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c) Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG

285

Gemäß § 102 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung anzuhören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese nach § 102 Abs. 2 BetrVG unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung nach § 102 Abs. 2 Satz 2 BetrVG als erteilt.

286

Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach § 102 Abs. 5 BetrVG auf dessen Verlangen hin nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen.[6]

287

Im Rahmen der Verhandlungen über den Interessenausgleich wird bei großen Restrukturierungsmaßnahmen mit dem Betriebsrat regelmäßig vereinbart, dass er den anstehenden Kündigungen nicht oder bzw. nicht unbegründet widersprechen wird.[7] Hierdurch werden die Rechte der Arbeitnehmer, Kündigungsschutzklage zu erheben, nicht beschnitten.

288

Aus Arbeitgebersicht ist es daher wichtig, ungeachtet der Einigung mit dem Betriebsrat sicherzustellen, dass das Anhörungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wird, insbesondere also die im Rahmen des § 102 BetrVG erforderlichen Informationen übermittelt werden. Er muss im Kündigungsschutzverfahren erforderlichenfalls darlegen und auch beweisen können, dass das Anhörungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde.

289

Wie die Informationen übermittelt werden, steht dem Arbeitgeber dabei frei, denkbar ist u.a. eine gesammelte Übermittlung der Sozialdaten sämtlicher betroffener Arbeitnehmer in einer Übersicht und die gesammelte Information über die Kündigungsgründe, -fristen sowie der für die Sozialauswahl erheblichen Daten.[8]

2. Kapitel Umstrukturierung durch Betriebsänderungen › III. Sonstige Beteiligungsrechte des Betriebsrates › 2. Beteiligungsrechte bei Massenentlassungen (§ 17 KSchG)

2. Beteiligungsrechte bei Massenentlassungen (§ 17 KSchG)

290

Sofern die Schwellenwerte des § 17 KSchG überschritten werden (vgl. dazu nachstehend Rn. 291), hat der Arbeitgeber vor dem Ausspruch von Kündigungen den Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 KSchG zu informieren und mit ihm über die Vermeidung von Entlassungen sowie die Milderung der mit ihnen verbundenen Nachteile zu beraten (Konsultationsverfahren, vgl. dazu nachstehend Rn. 305). Nach Abschluss der Beratungen, zu der auch die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 KSchG gehört, ist die Massenentlassungsanzeige zu erstatten. Vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige ausgesprochene Kündigungen sind unwirksam (vgl. dazu nachstehend Rn. 323).

a) Anzeigepflichtige Entlassungen

291

Gemäß § 17 Abs. 1 KSchG hat der Arbeitgeber der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten und das Konsultationsverfahren durchzuführen, wenn die geplanten Entlassungen die Schwellenwerte nach § 17 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 KSchG überschreiten, wobei es auf die Anzahl der Entlassungen innerhalb von 30 Kalendertagen ankommt:


Betriebsgröße (in der Regel beschäftigte Arbeitnehmer) Anzahl Entlassungen
> 20 und < 60 Arbeitnehmer > 5 Arbeitnehmer
mindestens 60 und < 500 Arbeitnehmer 10 % oder > 25 Arbeitnehmer
mindestens 500 Arbeitnehmer mindestens 30 Arbeitnehmer

292

Unter der Zahl der „in der Regel“ beschäftigten Arbeitnehmer wird die Zahl der im Normalfall beschäftigten Arbeitnehmer verstanden, d.h. die Personalstärke, die für den Betrieb im Allgemeinen kennzeichnend ist.[9] Diese ist durch einen Rückblick auf die bisherige Personalstärke des Betriebs und eine Einschätzung seiner künftigen Entwicklung festzustellen. Unberücksichtigt bleibt hierbei eine „zufällige“ gegenwärtige Beschäftigtenzahl im Zeitpunkt der Kündigung. Auch die Jahresdurchschnittszahl der Beschäftigten ist grundsätzlich nicht maßgeblich.[10]

