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La San Felice Band 5

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»Ja, ich glaube,« stammelte die Königin.

»Haben Sie diesen Brief mit Ihren eigenen Augen gesehen, Madame?« fragte Nelson, indem er sein graues Auge auf die Königin heftete, als ob dieselbe eine ganz einfache gewöhnliche Frau wäre.

»Nein, der König hat es aber Acton gesagt,« entgegnete die Königin stammelnd. »Uebrigens aber, selbst wenn wir uns getäuscht haben sollten, oder wenn der Kaiser von Oesterreich uns getäuscht hätte, wäre dies für uns wohl Grund, zu verzweifeln?«

»Ich sage nicht gerade, daß wir Grund haben, zu verzweifeln, aber wohl fürchte ich, daß die neapolitanische Armee allein nicht stark genug wäre, den Anprall der Franzosen auszuhalten.«

»Wie, Sie glauben, daß die zehntausend Mann Franzosen des Generals Championnet sechzigtausend Mann Neapolitaner besiegen können, die von dem General Mack befehligt werden, der für den ersten Strategen Europas gilt?«

»Ich sage, Madame, daß der Ausgang jeder Schlacht zweifelhaft ist, daß das Schicksal Neapels von der abhängt, welche gestern geliefert worden; ich sage endlich, daß, wenn Mack unglücklicherweise geschlagen wäre, die Franzosen binnen vierzehn Tagen in Neapel sein würden.«

»Mein Gott, was sagen Sie da?«, murmelte Madame Adelaide erbleichend. »Wie? Wir sollten abermals genöthigt sein, wieder zum Pilgerstabe zu greifen? Hören Sie, meine Schwester, was Mylord Nelson sagt?«

»Ich höre es,« antwortete Madame Victoire mit einem Seufzer der Resignation. »Ich stelle aber unsere Sache dem Herrn anheim.«

»Dem Herrn? Das ist vom Standpunkt der Religion aus sehr gut gesagt; nach meiner Ansicht aber sind dem Herrn schon so viel Sachen, die der unseren gleichen, anheimgestellt, daß er nicht Zeit hat, sich damit zu beschäftigen.«

»Mylord, sagte die Königin zu Nelson, auf dessen Worte sie mehr Gewicht legte, als sie sich selbst merken lassen wollte; »Sie haben dann also eine sehr geringe Meinung von unsern Soldaten, wenn Sie glauben, daß sie nicht einmal sechs gegen einen die Republikaner schlagen können, welche Sie mit Ihren Engländern in gleicher, oft sogar in geringerer Zahl angreifen.«

»Auf dem Meere, ja, Madame, weil das Meer das Element der Engländer ist. Auf einer Insel geboren werden ist dasselbe, wie auf einem vor Anker liegenden Schiffe geboren werden. Auf dem Meere, dies sage ich dreist, nimmt ein englischer Seemann es mit zwei französischen auf, auf dem Lande aber ist es etwas Anderes. Das was die Engländer zur See sind, das sind die Franzosen zu Lande. Madame, Gott weiß, ob ich die Franzosen hasse! Gott weiß, ob ich geschworen habe, einen Vertilgungskrieg gegen sie zu führen! Gott weiß endlich, ob ich wünsche, daß Alles, was von dieser nichtswürdigen Nation, die ihren Gott verläugnet und ihrem König den Kopf abschneidet, noch übrig ist, in einem Schiffe wäre und daß ich mit dem armen »Vanguard«, so verstümmelt er auch ist, dieses Schiff entern könnte! Wenn man aber auch einen Feind verabscheut, so ist dies noch kein Grund, ihm nicht Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Haß ist nicht Verachtung. Wenn ich die Franzosen verachtete, so würde ich mir nicht die Mühe nehmen, sie zu hassen.«

»Aber, Mylord, sagte Emma mit einer jener anmuthigen verführerischen Kopfbewegungen, die nur ihr eigen waren, spielen Sie doch nicht die Rolle des Unglücksvogels! Die Franzosen werden zu Lande von dem General Mack eben so geschlagen werden, wie sie zur See von dem Admiral Nelson geschlagen worden sind. – So eben höre ich den Knall einer Peitsche, der uns neue Nachrichten verkündet. Hören Sie, Madame? Hören Sie, Mylord!? – Ganz gewiß ist das der Courier, den der König uns versprochen hat.«

Und in der That hörte man das wiederholte Knallen einer Peitsche sich rasch dem Schlosse nähern.

