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La San Felice Band 10

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Nur drei Mann wurden von der Strömung mit fortgerissen, aber durch Schiffer von Pizzo wieder gerettet.

In dem Augenblick, wo der Cardinal das entgegengesetzte Ufer erreichte, kam ein Bote mit verhängtem Zügel und ganz mit Koth bespritzt auf ihn zugesprengt, um ihm zu melden, daß die Stadt Cotrone am Tage vorher, am 22. März, genommen worden sei.

Diese Mittheilung ward mit dem lauten Rufe: »Es lebe der König! es lebe die Religion!« begrüßt.

Der Cardinal setzte seinen Weg in forcirten Tagmärschen weiter fort und kam über Cutro am zweiten Osterfeiertage in Sicht von Cotrone.

Die Stadt rauchte an mehreren Stellen und hier und da bemerkte man sogar noch helle Flammen.

Als der Cardinal näher kam, hörte er Schüsse und lautes Geschrei, welches ihm verrieth, daß seine Gegenwart dringend nothwendig war.

Er setzte sein Pferd in Galopp, kaum hatte er aber das Stadtthor hinter sich, so machte er entsetzt Halt.

Die Straßen waren mit Leichen besäet, die verwüsteten Häuser hatten weder Thüren noch Fenster mehr und einige, wie wir bereits bemerkt brannten noch.

Verweilen wir einen Augenblick bei Catrone dessen Zerstörung eine der schmerzlichsten Episoden jenes unheilvollen Krieges war.

Cotrone, über dessen Namens fünfundzwanzig Jahrhunderte hingegangen sind und in dieser Zeit blos einen Buchstaben von seinem ursprünglichen Platze verrückt haben, ist das alte Kroton oder Crotone, die Nebenbuhlerin von Sybaris. Es war die Hauptstadt einer der ältesten Republiken Großgriechenlands in dem Brutium. Die Reinheit seiner Sitten, die Weisheit seiner Instructionen, welche man dem Pythagoras verdankte, welcher hier eine Schule gründete, machte es zur Feindin von Sybaris.

Kroton war der Geburtsort mehrerer berühmten Athleten, unter andern des berühmten Milo, welcher wie Martin (du Nord) und Mathieu (de la Drôme), wenn auch nicht aus dem Departement, doch aus der Stadt, wo er geboren war, ein Anhängsel an seinen Namen machte.

Er war es, der sich den Kopf mit einem Strick umschnürte und diesen dann durch Aufblähen der Schläfe sprengte. Er war es, der einen Stier im Geschwindschritt um den ganzen Circus herumtrug, dann durch einen einzigen Faustschlag tödtete und im Laufe des Tages aufaß.

Der berühmte Arzt Democetes, welches am Hofe des Polykrates von Samos, jenes allzuglücklichen Tyrannen, der die Ringe, welche er ins Meer warf, in dem Bauche der Fische wiederfand, lebte, war ebenfalls von Kroton ebenso wie jener Alkmäon, ein Schüler des Amyntas, welcher ein Buch über das Wesen der Seele und mehrere medicinische Abhandlungen schrieb, und der Erste war, welcher Schweinen und Affen die Leiber aufschnitt, um sich von dem Bau des menschlichen Körpers Kenntniß zu verschaffen.

Kroton ward von Pyrrhus verwüsten, van Hannibal genommen und von den Römern, welche hier eine Colonie anlegten, wieder erobert.

Zu der Zeit, bei welcher wir in unserer Erzählung angelangt sind, war Cotrone nur noch eine Art Marktflecken, hatte aber nichtsdestoweniger den Namen seiner Ahnherrin bewahrt. Es hatte einen kleinen Hafen, ein Schloß an der Küste, Ueberreste von Festungswerken und Mauern, welche es zu einem festen Platze machten.

Da die Republikaner hier die Mehrzahl bildeten, so sah die königliche Garnison in dem Augenblicke, wo die Revolution zum Ausbruch kam, sich genöthigt, mit ihnen in Unterhandlung zu treten. Der Commandant Foglia war abgesetzt und als Royalist festgenommen worden. Zu seinem Nachfolger wählte man den Capitän Ducarne, der, als des Patriotismus verdächtig, im Gefängniß saß. In Folge eines in derartigen Umständen sehr häufig vorkommenden Wechsels hatte Foglia, den er auf seinem Posten als Commandant ersetzt, ihn dagegen in seinem Kerker ersetzt.

