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1. Kapitel Unternehmensumstrukturierungen und ihre Erscheinungsformen › C. Arbeitsrechtliche Maßnahmen

C. Arbeitsrechtliche Maßnahmen

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Arbeitsrechtlich komplex sind Umstrukturierungsmaßnahmen vor allem dann, wenn sie mit Veränderungen auf betrieblicher Ebene verbunden sind. Zusätzlich gesteigert wird diese Komplexität, wenn zugleich eine Übertragung von Arbeitsverhältnissen bezweckt ist. Denn dann kommen ggf. nicht nur §§ 111 ff. BetrVG,[1] sondern auch – als arbeitsrechtliche „Zentralnorm“ für übertragende Umstrukturierungen – § 613a BGB[2] zur Anwendung.

1. Kapitel Unternehmensumstrukturierungen und ihre Erscheinungsformen › C. Arbeitsrechtliche Maßnahmen › I. Organisatorische Veränderungen/Betriebsänderung

I. Organisatorische Veränderungen/Betriebsänderung

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Änderungen auf organisatorischer Ebene stellen sich unter den in § 111 BetrVG normierten Voraussetzungen als Betriebsänderung dar,[3] welche nicht nur Informationspflichten gegenüber dem zuständigen Betriebsrat,[4] sondern auch die weitere Verpflichtung auslöst, mit dem zuständigen Betriebsrat einen Interessenausgleich zu versuchen und ggf. einen Sozialplan abzuschließen (§§ 112, 112a BetrVG).[5]

1. Herausforderung: Beteiligung des zuständigen Betriebsrats

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Sind im Unternehmen oder Konzern mehrere Betriebsräte auf unterschiedlichen Ebenen (örtlicher Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat, Konzernbetriebsrat) gebildet worden, kann bereits fraglich sein, mit welchem Gremium welche Gegenstände verhandelt werden müssen.[6] Dies gilt selbst dann, wenn klar ist, welche Form der Betriebsänderung vorliegt, weil nach der Rechtsprechung des BAG aus der Zuständigkeit eines Betriebsratsgremiums für die Verhandlungen über einen Interessenausgleich nicht notwendig auch dessen Zuständigkeit für die Verhandlung eines Sozialplans folgt.[7]

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Praxistipp:

Bisweilen ist darüber hinaus unklar, ob das jeweilige Gremium rechtlich nicht nur zuständig, sondern überhaupt existent ist. Diese Frage stellt sich nicht nur im Zusammenhang mit ggf. nichtigen Betriebsratswahlen, sondern in der Praxis insbesondere im Zusammenhang mit durch Vereinbarungen nach § 3 BetrVG geschaffenen Betriebsratsgremien. Hier sind nicht nur Zuständigkeitsfragen infolge der von den gesetzlichen Vorgaben abweichenden Struktur fraglich. Werden die Vorgaben des § 3 BetrVG nicht umgesetzt, kann dies sogar die Nichtigkeit des vermeintlich zuständigen Gremiums mit der Konsequenz zur Folge haben,[8] dass mit einem anderen Gremium verhandelt und abgeschlossen hätte werden müssen. Dies ist insbesondere dann katastrophal, wenn in entsprechende Interessenausgleiche die Anhörung nach § 102 BetrVG – in diesem Fall: unwirksam – eingebunden wird, weil dann alle Kündigungen ebenfalls unwirksam sind. Gleiches gilt dann zumeist deshalb, weil das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG hinsichtlich der erfolgten Massenentlassung nicht mit dem zuständigen Gremium erfolgt ist.[9]

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Der Abschluss bzw. die Verhandlung mit dem unzuständigen Gremium sperrt keine Verhandlung bzw. keinen Abschluss mit dem zuständigen Gremium, sodass ggf. neu verhandelt und abgeschlossen werden muss. Damit ist nicht nur ein erheblicher Aufwand, sondern auch ein erhebliches Kostenrisiko verbunden.

