Parabeln

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Alex Bergstedt

Parabeln

Gleichnishafte Erzählungen aus unserer Zeit.

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Danksagungen

Einleitung

Die Stellvertreterin

Die erste Filmszene

Sklaven

Der Weinbergbesitzer und die Pächter

Die Schlampe (Hesekiel 16)

Das Schimpansenmädchen

Die beiden Jungs und die alte Frau

Gute Werke und das ewige Leben

Missverständnis

Rollstuhl und Kreuz

Die Kirche und das Fitnesscenter

Ein Geist, drei Körper?

Der beste Beweis für die Existenz Gottes

Der Atheist und das Goldene Löwenäffchen

Der Atheist und die geldgierigen Frauen

Der Atheist und der Weihnachtsmann

Atheismus und der deutsche Soziologieprofessor

Der Atheismus und Alzheimer

Der Atheismus und der Kugelblitz

Der Atheist und die Bakterien

Vasco, der schwächliche Sohn und die Atheisten

Die Konzentrationslager und der Atheismus

Gott und der Werwolf

Königin Elisabeth und der Atheismus

Die Schlange am Eingang zum Himmel

Das Spiel

Das Schnabeltier und der Atheist

Der Atheist mit den kalten Füßen

Antisemitismus und Fußball

Hans im Dilemma

Das Aquarium

Der Elefant, die Mäuse und der Atheist

Gott ist Licht (Gott, Licht und Trinität)

Der Test

Wie verwandelt man ein blühendes christliches Land in ein Inferno?

Der Atheismus, die Nazis und der Kommunismus

Über den Autor:

Impressum neobooks

Danksagungen

Ich danke allen Freunden und Verwandten, die ein Stück meines Weges mit mir gegangen sind und mich unterstützt, beraten und liebevoll begleitet haben. Ich habe euch manchmal enttäuscht, aber trotzdem seid ihr mir gute Freunde geblieben und habt mir auch in schweren Zeiten zur Seite gestanden. Aber zuallererst danke ich Gott für seine Nachsicht und Geduld.

Alex Bergstedt

Parabeln

Gleichnishafte Erzählungen

zu Themen unserer Zeit

Sassnitz, 2020

Einleitung

Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen! Das hat mir die Augen geöffnet! So ruft mancher aus, nachdem er plötzlich eine ganz neue Dimension, eine neue Wahrheit erkennt. Oft kommen Menschen zu solchen plötzlichen Erkenntnissen, wenn sie eine Begebenheit einmal von einem anderen Blickwinkel aus sehen. Nicht selten erkennen sie dabei dann auch eigenes Unrecht und schämen sich oder versuchen gar, das Unrecht wieder gutzumachen.

So geschah es dem König David, nachdem er einem seiner Untergebenen die Frau weggenommen hatte. In seiner Verliebtheit war ihm das Unrecht gar nicht bewusst. Ein Prophet erzählte ihm jedoch eine Geschichte, und diese stellte ein Gleichnis zu den wirklich erfolgten unrechten willkürlichen Handlungen des Königs dar, also eine sogenannte Parabel. Da das Gleichnis aber von Streitigkeiten über Vieh handelte, erkannte der König sich nicht gleich selbst in der Parabel, sondern empörte sich über den Täter. Erst als der Prophet auf die Frage nach dem Namen des „Schufts“ sagte, es sei der König selbst, fiel es diesem wie Schuppen von den Augen und er erkannte bitter sein Unrecht.

Die Geschichte des Propheten war so geschickt erfunden, dass der König sich zwar wegen der anderen Akteure zunächst gar nicht selbst angesprochen fühlte, es aber nur eines kleinen Hinweises oder einer kurzen Erklärung bedurfte, und schon „fiel der Groschen“ bei dem König.

Hätte der Prophet gleich mit erhobenem Zeigefinger begonnen und den König verbal angegriffen, hätte er wahrscheinlich kein Gehör gefunden. Derart angegriffene Politiker und auch fast alle anderen Menschen verteidigen sich und verhärten sich dabei noch in ihrer Position. Ein König hätte einen Propheten vielleicht sogar bedroht oder festnehmen lassen, bevor dieser überhaupt zu Ende gekommen wäre.

Daher stellt das Erzählen eines Gleichnisses ein oft unvergleichliches Mittel dar, um andere zum Einlenken und Umdenken zu bringen. Wichtig ist dabei, ein Gleichnis so zu konstruieren, dass die Geschichte den Zuhörer fesselt. Damit der Zuhörer die Sorgen der Personen oder auch Tiere in der Parabel ohne lange Erklärungen nachempfinden kann, muss die meistens frei erfundene Geschichte im Lebensumfeld der Hörer angesiedelt sein.

