Albert, der Volksmusik-Migrant oder Die Marketing-Gesellschaft

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Einstellungsgespräch



Zacharias Lewsky musterte aufmerksam das in einem Glaskasten neben dem Eingang zum Sekretariat angebrachte »Organigramm«, welches die Aufgabenverteilung an der Hjalmar-Schacht-Schule veranschaulichte.



Ganz oben in einem deutlich größeren Feld als die darauffolgenden, war die Schulleiterin abgebildet, Oberstudiendirektorin Sabine Schindler. Weiter unten folgten Arnold Einmann, ihr Stellvertreter und die Abteilungsleiterinnen. Für das Berufliche Gymnasium war Ludmilla Luger zuständig, den Bereich Berufsschule – gewerblich verantwortete Marianne Mörser, den kaufmännischen Zweig Gloria Glock. Verwundert stellte Lewsky fest, dass der Inhaber der Position für Qualitätsmanagement und Öffentlichkeitsarbeit nur durch eine Abkürzung, nämlich »N. N.« benannt wurde. Ebenso fehlte ein Bild der Person, was den Marketing-Fachmann die Nase rümpfen lies. Er zückte sein Smartphone, um ein Bild von diesem Sachverhalt festzuhalten.



»Vielleicht kann ich diese Stümperei in meiner Dissertationsschrift als ein weiteres besonders misslungenes Exempel im Zusammenhang mit der Ineffizienz staatlicher Stellen bei der Öffentlichkeitsarbeit verwenden?« fragte sich Lewsky.



Nachdem er das Ganze abfotografiert hatte, betrat er ohne anzuklopfen das Sekretariat.



Eine junge Frau stand mit dem Rücken zur Tür am Fenster und war damit beschäftigt, eine Pflanze undefinierbarer Art mit einer großen Gießkanne zu bewässern. Ein knapp vierzigjähriger Mann mit sorgfältig gekämmten dunklen Haaren und korrektem Seitenscheitel befüllte eine Thermoskanne gerade mit Kaffee. Erschrocken sah er zur Tür, wobei er einen Teil der Flüssigkeit auf seine Hose verschüttete, was er aber scheinbar nicht weiter wahrnahm.



»Huch, wer sind denn Sie? Kommen Sie etwas vom Amt für Qualitätsentwicklung?« erkundigte er sich mit vor Erregung vibrierender Stimme.



Lewsky musterte den Mann mit der Thermoskanne, darüber nachdenkend, ob es sein könnte, dass tatsächlich eine männliche Person als »Sekretärin« an einer Schule arbeitete. Die Frage und die Art, wie sie gestellt wurde, verwunderte ihn noch zusätzlich.



»Guter Mann, Zacharias Lewsky ist mein Name. Nein, ich komme nicht von diesem Amt, wenngleich ich es sehr positiv finde, dass es offenbar eine Stelle gibt, die sich darum kümmert, dass Qualität im Öffentlichen Dienst und insbesondere in Schulen entwickelt wird. Der Name macht ja schon deutlich, dass man erkannt hat, dass hier Handlungsbedarf besteht, sonst würde er ja wohl Amt für Qualitätssicherung benannt sein. Gerne würde ich mehr über Aufgaben, Strukturen und Arbeitsweisen dieser Institution erfahren, vielleicht können wir uns ja bald einmal für ein kurzes Interview zusammensetzen, falls Sie diesbezüglich fachkundig sein sollten?«



Der Mann blickte Lewsky verständnislos an. Währenddessen warf die Frau ein:



»Herr Einmann, das ist Herr Lewsky, Sie wissen doch, er hat heute um acht Uhr dreißig einen Termin bei Frau Schindler.«



Einmann atmete erleichtert auf.



»Oh je, genau. Entschuldigung, dass ich Ihren Namen nicht gleich zuordnen konnte. Sie sehen doch tatsächlich aus wie jemand von der Schulinspektion.«



Nachdem er noch einmal tief durchgeatmet hatte, verschraubte er sorgfältig den Deckel der Kanne und streckte Lewsky die Hand entgegen.



»Mein Name ist Arnold Einmann, ich bin seit kurzem der Stellvertreter von Frau Schindler.«



Lewsky schüttelte die Hand Einmanns und stellte missbilligend fest, dass der Oberstudienrat einen extrem schlaffen Händedruck hatte.



»Kein Problem, Herr Einmann. Das kann ja einmal vorkommen. Ich bin sicher, dass Sie meinen Namen nie mehr vergessen werden.«



Er schaute nun die immer noch mit der Gießkanne bewaffnete junge Frau an.