2. Größte Einflussnahmemöglichkeit der betrieblichen Arbeitnehmervertretung

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Mit einer oder mehreren Betriebsänderungen i.S.d. § 111 BetrVG verbundene Umstrukturierungen bergen auch das größte Einfluss- und Verzögerungspotential des zuständigen Betriebsrats für die Transaktion.[10]

a) Nachteilsausgleichsansprüche

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Die verfrühte Umsetzung der Planung[11] bringt – sofern sie ausgleichspflichtige Nachteile kausal verursacht – jedenfalls Nachteilsausgleichsansprüche gemäß § 113 BetrVG mit sich, die sich als erheblicher, die Transaktion gefährdender Kostenfaktor erweisen können, zumal sie im Grunde über etwaige Sozialplanleistungen hinausgehen. Voraussetzung hierfür ist zwar, dass hierdurch ausgleichspflichtige Nachteile entstehen.[12] Bereits die Diskussion hierüber kann aber – und zwar erst recht, wenn sie in einer Vielzahl von Fällen vor Gericht ausgetragen werden muss – wirtschaftlich erheblichen Aufwand verursachen.

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Insofern bildet das Vorliegen einer Betriebsänderung unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten für Umstrukturierungsüberlegungen eine zentrale Weichenstellung. Durch ein Hinauszögern des Verhandlungsabschlusses (inklusive ggf. erforderlicher Einigungsstellenverhandlungen) kann der zuständige Betriebsrat die erfolgreiche Umsetzung von geplanten, als Betriebsänderung zu qualifizierenden Maßnahmen daher durchaus gefährden.

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Praxistipp:

Das muss insbesondere beachtet werden, wenn – zum Beispiel aufgrund eines zeitlich begrenzten Zur-Verfügung-Stehens von Kreditlinien – das Erfordernis besteht, die Transaktion innerhalb eines relativ engen zeitlichen Rahmens abzuschließen und umzusetzen.

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Strategisch muss dann aus Unternehmenssicht darauf geachtet werden, Betriebsänderungen i.S.d. § 111 BetrVG (ggf. zunächst) zu vermeiden oder das Verzögerungspotential des zuständigen Betriebsrates jedenfalls möglichst gering zu halten.

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Praxistipp:

Dies fängt an mit einer zielführenden Informationspolitik und endet mit einer effizienten Verhandlungsführung im Rahmen eines ggf. erforderlichen Einigungsstellenverfahrens.

b) Einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Umsetzung der geplanten Betriebsänderung bis zum Abschluss der Verhandlungen

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Differenziert werden muss bei der Planung nicht nur in Bezug auf die Informationspolitik und die geplanten Maßnahmen, sondern zusätzlich auch danach, in welchem LAG-Bezirk die Maßnahme vollzogen werden soll. Denn in manchen LAG-Bezirken gewähren die Arbeitsgerichte dem zuständigen Betriebsrat ggf. eine einstweilige Verfügung, die auf eine Unterlassung der Betriebsänderung bis zum Abschluss der Verhandlungen gerichtet ist.[13] Daran können Zeit- und Liquiditätspläne scheitern.

c) Praxisrisiko: Verkannte Betriebsänderung

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Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Betriebsänderungen auch bei beschäftigungsneutralen Umstrukturierungen vorliegen können. Ob und in welchem Umfang im Zusammenhang mit der Umstrukturierungsmaßnahme Entlassungen geplant bzw. erforderlich sind, spielt zwar eine wichtige Rolle – und zwar nicht nur wegen eines etwaigen Sozialplanvolumens. Dass keine Entlassungen geplant sind, darf aber nicht zu der irrigen Annahme verführen, es handele sich nicht um eine Betriebsänderung und dem Betriebsrat stünden daher nicht die vorgenannten Verzögerungsinstrumente zur Verfügung.

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Beispiel:

Auch eine bloße Betriebsspaltung, selbst wenn sie rechtsträgerintern durchgeführt wird und sich letztlich in der bloßen Etablierung separater Leistungsstrukturen in den wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten des BetrVG erschöpft (Einrichtung separater Personalleitungen), ist unter den in § 111 BetrVG geregelten Voraussetzungen als Betriebsänderung zu qualifizieren.

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Dass sozialplanpflichtige Nachteile in ihrem Rahmen typischerweise nicht entstehen, ändert nichts daran, dass ein Interessenausgleich versucht werden muss und dies im Bezirk mancher Landesarbeitsgerichte per einstweiliger Verfügung für den Betriebsrat durchsetzbar ist. Im Übrigen darf im Zusammenhang mit Betriebsänderungen – wie gezeigt (vgl. Rn. 78) – nicht bei der Gefahr einer einstweiligen Verfügung stehengeblieben werden: Die Nichtbeachtung des Mitbestimmungsrechts des zuständigen Betriebsrates nach § 111 BetrVG bewirkt zudem nach § 113 BetrVG für die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer Nachteilsausgleichsansprüche, sofern sie kausal entsprechende Nachteile herbeiführt.