Es war nicht schwer zu errathen, daß das Knallen dieser Peitsche die schallende Musik war, wodurch die Postillone ihre Ankunft zu verkünden pflegen. Gleichzeitig aber – und dieser Umstand mußte etwas unerklärlich erscheinen – hörte man das Rollen eines Wagens. Dennoch erhoben sich Alle unwillkürlich und lauschten.

Acton that noch mehr. Er war von Allen offenbar am aufgeregtesten und wendete sich nach der Königin herum.

»Erlauben Euer Majestät, daß ich mich erkundige? fragte er.

Die Königin antwortete durch eine bejahende Kopfbewegung.

Acton eilte nach der Thür und heftete die Augen auf die Gemächer, durch welche die Meldung von dem Eintreffen eines Couriers oder der Courier selbst kommen mußte.

Man hatte das Rollen des Wagens gehört, welcher unter dem Gewölbe der großen Treppe Halt machte.

Plötzlich bewegte Acton, drei Schritte zurückprallend, sich wie ein Mensch, in dessen Auge sich eine unmögliche Erscheinung zeigt, rücklings wieder in den Saal herein.

»Der König!« rief er, »der König! Was soll das heißen?«

Neuntes Capitel.
Alles verloren und die Ehre mit

In der That trat beinahe gleichzeitig der König von dem Herzog von Ascoli gefolgt herein.

Einmal angelangt, und da es nun nichts mehr zu fürchten gab, hatte der König wieder seinen Rang angenommen und war vorangegangen.

Er befand sich in einer eigenthümlichen Gemüthstimmung. Der Verdruß, den ihm seine Niederlage einflößte, kämpfte in ihm mit der Freude, der Gefahr entronnen zu sein, und er empfand jenes ihm angeborene Bedürfniß zu spötteln, welches aber unter den jetzt obwaltenden Umständen ein immer bittreres ward.

Man nehme hierzu das physische Uebelbefinden eines Menschen oder vielmehr eines Königs, welcher fast ohne etwas zu essen an einem kalten Decembertage und in einer regnerigen Nacht sechzig Lieues in einem elenden Caleffino zurückgelegt hat.

»Brrr!« sagte er, indem eintrat und sich die Hände rieb, ohne wie es schien, von den anwesenden Personen Notiz zu nehmen; »hier ist es besser als auf der Straße von Albano. Was meinst Du dazu, Ascoli?«

Dann als die Gäste der Königin sich in Reverenzen erschöpften, fuhr er fort: »Guten Abend, guten Abend! Ich freue mich sehr, die Tafel gedeckt zu finden. Seit Rom haben wir auch nicht einen einzigen Bissen Fleisch genossen. Nichts als Brod und Käse! Pfui über die schlechten Wirthshäuser meines Königreichs! Wie beklage ich die armen Teufel, welche darauf angewiesen sind! Zu Tische, Ascoli, zu Tische! ich habe Hunger wie ein Wolf!«

Und der König setzte sich zur Tafel, ohne sich darum zu kümmern, ob er Jemanden seinen innegehabten Platz wegnähme.

Ascoli mußte sich neben ihn setzen.

»Sire, würden Sie wohl die Güte haben, meine Unruhe zu beschwichtigen?«, sagte die Königin, indem sie sich ihrem erhabenen Gemahl näherte, von welchem der Respect alle Uebrigen fern hielt.