Eine Geschichte zu erzählen, die davon handelt, wie ein Kind eine vier in Geschichte schreibt und vor der Schule sitzt und weint, bis der Lehrer vorbeikommt und das Kind bemerkt, mit dem Kind redet und ihm erlaubt, die Arbeit zu wiederholen, wirkt für die meisten heutigen Kinder unverständlich. Sie wissen nicht, dass in anderen Ländern oder auch bei uns zu anderen Zeiten so ein Kind mit einer kräftigen Tracht Prügel rechnete und deshalb so untröstlich war. Diese Angst können sich heutige Kinder kaum vorstellen. Stattdessen könnte man für ein heutiges Kind eine Geschichte mit seinen Lieblingshelden aus einem Buch, einer Serie oder einem Spiel konstruieren und damit Zugang zu seiner Vorstellungswelt und seinem Inneren, zu finden.

Ein großer Meister in der Kunst, Menschen durch geschickt ausgewählte Themen für spontan erfundene Gleichnisse tief zu berühren und zu verändern, war Jesus. Von ihm sind viele Gleichnisse überliefert. Sicherlich war es aber nicht seine Absicht, dass diese Gleichnisse auch nach 2000 Jahren wörtlich nacherzählt werden sollen, denn die Vorstellungswelt der Hörer hat sich ja völlig verändert. Stattdessen möchte er sicherlich, dass wir seinem Beispiel folgen und spontan Gleichnisse erfinden, um unsere Mitmenschen zum Umdenken und Einlenken zu bringen und ihnen letztlich damit zu einem besseren Leben zu verhelfen.

Wenn wir alte Parabeln nacherzählen, statt spontan neue zu erfinden, können wir aus zweierlei Gründen bei weitem nicht mit demselben Erfolg rechnen. Denn erstens passt die Parabel meistens nicht genau auf die Situation und zweitens wird der Hörer sofort abblocken, sobald er die Parabel wiedererkennt.

Stellen wir uns etwa vor, dass ein idealistisch gesonnener Deutscher mit einem Politiker der extremen Rechten debattiert. Es dauert natürlich nicht lange, da kommen sie auf das Thema der Flüchtlinge, die illegal das Mittelmeer überqueren, zu sprechen. Da sagt der Erstere dem Rechtsextremen: „Ich möchte Ihnen mal ein Gleichnis von einem barmherzigen Samariter erzählen…“

Er würde nicht weit kommen, denn der andere würde das Gleichnis vermutlich bereits kennen, ihn daher unterbrechen und sagen, das Gleichnis habe doch gar nichts mit der Situation zu tun, usw.

 

Würde es sich um eine Fernsehdebatte handeln, hätte der Gemäßigte vielleicht immerhin die Genugtuung, seinen Gegner vorgeführt zu haben, denn wenn dieser so eine allseits als Autorität anerkannte Parabel einfach so abtut, spricht das in den Augen vieler Menschen gegen ihn. Aber Jesus geht es ja nie darum, einen anderen Menschen bloßzustellen oder in die Enge zu treiben, sondern er will dessen Herz erobern. Im Sinne Jesu wäre es, wenn der Rechtsradikale dem anderen am Schluss die Hand reicht und sagt „Ich danke Ihnen, jetzt sehe ich vieles viel klarer und entspannter und kann ohne Hass an die Migranten denken“, während der andere entgegnet: „Auch ich danke Ihnen. Zum ersten Mal ist mir klar geworden, dass auch Sie Ihre Ängste haben und im Grunde nur etwas verbessern wollen.“ Jesus hatte immer die Absicht, die Menschen zum Umdenken zu bringen und damit letztlich das Leben aller Beteiligten zu verbessern und fordert uns auf, es ihm nachzutun.

Das habe ich mit meinen sicherlich bescheidenen literarischen Fähigkeiten gemacht und möchte diese Sammlung gerne anderen Menschen zugänglich machen, um diese Gleichnisse in gegebenen Situationen anwenden zu können, aber vor allem, um Anregungen und Mut zu bekommen, selber jederzeit weitere Parabeln passend zu einer Situation zu erfinden.