»Und wer sind Sie, gute Frau?«



Diese zog irritiert aufgrund der Ausdrucksweise von Lewsky eine Augenbraue ein wenig in die Höhe und antwortete:



»Ich bin Mona Lewandowsky und für das Sekretariat an dieser Schule zuständig.«



Lewsky rückte mit einem schnellen Schritt an sie heran, schüttelte ihre Hand und verbeugte sich leicht.



»Es freut mich, Sie kennenzulernen. Sicher komme ich nachher noch einmal bei Ihnen vorbei.«



»Äh, ja, dann bis dahin.«



»Ich freue mich darauf«, säuselte Lewsky. Nachdem er die Hand Lewandowskys noch einmal gedrückt hatte, wandte er sich dem stellvertretenden Schulleiter zu.



»Erwartet mich Frau Schindler bereits? Ich bin ja ein wenig früh dran. Aber ich sage immer: ›Fünf Minuten vor der Zeit, nennt man im Marketing Pünktlichkeit.‹«



Einmann wies in Richtung einer Tür im Hintergrund.



»Sie wird Sie sicher jetzt schon empfangen. Ich bringe Sie gerne hin.«



Lewsky folgte Einmann und sie gelangten in einen langen Flur. Auf beiden Seiten hatten die Schulleitungsmitglieder ihre Büros, die allesamt verschlossen waren, bis auf die mächtige Holztür am Ende des Ganges.



Einmann bat Lewsky, auf einem Stuhl auf der rechten Seite Platz zu nehmen.



»Einen Moment bitte, ich melde Sie an.«



Während Einmann in dem Raum verschwand und die Tür hinter sich anlehnte, setzte sich Lewsky und blickte auf die Wand gegenüber, die mit verschiedenen gerahmten großformatigen Fotografien geschmückt war. Eine zeigte eine Frau um die fünfzig, welche einem unansehnlichen Mann im Anzug die Hand schüttelte. Lewsky las unter dem Bild die Beschriftung »Oberstudiendirektorin Sabine Schindler beim Neujahresempfang des Ministerpräsidenten«. Daneben hing ein Bild, das festhielt, wie Schindler ihre Ernennungsurkunde zur Schulleiterin durch den Kultusminister persönlich überreicht wurde.



»Das soll die Schulleiterin sein«, dachte Lewsky verwundert. »Aufgrund der Optik hätte diese Frau in meiner Partei wohl keine Chance auf ein Spitzenamt …«



Durch die halboffene Tür hörte Lewsky, dass eine raue Frauenstimme jemanden heftig beschimpfte.



»Das sage ich Ihnen jetzt zum letzten Mal: Wenn Sie meinen, damit durchzukommen, dann schicke ich Sie zum Amtsarzt und schiebe gleich noch eine fette Disziplinarmaßnahme hinterher!«



Kurze Zeit herrschte Ruhe, Lewsky verstand, dass er Frau Schindler vernommen hatte, die wohl telefonierte. Diese hob wieder an:



»Das ist mir doch egal, was Herr Einmann Ihnen zugesichert hat: Die Chefin bin ich! Entweder Sie sind am Montag wieder dienstfähig oder ich mache Ihnen den Rest Ihrer Lebensarbeitszeit zur Hölle! … Gedroht? Wann habe ich Ihnen denn gedroht? Das habe ich nie gemacht. Haben Sie dafür einen glaubwürdigen Zeugen?«



Schindler verstummte, kurz darauf kicherte sie laut.



»Na also … Gut, ich gehe dann davon aus, dass wir uns am Montag sehen. Bis dann.«



Ein Telefonhörer wurde heftig auf die Gabel geknallt.



»Das war Kollege Murr. Diesem Mistkerl habe ich mal die Meinung gesagt. Wenn das die Runde macht, dass man sich krankschreiben lässt, nur weil einem der Stundenplan nicht passt, dann können wir den Laden gleich dichtmachen … Stellen Sie den Kaffee da hin.«



Lewsky hörte ein Flüstern, Verursacher war vermutlich Einmann.



»Ja natürlich, er soll reinkommen.«



Einmanns Kopf erschien in der Tür.



»Herr Lewsky, Frau Schindler lässt bitten.«



Lewsky stand auf, schloss sein Jackett und folgte Einmann in das Büro. Die Lewsky durch die Bilder bereits hinlänglich bekannte Frau Schindler saß hinter einem großen Schreibtisch aus Teakholz.



