Pfad des Feuers

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Pfad des Feuers
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Pfad des Feuers

Roman

Alexander Mosca Spatz

Pfad des Feuers

Alexander Mosca Spatz

published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Copyright: © 2013 Alexander Mosca Spatz

ISBN 978-3-8442-6030-4

Inhaltsverzeichnis

Prolog: Widerhall der Sünden 9

Kapitel 1 Die erste Gardistin 42

Kapitel 2 Der Fluch der Wissenden 98

Kapitel 3 Die Ritter des Tranidariums 166

Kapitel 4 Der Zweite im Bunde 275

Kapitel 5 Verschlungene Pfade 346

Prolog: Allianz der Gefallenen 383

Kapitel 6 Die mächtigste Waffe ist der Verrat 398

Kapitel 7 Der Renegat 501

Kapitel 8 „Tod durch Tranidieren“ 622

Kapitel 9 Renevatio 725

Kapitel 10 Die Rache der Rebellen 733

Kapitel 11 Ein letzter Schritt zur Freiheit 856

Kapitel 12 Flucht 892

Kapitel 13 Der Unbestechliche 919

Kapitel 14 Der einarmige Bandit 964

Kapitel 15 Neue Hoffnung 1002

Kapitel 16 Kain und Abel 1022

Für meinen verstorbenen Großvater,

der mich lehrte, an mich selbst zu glauben

Teil I

Rückkehr des Exilanten

„Drei Dinge werden nicht eher erkannt als zu gewisser Zeit:

ein Held im Kriege,

ein weiser Mann im Zorn,

ein Freund in der Not.“

Johann Wolfgang von Goethe

Die Schlacht der tausend Klingen.

So nennen die Menschen das Wunder, das ich vollbrachte. Ich alleine habe mit tausend Männern eine Armee der Vampire besiegt, zehnmal größer und besser ausgerüstet als wir.

Trotzdem haben wir Menschen gewonnen – ich habe gewonnen. Keiner hat vor unserem Sieg an uns geglaubt und mein Vater, der König, hoffte mich bereits tot … doch hier bin ich; siegreich dort, wo tausende vor mir versagt haben.

Die menschliche Rasse taumelt am Rande des Abgrunds, doch ich werde sie retten!

Ich kann uns alle vor der Vernichtung bewahren!

Prolog: Widerhall der Sünden

I

Der Schrei des Mädchens zerriss die Stille.

Godric schreckte auf, öffnete blitzartig seine Augen, schweißgebadet und am ganzen Leib zitternd.

Der kalte Wind des Winters heulte draußen auf, hoch oben im bewölkten Nachthimmel explodierten Blitze, nahmen der Szenerie für kurze Augenblicke alle Farbe, bevor das Innere der Kirche wieder in Dunkelheit versank. Regen prasselte vom Firmament hinunter, trommelte rhythmisch und unablässig gegen die verzierten Glasscheiben. Das Donnern der zuckenden Blitze und der heulende Sturm waren die einzigen Geräusche in der Kirche; er war alleine.

Godric seufzte erleichtert und strich sich mit einer Hand das lange graue Haar aus dem Gesicht, bedeckte es mit den Händen, während einige Kerzen schwach und verschwommen vor sich hin glommen, kaum imstande, die drückende Dunkelheit im Inneren der Kirche zu verdrängen – die Schatten der Flammen tanzten matt an den hohen kalten Steinwänden des Gebäudes.

Müde rieb Pater Godric sich die Stirn und versuchte die Erinnerung an das Mädchen aus seinem Kopf zu vertreiben.

Es war nötig, dachte er immer wieder und schüttelte leicht den Kopf, begrub das Gesicht des Mädchens in seinen Gedanken unter kalter Logik und Gleichgültigkeit.