»Darf ich fragen, welchem Umstande ich das Glück dieser unerwarteten Rückkehr verdanke?«

»Madame, Sie haben mir, glaube ich San Nicandro ist es wenigstens nicht gewesen – die Geschichte von Franz dem Ersten erzählt, welchen ach, ich weiß nicht welcher Schlacht als Gefangener, ich weiß nicht welches Kaisers, an seine Frau Mutter einem langen Brief schrieb, welcher mit der schönen Redensart endete: Alles verloren, nur die Ehre nicht. Wohlan, nehmen Sie an, ich käme von Pavia – so hieß die Schlacht, wie mir eben einfällt – nehmen Sie an, ich käme von Pavia und sagte, weil ich nicht so dumm gewesen bin, mich gefangen nehmen zu lassen, wie der König Franz der Erste, anstatt Ihnen zu schreiben, mündlich –«

»Alles verloren, nur die Ehre nicht?« rief die Königin erschrocken.

»O nein, Madame,« sagte der König mit schneidendem Gelächter; »die Redensart gestaltet sich ein klein wenig anders und heißt in unserem Falle: Alles verloren und die Ehre mit.«

»O Sire!«, murmelte Ascoli, welcher als Neapolitaner sich dieses Cynismus des Königs schämte.

»Wenn die Ehre nicht verloren ist, Ascoli,« sagte der König, indem er die Stirn runzelte und mit den Zähnen knirschte – ein Beweis, daß er für die Situation nicht so unempfindlich war, als er sich stellte – »wonach liefen denn jene Leute, welche so schnell rannten, daß es mir trotz eines Trinkgeldes von anderthalb Ducato die größte Mühe gekostet hat, sie zu überholen? Nach der Schande!«

Niemand wagte zu sprechen und es herrschte eisiges Schweigen, denn ohne noch etwas zu wissen, muthmaßte man schon Alles.

Der König saß, wie wir schon gesagt haben, und hatte den Herzog von Ascoli neben sich Platz nehmen lassen. Die Gabel ausstreckend, nahm er von der vor ihm stehenden Schüssel einen gebratenen Fasan, schnitt ihn in zwei Theile und legte die eine Hälfte auf seinen Teller und die andere Hälfte auf den Ascolis.

Dann sah er sich um und bemerkte, daß Alle standen, selbst die Königin.

»Setzen Sie sich doch! setzen Sie sich doch!«, sagte er. »Wenn Sie schlecht soupirt haben, werden die Dinge deswegen nicht besser gehen.«

Er schenkte sich ein Glas Bordeauxwein ein und schob dann die Flasche Ascoli hin.

»Auf die Gesundheit des Generals Championnet!« rief der König. »Das nenne ich einen Mann von Wort! Er hatte den Republikanern versprochen, noch vor dem zwanzigsten Tage wieder in Rom zu sein, und er wird schon den siebzehnten dahin zurückgekehrt sein. Er verdiente diesen vortrefflichen Bordeauxwein zu trinken, während mir von Rechtswegen eigentlich weiter nichts zukäme, als elender Asprino.«

»Wie, Sire, was sagen Sie?« rief die Königin. »Championnet ist in Rom?«

»So gewiß als ich in Caserta. Nur ist er vielleicht dort nicht besser empfangen worden als ich hier.«

»Wenn Sie nicht besser empfangen worden sind, Sire, wenn man Ihnen nicht den Empfang bereitet hat, zu welchem Sie berechtigt sind, so müssen Sie es auf Rechnung des Erstaunens bringen, in welches uns Ihre Gegenwart in dem Augenblick versetzt hat, wo wir das Glück, Sie wieder zu sehen, so wenig erwarteten. Vor kaum erst drei Stunden empfing ich einen Brief von Ihnen, welcher mir einen Courier versprach, der mir-Nachrichten von der Schlacht bringen sollte.«

 

»Nun, Madame,« entgegnete der König, »dieser Courier bin ich selbst und die Nachricht ist: »Wir sind aufs Haupt geschlagen!« Was sagen Sie dazu, Mylord Nelson, Sie, der Sieger aller Sieger?«

»Eine halbe Stunde zuvor, ehe Euer Majestät anlangte, gab ich meine Befürchtungen in Bezug auf eine Niederlage zu erkennen.«

»Aber Niemand wollte daran glauben, Sire, setzte die Königin hinzu.