»Guten Morgen, Herr Lewsky, kommen Sie nur ran.«



Nachdem Lewsky bis zum Schreibtisch vorgetreten war und ein »Guten Morgen, meine Dame« gemurmelt hatte, wies die Schulleiterin ihm mit der Hand einen Stuhl ihr gegenüber zu. Während Lewsky wieder sein Jackett öffnete und Platz nahm, blickte Einmann ein wenig ratlos seine Vorgesetzte an.



»Äh, Frau Schindler, darf ich dann gehen?«



»Natürlich dürfen Sie!« antwortete die Schulleiterin in ihrer resoluten Art. Mit der Hand, die eben noch Lewsky den Platz angewiesen hatte, winkte sie ihren Stellvertreter aus dem Raum. Dieser entfernte sich flugs und schloss behutsam die Tür hinter sich. Schindler musterte Lewsky einige Sekunden lang, ohne ein Wort zu sagen. Diesem fiel auf, dass hinter Schindler dieselben Bilder angebracht waren wie auf dem Flur. Er überlegte gerade, ob er nicht einen Blick auf sein Smartphone werfen sollte, als die Direktorin schließlich die Stille brach.



»Gut, kommen wir doch gleich zur Sache: Mein guter Freund Professor Freimann hat mir Sie als Vertretungslehrer empfohlen und war so nett, mir auch gleich Ihre Bewerbungsunterlagen zukommen zu lassen. Sind Sie an der Uni nicht voll ausgelastet oder warum interessiert Sie das Unterrichten an einer Schule? Das müsste doch eigentlich unter Ihrem Niveau sein?«



Lewsky setzte ein gewinnendes Lächeln auf und sagte:



»Vielleicht ist das Niveau hier nicht so hoch, wie in meinen Lehrveranstaltungen an der Universität. Allerdings gibt es verschiedene Gründe, warum ich diesen Schritt einmal wagen will: Erstens denke ich, dass ich so einmal schauen kann, ob meine Entscheidung, eine universitäre Karriere anzustreben, richtig war. Fast alle meiner Wirtschaftspädagogik-Komlitonen haben sich nach dem Abschluss entschieden, in den Schuldienst zu gehen. Das erscheint mir zwar nur verständlich, wenn man das Leistungsvermögen dieser Personen – damit meine ich auch intellektueller Art – und ihren kaum vorhandenen Willen, sich in der freien Wirtschaft durchzusetzen, bedenkt. Lassen Sie mich an dieser Stelle anmerken, dass ich nicht umhinkam, gerade Ihr Telefongespräch auf dem Flur mitzubekommen. Hier bestätigt sich ja mein diesbezüglicher damaliger wie heutiger Verdacht, dass sich eine erhebliche Anzahl von Minderleistern im Öffentlichen Dienst, insbesondere aber in einer Schule, tummelt. Ich meine: Gut, man verdient ja auch nicht so viel. Was hat denn so ein Studienrat? Vielleicht drei vier netto? Nun ja, das ist natürlich kein wirklicher monetärer Leistungsanreiz. Dann noch nicht vorhandener Leistungsdruck, aufgrund eines fehlenden funktionierenden Wettbewerbs: Da dürfen die überall sichtbaren inferioren Ergebnisse wahrlich nicht verwundern. Wirkliche High Potentials gehen nun mal normalerweise – wie viele Studien und auch meine persönliche Erfahrung belegen – nicht in den Schuldienst. Hier bietet sich die freie Wirtschaft an oder für die Feingeister und damit wären wir bei meinem Zweitens die universitäre Forschung und Lehre …«

 



Frau Schindler wollte Lewsky unterbrechen, dieser sprach aber ununterbrochen weiter, so dass die Oberstudiendirektorin weiter den Redenden wortlos anstarrte.



»… denn hier kann man die nächste Generation von Leistungsträgern erziehen, Low Potentials aussortieren und durch entsprechende wissenschaftliche Publikationen wahrlich den Lauf der Dinge verändern. Die besten Ideen setzen sich durch, wie der große Friedrich August von Hayek so wunderbar beschrieb und auch ich betrachte mich nur als ein kleines wissenschaftliches Rädchen, welches an der ›spontanen Ordnung‹ mitwirkt. Erschreckenderweise werde ich wohl für meine hiesige – aus meiner Sicht durchaus inferiore – Tätigkeit mehr Geld erhalten, als an der Universität. Nun könnte man meinen, das wäre für mich ein Grund an der Schule zu lehren, aber weit gefehlt, …«



Lewsky machte eine Kunstpause, die Schindler aber nicht nutzte, um etwas zu sagen.



