei Theater ex libris aber mal wieder interessant, die Story so vorzutragen, wie Louis Stevenson sie sich einmal ausgedacht hatte.


R.P.: Eure Aufführungen sind relativ musiklastig. Ihr verwendet zwar auch Soundeffekte, aber insgesamt doch recht sparsam. War das eine eher pragmatische Entscheidung oder von Anfang an so geplant?

Tiemann: Als wir vor zehn Jahren die erste Veranstaltung konzipierten, kam mir der Gedanke, dass es zu trocken ist, das Ganze einfach nur vorzulesen. So kam relativ spontan dann die Musik mit dazu und wurde von der ersten Minute an zu einem wichtigen Mitspieler. Musik erwies sich als ein so großer »Brandbeschleuniger« der Emotionen und Stimmungen, dass wir schnell merkten, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Später kamen Geräusche dazu und dann Bilder, die wir im Hintergrund auf der Leinwand einblenden. So haben wir einen neuen Stil kreiert, sozusagen eine ganz neue Form des Live-Hörspiels, worauf wir sehr stolz sind.

R.P.: Ihr habt im Zuge der Corona-Krise mit großem Erfolg Dr. Jekyll and Mr. Hyde live über Facebook und Twitch aufgeführt. Über 600 Menschen haben zugeschaltet. Die Säle der Live-Veranstaltungen sind hingegen im Durchschnitt eher auf rund 250 Besucher ausgelegt. Wie sehr hat euch überrascht, dass so viele Menschen eingeschaltet haben?

Tiemann: Wir waren total überrascht und haben uns sehr über die tolle Resonanz gefreut. Unser Wirkungskreis liegt ja normalerweise zwischen dem Münsterland und Niedersachsen. Daher fanden wir es toll, wie viele Menschen aus anderen Regionen, die noch nie von uns gehört hatten, dabei waren. Unsere Veranstaltungsorte sind bewusst auf eher kleinere Besucherzahlen ausgelegt, damit unsere Auftritte ein gewisses Maß an Intimität bewahren. Wir hatten zunächst ein wenig Sorge, dass der direkte Kontakt fehlen könnte. Wir sind aber nach den Vorstellungen noch eine ganze Weile online geblieben, um Fragen zu beantworten, und den zahlreichen netten Kommentaren zufolge haben viele Zuschauer unser Live-Hörspiel dann auch als sehr publikumsnah empfunden.

R.P.: Später habt ihr noch Sherlock Holmes, Der kleine Prinz und eure nerdige Eigenproduktion Alarmstufe Mond aufgeführt. Wie du selbst im Stream schon angedeutet hast, sind Facebookauftritte aber nicht wirklich ein zukunftsträchtiges Format, mit dem sich auch Geld verdienen lässt. Wie groß ist deine Sorge, dass potenzielle Zuschauer nun vielleicht gar nicht mehr in deine Vorstellungen kommen, weil sie das Theater ex libris ja nun schon mehrfach gesehen haben?

Tiemann: Wir achten bei der Auswahl auf Stücke, die wir sonst nicht, oder nur selten im Programm haben. Außerdem haben wir uns nach dem Kleinen Prinzen eine Pause auferlegt. Alarmstufe Mond ist aus dem gleichnamigen Musical entstanden, für dass ich die Story geschrieben habe. Das Stück ist ein verrücktes Zitatefest für jeden SciFi-Fan. Die Geschichte greift das Flair von Filmen wie Reise zum Mond von 1950 oder Von der Erde bis zum Mond von 1958 auf und führt dann mit einem Augenzwinkern bis in die heutige Zeit.

R.P.: Viele der Geschichten, über die wir gerade sprechen, sind frei in der Public Domain zugänglich. Ist das für eine Theatergruppe wie ex libris nicht geradezu ein Geschenk?

Tiemann: Absolut, weil man die Stoffe nicht nur lizenzfrei verwenden, sondern auch ohne Auflagen bearbeiten darf. Es ist beispielsweise immer wieder notwendig, Kürzungen vorzunehmen, unsere Auftritte sollen ja nicht länger als zwei Stunden werden. Bei den Drei ??? waren zwar Kürzungen erlaubt, nicht aber dramaturgische Bearbeitungen. Da ist es ein Segen, dass wir beispielsweise Dracula ein wenig an heutige Hörgewohnheiten anpassen konnten, ohne aber zu sehr in die Geschichte einzugreifen.

R.P.: Zwei meiner Interviewpartner, Tommy Krappweis und Ivar Leon Menger schreiben beide für Audible Hörspiele und erzählten im Gespräch, dass sie eine angenehme künstlerische Freiheit genießen, die auf einem großen gegenseitigen Vertrauen basiert. Wäre es eine Option für dich, Hörspiele in Zusammenarbeit mit einem Streamingdienst oder einem ähnlichen Anbieter zu produzieren und digital zu vertreiben?


Tiemann: Ehrlich gesagt habe ich daran noch gar nicht gedacht. Ich bin eher immer etwas zögerlich in der Zusammenarbeit mit großen Institutionen und Firmen. Ich höre allerdings gerade Ghostbox und bin begeistert. Von daher könnte ich mir sehr gut vorstellen, mit Audible zusammenzuarbeiten.

R.P.: Wir werden also vielleicht das Theater ex libris irgendwann nicht nur live auf der Bühne oder auf Facebook erleben dürfen, sondern auch jederzeit im heimischen Wohnzimmer als Download?