1. Kapitel Unternehmensumstrukturierungen und ihre Erscheinungsformen › C. Arbeitsrechtliche Maßnahmen › II. Betriebsübergang

II. Betriebsübergang

1. Bloßer Rechtsträgerwechsel

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Ein Betriebsübergang i.S.d. § 613a BGB ist nach zutreffender h.M.[14] keine Betriebsänderung (und zwar auch dann nicht, wenn er sich umwandlungsrechtlich vollzieht[15]). Daran ändert angesichts des klaren Wortlauts von § 111 BetrVG auch Art. 4 Abs. 2c RL 2002/14/EG nichts.[16] Auch eine analoge Anwendung umwandlungsrechtlicher Beteiligungsvorgaben kommt nicht in Betracht.[17] Einflussnahmemöglichkeiten der Arbeitnehmervertreter bestehen daher nicht in rechtlicher, sondern allein in tatsächlicher Hinsicht (kommunikative Begleitung der vom Arbeitgeber geplanten Übertragung). § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG erfasst auch Betriebsübergänge, sodass eine Information des Wirtschaftsausschusses zu erfolgen hat. Unterschätzt werden darf diese kommunikative (politische) Einflussnahme allerdings unter keinen Umständen.

2. Große Einflussnahmemöglichkeit der Belegschaft

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Im Rahmen von Asset Deals besteht nämlich eine große Einflussnahmemöglichkeit der Arbeitnehmer auf den Umstrukturierungserfolg jedenfalls dann, wenn die Übertragung der Mehrheit der Arbeitsverhältnisse bzw. zumindest einer bestimmten Zahl und/oder Qualität von Arbeitsverhältnissen Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg der Transaktion ist.

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Beispiel:

Das kann z.B. der Fall sein, wenn in der Belegschaft ein in bestimmten Arbeitnehmern verkörpertes Spezialwissen vorhanden ist, das notwendige Voraussetzung für die Fortsetzung des Geschäftsbetriebs durch den Erwerber ist.

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Soll ein Betriebs(teil)übergang i.S.d. § 613a BGB im Wege eines Asset Deals ausgelöst werden, ist bei betriebsmittelarmer Tätigkeit die Zustimmung des nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Personals sogar tatbestandliche Voraussetzung für die Auslösung einer Übertragung gemäß § 613a BGB.[18]

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Aber auch bei betriebsmittelintensiver Tätigkeit kann der Transaktionserfolg ggf. durch – nach der Rechtsprechung des BAG bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs zulässige – Massenwidersprüche i.S.d. § 613a Abs. 6 BGB[19] gefährdet werden, wenn dies Kunden, Lieferanten und Geschäftspartner verschreckt, zu erheblichen Produktionsausfällen führt oder erhebliche Sozialplankosten bewirkt, die der Veräußerer oder (je nach Risikoverteilung im Kaufvertrag (Asset Purchase Agreement) der Erwerber nicht wirtschaftlich sinnvoll leisten oder finanzieren kann.

1. Kapitel Unternehmensumstrukturierungen und ihre Erscheinungsformen › C. Arbeitsrechtliche Maßnahmen › III. Mischformen (Betriebsänderung anlässlich eines Inhaberwechsels)

III. Mischformen (Betriebsänderung anlässlich eines Inhaberwechsels)

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Kombinierte Einflussnahmemöglichkeiten für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen bestehen, wenn die Umstrukturierung sowohl eine Betriebsänderung als auch einen Übertragungsvorgang i.S. eines Betriebs(teil)übergangs beinhaltet. Denkbar sind unterschiedliche Erscheinungsformen, von denen hier lediglich beispielhaft die folgenden genannt werden:

1. Übertragung eines Betriebsteils und separate Fortführung beim Erwerber (Outsourcing)

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Denkbar ist zunächst, dass ein Betriebsteil aus dem bestehenden Betrieb herausgelöst und auf einen Erwerber übertragen werden soll, der ihn als separaten eigenständigen Betrieb fortführt.

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Beispiel:

In der Praxis geschieht dies z.B. häufig bei Outsourcing-Projekten, in denen Betriebsteile, die sich mit Funktionen oder Produkten beschäftigen, die günstiger eingekauft werden können oder nicht zum Kerngeschäft gehören, auf Dritte übertragen werden. Ebenfalls denkbar ist dies im Zusammenhang mit der Einführung einer Spartenorganisation (vgl. bereits Rn. 50 ff.).