»… denn mein wahres Drittens ist das Folgende: Ich möchte die Zeit an Ihrer Schule auch dazu nutzen, die Arbeit an meiner Dissertation voranzubringen. Ich denke, dass sich die Beschäftigung im hiesigen Sujät wirklich befruchtend darauf auswirken wird.«



»Gut, danke, Herr Lewsky. Damit haben Sie ja sehr schön Verschiedenes aufgezeigt. Ihrer Verpflichtung steht auch nichts mehr im Wege, die Zustimmung des Personalrates ist wie immer nur noch obligatorisch. Ich hätte aber noch einige Fragen an Sie, vielleicht berichten Sie mir zunächst einfach noch einmal kurz über Ihren Werdegang.«



»Aber gerne doch. Ich bin gelernter Bankkaufmann und habe danach einen Master sowohl in BWL als auch in Wirtschaftspädagogik gemacht. Im Rahmen des letzteren Studiums habe ich als Zweitfach Politik belegt, was ich aber als nicht besonders lehrreich empfand. Mein Schwerpunkt und Herzensanliegen ist seit jeher das Marketing, seit drei Jahren arbeite ich nun für Professor Freimann in diesem Bereich und meine Dissertation werde ich wohl nächstes Jahr fertigstellen. Als Ästät finde ich, dass Marketing die Welt schöner macht und als Wissenschaftler, dass es die Kernwissenschaft der Betriebswirtschaftslehre und unserer modernen Gesellschaft ist.«



»Gut, aber erzählen Sie doch bitte mal etwas Persönliches, da war Ihr schriftlicher Lebenslauf nicht besonders aussagekräftig.«



»Ach so, na ja: Meine Hobbys sind Tai-Chi und Jogging. Außerdem verehre ich Dieter Bohlen und Modern Talking. Ich finde, dass die Musik der Gruppe einen veridablen Höhepunkt der Musikgeschichte darstellt und der Sänger ein wahrer Fachmann des Marketings ist, immerhin hat er auch Wirtschaft studiert. Politisch stehe ich, wenn man es so nennen will, den Freien Demokraten nahe, bei denen ich auch Mitglied bin, wenngleich ich gestehen muss, dass ich schon lange nicht mehr bei Ortsverbandssitzungen dabei bin, praktische Politik ist fürchterlich weltfremd, wie übrigens auch das Studium an der Universität, welches in den anderen Fachbereichen fast ausschließlich von linken Gutmenschen zu unverständlichen Themen betrieben wird. Allerdings habe ich durch die Partei sehr interessante Persönlichkeiten kennengelernt, unter anderem und das dürfte Sie nicht weiter verwundern, Professor Freimann. Wollen Sie noch irgendetwas wissen?«



»Ich gehe also davon aus, dass Sie Unterrichtserfahrung sowohl durch Ihr Studium als Wirtschaftspädagoge als auch durch Ihre Tätigkeit an der Uni haben?«



»Aber selbstverständlich! Ich lehre doch im Rahmen meines Vertrages an der Universität zwei Veranstaltungen die Woche.«



»Sehr schön. Obwohl Unterrichtserfahrung ja sowieso oftmals überschätzt wird. Sie glauben nicht, was für Lehrkräfte ich schon aus der Not heraus rekrutieren musste … Aber – und das dürfte Sie als Ökonomen interessieren – das spart im Zweifelsfall dem Staat eine Menge Geld.«



Die Direktorin setzte ein kleines Lächeln auf und sah Lewsky verschmitzt an.



»Gut, ich komme nun direkt zu Ihrem Unterrichtseinsatz und einer wichtigen sehr persönlichen Bitte an Sie, da ich gleich noch einen Termin habe: Eine unserer Referendarinnen hat einen Unterrichtsbesuch, das möchte ich mir natürlich nicht entgehen lassen.«



»Nur zu, nur zu …«, nickte Lewsky.



»Ihren Stundenplan habe ich hier …«



Schindler öffnete eine Mappe, blätterte darin und gab Lewsky schließlich ein grünes Blatt Papier, welches in einem Fach zusammen mit anderen Dokumenten aufbewahrt gewesen war.