Mit einem leisen Stöhnen ließ er sich auf die Stufen vor dem Altar sinken, ließ seinen Blick durch die Kirche schweifen und versuchte in der herrschenden Dunkelheit etwas zu erkennen. Statuen von erfundenen Dämonen und Gargoyles starrten zähnefletschend zu ihm herab, ihre steinernen Gesichter vor Wut und Hass verzerrt. Im ständig aufblitzenden Licht der Blitze wirkten ihre Züge beinahe real, ihre Klauen schienen zu zucken, gierig nach ihm zu greifen.

Unwillkürlich fröstelte Godric. Er wandte schnell den Blick ab, erhob sich von den Stufen des Altars. Die Abbilder der Dämonen stellten die Sünden der Menschen dar, ihre Verbrechen, die sie sich gegenseitig antaten und sie daran erinnern, dass sie vor hundert Jahren beinahe ausgerottet worden wären. In Erinnerungen versunken musterte Godric die vielen Darstellungen an den hohen Steinwänden, die den Krieg zwischen Menschen und Vampiren zeigten. Die Vampire hatten sie fast besiegt, da Uneinigkeit und Korruption die Menschheit befallen hatten – bevor der Letzte Herrscher erschienen war.

Godric erhob sich mit immer noch zitternden Knien von den Altarstufen und wandte sich langsam um. Hinter ihm ragte die Statue des Letzten Herrschers majestätisch in die Höhe, bildete das gesamte Kopfende der Kirche. Der Letzte Herrscher stand in herrischer Pose dort, hielt die Arme weit ausgebreitet und vor ihm wichen die Dämonen und Ängste der Menschen zurück, geblendet von dem Licht, das von ihm ausging. Pater Godric legte den Kopf in den Nacken und schaute hinauf, traf den Blick der steinernen Augen des Letzten Herrschers. Sofort überkam ihn das Gefühl von Mut und Hoffnung. Alleine die Statue strahlte eine Würde aus, die jeder andere Mensch vermissen ließ. Wie könnte auch jemals ein Mensch die selbe Ausstrahlung besitzen wie der Letzte Herrscher? Ihr Herrscher war kein Mensch mehr; er war Gott.

Der alte Priester trat an den Altar, stützte seine Handflächen auf den kalten Stein und schloss kurz die Augen.

Wie lange ist es her, seit ich das letzte Mal mit ihm gesprochen habe? Er sieht so anders aus, als ich ihn in Erinnerung habe …

Seine Schritte hallten von den hohen Wänden der Kirche wider, als er hinter den Altar und zwischen die drei Säulen trat, die sich vor der Statue des Letzten Herrschers erhoben; die drei Säulen waren die Grundfesten ihrer Religion und der Letzte Herrscher ihr Gott. Die drei Säulen waren flache, breite Steine schwarzer Farbe, die im Dreieck um einen Brunnen aufgestellt waren. Auf ihnen prangte in alten Runen in Glyphen das Glaubensbekenntnis, das sie bei jeder Messe und Opferung wiederholten. Der alte Priester stützte sich mit einer Hand auf einen der Steine und spürte, wie die Magie aus seinem Körper fuhr. Die Schrift auf den drei Steinen begann hellblau zu leuchten, warf ein gespenstisches Licht in die Kirche und auf den Brunnen.

Aus unseren Reihen hat er sich erhoben, lauteten die Worte, herauf gestiegen ist er aus der Asche des Krieges, um die Vampire in Flammen aufgehen zu lassen. Wir sind nichts, er ist alles. Wir sind Menschen, er ist Gott. Wir schwören bei unserem Leben, dass wir den Letzten Herrschers preisen mögen, bis der Tod uns aus dieser Welt nehme, um uns in das Reich unseres Herren hinaufzuführen, so wie er es uns einst versprach. Wir sündigten und er hat uns befreit; hierfür präsentieren wir dieses Opfer, Blut unseren Blutes, Fleisch unseren Fleisches.