293

Auch befristet Beschäftigte können daher für die Betriebsgröße zu berücksichtigen sein, auch wenn sie bei der Berechnung der Entlassungen nicht mitzählen.[11] Schwankt die Personalstärke, ist auf den während des überwiegenden Teils eines Jahres beschäftigten Personalbestand abzustellen. Dies gilt auch bei Saison- und Kampagnebetrieben, die jeweils für einige Wochen oder Monate im Jahr einen erhöhten Arbeitskräftebedarf aufweisen.[12]

294

Im Falle einer Betriebsstilllegung kommt nur ein Rückblick auf die bisherige Belegschaftsstärke in Frage. Entscheidend ist dann, wann der Arbeitgeber noch eine regelmäßige Betriebstätigkeit entwickelt und wie viele Arbeitnehmer er hierfür eingesetzt hat.[13]

295

Werden stufenweise Entlassungen vorgenommen, stellt die Stärke der Belegschaft im Zeitpunkt. der unternehmerischen Entscheidung und nicht der spätere verringerte Personalbestand die für die Anzeigepflicht maßgebliche regelmäßige Anzahl dar.[14]

296

Maßgeblich für die Anzahl der Entlassungen ist der Zeitpunkt des geplanten Ausspruchs der Kündigungen.[15] Liegt die Anzahl der Kündigungen in den maßgeblichen Zeiträumen unterhalb der Schwellenwerte, wird die Anzeigepflicht nicht ausgelöst.[16]

297

Nicht erfasst werden Sachverhalte, die nur zu einer vorübergehenden Aussetzung der Arbeitsleistung führen, z.B. Freistellungen oder unbezahlter Urlaub.[17] Hingegen wird man bis zu einer höchstrichterlichen Klärung davon ausgehen müssen, dass Arbeitnehmer, die vorübergehend in eine Transfergesellschaft (Beschäftigungs- bzw. Qualifizierungsgesellschaft) wechseln und den Arbeitsmarkt – wenn auch verzögert – absehbar belasten, mitzuzählen sind.[18] Der Wechsel in die Transfergesellschaft (durch Aufhebungsvertrag ist regelmäßig durch den Arbeitgeber veranlasst). Arbeitnehmer, bei denen im Zeitpunkt der Anzeige noch nicht feststeht, ob sie in eine Transfergesellschaft wechseln, müssen jedenfalls bei der Berechnung des Schwellenwerts berücksichtigt werden.[19]

298

Auf eine zu niedrige Angabe der Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer im Rahmen des § 17 KSchG können sich nur diejenigen Arbeitnehmer berufen, die von der Massenentlassungsanzeige nicht erfasst sind.[20]

299

Der EuGH hat zudem am 9.7.2015 entschieden, dass auch Geschäftsführer und Praktikanten als Arbeitnehmer i.S.d. Massenentlassungsrichtlinie, deren Umsetzung § 17 KSchG dient, gelten können.[21] Dadurch hat der EuGH eine Diskussion beendet, die im deutschen Schrifttum seit der Entscheidung in der Rechtssache Danosa geführt wurde.[22]

300

Erfasst werden neben betriebsbedingten Beendigungskündigungen auch Änderungskündigungen und zwar – so das BAG klarstellend in der Entscheidung vom 20.2.2014 – unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das ihm mit der Kündigung unterbreitete Änderungsangebot ablehnt oder – und sei es ohne Vorbehalt – annimmt.[23]

301

Auch Kündigungen, die aus verhaltens- oder personenbedingten Gründen erfolgen,[24] mit Ausnahme fristloser Entlassungen (§ 17 Abs. 4 Satz 1 KSchG), fallen unter „Entlassungen“ i.S.d. § 17 Abs. 1 KSchG. Ob hierunter auch außerordentliche Kündigungen tariflich unkündbarer Arbeitnehmer fallen, ist umstritten. In der Praxis wird man auch solche Kündigungen stets vorsorglich mitzuzählen haben.[25] Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlasst werden (§ 17 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Hierzu wird man weiterhin (vorsorglich) auch Eigenkündigungen zu zählen haben, die durch den Arbeitgeber veranlasst sind, die also lediglich einer betriebsbedingten Kündigung zuvor kommen[26]. Auch Aufhebungsverträge, die durch den Arbeitgeber veranlasst sind, sind mitzurechnen.[27]

