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(3) Förderungsmöglichkeiten

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Nach § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2a BetrVG sollen auch die im SGB III vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit von der Einigungsstelle berücksichtigt werden.

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Der Sozialplan soll hierdurch nach der amtlichen Begründung nicht mehr als reines Abfindungsinstrument, sondern auch als Mittel für die Schaffung neuer Beschäftigungsperspektiven genutzt werden soll (sog. Transfersozialplan).[391] Für die Erfüllung dieses Zwecks sind verschiedene Optionen denkbar, etwa eine inner- oder außerbetriebliche Qualifizierung, die Förderung der Anschlusstätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber oder Leistungen, die den Vorbereitungen einer selbstständigen Existenz des Arbeitnehmers dienen.[392] Die Möglichkeit eines Zuschusses sowie die Höhe richtet sich nach § 110 SGB III. Danach beträgt die mögliche Förderung (durch Zahlung eines Zuschusses) 50 Prozent der Maßnahmekosten, maximal aber 2 500 € pro Arbeitnehmer.[393]

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Daneben kommen Maßnahmen in Betracht, die über die Zahlung des Transferkurzarbeitergeldes nach § 111 SGB III gefördert werden, z.B. Transfergesellschaften (s. dazu oben unter Rn. 203). Aufgrund des damit verbundenen erheblichen Eingriffs in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit kann die Einigungsstelle den Betriebsparteien bzw. dem Arbeitgeber aber nicht aufgeben, eine betriebsorganisatorische selbstständige Einheit nach § 111 Abs. 3 Nr. 2 SGB III zu gründen und hierdurch die Voraussetzungen für den Bezug von Transferkurzarbeitergeld zu schaffen.[394] Denkbar ist nur, dass die Einigungsstelle dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit aufgibt, die erforderlichen finanziellen Mittel für eine Transfergesellschaft zur Verfügung zu stellen, um den Wechsel der betroffenen Arbeitnehmer diese Gesellschaft zur ermöglichen.[395]

(4) Bemessung des Gesamtvolumens

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Bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen hat die Einigungsstelle nicht nur die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung zu berücksichtigen (§ 112 Abs. 5 Satz 2 BetrVG), sondern sie „hat“ nach § 112 Abs. 5 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 BetrVG bei der Bemessung der Obergrenze darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.[396] Diese Grenze wird zu Recht als äußerste Grenze dessen bezeichnet, was noch als „vertretbar“ zu bewerten ist.[397] Verlangt die wirtschaftliche Vertretbarkeit eine Kürzung des auf Grund der sozialen Belange ermittelten Sozialplanbedarfs, dann gibt sie damit die Obergrenze des Gesamtbetrags der Sozialplanleistungen vor.[398] Selbst wenn die Festlegungen der Einigungsstelle nicht zur einer Bestandsgefährdung des Unternehmens bzw. der verbleibenden Arbeitsplätze führt, hat die Einigungsstelle also zu prüfen, ob die Maßnahme sich tatsächlich noch im Rahmen des wirtschaftlich vertretbaren hält. Dabei ist zu beachten, dass die sozialen Belange der Arbeitnehmer in keinem Fall höhere Leistungen rechtfertigen als ein vollständiger Ausgleich aller mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteile verlangt.[399] Ob der Einigungsstellenspruch wegen der fehlenden wirtschaftlichen Vertretbarkeit für die Arbeitgeberin unwirksam ist, ist anhand der Lage des konkreten Falles zu bewerten. Die gesetzlichen Regelungen über den Sozialplan schreiben ein bestimmtes Volumen der Sozialplanleistungen nicht vor; die wirtschaftliche Vertretbarkeit eines Sozialplans für das Unternehmen kann daher nicht abstrakt beurteilt werden.[400]

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Die Prüfung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit eines Sozialplans setzt voraus, dass zunächst die sozialen Belange der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer, also die ihnen erwachsenden Nachteile, festgestellt werden.[401] Maßgeblich sind dabei grundsätzlich der Anteil der betroffenen Arbeitnehmer an der Gesamtbelegschaft und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des betreffenden Unternehmens.[402] Ob das von der Einigungsstelle beschlossene Sozialplanvolumen für das Unternehmen als wirtschaftlich vertretbar anzusehen ist oder nicht ist zudem unter Berücksichtigung von sozialplanmindernden und sozialplanerhöhenden Faktoren festzustellen. Dabei können Umstände wie Verbindlichkeiten, Verluste, Überschuldung, Fehlen von liquiden Mitteln, d.h. die Liquiditätslage einerseits und Personalkosteneinsparung und Grundvermögen andererseits berücksichtigt werden.[403]