Die Stellvertreterin


Eine Frau wurde zu zwanzig Jahren Zuchthaus verurteilt. Sie litt unter vielfältigen Formen von Demütigungen, wurde von anderen Gefangenen geschlagen, gefoltert und vergewaltigt. Nach 18 Jahren kam heraus, dass es sich um einen Justizirrtum handelte und sie wurde freigelassen. Der Richter, der die Freilassung verfügt hatte, war voller Mitgefühl und schämte sich für die Justiz und fragte die Frau, ob es etwas gäbe, mit der man das erlittene Unrecht wiedergutmachen oder zumindest lindern könne. Sie antwortete: „Ich wünsche mir nichts mehr für mich selbst. Mein Leben ist fast vorbei, ich möchte nur nach Hause. Aber falls eines Tages eines meiner Kinder eine Straftat begehen sollte, sollten Sie sich bei der Bemessung des Urteils daran erinnern, was ich erlitten habe, und Milde walten lassen.“

Tatsächlich war ein Sohn durch die lange Abwesenheit der Mutter auf die “schiefe Bahn“ geraten, und er wurde eines Tages bei einem Raubüberfall gefasst. Als er nun vor dem Richter stand, sagte dieser: „Junger Mann, Sie wissen, dass Sie etwas sehr Schlimmes getan haben und eine langjährige Haftstrafe verdient haben. Aber in Anbetracht der Jahre, die Ihre Mutter bereits unschuldig verbüßt hat, erlasse ich Ihnen Ihre Strafe.“

(Viele Menschen, besonders in Deutschland, verstehen nicht, was es bedeutet, dass Jesus für uns am Kreuz gestorben ist und somit an unser Statt die Strafe auf sich genommen hat. Um eine Ahnung davon zu bekommen, hilft diese kleine Parabel vielleicht.)



Die erste Filmszene


In einem Dorf im Norden Brasiliens herrschte große Verzweiflung. Eine Dürre hatte seit drei Jahren die Ernte vernichtet und die Menschen besaßen nichts mehr, um sich und ihre Kinder zu ernähren. Da rief eines Tages ein amerikanischer Regisseur beim Bürgermeister des Dorfes an und erklärte diesem, dass er einen Film über den berühmten Missionar Bruder Pedro drehen wolle, der in diesem Dorf geboren worden war. Der Bürgermeister dachte an die hungernden Dorfbewohner und erreichte, dass der Regisseur ihm zusagte für die Genehmigung, einige Szenen an den Originalschauplätzen im Dorf drehen zu dürfen, 30 Männer und Frauen aus dem Dorf als Statisten oder sogar für kleine Nebenrollen zu engagieren, wofür sie je nach Rolle 1000 bis 5000 Dollar erhalten sollten. Der Regisseur kündigte dem Bürgermeister an, dass er am übernächsten Donnerstag etwa um 10 Uhr vormittags auf dem einsamen Hügel über dem Dorfe, wo der Missionar von einer jungen Hirtin unter freiem Himmel geboren worden war, eintreffen werde, um vor dieser Originalkulisse der ersten Filmszene die 30 Leute auszuwählen. Er bat den Bürgermeister sicherzustellen, dass mindestens 30 Leute zu dem Treffpunkt erscheinen, da unverzüglich nach einem kurzen Casting, um die 30 Geeignetsten auszuwählen, mit den Dreharbeiten begonnen werden solle.

Am Donnerstagvormittag waren bereits um 9 Uhr rund 80 Dorfbewohner auf den Hügel gestiegen, was fast zwei Stunden steilen Aufstiegs bedeutete. Aber die Aussicht in drei Tagen so viel Geld zu verdienen wie sonst in mehreren Jahren, lockte alle Dorfbewohner auf den Hügel. Es wurde 10 Uhr, 11 Uhr, Mittag, die Sonne brannte auf den unbewaldeten Hügel und von dem Regisseur und seinem Team fehlte jede Spur. Einige Männer hatten für sich und ihre Familie wenigstens eine Wasserflasche mitgenommen, aus der sie in kleinen Schlucken tranken. Sie hatten damit gerechnet, dass es bei einem Flug von den USA nach Rio, einem Anschlussflug in den Norden Brasiliens und einer umständlichen Anreise bis zu ihrem entlegenen Dorf sowie den Zollformalitäten für das ganze Filmgerät immer zu Verzögerungen kommen kann, die im Extremfalle sogar zum Verpassen des Anschlussfluges usw. führen können.