»So ist es mit der Hälfte aller Prophezeiungen und gleichwohl ist Mylord Nelson in seinem Vaterlande, kein Prophet. Auf alle Fälle war er es, der Recht hatte, und die Andern hatten Unrecht.«

»Aber, Sire, die vierzigtausend Mann, mit welchen der General Mack, wie er sagte, die zehntausend Republikaner Championnets zermalmen wollte!«

»Wie es scheint, ist Mack kein so guter Prophet wie Mylord Nelson, und die zehntausend Republikaner Championnets haben im Gegentheile die vierzigtausend Mann des Generals Mack zermalmt. Sage, Ascoli, wenn ich bedenke, daß ich an den Papst geschrieben, er solle auf Cherubimsittigen kommen, um mit mir in Rom das Osterfest zu feiern! Ich hoffe, daß er sich nicht allzusehr beeilt haben wird, die Einladung anzunehmen. Geben Sie mir einmal diese Wildschweinskeule her, Castelcicala. Von einem halben Fasan wird man nicht satt, wenn man seit vierundzwanzig Stunden so gut wie nichts gegessen hat.«

Dann wendete er sich zu der Königin und fragte sie:

»Haben Sie noch weitere Fragen an mich zu richten, Madame?«

»Noch eine letzte, Sire.«

»Heraus damit!«

»Ich möchte Eure Majestät fragen, zu welchem Zwecke diese Maskerade –«

Und Caroline zeigte auf Ascoli mit seinem gestickten Rock, seinen Kreuzen und Ordensbändern.

»Was für eine Maskerade meinen Sie?«

»Der Herzog von Ascoli ist ja als König gekleidet!«

»Ah, ganz richtig! Und der König als Herzog von Ascoli. Vor allen Dingen aber setzen Sie sich. Es ist mir lästig, wenn ich dasitze und esse, während Sie Alle um mich herumstehen, besonders Ihre königlichen Hoheiten,« sagte der König, indem er sich erhob und sich gegen die beiden alten Prinzessinnen verneigte.

»Sire,« sagte Madame Victoire, »von welcher Art auch die Umstände sein mögen, unter welchen wir Sie wiedersehen, so können doch Eure Majestät überzeugt sein, daß wir uns glücklich schätzen, Sie wiederzusehen.«

»Ich danke, ich danke. Wer ist denn jener schöne junge Lieutenant dort, der sich erlaubt, meinem Sohne ähnlich zu sehen?«

»Einer von den sieben Garden, welche Sie den königlichen Prinzessinnen gestattet haben,« sagte die Königin.

»Herr von Cesare ist von guter corsischer Familie, Sire, und übrigens adelt die Epaulette.«

»Dafern nämlich der, welcher sie trägt, sie nicht schändet. Wenn das, was Mack mir gesagt hat, wahr ist, so gibt es in meiner Armee eine niedliche Menge Epauletten, welche auf andere Schultern gehören. Dienen Sie meinen Cousinen gut, Herr von Cesare, und wir werden Ihnen ein Paar dieser Epauletten aufheben.«

Der König forderte die Gesellschaft durch eine Handbewegung nochmals auf Platz zu nehmen, und man setzte sich, obschon Niemand aß.

»Und nun,« sagte Ferdinand zur Königin, »Sie fragten mich, warum Ascoli als König gekleidet wäre, und warum ich mich als Ascoli gekleidet hätte? Ascoli wird Ihnen dies erzählen. Erzähle, Herzog, erzähle!«

»Nicht mir kommt es zu, Sire, mich der Ehre zu rühmen, welche Euer Majestät mir erzeigt hat.«

»Er nennt das eine Ehre! Armer Ascoli! Wohlan, ich will Ihnen selbst die Ehre erzählen, die ich ihm angethan. Denken Sie sich, es fiel mir ein, daß diese elenden Jakobiner gesagt hatten, sie würden mich aufknüpfen, wenn ich ihnen in die Hände fiele.«