302

Das BAG geht hierbei von dem Betriebsbegriff der §§ 1, 4 BetrVG aus.[28] Entlassungen in verschiedenen selbstständigen Betrieben eines Unternehmens müssen danach gesondert behandelt werden.[29] Gilt ein Betriebsteil nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG als selbstständig, müssen die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG in diesem Betriebsteil überschritten sein, um die Anzeigepflicht auszulösen.[30] Gilt ein Betriebsteil nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG aufgrund der räumlichen Entfernung als selbstständig, müssen nach der Rechtsprechung die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG in diesem Betriebsteil überschritten sein, um dort die Anzeigepflicht auszulösen.[31]

303

Verschiedene Arbeitgeber können einen gemeinsamen Betrieb i.S.d. § 17 KSchG bilden.[32] Ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen liegt nach der Rechtsprechung des BAG vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat betriebsbezogen gesteuert wird.[33], [34]

304

In einem Gemeinschaftsbetrieb zweier Arbeitgeber ist hinsichtlich der Schwellenwerte nach Ansicht des LAG Niedersachsen vom 18.12.2013 auf die Zahl der insgesamt von allen beteiligten Arbeitgebern zu entlassenden Arbeitnehmern im Verhältnis zur Anzahl der in dem Gemeinschaftsbetrieb in der Regel beschäftigten Arbeitnehmern abzustellen. Beide Arbeitgeber müssen in diesem Fall die Massenentlassungsanzeige erstatten.[35] Erstattet nur einer der Arbeitgeber für die in seinem Unternehmen erfolgenden Entlassungen eine Anzeige nach § 17 KSchG, während der andere wegen Nichterreichens der Verhältniszahlen des § 17 Abs. 1 KSchG bezogen auf die von ihm Beschäftigten die Anzeige unterlässt, kann sich ein von der Anzeige nicht erfasster Arbeitnehmer auf die zu niedrige Angabe der Anzahl der zu Entlassenden mit der Folge der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung berufen.[36]

b) Konsultationsverfahren

305

Die ordnungsgemäße Durchführung des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG ist Voraussetzung für die ordnungsgemäße Erstattung der Massenentlassungsanzeige; dies ist „unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrates zu den Entlassungen“ zu erstatten.

aa) Unterrichtung des Betriebsrates nach § 17 Abs. 2 KSchG

306

Die Unterrichtung des Betriebsrates nach § 17 Abs. 2 KSchG setzt voraus, dass der Betriebsrat schriftlich über Folgendes informiert wird:


die Gründe für die geplanten Entlassungen,
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer.

307

Diese Informationen muss der Arbeitgeber nicht allen bereits im Zeitpunkt der Eröffnung der Konsultationen erteilen.[37] Es genügt vielmehr, wenn er sie im Verlauf der Konsultationen erteilt.[38] Erforderlichenfalls muss der Arbeitgeber die Auskünfte im Laufe des Verfahrens vervollständigen, und zwar spätestens bis zum Abschluss der Konsultationen.[39]

308

In zeitlicher Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 3 KSchG „gleichzeitig“ eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten ist.

309

Ob die erforderliche „schriftliche“ Auskunftserteilung in diesem Zusammenhang bedeutet, dass die Unterrichtung der Formvorschrift des § 126 Abs. 1 BGB genügen muss, hat das BAG in der Entscheidung vom 20.9.2012 offen gelassen.[40] Ausreichend war danach, dass der Arbeitgeber die von § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG geforderten Angaben in einem nicht unterzeichneten Text dokumentiert und diesen dem Betriebsrat zugeleitet hatte. Einen etwaigen Schriftformverstoß sah das BAG in diesem Fall als durch die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen geheilt an.[41]

310

In der Praxis sollte die Unterrichtung dennoch – jedenfalls bis zur einer abschließenden Klärung – schriftlich erfolgen.