Godric rezitierte die Worte in seinem Kopf und trat näher an den Brunnen heran. Mit jedem Schritt kamen die Erinnerungen ein wenig weiter an die Oberfläche, kämpften sich aus den Tiefen seines Verstandes empor. In dem Brunnen schwamm kein Wasser … stattdessen fiel das bläuliche Licht des glühenden Glaubensbekenntnisses auf Blut. Wieder hallte der Schrei des Mädchens in seinem Kopf wider und Godric wandte angewidert den Blick ab, schloss die Augen. Jeder Priester des Letzten Herrschers hatte die Pflicht während seiner Amtszeit einmal das große Opfer zu vollbringen – ein siebenjähriges Mädchen auf dem Altar zu töten und deren Blut in den Brunnen zu geben, um ihren Gott zufrieden zu stellen; doch auch der Priester selbst musste etwas von sich geben, um endgültig aufgenommen zu werden.

Godric hob seinen Ärmel an, schob die mit Silber und Gold bestickten Roben beiseite und offenbarte die lange Schnittwunde, die sich seinen gesamten Unterarm entlangzog.

Wenn man beim Letzten Herrscher in Ungnade fiel, dann musste man mit dem Opfer eine magische Symbiose eingehen; mit jedem Tropfen Blut, das zu diesem Zeitpunkt von dem Mädchen vergossen wurde, schwand auch etwas von der magischen Kraft des Priesters oder Magiers, riss Stück für Stück der Kraft aus ihm heraus, bis nichts mehr blieb als ein erbärmlicher Rest, mit dessen Hilfe sich nicht einmal mehr die leichtesten Zauber bewerkstelligen ließen.

Es war nun sieben Jahre lang her, dass er dem Mädchen den Dolch in die Brust gerammt und sie über den Brunnen gehalten hatte, während sie beide wegen der Symbiose schrien und ihre Klageschreie die Kirche erfüllten. Sieben Jahre, seit er körperlich und seelisch zu einem Krüppel geworden war. Hastig schlug er wieder den Ärmel über seinen Arm und kämpfte die aufsteigende Leere nieder, versuchte das Gefühl der fehlenden magischen Kraft in seinem Inneren irgendwie zu überdecken.

In diesem Augenblick öffnete sich knirschend einer der beiden Torflügel zur Kirche, ein schmaler Lichtkegel fiel hinein, als ein weiterer Blitz am Himmel explodierte. Kurz wurde das Heulen und Donnern des tobenden Sturms übermächtig laut. Godric sprang von dem Brunnenrand auf und trat hinter den drei Säulen hervor, gerade als der Torflügel wieder zugeschoben wurde und krachend zurück in das große Schloss fiel; das Einrasten des großen Riegels verklang in der Kirche und Godric hob überrascht die Brauen, richtete sich zu voller Größe auf und setzte ein gezwungenes Lächeln auf. Seit er degradiert worden war, musste er dem gemeinen Volk die Beichte abnehmen und jede Nacht aufpassen, dass keine Armen und Kranken sich über Nacht in der Kirche einnisteten; wahrscheinlich war wieder ein Obdachloser wegen des Unwetters in die Kirche geflüchtet – nur um von Godric wieder hinaus geworfen zu werden. Das Lächeln verblasste auf seinen Lippen und er setzte einen finsteren Gesichtsausdruck auf, stemmte herrisch die Hände in die Hüften und wartete. Es kam niemand …

 

Draußen tobte der Sturm einfach weiter, der Regen prasselte weiterhin eintönig gegen die verzierten Fensterscheiben, welche Ausschnitte aus den Schlachten des Letzten Herrschers gegen die Vampire zeigten. Kein Geräusch von Schritten, die sich näherten, niemand, der sich aus dem Dunkel der Kirche schälte und auf ihn zu kam.

Verdutzt kniff Godric die Augen zusammen, spähte in das finstere Zwielicht, versuchte etwas zu erkennen; nichts.