Zu dieser Garnison, auf welche man nicht allzusehr rechnen durfte, gesellten sich sämtliche Patrioten, welche vor Ruffo und Cesare die Flucht ergriffen, sich in Cotrone vereinigt und hier eingeschlossen hatten, ebenso wie die zweiunddreißig Franzosen, die, wie wir bereits bemerkt, aus Aegypten gekommen waren.

Diese zweiunddreißig Franzosen waren die eigentliche Widerstand leistende Kraft der Stadt, und der Beweis hiervon lag darin, daß von diesen zweiunddreißig Mann nicht weniger als fünfzehn sich tödten ließen.

Die von dem Cardinal gegen Cotrone abgesendeten zweitausend Mann vermehrten sich unterwegs auf förmlich lawinenhafte Weise. Sämtliche Bauern in der Umgebung von Cotrone und Catanzaro, welche eine Flinte tragen konnten, nahmen diese Flinte auf die Schulter und schlossen sich der Expedition an. Ueberdies lag, abgesehen von der sanfedistischen Armee, eine große Masse jener bewaffneten Individuen, welche sich bei jeder Gelegenheit und zu jeder Zeit zusammenfinden, in der Nähe von Cotrone und wartete auf den Augenblick, wo der Streich ausgeführt werden konnte, während sie sich mittlerweile und um nur etwas zu thun, die Zeit damit vertrieb, daß sie die Verbindungen und den Verkehr der Stadt mit den Dörfern abschnitt, und die besten Positionen einnahm.

Am Morgen des grünen Donnerstags, am 21. März ward der Parlamentär-Officier, Capitän Dardano, von dem Anführer der royalistischen Expedition nach Cotrone beordert.

Die Cotronesen empfingen ihn, nachdem sie ihm die Augen verbunden. Er zeigte nun seine von dem Cardinal unterzeichneten Beglaubigungsschreiben vor, beging dabei aber vielleicht einen Verstoß gegen die Etikette, denn man warf ihn ins Gefängniß, stellte ihn vor eine Militärcommission und verurtheilte ihn zum Tode, weil er gegen die Republik brigandirt habe.

Das Zeitwort brigandiren ist neapolitanischen Ursprungs, und man wird uns erlauben, es unübersetzt anzuwenden, weil es sich wirklich durch kein anderes wiedergeben läßt.

Als die Sanfedisten sahen , daß ihr Parlamentär nicht zurückkam, und als sie auch auf die an die Stadt erlassene Aufforderung sich zu ergeben, keine Antwort erhielten, so beschlossen sie keinen Augenblick länger zu verlieren, sondern den Capitän Dardano, wenn er nach lebte, zu retten, oder wenn er todt wäre, zu rächen.

Demzufolge nahmen sie ihre Zuflucht wieder zu ihrem Führer Pansanera, gruppierten sich um ihn, gaben ihm, um größerer Sicherheit willen, einen Mann aus der dortigen Gegend bei und rückten, so geführt, während einer finstern Nacht bis unter die Mauern der Stadt, wo sie auf der Nordseite eine vortheilhafte Stellung einnahmen.

Sie benutzten die Dunkelheit noch weiter, um ihre wenigen Geschütze nachkommen zu lassen und aufzupflanzen.

Nur zwei Compagnien Linientruppen zeigend, versteckten sie die Freiwilligen, das heißt eine Masse von drei. bis viertausend Mann, in den Vertiefungen des Terrains, ohne sich um den Regen, welcher in Strömen goß, weiter zu kümmern, als daß sie ihre Patrontaschen und die Schlösser ihrer Gewehre möglichst trocken zu erhalten suchten.

So blieben sie die ganze Nacht zum Charfreitag.

Mit Tagesanbruch ließ der Commandant der Expedition, Oberlieutenant Perez, als Herausforderung zum Kampfe einige Hohlkugeln und Granaten in die Stadt werfen.

Bei dem Getöse, welches das Platzen dieser Wurfgeschosse verursachte, und beim Anblick der beiden ruhig, ungedeckt dastehenden Compagnie Linie glaubten die Crotonesen, der Cardinal, von dessen Anmarsch sie unterrichtet gewesen, stünde mit einer ganzen regulären Armee vor ihren Mauern.