311

Hinsichtlich des Umfangs der zu erteilenden Auskünfte ist zu berücksichtigen, dass die Unterrichtung dem Betriebsrat die Möglichkeit geben soll, konstruktive Vorschläge zur Vermeidung oder Einschränkung der Massenentlassungen zu unterbreiten. Eine prozessualen Anforderungen genügende Substantiierung wird nicht verlangt, jedoch wird in der Literatur zutreffend darauf hingewiesen, dass die pauschale Angabe „betriebliche Gründe“ nicht ausreichend sein dürfte.[42]

312

Das Konsultationsverfahren kann mit den Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan zusammen durchgeführt werden soweit die gegenüber dem Betriebsrat bestehenden Pflichten übereinstimmen.[43] Wichtig ist aber, sicherzustellen, dass sämtliche Informationen i.S.d. § 17 Abs. 2 KSchG tatsächlich an den Betriebsrat übermittelt werden. Idealerweise sollten die entsprechenden Informationen (insbes. Berufsgruppen) parallel zu der Unterrichtung nach § 111 BetrVG übermittelt und nicht – jedenfalls nicht ohne entsprechende Kennzeichnung – in einem Dokument zusammengefasst werden.

313

Der Betriebsrat sollte ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass das Konsultationsverfahren mit den Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan verbunden werden soll.[44] Es empfiehlt sich in der Praxis, dies schriftlich festzuhalten.

bb) Beratung

314

Ist der Betriebsrat gemäß § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet worden, hat der Arbeitgeber mit ihm oder mit dem entsprechenden Ausschuss (§ 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG, § 28 BetrVG) über die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.[45] Gespräche mit dem Wirtschaftsausschuss reichen ebenso wenig aus wie. Äußerungen des Betriebsratsvorsitzenden, da mit dem „Betriebsrat“ als Organ verhandelt werden muss.[46]

315

Die Beratungspflicht ist erfüllt, sobald eine ausreichende und abschließende Stellungnahme des Betriebsrates zu den beabsichtigten Kündigungen vorliegt.[47] Dann kann der Arbeitgeber die Massenentlassungsanzeige erstatten, und zwar bereits vor Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 17 Abs. 3 KSchG.[48]

cc) Stellungnahme des Betriebsrats

316

Nach der Rechtsprechung des BAG liegt die für den Abschluss des Konsultationsverfahren erforderliche „abschließende“ Stellungnahme des Betriebsrats vor, wenn sich der Erklärung entnehmen lässt, dass der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte als gewahrt ansieht und er eine abschließende Meinung zu den vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigungen geäußert hat.[49] Die Stellungnahme muss damit erkennen lassen, dass der Betriebsrat sich für ausreichend unterrichtet hält, er keine (weiteren) Vorschläge unterbreiten wird und die Zwei-Wochen-Frist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht ausschöpfen will.[50] Dafür reicht auch die eindeutige Mitteilung aus, keine Stellung nehmen zu wollen.[51]

317

Als nicht ausreichend hat das BAG hingegen ein „Widerspruchsschreiben“ des Betriebsrates erachtet, mit dem er deutlich gemacht hatte, dass die geplanten Kündigungen aus seiner Sicht vermeidbar seien und er den Arbeitgeber aufgefordert hatte von dem Kündigungsvorhaben „abzulassen“. Hier fehle – so das BAG – eine eindeutige Erklärung, dass der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte als gewahrt sehe.[52]