»Es wird Sie freuen zu hören, dass Sie nur an zwei Tagen hier sein müssen und es wird offenbar keine Konflikte mit Ihrer Tätigkeit an der Uni geben. Herr Freimann hat mir mitgeteilt, dass er die ersten drei Tagen in der Woche nicht auf Sie verzichten kann, so dass Sie nun also am Donnerstag und am Freitag hier sein werden. Sie übernehmen die Stunden von Frau Windler, welche wohl, so wie es aussieht, längerfristig ausfällt und die – wie es der Zufall so will – ebenfalls nur an diesen beiden Tagen hier an der Schule war. Sie hat eine Halbtagsstelle, also zwölf Wochenstunden und wir hatten ihr einen extrem guten Stundenplan gemacht, da Sie aus persönlichen Gründen nicht länger als zwei Tage die Woche arbeiten kann. Eingesetzt ist sie in den Schulformen Berufliches Gymnasium und insbesondere in der Höheren Handelsschule. Sie, Herr Lewsky, werden donnerstags die HH11a zwei Stunden in Politik und vier Stunden in Wirtschaftslehre unterrichten. Am Freitag beginnen Sie mit zwei Stunden Rechnungswesen in derselben Klasse, danach stehen noch vier Stunden Wirtschaftslehre in der BG11a an.«



Schindler machte eine kurze Pause, musterte Lewsky über ihren Brillenrand hinweg und fragte dann:



»Wissen Sie, was das Wesen dieser beiden Schulformen ist, mit welcher Art von jungen Menschen Sie zu tun bekommen werden?«



Lewsky war ein wenig abwesend, dachte er doch über die skandalöse Zwei-Tage-Woche von Frau Windler nach. So etwas konnten sich seines Erachtens nur Leute erlauben, die ihr ganzes Leben »im Staat gearbeitet oder vom Staat gelebt haben«. Trotzdem antwortete er zügig:



»Na ja, das ist ja wohl allseits bekannt: Im Beruflichen Gymnasium haben wir es mit angehenden Abiturienten zu tun und in der Höheren Handelsschule mit denen, die so was nicht schaffen würden und es nicht einmal fertiggebracht haben, eine Lehrstelle zu finden.«



»Mh, gut. Das mit der HH ist vielleicht ein wenig verkürzt aber was soll es«, Schindler blickte kurz zur Uhr, die auf ihrem Schreibtisch stand. »So, wie auch immer. Kommen wir noch zu meiner persönlichen Bitte, die ich ganz im Vertrauen an Sie herantrage.«



Sie machte eine Pause. Lewsky fühle sich bemüßigt, etwas zu sagen:



»Keine Sorge, Frau Schindler. Ich kann schweigen wie ein Grab.«



Schindler lächelte gewinnend und fuhr dann fort:



»Nun gut. Fangen wir einmal bei einfachen Dingen an: Ich lege Ihnen nahe, in verschiedenen Ausschüssen, Gruppen und Arbeitsgemeinschaften hier an der Schule mitzuarbeiten. Dies betrachte ich als selbstverständlich für alle Kolleginnen und Kollegen, selbst wenn sie nur vertretungsweise hier unterrichten. Da Sie ja auch ein, wie Sie sagen, wissenschaftliches Interesse an den Vorgängen in einer Schule haben, sollten Sie hier auch keinen Fall zurückstehen.«



Lewsky nickte zustimmend.



»Ich werde schauen, was sich da so einrichten lässt.«



»Gut, kommen wir zu einem etwas heikleren Thema. Ich spreche es nur an, weil ich in unserem Gespräch und auch durch meine Unterhaltung mit meinem guten Freund Professor Freimann zu der Auffassung gelangt bin, dass Sie für mein Anliegen Verständnis haben werden: Ich bin verantwortlich für eine Schule, an der – Stand heute – 80 Kolleginnen und Kollegen arbeiten. Leider ist die Arbeitsauffassung von vielen dieser Mitarbeiter nicht die allerbeste. Ich will hier nicht ins Detail gehen, Sie haben ja dankenswerterweise vorhin selbst auf generelle Probleme im Öffentlichen Dienst hingewiesen. Ich sage Ihnen nun: In Wirklichkeit ist das alles noch viel schlimmer! Wäre die Schule ein Wirtschaftsbetrieb, dann hätten wir den Laden schon lange dichtmachen müssen …«



Die Direktorin ließ ihre Worte kurz wirken, Lewsky nickte abermals und schaute sie erwartungsvoll an.



»Ähm, gut, also das Folgende verlässt auf keinen Fall diesen Raum …«



»Keine Sorge, Frau Schindler.«



»Gut, ich habe hier …«, sie griff in die unterste Schublade ihres Schreibtisches, »… eine Namensliste erstellt, auf der Kolleginnen und Kollegen verzeichnet sind, die – nun wie soll ich es ausdrücken – nun ja, eine, wie es mir scheint, äußerst fragwürdige

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