Ich habe doch gesehen wie das Tor aufgegangen ist! Es muss jemand in die Kirche gekommen sein, ich halluziniere doch nicht. Wie ich diese ehrlosen Sünder hasse, vor allem, wenn sie sich in der Dunkelheit verkriechen und meinen, ich fände sie nicht! Elendes Pack, soll der Zorn des Letzten Herrschers sie holen!

Kurz überprüfte er, ob der Zeremonienendolch, den jeder Priester bei sich trug, am richtigen Ort in seinem Ärmel steckte und griff so leise wie möglich nach einem Kerzenständer, überprüfte kurz die Kerzen und schritt die Stufen des Altars hinab, auf das Doppeltor der Kirche zu. Das Echo seiner schnellen, energischen Schritte war das einzige Geräusch innerhalb des Gotteshauses, als er mit einem Schaudern die Fratzen der steinernen Dämonen und Vampire passierte und das flackernde Licht der Kerzen auf die zahlreichen Abbildungen der tiefsten menschlichen Ängste fiel.

Er fühlte sich, als bohrten sich Blicke in seinen Rücken, die Ränge und Bänke hinter ihm füllten sich in seinen Vorstellungen mit den Dämonen und Vampiren, die sich in diesem Moment von den Wänden lösten und …

Godric schüttelte sich leicht und schloss kurz die Augen, atmete tief durch.

Beruhige dich!, beschwor er sich und öffnete die Augen, harrte der Finsternis vor dem Doppeltor. Verwundert fuhr er mit dem Kerzenständer durch die Luft, das rötliche Licht der kleinen Flammen fiel auf die Wandgemälde, das stabile Holztor.

„Ist da jemand?“, rief Godric ins Nichts und trat einige Schritte zurück zwischen die ersten beiden Bankreihen, und musterte skeptisch das Tor. Keine Antwort.

Entweder der Bettler, der sich hinein geschlichen hatte, verstand etwas davon, sich zu verstecken oder der Wind draußen musste so stark gewesen sein, dass er den schweren Torflügel kurz nach innen geweht hatte – aber das war unmöglich! Es musste jemand in der Kirche sein!

„Wer immer du bist, deine Anwesenheit beleidigt die Heiligkeit dieser ehrwürdigen Hallen!“, drohte Godric, laut genug, dass jeder es hätte hören können.

„Das Auge des Letzten Herrschers sieht alles, egal wie gut du dich auch verbergen magst! Ich rate dir also, wer immer du bist, komme heraus und beschwöre nicht den Zorn deines Gottes herauf, der durch meine Adern fließt!“

Godric fachte den winzigen Rest der magischen Kraft in seinem Inneren an und hob die Hand; eine kleine Stichflamme schoss aus seiner Hand in die Dunkelheit, eine Lichtzunge fiel auf die Reihen der Bänke und in die Ecken, in die sich die Armen bevorzugt verkrochen, bevor sich die Flammen wieder auflösten und Godric seine Hand wieder senkte.

Godric wollte gerade abfällig schnauben, als plötzlich der Sturm draußen wütend brüllte und ihn einen Schritt zurückweichen ließ. Er hob schützend eine Hand vor das Gesicht, als aus dem Nichts eine kräftige Windböe kam und ihm den Kerzenständer aus der Hand riss; die Kerzen erloschen sofort, das heiße Wachs zischte auf dem Marmorboden, der goldene Kerzenständer landete klirrend auf dem Boden und rollte zwischen die hölzernen Bänke.

Godric ging in die Knie, kauerte sich hinter einer Bank in Deckung, wirbelte blitzschnell herum und blickte in die Richtung, aus der die Windböe gekommen war.

Unmöglich! Die ganze Kirche besteht aus massivem Stein! Hier drinnen darf es keinen Wind geben!