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In diesem Fall (separate Führung beim Erwerber) liegt sowohl eine Betriebsänderung in Form der Betriebsspaltung nach § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG vor[20] als auch ein Betriebsteilübergang i.S.d. § 613a Abs. 1 BGB (ggf. i.V.m. § 324 UmwG).

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Dem Betriebsrat stehen dann die Beteiligungsrechte nach §§ 111 ff. BetrVG in Bezug auf die geplante Betriebsspaltung und deren Rechtsfolgen zu. Auf den Betriebsteilübergang i.S.d. § 613a BGB beziehen sich seine Beteiligungsrechte aber nicht.[21]

97

Beispiel:

So kann der Betriebsrat in der vorliegenden Fallkonstellation insbesondere nicht auf dem Umweg über einen Sozialplan gemäß § 112 BetrVG erzwingen, dass die Rechtsfolgen des Betriebsteilübergangs i.S.d. § 613a BGB beseitigt werden, z.B. ein infolge des Betriebsteilübergangs eingetretener Tarifwechsel. Sein Beteiligungsrecht besteht insoweit lediglich in Bezug auf die Folgen der Betriebsänderung und nicht in Bezug auf die des Betriebsteilübergangs.[22] Die bloße Betriebsspaltung hat aber nicht zum Tarifwechsel geführt, sondern ausschließlich der Rechtsträgerwechsel. Seine Rechtsfolgen sind kein zulässiger Gegenstand eines erzwingbaren Sozialplans. In Betracht kommt allenfalls ein freiwilliger Sozialplan.

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Praxistipp:

Das Beteiligungsrecht steht dem Betriebsrat nur gegenüber dem Unternehmer zu, der die Betriebsänderung plant.[23] Dies gilt auch dann, wenn sich der planende Betriebsveräußerer nach einem Konzept des geplanten Betriebserwerbers richtet.[24] Plant umgekehrt nur der Betriebserwerber eine Betriebsänderung nach dem Erwerb, stehen dem Betriebsrat die Beteiligungsrechte nur ihm gegenüber – und zwar erst nach dem Erwerb – zu.[25]

99

Einflussnahmemöglichkeiten der Arbeitnehmer selbst bestehen in derartigen Fällen – wie vorstehend skizziert – vor allem in Form der Ablehnung von Vertragsangeboten bzw. einer (konzertierten) Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 613a Abs. 6 BGB (soweit es besteht, vgl. Rn. 28 ff.).

2. Spaltung in Anlage- und Betriebsgesellschaft

100

Eine Betriebsänderung liegt – entgegen einer verbreiteten Assoziation – nicht notwendig im Zusammenhang mit einer Spaltung eines Unternehmens in eine Anlage- und eine Betriebsgesellschaft i.S.d. § 134 UmwG vor. Sie scheidet vielmehr dann aus, wenn die Spaltung des Rechtsträgers nicht mit einer Betriebsspaltung i.S.d. § 111 BetrVG verbunden wird.

101

Beispiel:

Dies ist z.B. dann nicht der Fall, wenn die Anlagegesellschaft lediglich das Eigentum am Betriebsvermögen erhält, aber keinen Betriebsteil zurückbehält, weil der arbeitsrechtliche Betrieb im Zusammenhang mit der Spaltung nach § 123 UmwG auf die Betriebsgesellschaft übertragen wird, welche die Betriebsmittel z.B. pachtet.

102

Gleiches gilt bei der „Aufspaltung“ eines Unternehmens in Besitz- und Produktionsgesellschaft im Wege der Einzelrechtsnachfolge, sofern sie nicht mit einer Betriebsspaltung kombiniert wird.[26] Der damit möglicherweise verbundenen Gefährdung von Arbeitnehmeransprüchen kann nicht mit den Mitteln des BetrVG begegnet werden.[27] Auch eine analoge Anwendung von § 134 UmwG kommt nicht in Betracht.[28]

103

Erst dann, wenn laut Planung des zuständigen Unternehmers auch eine Betriebsspaltung erfolgen soll, greifen ihm gegenüber die Mitbestimmungsrechte nach §§ 111 ff. BetrVG ein.

104

Einflussnahmemöglichkeiten der Arbeitnehmer selbst bestehen in derartigen Fällen wiederum – abhängig von den Umständen des Einzelfalls – vor allem in Form der Ablehnung von Vertragsangeboten bzw. einer (konzertierten) Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 613a Abs. 6 BGB (soweit es besteht, vgl. Rn. 28 ff.).