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Da der Sozialplan die Interessen des Arbeitgebers an der Verwirklichung für sinnvoll erachteter unternehmerischer Maßnahmen einerseits und diejenigen der betroffenen Arbeitnehmer an der Milderung oder Kompensation der hierdurch entstehenden Nachteile andererseits zum Ausgleich bringen soll, können nach der Rechtsprechung des BAG umso größere Belastungen für das Unternehmen vertretbar sein, je härter die Betriebsänderung die Arbeitnehmer trifft. Im Falle der Entlassung „eines großen Teils der Belegschaft“ kann dies auch zu einschneidende Belastungen „bis an den Rand der Bestandsgefährdung“ führen.[404]

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Weiter spielt es im Rahmen der für die wirtschaftliche Vertretbarkeit anzustellenden Interessenabwägung eine Rolle, ob und welche Einsparungen für das Unternehmen mit der Betriebsänderung verbunden sind, deren Nachteile für die Arbeitnehmer der Sozialplan kompensieren soll.[405] So hat das BAG etwa Aufwendungen für einen Sozialplan in Höhe des Einspareffekts eines Jahres für vertretbar gehalten.[406] Eine absolute Höchstgrenze ist damit indessen nicht festgelegt. Vielmehr kann die Einigungsstelle bei Betriebsänderungen, die auf langfristige Wirkungen angelegt sind, auch einen auf einen längeren Zeitraum bezogenen Aufzehreffekt in Kauf nehmen, ohne dass aus diesem Grunde ihr Ermessensspielraum überschritten wäre.[407]

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Die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit ist aber grundsätzlich dann überschritten, wenn die Erfüllung der Sozialplanverbindlichkeiten zur fehlenden Liquidität, bilanziellen Überschuldung oder zu einer nicht mehr vertretbaren Schmälerung des Eigenkapitals führt.[408] Maßgeblich für die Beurteilung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit des Sozialplans sind die objektiven Umstände, wie sie im Aufstellungszeitraum tatsächlich vorlagen.[409] Ob diese Umstände der Einigungsstelle bekannt waren oder bekannt sein konnten, ist für die Beurteilung ohne Bedeutung.[410]

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Grundsätzlich hängt die Höhe des Sozialplanvolumens von der Leistungsfähigkeit des jeweils betroffenen Unternehmens ab. Die Frage unter welchen Voraussetzungen ein Berechnungs- oder Bemessungsdurchgriff bei konzernangehörigen Unternehmen erfolgen kann, ist noch nicht abschließend geklärt. Im Schrifttum wird die Möglichkeit eines solchen Durchgriffs zum Teil bejaht.[411]

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Das BAG hat dem automatischen Durchgriff auf solventere Konzerngesellschaften jedoch unter anderem in einer Entscheidung vom 15.3.2011 zu Recht eine Absage erteilt. Danach richtet sich die wirtschaftliche Vertretbarkeit i.S.d. § 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG grundsätzlich auch dann nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des sozialplanpflichtigen Arbeitgebers, wenn das Unternehmen einem Konzern angehört. Dies zeigt – so das BAG – der eindeutige Wortlaut von § 112 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 BetrVG. Nur in Bezug auf Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten sei nach § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG eine konzernbezogene Betrachtung vorzunehmen. Auch die Gesetzesmaterialien bieten nach Ansicht des BAG keinerlei Hinweis darauf, dass anstelle des Unternehmens auf die wirtschaftliche Lage des Konzerns abzustellen ist.[412]