Die anderen Menschen, die völlig unbedacht ohne Wasser oder Nahrung losgezogen waren, baten nun die anderen um Wasser. Aber diese antworteten: “Wir haben nur eine Flasche für die ganze Familie, die in der Hitze kaum für uns reicht. Wenn wir das Wenige teilen, wird es für niemanden genug sein und am Abend werden wir so ausgezehrt sein, dass uns für die Dreharbeiten die Kraft fehlt. Da müsst ihr euch schon selber Wasser holen gehen.”

Der Nachmittag wurde immer heißer und schließlich blieb denjenigen, die so unklug ohne Vorkehrungen losgezogen waren, nichts anderes übrig, als ins Dorf hinunter zu wandern, um wenigstens vor Einbruch der Dunkelheit noch wieder den felsigen Wiederaufstieg zu bewältigen. Gerade als diese Leute nun ihren Durst im Dorf stillten und sich ebenfalls Wasserflaschen fertig machten, traf das Filmteam mit vier Hubschraubern ein. Der Regisseur sah die Schönheit der Landschaft mit der untergehenden Sonne und hatte spontan die Idee, diesen Sonnenuntergang mit den Bewohnern zu filmen. Deshalb war Eile geboten. In der Rekordzeit von 13 Minuten stand das Filmteam mit allen Kameras bereit. Der Regisseur verzichtete auf das Casting, verpflichtete auf der Stelle alle 36 Bewohner, die sich noch auf dem Hügel befanden und wenig später lagerten alle bereits im Halbkreis vor der untergehenden Sonne dem Missionar, der von einem amerikanischen Schauspieler gespielt wurde, in einer aufrüttelnden Rede zu lauschen.

Als zwei Stunden später die anderen fast 50 Bewohner eintrafen, weigerte sich der Regisseur, noch weitere Personen zu verpflichten, da er bereits genug hatte und außerdem die Darsteller sich nicht mitten in der Handlung des Filmes ändern können.

(Jesus hat eine ähnliche Parabel erzählt (siehe Matthäus 25), die uns ebenso dazu animieren soll, immer wachsam und auf ein Treffen mit Gott und besonders die Ankunft Jesu am Ende der Welt gefasst zu sein. Jesus wählte dazu die Geschichte von zehn Jungfrauen, die auf einen Bräutigam warten, so wie die Christen auf die Rückkehr Jesu warten. Da dieser Hochzeitsbrauch uns heute völlig unverständlich ist, hätte Jesu sicherlich in der heutigen Zeit ein ganz anderes Gleichnis erfunden, um den Zuhörern die Wichtigkeit der richtigen Vorbereitung nahezubringen.)


Sklaven


Es war einmal ein Land, in dem herrschten große Gegensätze; in einigen Gegenden herrschte Bürgerkrieg, in anderen Hunger. Aber es gab auch reiche Gegenden, doch auch hier waren die Menschen unglücklich, fanden keine rechten Ehepartner, benutzten Drogen, suchten das schnelle Vergnügen und fanden doch nur dumpfe Betäubung ihrer inneren Leere. Die meisten machten alles falsch, heirateten den falschen Lebenspartner, trafen andere fatale Entscheidungen und zerstörten so ihr Glück.

In diesem Land lebte ein wohlhabender Mann, der anders war, weil er in die Herzen und Gedanken der Menschen schauen konnte und darüber hinaus prophetische Gaben besaß. Daher hatte er für sich eine ideale Partnerin gefunden. In seinem Betrieb arbeiteten die ehrlichsten und besten Mitarbeiter und alles gelang ihm zum Besten. Davon profitierten ebenfalls seine Kinder, denen er die besten Ratschläge geben konnte, so dass sie in allem die richtigen Wege fanden. So hatten sie Spaß an ihrem Beruf, fanden gute Ehepartner und treue Freunde ohne jegliche Falschheit.

Der Mann besaß auch einige Sklaven und in seiner Güte behandelte er diese wie seine eigenen Kinder, und diese lebten in großem Glück und Zufriedenheit. Einige andere Menschen, die sich vergeblich abplagten, ohne ihr Glück zu finden, blickten neidisch auf diese, und eines Tages kam ein Mann auf eine spontane und verwegene Idee. Er fragte den reichen Mann, der diese übernatürlichen Gaben hatte: “Würdest du mich genauso bevorzugt behandeln, wenn ich dein Sklave wäre?” Und als die Antwort ja lautete, setzte er hinzu: “Gut, hiermit schenke ich mich dir, somit bin ich dein Sklave.”