»Ach, das wäre ihnen wohl zuzutrauen!«

»Sehen Sie, Madame, Sie sind auch dieser Meinung! Wohlan, da wir uns gleich so wie wir waren aufmachen mußten, weil wir keine Zeit hatten, uns zu verkleiden, so sagte ich in Albano zu Ascoli: Gib mir deinen Rock und nimm den meinigen, damit, wenn diese Schurken von Jakobinern uns anhalten, sie glauben, Du seiest der König, und mich fliehen lassen. Wenn ich dann in Sicherheit bin, wirft Du ihnen erklären, daß Du nicht der König bist! Ein Umstand aber, an welchen der arme Ascoli nicht gedacht hatte, setzte der König, in ein lautes Gelächter ausbrechend, hinzu, »ist der, daß, wenn wir gefangen genommen worden wären, unsere Feinde ihm gar nicht Zeit gelassen haben würden, sich zu erklären, sondern ihn vor allen Dingen gehängt hätten, um seine Auseinandersetzungen später zu hören.«

»O doch, Sire, ich hatte daran gedacht,« antwortete der Herzog einfach, »und eben deshalb ging ich auf den Vorschlag ein.«

»Du hattest daran gedacht?«

»Ja, Sire.«

»Und trotzdem nahmst Du meinen Vorschlag an?«

»Eben deswegen nahm ich ihn an, wie ich bereits die Ehre gehabt, Euer Majestät zu sagen,« entgegnete Ascoli sich verbeugend.

Der König fühlte sich abermals gerührt von dieser so einfachen und edlen Hingebung. Ascoli war von seinen Höflingen der, welcher am wenigsten von ihm verlangt, und für welchen es ihm folglich niemals eingefallen war, etwas zu thun.

»Ascoli,« sagte der König, »ich habe Dir schon gesagt, und ich wiederhole, Du wirst diesen Rock behalten, so wie er ist, mit allen Ordensbändern und Kreuzen zum Andenken an den Tag, wo Du Dich erbotest, deinem König das Leben zu retten, und ich, ich werde, ebenfalls zum Andenken an diesen Tag deinen Rock behalten. Wenn Du jemals eine Gnade von mir zu erbitten oder mir einen Vorwurf zu machen hast, Ascoli, so wirst Du diesen Rock anziehen und zu mir kommen!«

»Bravo, Sire,« rief Cesare, »das nenne ich eine Belohnung!«

»Ei, ei, junger Mann,« sagte Madame Adelaide, »Sie vergessen wohl, daß Sie die Ehre haben, mit dem König zu sprechen?«

»Ich bitte um Verzeihung, Hoheit! Niemals habe ich mich dessen lebhafter erinnert, denn niemals habe ich einen König größer gesehen.«

»Ah!ah!«, sagte Ferdinand, »in diesem jungen Manne steckt etwas Gutes. Komm einmal her! Wie heißest Du?«

»Don Cesare, Sire.«

»Cesare, ich habe Dir schon gesagt, daß Du ein Paar Epauletten verdienen könntest, die ich vielleicht Ursache haben werde, einem Feigling von den Schultern reißen zu lassen. Du sollst aber nicht bis dahin warten und ich werde Dir diese Schmach nicht zumuthen. Ich ernenne Dich schon jetzt hiermit zum Capitän. Acton, Sie werden darauf sehen, daß ihm morgen ein Patent ausgefertigt werde, und demselben eine Gratification von tausend Ducati beifügen.«

»Welche Eure Majestät mir wohl erlauben, mit meinen Cameraden zu theilen?«

»Du wirst thun, wie Du wünschet, auf alle Fälle aber stellst Du Dich mir morgen mit den Insignien deines neuen Grades vor, damit ich mich überzeugen kann, daß meine Befehle ausgeführt worden sind.«

Der junge Mann verneigte sich, und kehrte, sich rückwärts bewegend, auf einen Platz zurück.