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Etwas anderes kann sich – darauf weist das BAG in der Entscheidung vom 15.3.2011 ebenfalls zutreffend hin – im Anschluss an eine umwandlungsrechtliche Spaltung aus der Sonderregelung des § 134 Abs. 1 UmwG ergeben. Diese greift ein, wenn eine durch Spaltung bewirkte Vermögensverlagerung auf eine Anlagegesellschaft die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer interessenausgleichs- oder sozialplanpflichtig werdenden Betriebsgesellschaft mindert, da ein Rückgriff auf die zur Führung des Betriebs notwendigen Vermögensteile nach der Spaltung nicht mehr möglich ist. Zweck des § 134 Abs. 1 UmwG ist hierbei, die Einstandspflicht der Anlagegesellschaft in den Fällen der §§ 111 bis 113 BetrVG zugunsten der Arbeitnehmer der Betriebsgesellschaft für einen Bereich zu erweitern, der durch die gesamtschuldnerische Haftung nach § 133 Abs. 1 UmwG nicht abgedeckt ist.[413] Die daraus resultierende Einstandspflicht der Anlagegesellschaft nach § 134 Abs. 1 UmwG gilt für alle Arten der Spaltung i.S.d. § 123 UmwG. Sie erstreckt sich deshalb nach Ansicht des BAG auch auf die Beschäftigten einer Betriebsgesellschaft, die aus einer Spaltung in Form einer Ausgliederung zur Aufnahme (§ 123 Abs. 3 UmwG) hervorgegangen ist. Auch der Bemessungsdurchgriff nach § 134 Abs. 1 UmwG auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Anlagegesellschaft bei der Festlegung des Sozialplanvolumens für die Betriebsgesellschaft ist aber nach der Rechtsprechung des BAG nicht unbeschränkt. Er ist der Höhe nach auf die bei der Spaltung entzogenen Vermögensteile begrenzt.[414]

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Ob sich nach den Grundsätzen, die der BGH zur sog. Existenzvernichtungshaftung im GmbH-Konzern aufgestellt hat,[415] auch jenseits solcher Sonderregelungen eine Durchgriffshaftung ergeben kann, die bei der Feststellung des Sozialplanvolumens zu berücksichtigen ist, hält das BAG zwar für möglich („spricht Vieles dafür“), hat diese Frage bislang aber ausdrücklich offen gelassen.[416] Nach diesen Grundsätzen muss der Alleingesellschafter einer GmbH für diejenigen Nachteile einstehen, die deren Gläubigern dadurch entstehen, dass er der Gesellschaft vorsätzlich Vermögen entzieht, das jene zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt. Insoweit haftet der Alleingesellschafter im Wege einer – schadensersatzrechtlichen – Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft für missbräuchliche, zur Insolvenz der Gesellschaft führende oder diese vertiefende kompensationslose Eingriffe in das zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dienende Gesellschaftsvermögen. Nach diesen Grundsätzen zählt der Schadensersatzanspruch wegen Existenzvernichtungshaftung zum Vermögen der Gesellschaft, die Gläubigerin dieses Anspruchs ist. Deshalb spricht – so das BAG – „Vieles dafür“, diesen Anspruch auch bei der Beurteilung der Vermögenslage der Gesellschaft und der daran knüpfenden wirtschaftlichen Vertretbarkeit eines Sozialplans zu berücksichtigen.

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Nicht zu berücksichtigen wäre damit auch bei einer Anwendung der Grundsätze einer „Existenzvernichtungshaftung“ das bloße Unterlassen einer hinreichenden Kapitalausstattung der GmbH durch ihren Alleingesellschafter (sog. Unterkapitalisierung). Diese löst – so auch das BAG – eine Haftung des Alleingesellschafters nicht aus. Der GmbH-Gesellschafter ist hiernach grundsätzlich nicht verpflichtet, der GmbH ein – ggf. „mitwachsendes“ – Finanzpolster zur Verfügung zu stellen, falls sich herausstellt, dass diese – sei es von vornherein, sei es im Nachhinein – hinsichtlich ihres am Geschäftsumfang gemessenen finanziellen Bedarfs zu niedrig ausgestattet ist. Vielmehr ist der Gesellschafter nach Ansicht des BAG in seiner „Finanzierungsentscheidung“ grundsätzlich frei, bei Erkenntnis einer finanziellen Krisensituation die Gesellschaft in dem dafür vorgesehenen gesetzlichen Verfahren zu liquidieren.[417]

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Bei der Festlegung der Sozialplanleistungen muss die Einigungsstelle keine abstrakten Höchstbeträge, etwa in Form einer Höchstzahl von Bruttomonatsgehältern, für die Abfindungen festlegen,[418] sie verstößt jedoch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn sie dies tut.[419]

g) Einigungsstellenverfahren

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Hinsichtlich der Erforderlichkeit der Einsetzung einer Einigungsstelle und der Erzwingbarkeit ihrer Entscheidung ist zu unterscheiden:

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Um Nachteilsausgleichsansprüche und eine Unterlassungsverfügung zu vermeiden, hat der Arbeitgeber den Abschluss eines Interessenausgleichs zumindest zu „versuchen“ (§§ 112 Abs. 3 Satz 2, 113 Abs. 3 BetrVG). Hierfür ist nach der Rechtsprechung des BAG die Anrufung der Einigungsstelle erforderlich.[420] Auf die Durchführung dieses Verfahren kann nicht bereits dann verzichtet werden, wenn der Vorsitzende des Betriebsrats dem Arbeitgeber formlos mitteilt, dass der Betriebsrat der Betriebsänderung zustimmen werde oder dass ein Interessenausgleich überflüssig sei.[421]