Man wußte, daß die in schlechtem Zustand befindliche Festung nur einen sehr mittelmäßigen Widerstand würde leisten können.

Es versammelte sich demzufolge ein Kriegsrath bei dem französischen Oberstlieutenant, welcher laut und offen erklärte, es gäbe nur zwei Dinge zu ergreifen, und hinzusetzte, daß er in seiner Eigenschaft als Fremder sich der Majorität anschließen würde.

Diese beiden Entscheidungen waren:

Entweder mußte man die Anträge, welche der Cardinal durch seinen Parlamentär gestellt, annehmen, in welchem Falle der Parlamentär augenblicklich in Freiheit gesetzt werden mußte.

Oder man mußte einen kräftigen Ausfall machen und die Briganden vertreiben, sofort auf den Wällen Platz nehmen und hinter ihnen einen verzweifelten Widerstand leistend die französische Armee erwarten, welche, wie man sagte, auf dem Marsch nach Calabrien war.

Man hatte sich für die letztere entschieden. Der französische Oberstlieutenant erklärte sich damit einverstanden und Alles machte sich zu dem Ausfall fertig, von dessen Erfolg die Rettung oder der Fall der Stadt abhängen mußte.

Demzufolge rückten an demselben Tage um neun Uhr Morgens mit Trommelschlag und mit brennender Lunte die Republikaner aus der Stadt.

Die Royalisten ihrerseits, welche nur eine schmale Front darboten und drei Viertheile ihrer Streitmacht verbargen hielten, ließen ganz ruhig ein Manöver ausführen, durch welches die Republikaner sie zu umzingeln glaubten.

Kaum aber hatte von beiden Seiten das Geschützfeuer begonnen, als die versteckten Massen, welche ihren Schlachtplan nach den Rathschlägen Pansanera’s entworfen, rechts und links hervorbrachen, während die beiden Compagnien Linie und die Artillerie das Centrum bildeten und den Republikanern die Spitze boten.

Von dem abschüssigen Terrain begünstigt, stürzten sich die beiden Flügel im Sturmschritt auf die Flanke der Republikaner und gaben, als sie sich bis auf halbe Schußweite genähert, rechts und links eine Salve, welche in Folge der Geschicklichkeit der Schützen eine furchtbare Wirkung äußerte.

Die Patrioten sahen auf den erstere Blick den Hinterhalt, in welchen sie gefallen waren, und da es hier weiter keine Wahl gab, als sich auf der Stelle niedermachen zu lassen und die Stadt dem Feinde preiszugeben oder einen raschen Rückzug zu bewirken und die Niederlage, welche man erfahren, hinter den Mauern wieder gut zu machen zu suchen, so entschlossen sie sich zu Letzterem und der Befehl zum Rückzug ward gegeben.

Da die Patrioten jedoch umzingelt waren, so konnte dieser Rückzug nur in der größten Unordnung und Hast bewirkt werden. Sie mußten ihre Artillerie zurücklassen und wurden so dicht verfolgt, daß, da Pansanera und sieben oder acht seiner Leute gleichzeitig mit diesen an dem Stadtthore anlangten, die Zugbrücke nicht aufgezogen werden konnte.

 

Die Republikaner konnten selbst das Thor, durch welches sie zurückkehrten, nicht verschließen, und da die Sanfedisten sich zu Herren desselben machten, so waren erstere gezwungen, die Stadt aufzugeben und sich in die Citadelle zu werfen.

Da das Thor offen geblieben und ohne Vertheidigung war, so stürzten die Sanfedisten hinein und schossen auf Alles, was ihnen in den Weg kam, Männer, Frauen, Kinder, ja selbst auf Thiere, und verbreiteten Schrecken und Entsetzen nach allen Seiten.

Sobald jedoch wieder ein wenig Ordnung hergestellt war, vereinigten sich die isolierten Streitkräfte und agierten gemeinschaftlich gegen die Citadelle.

Die Angreifer begannen damit, daß sie sich aller in der Nähe gelegenen Häuser bemächtigten und aus allen Fenstern derselben das Feuer eröffneten.