»Sire,« sagte Nelson, »erlauben Sie mir, Ihnen meinen Glückwunsch darzubringen. Sie sind diesen Abend zweimal König gewesen.«

»Rechnen Sie das auf die Tage, wo ich vergesse, es zu sein, Mylord,« antwortete Ferdinand mit jenem Ausdruck, welcher zwischen Spott und Gutmüthigkeit schwankte und es so schwer machte, sich ein richtiges Urtheil über ihn zu bilden.

Dann wendete er sich zu dem Herzog und sagte:

»Nun, Ascoli, damit wir wieder auf unsern Gegenstand zurückkommen – ist der Handel abgeschlossen?«

»Ja, Sire, und die Dankbarkeit ist ganz auf meiner Seite,« antwortete Ascoli. »Nur möchte ich Eure Majestät bitten, mir eine kleine Tabatière von Schildkrot zurückzugeben, auf welcher sich das Porträt meiner Tochter befindet und die in der Tasche meiner Weste steckt. Ich werde dafür meinerseits jenen Brief von Sr. Majestät dem Kaiser von Oesterreich herausgeben, welchen Sie, Sire, in die Tasche steckten, nachdem Sie blos die erste Zeile davon gelesen.«

»Das ist wahr; ich entsinne mich. Gib her, Herzog.«

»Hier ist der Brief, Sire.«

Der König nahm den Brief aus den Händen Ascoli's und öffnete ihn mechanisch.

»Unser Schwiegersohn befindet sich doch wohl?« fragte die Königin mit einer gewissen Unruhe.

»Ich hoffe es. Uebrigens werde ich es Ihnen sogleich jagen, denn dieser Brief ward mir, wie Ascoli eben bemerkt hat, in dem Augenblicke zugestellt, wo ich zu Pferde stieg.«

»So daß Sie,« fuhr die Königin fort, »nur die erste Zeile davon gelesen haben?«

»Ja, die erste Zeile, welche mir zu meinem siegreichen Einzug in Rom Glück wünscht. Da der Augenblick hierzu übel gewählt war, weil ich ja eben im Begriff stand, Rom auf eben nicht sonderlich siegreiche Weise zu verlassen, so hielt ich es nicht für gerathen, mit dem Lesen dieses Briefes lange Zeit zu verlieren. Jetzt ist es etwas Anderes und wenn Sie erlauben, so will ich –«

»Thun Sie es, Sire,« sagte die Königin sich verneigend.

Der König fing an zu lesen. Bei der zweiten oder dritten Zeile aber veränderten sich seine Züge plötzlich und gewannen einen finstern Ausdruck.

Die Königin und Acton wechselten einen Blick und ihre Augen hefteten sich begierig auf diesen Brief, welchen der König fortfuhr still und mit steigender Aufregung zu lesen.

»Aber, sagte der König, »beim heiligen Januarius, das ist seltsam und wenn die Furcht mich nicht geblendet hat –«

»Aber was gibt es denn, Sire?« fragte die Königin.

»Nichts, Madame, nichts. Seine Majestät der Kaiser theilt mir eine Nachricht mit, auf welche ich nicht gefaßt war. Das ist Alles.«

»Nach dem Ausdruck Ihres Gesichts, Sire, fürchte ich, daß es eine schlimme Nachricht sei.«

»Und Sie irren sich durchaus nicht, wenn Sie dies glauben, Madame. Wir haben heute unsern Tag. Sie wissen, es gibt ein Sprichwort, welches sagt: Die Raben fliegen in Schwärmen. Wie es scheint, machen die schlimmen Nachrichten es eben so wie die Raben.«

In diesem Augenblicke näherte sich ein Lakai dem König, neigte sich zu seinem Ohr herab und sagte:

»Sire, die Person, nach welcher Euer Majestät, als Sie aus dem Wagen stiegen, fragen ließen, und welche zufällig in San Leucio war, erwartet Euer Majestät in Ihrem Gemach.«

»Gut, gut,« antwortete der König. »Ich komme sogleich. Warte. Erkundige Dich, ob Ferrari – nicht wahr, er war es, der die letzte Depesche brachte?«

»Ja, Sire?«

»Wohlan, erkundige Dich, ob er noch hier ist.«

»Ja, Sire, er wollte wieder abreisen, als er Ihre Ankunft erfuhr.«

»Gut. Sage ihm, er solle sich nicht von der Stelle rühren. In einer Viertel- oder halben Stunde werde ich seiner bedürfen.«

Der Lakai entfernte sich.