Vorsichtig erhob Godric sich, hielt sich jedoch immer noch geduckt und eilte unsicheren Schrittes zum Altar zurück, warf dabei nervöse Blicke über seine Schultern nach hinten; die Kirche lag immer noch verlassen vor ihm da, es war rein gar nichts zu sehen.

Ich weiß nicht, was hier los ist, aber ich werde keinen Moment länger hier bleiben! Soll mich der Erzbischof später bestrafen, wenn er erfährt, dass ich gegangen bin. Alles ist besser als das hier …

Godric lief an den drei Säulen vorbei, ignorierte den metallenen Geruch des Blutes und bog in einen Seitenflügel der Kirche ab, hielt auf die Tür zur Sakristei zu, wo Priester und Messdiener sich umzogen und auf die Opferungen vorbereiteten. Auf der anderen Seite lag der Beichtstuhl, wo dem Opfer im Namen des Letzten Herrschers alle Sünden vergeben wurden, bevor es starb.

An der Tür zur Sakristei angekommen, wischte Godric sich die schweißnassen Hände an seiner Priesterrobe ab, griff in eine kleine Tasche darin und suchte fieberhaft nach dem Schlüssel.

Seine Finger schlossen sich um nichts. Nervös spähte er über seine Schulter zurück, suchte nach …

Ja, wonach suche ich eigentlich? Ich weiß es gar nicht!

Mit einem Schnauben zog er an dem Stoff in der Innenseite der Tasche, kramte nach seinem Schlüssel, doch da war nichts.

Godric fluchte leise, riss die Hand aus der Tasche und griff nach der Klinke, rüttelte an ihr und beinahe hätte er erschrocken aufgeschrien. Das Metall der runden Klinke war eiskalt!

Er prallte von der Tür zurück, starrte ungläubig die Klinke und dann seine Hand an; sie hatte leichte Verbrennungen durch die Kälte erlitten und der Schweiß an seiner Hand begann langsam zu gefrieren. Jetzt erst bemerkte er, dass sein Atem kondensierte. Er hauchte sich auf die verletzte Hand.

Was im Namen des Letzten Herrschers … ?

Zögerlich drehte Godric sich um und seine Augen weiteten sich entsetzt.

Eisblumen bildeten sich an den Steinwänden, krochen die Holzbänke entlang und er wich zurück, prallte mit dem Rücken an die schwere Holztür zur Sakristei und presste sich daran, als könne er rückwärts durch die Tür hindurchgehen. Knirschend breitete sich das Eis aus, die dunklen Bänke wurden weiß. Erneut fegte ein kalter Wind durch die Kirche und Godrics Rücken wurde plötzlich eiskalt. Sofort löste er sich von der Tür und starrte das Eis entgeistert an, seine Kinnlade klappte fassungslos nach unten. Eiskristalle bildeten sich auf dem dunklen Holz, die Türklinke knirschte leise, als sie ebenfalls vereiste.

Mit einem Schrei sprang Godric weg von der Tür, hetzte zur Statue des Letzten Herrschers die Stufen hinauf und kauerte sich zu Füßen der Statue zusammen. Er sandte ein Stoßgebet gen Himmel und sah sich hilfesuchend um; seine Glieder fingen nun ebenfalls an zu frieren, Eis bildete sich auf seinen Gewändern und jede seiner Bewegungen knirschte, seine Wirbel und Gelenke knackten.

Erst jetzt fiel ihm auf, dass seit langem kein Blitz mehr explodiert war, das Trommeln und Prasseln des Regens hatte aufgehört; selbst das Heulen des eisigen Windes war verstummt, als hätten diese Naturgewalten etwas ... anderem Platz gemacht. Es herrschte Totenstille, ähnlich einem Friedhof.

Zischend ballte er seine zitternden Hände zu Fäusten und suchte verzweifelt nach einem Ort, der nicht in Eisblumen aufging. Sein Blick blieb an dem Beichtstuhl hängen und er seufzte erleichtert, als er sah, dass die Eiskruste um den Beichtstuhl einen Bogen zu machen schien.