Als sie sahen, dass das tatsächlich zum Erfolg führte, weil der Mann den neuen Sklaven tatsächlich wie einen Sohn behandelte und beschenkte und ihm zu Glück und Zufriedenheit verhalf, ahmten auch andere Menschen dieses nach und fanden dadurch ebenfalls Glück, Zufriedenheit und innere Ruhe. Die meisten Menschen allerdings ärgerten sich über diese Sache, weil sie glaubten, ihr Glück alleine finden zu müssen. Sie verspotteten die Sklaven und nannten sie Unfreie und Zwangsarbeiter, aber diese lächelten nur darüber. Weil die anderen Menschen aber im Grunde dennoch irgendwie spürten, dass die freiwilligen Sklaven tatsächlich sehr glücklich waren und letztlich viel freier als sie selbst, begannen viele, sie sogar zu hassen, und sie sprachen untereinander: “Diese Menschen sind gar nicht glücklich, sie heucheln nur.”

(Wer Gottes „Sklave“ und Kind geworden ist, den behütet er wie ein Vater oder eine Mutter, den erzieht er aber auch zum Guten. Und wenn das nicht anders möglich ist, auch mit Gewalt, damit das Kind keinen Schaden erleidet.)


Der Weinbergbesitzer und die Pächter


Ein mit der Zeit zu ansehnlichem Reichtum gelangter Weinbauer war in die Jahre gekommen und wollte sich zur Ruhe setzen. Damit seine Nachfolger gut zurechtkämen, investierte er in seinem letzten Jahr kräftig, ließ die Weinkeller renovieren, baute einen neuen, großen Weinkelter zum Auspressen der Trauben, erneuerte Mauern, Zäune und Gebäude. Dann vermietete er das Anwesen und zog sich mit seinem Fahrer, seinem Verwalter und einem Hausmädchen in sein großes Stadthaus zurück. Nach der nächsten Ernte, die reichlich ausgefallen war, schickte der Mann seinen Fahrer zu dem Weingut, um an die noch ausstehende Jahrespacht zu erinnern. Die Mieter aber reagierten patzig, der Streit eskalierte, es kam zu einem Handgemenge und die Mieter verprügelten den Fahrer.

Der Weinbauer war entsetzt. Er dachte sich aber: “Vielleicht hat der Fahrer irgendetwas Grobes gesagt, deshalb will ich lieber mein Hausmädchen schicken. Sie ist eine so liebe und sanfte Person, sie wird wohl kaum grob behandelt werden.” Die Mieter aber spotteten darüber, dass der Besitzer ein einfaches Hausmädchen schickte, misshandelten und vergewaltigten es und schickten es blutig und mit zerrissenen Kleidern heim.

Da sagte der Mann sich, dass er den Verwalter persönlich schicken müsse. Dieser ehrenwerte und studierte Mann würde ganz anders behandelt werden. So machte sich dieser trotz seines hohen Alters auf, um in Erfahrung zu bringen, aus welchem Grund die Mieter nicht zahlten. Die Mieter aber ergriffen den Greis ebenfalls und misshandelten ihn so sehr, dass er verstarb.

Da wurde der Weinbauer sehr traurig und sagte sich: “Ich würde gerne persönlich dorthin gehen, um mit den Mietern zu sprechen, aber ich bin alt und mein Fahrer ist immer noch verletzt.”

 

So rief er seinen Sohn an, der in einer benachbarten Stadt wohnte, und bat ihn, auf dem Weingut nach dem Rechten zu sehen. Der Weinbauer wusste, dass man seinem Sohn nichts tun würde, da die Familie durch ihren Reichtum und Einfluss sehr geehrt war und es ein Riesenskandal wäre, wenn jemand seinem Sohn etwas zuleide täte. Aber die Mieter waren so unbedacht und aggressiv, dass sie auch den Sohn erschlugen. “Jetzt hat der Weinbauer niemanden mehr, den er uns schicken kann”, freuten sie sich sogar noch. “Damit gehört das Weingut nun praktisch uns selbst!” Der Weinbauer aber rief die Polizei an. Und diese umzingelte das Weingut mit einer Hundertschaft, verhaftete alle Frauen und Männer, und deren Kinder landeten in Waisenheimen.

So führte Jesus seinen Zuhörern vor Augen, wie Gott in seiner Langmut Propheten schickt, die misshandelt werden, dann seinen Sohn schickt, der sogar getötet wird und so schließlich gezwungen ist, ein großes Kriegsheer gegen die aufmüpfigen Bewohner in seinem Land herbeizurufen, damit diese endlich ihr Unrecht erkennen. (Original in Matthäus, 21, 33ff)