»Madame,« sagte der König, »Sie werden mich entschuldigen, wenn ich Sie verlasse. Ich brauche Ihnen nicht erst zu sagen, daß ich nach der etwas forcierten Fahrt, die ich gemacht, der Ruhe bedarf.«

Die Königin verneigte sich zum Zeichen der Zustimmung.

Der König wendete sich hierauf an die beiden alten Prinzessinnen, welche, seitdem sie den Stand der Dinge kannten, nicht aufgehört hatten mit einander zu flüstern, und sagte:

»Meine Damen, gern hätte ich Ihnen eine sicherere und besonders dauerndere Gastfreundschaft angeboten, auf alle Fälle aber und selbst wenn Sie genöthigt wären, mein Königreich zu verlassen und es Ihnen nicht beliebte, dahin zu kommen, wohin wir vielleicht genöthigt werden zu gehen, so würde ich doch für Ihre königlichen Hoheiten keine Besorgnisse hegen, so lange Sie den Capitän Cesare und eine Cameraden zur Leibgarde haben.«

Dann setzte er, zu Nelson gewendet, hinzu:

»Mylord Nelson, morgen oder vielmehr heute werde ich Sie wiedersehen, nicht wahr? Unter den Umständen, in welchen ich mich befinde, muß ich die Freunde kennen lernen, auf welche ich rechnen kann, und bis zu welchem Grade ich auf dieselben rechnen kann.«

Nelson verneigte sich.

»Sire,« entgegnete er, »ich hoffe, Euer Majestät hat an meiner Hingebung und der Freundschaft meines erhabenen Souveräns, so wie der Unterstützung, welche die englische Nation Ihnen zu leisten bereit ist, niemals gezweifelt und wird auch nie daran zweifeln.«

Der König machte eine Geberde, welche gleichzeitig bedeutete: »Ich danke, und: »Ich rechne auf Ihr Versprechen.«

Dann näherte er sich Ascoli und sagte zu diesem:

»Dir, mein Freund, danke ich nicht. Du hast, wenigstens nach deiner Meinung, etwas so Einfaches gethan, daß es nicht der Mühe verlohnt, davon zu sprechen.«

Zuletzt wendete er sich zu dem Gesandten Englands herum.

»Sir William Hamilton, fuhr er fort, »entsinnen Sie sich noch, daß ich mir in dem Augenblick, wo dieser unglückliche Krieg beschlossen ward, ebenso wie Pilatus von Allem, was daraus entstehen könnte, die Hände wusch?

»Ich entsinne mich dessen recht wohl, Sire. Es war der Cardinal Ruffo, welcher Ihnen dabei das Waschbecken hielt,« antwortete Sir William.

 

»Wohlan, komme was da wolle, so geht es mich nichts mehr an. Es geht blos Die an, welche Alles gemacht haben, ohne mich zu Rathe zu ziehen und die da, wo sie mich zu Rathe gezogen, meinen Rathschlägen kein Gehör geschenkt haben.«

Nachdem er noch einen vorwurfsvollen Blick auf die Königin geworfen, entfernte er sich.

Die Königin ging rasch auf Acton zu.

»Haben Sie gehört, Acton?«, sagte sie.

»Er nannte, nachdem er den Brief des Kaisers gelesen, den Namen Ferrari.«

»Das hörte ich allerdings auch, Ferrari weiß aber nichts. Es geschah ja Alles während seiner Ohnmacht und seines Schlafes.«

»Gleichviel. Es wird für uns gerathen sein, uns dieses Menschen zu entledigen.