Tiemann: Wir denken ernsthaft darüber nach, überlegen aber derzeit noch, was der geeignete Distributionsweg sein könnte. Ob CDs noch so verkaufsträchtig sind, dass sich die Produktion einer gewissen Auflage lohnt, glaube ich nicht unbedingt. Den Verkauf von USB-Sticks finden wir ebenfalls nicht ganz so prickelnd. So gesehen wäre Audible sicherlich ein guter Mittelweg, den ich selbst auch viel nutze. Besonders schön ist, dass unsere Hörer unsere Werke nicht nur streamen, sondern stattdessen kaufen und behalten könnten.

R.P.: Wie wird es mit dem Theater ex libris nach der Aufhebung der derzeitigen Einschränkungen weitergehen? Auf welche Geschichten dürfen wir uns live freuen?

Tiemann: Wir haben vor Kurzem Die Schatzinsel von Robert Louis Stevenson Open-Air aufgeführt. Außerdem schaue ich mir derzeit auch intensiv die Romane von H. G. Wells an, den ich sehr verehre. Sicherlich ist Die Insel des Dr. Moreau oder Die Zeitmaschine eine Option für uns. Aber Wells hat noch wesentlich mehr verfasst. Mit steigendem Bekanntheitsgrad möchten wir aber auch immer mehr Eigenproduktionen aus dem SciFi- und Horrorgenre aufführen.

R.P.: Vielen Dank für das Gespräch, lieber Christoph.

Tiemann: Es war mir ein Vergnügen.

Perlentaucher: Raumschiff UX 3 antwortet nicht

von Reinhard Prahl

Die altbekannten Hörspiellabels graben derzeit tief in ihren Archiven und veröffentlichen zahlreiche Hörspielklassiker neu. Zum Sammelsurium gehören auch einige Science-Fiction-Hörspiele der 1960er- und 1970er-Jahre. Das von Bert Varell geschriebene Raumschiff UX 3 antwortet nicht gehört allerdings noch nicht dazu. Leider hat sich Europa, das bereits seit vielen Jahren zu Sony gehört, noch nicht erbarmt und seinen Fans eine Neuauflage des beliebten Stücks spendiert. Die Erstauflage entstand und erschien um das Jahr 1969 herum und wurde recht schnell unter Fans zu einem begehrten Sammlerobjekt.


Schnell erzählt

Die Geschichte der Space Opera ist recht schnell erzählt. Das Raumschiff UM 9 wird auf die Suche nach dem verschollenen schnellen Kreuzer UX 3 geschickt. Eine heiße Spur führt ins 52 Lichtjahre entfernte Raumgebiet der fremdartigen Uläer. Nach einem erfolgreichen Hyperraumsprung erreicht die Rettungsmission schließlich fremdes Territorium und muss sich fortan mit den feindseligen Aliens herumschlagen. Dabei kommt von Antimaterie-Abwehrschirmen bis Strahlenwaffen alles zum Einsatz, was das Genre-Herz begehrt. Die UM 9-Besatzung muss eine ganze Menge Geschick und Kampfesmut aufbringen, um die Kollegen und Freunde der UX 3 schließlich aus den Klauen des fremden Planeten zu befreien. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Funker Tuang-Yi (dass der Chinese allerdings mit erkennbar russischem Akzent spricht, nehmen wir einfach mal so hin). Die Uläer sind nämlich Telepathen und Yi ist der Einzige an Bord, der über dieses Talent verfügt. Alle Verhandlungsversuche scheitern jedoch und so führt letztlich eine ausgewachsene Schießerei in bester Westernmanier, der ein Gefangenenaustausch folgt, zur Rettung der gestrandeten Mannschaft. Bis die UM 9 allerdings auf der Erde landen kann, muss sich Commander Tex Terry noch mit einem seltenen Weltraumphänomen herumschlagen.

In der Kürze liegt die Würze

Das Hörspiel ist nur knappe 34 Minuten lang. Entsprechend straff und stringent gestaltet sich der kindgerecht und spannend konstruierte Plot. Die Geschichte setzt dabei auf Action und erinnert in ihren Grundzügen sowohl ein wenig an die Raumpatrouille Orion als auch an Perry Rhodan, der zum Zeitpunkt dieser Produktion bereits seit acht Jahren seine Leserschaft begeisterte. Als Interpreten sind einige der erinnerungswürdigsten EUROPA-Vertragssprecher zu hören, so unter anderem Hans Clarin als Commander Tex Terry oder Helmut Lange als Copilot Björn. Die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes Ingrid Andree fungiert als einzige Frau an Bord.

Fazit

Zusammen genommen ergeben Story, Soundeffekte und Sprecher eine ansprechende Mischung, die den Hörer auf einen kurzweiligen und unterhaltsamen Nostalgietrip führt. Prima ist, dass es sich nicht um eine Serie im eigentlichen Sinne handelt. Einzelveröffentlichungen wie die um die UX 3 wurden unter der Überschrift »EUROPA – Die Jugendserie – ein Weltraumabenteuer« zusammengefasst. Wie viele davon erschienen, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen, der Vorteil lag aber klar auf der Hand: Die meist jugendlichen Käufer waren nicht zwingend darauf angewiesen, am Ball bleiben zu müssen und konnten ihr Kaufverhalten nach dem spärlichen Taschengeld ausrichten.

 

Wie oben bereits erwähnt, ist Raumschiff UX 3 antwortet nicht bislang weder als MP3 noch als CD erschienen und daher nur als Vinyl oder Musikkassette über den Gebrauchtmarkt beziehbar. Wer also einen Plattenspieler besitzt und Trips in die weit entfernte Zukunft der Kindheit liebt, ist hier mit einem Kauf bestens bedient.