Er spähte noch ein letztes Mal zum Eingang der Kirche, abwägend, ob er es riskieren sollte, panisch zum Eingang der Kirche zu rennen und dann in die stürmische Nacht zu fliehen. Doch als er die Dunkelheit sah, die dort am Eingang herrschte und das Echo seines Rufes förmlich verschluckte, entschied er sich, die seitlichen Stufen hinab zu springen, auf dem die Statue des Letzten Herrschers und die drei Säulen ruhten. Von dort sprintete er auf den Beichtstuhl zu.

Eisige Kälte packte seine Brust und schien sich von innen nach außen auszubreiten als vergehe er langsam von innen! Endlich kam er beim Beichtstuhl an, griff nach der Klinke und drehte sie; es klickte leise.

„Verflucht!“, schrie Godric auf, warf sich gegen die verschlossene Tür, während die Kälte sich um ihn herum immer weiter ausbreitete.

Was immer hier vor sich geht, es ist dunkle Magie und mächtige noch dazu! Der Erzbischof selbst schützt diese heiligen Hallen mit seiner Kraft und doch schafft diese Kälte es, sich durch jeden Verteidigungszauber zu fressen! Ich muss hier raus!

Mit letzter Kraft warf er sich ein letztes Mal gegen die Tür des Beichtstuhls, rutschte an dem harten Holz hinab und ließ sich kraftlos zu Boden sinken; er atmete schwer.

Seine Brust hob und senkte sich, sein Atem ging flach und Godric fuhr sich mit der Hand durch das lange graue Haar, rieb sich das faltige Gesicht und seine knorrigen Finger begannen noch heftiger zu zittern als zuvor. Langsam kamen die Eisblumen zum Stillstand, hielten kurz vor Godrics Stiefeln inne und verfestigten sich knirschend. Verwundert rappelte Godric sich auf und griff nach dem magischen Amulett, das um seinen Hals baumelte; er hatte all seine magischen Kräfte verloren, doch dafür hatte er sich eine andere Quelle besorgt – er wusste, dass es gefährlich war.

Sollte der Erzbischof herausfinden, dass er eine andere magische Quelle verwendete, so würde das seinen Tod bedeuten.

Aber wenn ich es nicht tue, könnte das genauso mein Ende sein!, schoss es Godric plötzlich durch den Kopf.

„Pater!“

Godrics Hand erstarrte und seine Fingerknöchel traten weiß hervor, als seine Finger sich unwillkürlich noch fester um seine Roben klammerten; langsam drehte er sich um.

Da war niemand! Die Kirche war immer noch so leer, wie zu Anbruch der Nacht und doch hallte die eisige, kalte Stimme noch von den Wänden wider.

Godric schloss kurz die Augen.

Ich weiß nicht, was du bist, oder was du willst … aber ich werde mich nicht kampflos ergeben. Der Erzbischof wird mich töten, wenn er es herausfindet, doch ich werde nicht einfach so aufgeben, wenn ich noch auf mein letztes Ass zurückgreifen kann.

Godric ging tief in sich, spürte die sanfte Flamme der Magie in sich brennen und fachte das Feuer an bis es zu einem tobenden Sturm wurde. Es knisterte laut und als Godric seine Augen wieder öffnete, hielt er einen flammenden Feuerball in Händen.

Augenblicklich wich die Eisdecke von ihm zurück, bildete einen im Licht des Feuers glühenden Eiskreis um ihn, als fürchteten die Eiskristalle sich vor dem Feuer. Ein Lächeln huschte über Godrics Züge und er trat vor den Altar, breitete die Arme etwas aus, so dass der Feuerball fauchend größer wurde.

Das Licht des Feuerballs vertrieb die drückende Dunkelheit, die Wärme umschlang ihn fast völlig, die eisige Kälte fiel von ihm ab.