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In der Praxis empfiehlt es sich daher, mit der Umsetzung der geplanten Betriebsänderung zu warten, bis der „Versuch“ des Interessenausgleichs in der Einigungsstelle gescheitert ist. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Einigungsstelle die Einigung der Betriebsparteien anders als beim Sozialplan nicht ersetzen kann. Scheitert der erforderliche „Versuch“ des Interessenausgleichs kann der Betriebsrat dementsprechend auch keine Einigung erzwingen.

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Die Anrufung der Einigungsstelle im Zusammenhang mit einem Interessenausgleich und/oder Sozialplan erfolgt nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. § 76 BetrVG) und setzt voraus, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat (oder umgekehrt) auffordert, sich an der Einigungsstelle beteiligen. Dabei hat er den Gegenstand der Einigungsstelle (Interessenausgleich und/oder Sozialplan) mitzuteilen und die Zahl der Beisitzer vorzuschlagen.[422]

258

Um den Ablauf in der Praxis zu beschleunigen, empfiehlt es sich in der Praxis bei größeren Restrukturierungen regelmäßig, parallel zur Vorbereitung der Interessenausgleichsverhandlungen die Verfügbarkeiten potentieller Einigungsstellenvorsitzender zu klären. Die verfügbaren „Kandidaten“ können sodann in den Vorschlag mit aufgenommen werden.

259

Kommt über die Person des Einigungsstellenvorsitzenden oder die Anzahl der Beisitzer keine Einigung zustande, entscheidet hierüber auf entsprechenden Antrag nach § 76 Abs. 2 Satz 2 und 3 BetrVG, § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG der Vorsitzende einer Kammer des Arbeitsgerichts. Er kann den Antrag auf Einsetzung einer Einigungsstelle zurückweisen, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist.[423]

260

Wurde die Einigungsstelle für beide Verfahren eingesetzt, kann sie gleichzeitig zu Interessenausgleich und Sozialplan verhandeln.[424] Dies ist in der Praxis der übliche Weg.

h) Änderung und Kündigung von Sozialplänen

261

Grundsätzlich endet ein Sozialplan mit Zweckerreichung, d.h. wenn die betroffenen Arbeitnehmer die in ihm geregelten Ausgleichsleistungen erhalten haben. Die Betriebsparteien können den Sozialplan allerdings auch einvernehmlich für die Zukunft aufheben oder abändern, etwa durch einen neuen Sozialplan.[425] Eine rückwirkende Abänderung ist nur ausnahmsweise und im Rahmen der Grenzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zulässig, da hierdurch in fällige bzw. noch nicht fällige, aber bereits entstandene Ansprüche zulasten der Arbeitnehmer eingegriffen wird.[426]

262

Auch eine ordentliche Kündigung eines Sozialplans kann vereinbart werden. Trifft ein Sozialplan, der nur für eine bestimmte Betriebsänderung vereinbart wurde, hierzu keine Regelung, kann er grundsätzlich nicht ordentlich gekündigt werden. Etwas anderes kommt dann in Betracht, wenn der Sozialplan sog. „Dauerregelungen“ enthält, d.h. solche Regelungen, durch die ein bestimmter Nachteil mittels bestimmter oder unbestimmte Zeit laufende Leistungen ausgeglichen oder gemildert werden soll.[427]

263

Ob und unter welchen Bedingungen eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zulässig ist, ist höchstrichterlich bislang nicht abschließend entschieden. Das BAG hat dies in seiner Entscheidung vom 10.8.1994 ausdrücklich offengelassen.[428] Nach zutreffender Ansicht in der Literatur kann hier allerdings nichts anderes gelten als bei anderen Dauerschuldverhältnissen. Sofern ein Sozialplan also sog. „Dauerregelungen“ trifft, sprechen damit gute Gründe dafür, auch in diesem Fall von einer Kündbarkeit aus wichtigem Grund auszugehen.[429]

264

Im Falle einer zulässigen ordentlichen und auch außerordentlichen Kündigung eines Sozialplanes wirken seine Regelungen nach, bis sie durch eine neue Regelung ersetzt werden. Die ersetzende Regelung kann Ansprüche der Arbeitnehmer, die vor dem Wirksamwerden der Kündigung entstanden sind, nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abändern. Das gilt auch dann, wenn die Arbeitnehmer auf Grund bestimmter Umstände nicht mehr auf den unveränderten Fortbestand des Sozialplanes vertrauen konnten.[430]