3. Neugründung/Eingliederung von Betrieb(steil)en beim Erwerber (Insourcing)

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Da auch der Zusammenschluss von Betrieben und Betriebsteilen, der in Form der Eingliederung oder Neugründung (auch als gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen [vgl. § 1 Abs. 2 BetrVG]) erfolgen kann, eine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG bedeutet,[29] sofern er nicht nur fiktiv kraft einer Vereinbarung nach § 3 BetrVG erfolgt (vgl. oben Rn. 54), kommen hier ebenfalls die Mitbestimmungsrechte nach §§ 111 ff. BetrVG in Bezug auf den zuständigen Unternehmer zum Tragen. Auf die Rechtsfolgen des § 613a BGB erstrecken sie sich wiederum nicht (vgl. oben Rn. 96 ff.).

106

Beispiel:

In der Praxis kommt dies sowohl im Zusammenhang mit der Etablierung von Spartenorganisationen (vgl. oben Rn. 50 ff.) oder beim Insourcing vor. Letzteres ist z.B. dann denkbar, wenn ein Automobilhersteller den Betrieb eines Zulieferers für Elektronikbausteine erwirbt und diesen Betrieb organisatorisch in seinen – deutlich größeren – Produktionsbetrieb eingliedert. Für die Mitarbeiter des Subunternehmers bestehen dann die oben skizzierten Einflussnahmemöglichkeiten.

4. Shop-in-Shop-Modelle/Leiharbeit

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Nicht jede Form der Zusammenarbeit ist aber mit einer Betriebsänderung verbunden. Von der Gründung eines Gemeinschaftsbetriebs (die eine Betriebsänderung wäre) sind z.B. sog. „Shop in Shop“-Produktionen zu unterscheiden, bei denen einzelne Verarbeitungsschritte – in der Regel aus logistischen Gründen – durch rechtlich und organisatorisch selbstständige Einheiten eines Drittunternehmens unmittelbar beim Hersteller des Endprodukts verrichtet werden.[30] Da insoweit keine Veränderung der Leitungsstrukturen in Bezug auf die jeweilige Organisationseinheit und auch kein Rechtsträgerwechsel erfolgen, scheiden sowohl eine Betriebsänderung[31] als auch ein Betriebsübergang aus.

108

Praxistipp:

Dieselben Grundsätze gelten auch für „Store-in-Store“-Modelle in Einkaufszentren.[32]

109

Dass nicht einmal eine Eingliederung in die fachliche Leitungsstruktur beim Hersteller des Endprodukts erfolgt, unterscheidet derartige Modelle von der Leiharbeit.[33] Der Einsatz von Leiharbeitnehmern ist allerdings für sich genommen ebenfalls keine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG.[34]

5. Betriebsveräußerung mit Personalabbau

110

Da eine Betriebsänderung auch in einem reinen Personalabbau liegen kann (vgl. § 112a BetrVG), der anlässlich eines Rechtsträgerwechsels aufgrund eines Veräußerer-[35] oder Erwerberkonzepts[36] geplant wird, sind auch insoweit Beteiligungsrechte nach §§ 111 ff. BetrVG denkbar,[37] während für die Arbeitnehmer selbst erneut nur, aber immerhin, die vorstehend skizzierten Einflussnahmemöglichkeiten bestehen (vgl Rn. 99).

111

Die für sich genommen mitbestimmungsfreie Übertragung eines Betriebs auf einen anderen Rechtsträger kann – gerade mit Blick auf die Einflussnahmemöglichkeiten der Arbeitnehmern selbst – allerdings unfreiwillig in eine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG münden, wenn eine relevante Zahl an Arbeitnehmern die Angebote zum Arbeitgeberwechsel nicht annimmt oder dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a Abs. 6 BGB mit der Folge widerspricht, dass im entsprechenden Umfang betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden müssen.[38]

1. Kapitel Unternehmensumstrukturierungen und ihre Erscheinungsformen › C. Arbeitsrechtliche Maßnahmen › IV. Gegenstrategien der Unternehmensseite

IV. Gegenstrategien der Unternehmensseite

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An Gegenstrategien zur Verhinderung etwaiger Störmaßnahmen des Betriebsrates bzw. der Belegschaft fehlt es nicht unbedingt.