„Ich bin hier!“, antwortete Godric, bemüht, seine Stimme ruhig und selbstsicher klingen zu lassen.

Mit zusammengekniffenen Augen suchte er die Haupthalle ab, dann die Seitenflügel.

Komm endlich raus, du elender …!

Godric brachte den Gedanken nicht zu Ende, erstarrte und seine Hände über dem Feuerball zuckten nervös.

Eine Gestalt kniete hinter der vordersten Bankreihe in Gebetsposition.

Ein schwerer Mantel fiel ihr um die Schultern, den Flügeln eines schwarzen Raben gleich und eine Kapuze verdeckte das Gesicht vollständig. Dort, wo es sich befinden sollte, befand sich eine schwarze Leere, nicht einmal das Licht des Feuerballs in Godrics Händen vermochte einen Blick auf das Gesicht zu ermöglichen. Langsam erhob die Gestalt sich; die helle Eisdecke schien sie nicht zu stören.

„Es schickt sich nicht, in einer Kirche die Kapuze anzubehalten“, knurrte Godric bedrohlich und die Falten seines Gesichts gruben sich noch tiefer, als er die Augen zu funkelnden Schlitzen verzog.

 

Die Gestalt blieb stehen und legte den Kopf schief, als warte sie auf etwas; dann deutete sie mit einer beiläufigen Bewegung auf den Feuerball.

„Mit den Feuerzaubern verhält es sich genauso, habe ich gehört“, erwiderte sie schließlich und Godric zischte leise, drohte den Feuerball zu werfen – der Fremde rührte sich nicht.

„Wer seid Ihr?“, verlangte Godric zu wissen und trat nervös einen Schritt zurück.

Ihn scheint der Feuerball nicht zu kümmern! Beim Letzten Herrscher, wer ist das?

Die Gestalt neigte leicht den Kopf, deutete eine lässige Verbeugung an.

„Ich bin nur eine arme Seele auf der Suche nach einer Beichte, Pater. Etwas Schreckliches ist heute Nacht geschehen. Ich habe hier ein Geschenk als Zeichen meines guten Willens ...“

„Was kann so schlimm sein, dass Ihr das Risiko auf Euch nehmt, nachts durch die Straßen zu laufen. Draußen lauern Banditen und Mörder!“, stieß Godric verächtlich aus.

Die Gestalt lachte leise;

„Und hier lauert das Risiko, nicht das zu finden, was man sucht. Ich kam her auf der Suche nach Erlösung … und begegne Eurer Kälte und der spöttischen Verachtung in Euren Augen, Pater.“

Vorsichtig griff die Gestalt in eine ihrer Manteltaschen und holte etwas Funkelndes hervor, hielt es ins Licht des Feuerballs.

„Das Geschenk“, erklärte die Gestalt und ließ den Ring in ihrer Faust verschwinden.

Godric zog misstrauisch eine Braue in die Höhe, ließ den Feuerball allerdings verlöschen. Die Gestalt warf Godric den Ring zu, der diesen geschickt auffing.

„Und was wollt Ihr beichten?“, fragte der Pater, während er langsam den Blick vom Ring abwandte und seine Aufmerksamkeit wieder auf den Fremden richtete. Die Hände der Gestalt fuhren zu ihrer Kapuze, ergriffen diese und schlugen sie zurück.

Die Augen des Priesters weiteten sich vor Entsetzen, sein Mund öffnete sich zu einem panischen, langgezogenen Schrei. Die blassen Lippen der Gestalt verzogen sich zu einem kalten Lächeln, eine Klinge blitzte auf und der Schrei Godrics hallte noch lange von den hohen Mauern der Kirche wider bis der Schrei langsam zu einem Röcheln verkam, das schließlich erstarb.

„Ich habe einen Priester ermordet!“, flüsterte die Gestalt leise.

Der Wind begann wieder zu heulen …