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Ist die Geschäftsgrundlage eines Sozialplanes weggefallen und ist einem Betriebspartner das Festhalten am Sozialplan mit dem bisherigen Inhalt nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten, so können die Betriebspartner die Regelungen des Sozialplanes den veränderten tatsächlichen Umständen anpassen. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage einer Betriebsvereinbarung bzw. eines Sozialplans führt nicht dazu, dass diese bzw. dieser von selbst und gegebenenfalls rückwirkend unwirksam wird. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage hat vielmehr nur zur Folge, dass die Regelung im Sozialplan den geänderten tatsächlichen Umständen insoweit anzupassen ist, als dem Vertragspartner das Festhalten an der getroffenen Regelung auch unter den geänderten tatsächlichen Umständen noch zuzumuten ist.[431] Die Anpassung der Regelung müssen die Betriebspartner vereinbaren. Derjenige Betriebspartner, der sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage beruft, hat gegenüber dem anderen einen Anspruch auf Aufnahme von Verhandlungen über die Anpassung der im Sozialplan getroffenen Regelung. Verweigert der andere Betriebspartner die Anpassung, entscheidet die Einigungsstelle verbindlich. Die anpassende Regelung kann auf Grund des anzupassenden Sozialplanes schon entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer auch zu deren Ungunsten abändern. Insoweit genießen die Arbeitnehmer keinen Vertrauensschutz.[432]

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Beispiel:

Von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ist das BAG etwa in einem Fall ausgegangen, in dem beide Parteien bei Abschluss des Sozialplans von der Vorstellung ausgingen, die Treuhandanstalt werde die für die Erfüllung des Sozialplans benötigten Mittel ganz oder teilweise zur Verfügung stellen.[433] Auch die Übernahme eines Betriebs, der eigentlich stillgelegt werden sollte, kann die Geschäftsgrundlage entfallen lassen.[434]

2. Kapitel Umstrukturierung durch Betriebsänderungen › II. Betriebsänderungen i.S.d. § 111 BetrVG › 4. Durchsetzbarkeit der Beteiligungsrechte gemäß §§ 111 ff. BetrVG

4. Durchsetzbarkeit der Beteiligungsrechte gemäß §§ 111 ff. BetrVG

267

Besteht zwischen den Betriebsparteien Streit über die Frage, ob überhaupt eine Betriebsänderung i.S. d § 111 BetrVG vorliegt, kann der Betriebsrat seine Ansprüche im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren geltend machen und die gerichtliche Feststellung beantragen, dass die geplante Maßnahme eine Betriebsänderung sei, die den Unternehmer zu Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan verpflichte.[435]

268

Der gerichtliche Beschluss bindet Arbeitgeber und Betriebsrat und entfaltet darüber hinaus auch Bindungswirkung im Verhältnis zu einzelnen Arbeitnehmern, die einen Anspruch auf Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG geltend machen.[436] Stellt das Gericht fest, die geplante Maßnahme löse keine Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus (der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, einen Interessenausgleich zu versuchen und einen Sozialplan aufzustellen), sind die Gerichte in späteren Verfahren, in denen ein Arbeitnehmer einen Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG fordert, an diese Entscheidung gebunden.

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Führt der Arbeitgeber die Maßnahme vor Abschluss des Beschlussverfahrens durch, kann nur noch über die Verpflichtung zur Aufstellung eines Sozialplans gestritten werden. Für die Feststellung, der Arbeitgeber müsse einen Interessenausgleich versuchen, besteht kein Rechtsschutzinteresse mehr.[437]

270

Kommt der Arbeitgeber seiner Pflicht zur rechtzeitigen Unterrichtung und Beratung nicht nach, hat der Betriebsrat die Möglichkeit, einen Antrag auf Erfüllung der Unterrichtungspflichten zu stellen. Diesen Anspruch kann er auch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend machen.[438] Die Vollstreckung richtet sich nach § 85 ArbGG i.V.m. § 888 ZPO. Bei schweren (wiederholten) Verstößen des Unternehmers gegen die Pflicht zur Unterrichtung und Beratung kommt ein Verfahren nach § 23 Abs. 3 BetrVG in Betracht. Daneben kann eine Ordnungswidrigkeit gem. § 121 vorliegen, die mit einer Geldbuße bis zu 10 000,00 € geahndet wird (§ 121 Abs. 2 BetrVG).[439]