318

Das BAG hat in der Entscheidung vom 26.2.2015 offen gelassen, ob nach der vollständigen Unterrichtung des Betriebsrats – vorbehaltlich eines von ihm erklärten Verzichts – „ausnahmslos“ noch eine „Schlussberatung“ erfolgen oder vom Arbeitgeber zumindest angeboten werden müsse, selbst wenn Beratungen schon vor der vollständigen Unterrichtung geführt wurden. Zwar spreche nach der Systematik sowie dem Sinn und Zweck von § 17 Abs. 2 KSchG alles dafür, dass die Beratungen gemäß Satz 2 der Vorschrift zwar vor der vollständigen Unterrichtung nach ihrem Satz 1 beginnen, jedoch erst im Anschluss an diese abgeschlossen werden können. Auch nach Art. 2 der „Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20.7.1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen“ (MERL), dessen Umsetzung § 17 Abs. 2 KSchG dient, müsse der Arbeitgeber erforderlichen Auskünfte zwar nicht unbedingt zum Zeitpunkt der Eröffnung der Konsultationen erteilen, habe sie aber „im Verlauf des Verfahrens“ zu vervollständigen und alle einschlägigen Informationen bis zu dessen Abschluss zu erteilen.[53] Damit dürfte es – so das BAG – in der Regel unvereinbar sein, das Konsultationsverfahren mit der vollständigen Unterrichtung des Betriebsrats als abgeschlossen anzusehen. Der Arbeitgeber werde vielmehr eine Reaktion des Betriebsrats auf die abschließende Unterrichtung erbitten und abwarten müssen. Er werde im Rahmen der ihm zukommenden Beurteilungskompetenz den Beratungsanspruch des Betriebsrats erst dann als erfüllt ansehen dürfen, wenn entweder die Reaktion, die auf die „finale“ – den Willen zu möglichen weiteren Verhandlungen erkennen lassende – Unterrichtung erbeten worden war, nicht binnen zumutbarer Frist erfolgt oder sie aus seiner – des Arbeitgebers – Sicht keinen Ansatz für weitere, zielführende Verhandlungen biete.[54]

319

In der Praxis empfiehlt es sich angesichts dessen – sofern der Betriebsrat dies nicht im Rahmen des Interessenausgleichs erklärt –, den Betriebsrat nach Abschluss der Unterrichtung zu einer „Schlussberatung“ und abschließenden Stellungnahme aufzufordern. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Beratung im Zuge der Interessenausgleichsverhandlungen erfolgt ist und – was regelmäßig der Fall ist – die Unterrichtung, insbesondere in Bezug auf die Berufsgruppen der betroffenen Mitarbeiter, erst zum Abschluss der Beratungen hin oder sogar danach erfolgt.

320

Das Konsultationsverfahren kann – so das BAG – „ersatzweise“ auch dadurch beendet werden, dass die Betriebsparteien einen Interessenausgleich mit Namensliste abschließen.[55] Das macht die Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 KSchG allerdings nicht entbehrlich[56], so dass gleichwohl sicherzustellen ist, dass alle erforderlichen Informationen erteilt werden.

321

Auch ein Interessenausgleich ohne Namensliste kann den Anforderungen des § 17 Abs. 2 KSchG genügen, sofern der Betriebsrat darin zur beabsichtigten Massenentlassung tatsächlich abschließend Stellung genommen hat.[57] Die Stellungnahme muss nach der Rechtsprechung des BAG nicht zwingend in einem eigenständigen Schriftstück niedergelegt sein. Falls zwischen den Betriebsparteien im Zusammenhang mit den beabsichtigten Kündigungen ein Interessenausgleich nach §§ 111, 112 BetrVG zustande gekommen ist, kann die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG in diesen integriert werden.[58] Allein der Abschluss des Interessenausgleichs ersetzt die Stellungnahme allerdings – anders als bei einem Interessenausgleich mit Namensliste – nicht.[59]

322

Verweigert der Betriebsrat eine Stellungnahme oder ist die von ihm abgegebene Erklärung unzureichend, kann der Arbeitgeber (vorsorglich) gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG verfahren. Er kann zwei Wochen nach vollständiger Unterrichtung des Betriebsrats gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG unter Darlegung des Stands der Beratungen Massenentlassungsanzeige erstatten.[60]