Während aber zwischen den regulären Truppen und den Vertheidigern des Schlosses dieses Kleingewehrfeuer gewechselt ward, rückten die beiden Compagnien Linientruppen in die Stadt, pflanzten ihre Artillerie auf und eröffneten das Feuer ihrerseits.

Der Zufall wollte, daß eine Haubitze den Stock der republikanischen Fahne knickte und das Banner mit den drei neapolitanischen Farben, welches man auf der Citadelle aufgepflanzt, herabwarf.

Bei diesem Anblick glaubte die alte königliche Garnison, die sich den Patrioten nur wider Willen angeschlossen, es sei dies für sie ein Wink vom Himmel, wieder royalistisch zu werden.

Demgemäß kehrte sie sofort ihre Waffen gegen die Republikaner und die Franzosen, ließ die Zugbrücke der Citadelle nieder und öffnete die Thore.

Die beiden Compagnien Linie drangen sofort in die Citadelle ein, und die auf siebzehn Mann zusammengeschmolzenen Franzosen wurden mit den Patrioten in dieselbe Citadelle eingeschlossen, in welcher sie ein Asyl gesucht.

Der zum Tode verurtheilte Dardano, an welchem aber das Urtheil noch nicht vollzogen worden, ward in Freiheit gesetzt.

Von diesem Augenblicke an war die Stadt Cotrone allen Schrecknissen eines mit Sturm genommenen Platzes, das heißt dem Mord, der Plünderung, der Schändung und der Brandstiftung preisgegeben.

Der Cardinal kam in dem Augenblicke an, wo seine von Blut, Gold, Wein und Wollust berauschte Armee der unglücklichen hinsterbenden Stadt den Waffenstillstand der Erschöpfung gewährte.

Zwölftes Capitel.
Kleine Geschenke unterhalten die Freundschaft

Während das Pferd des Cardinals Ruffo, seinen genialen Herrn tragend, in der Stadt Cotrone bis an den Bauch in Blut watete und sich beim Anblick und dem Getöse der in den Flammen zusammenbrechenden Häuser emporbäumte, lag der König der Jagd, dem Fischfang und dem Spiel ob.

Wir wissen nicht, was für Verbesserungen die Verbannung für seinen Fischfang und sein Spiel zur Folge gehabt hatte, wohl aber wissen wir, daß niemals selbst der heilige Hubertus, der Schutzpatron der Jäger, von solchen Genüssen umgeben war wie die, in deren Mitte der König Ferdinand den Verlust seines Königreiches vergaß.

Die Ehre, welche er dem Präsidenten Cardillo dadurch erzeigt, daß er eine von ihm veranstaltete Jagd auf seinem Landgut Illice besuchte, hatte vielen Leuten und unter andern auch der Aebtissin der Ursulinerinnen von Caltanisetta schlaflose Nächte bereitet.

Ihr so ziemlich auf der Hälfte des Weges zwischen Palermo und Girgenti gelegenes Kloster besaß umfangreiche Ebenen und Forsten. Diese an und für sich schon sehr wildreichen Ebenen und Forsten wurden von der vortrefflichen Aebtissin durch eine Zufuhr von Damwild, Hirschen und Wildschweinen noch mehr bevölkert, und als die Jagd eines Königs wahrhaft würdig geworden, begab sich die Aebtissin selbst mit vier ihrer hübschesten Nonnen nach Palermo, bat um eine Audienz bei dem König und richtete an ihn das Ersuchen, den armen Nonnen, über deren Seelenheil sie zu wachen hatte, die Freude einer Jagd zu bereiten.

Dieses Anerbieten war von so seltenen und so verlockenden Umständen begleitet, daß der König sich wohl hütete es abzulehnen.

Es ward demnach verabredet, daß der König den nächstfolgenden Tag mit der Aebtissin und ihren vier Adjutantinnen abreisen, und einen Tag lang im Kloster sich durch Andachtsübungen auf die Niedermetzelung der Hirsche und Rehe vorbereiten sollte, gerade wie Carl der Neunte auf dieselbe Weise sich auf die Niedermetzelung der Hugenotten vorbereitet, worauf dann den nächstfolgenden Tag der Uebergang von dem contemplativen Leben zum thätigen stattzufinden hätte.

Der König reiste in der That ab. Ein vorausgeschickter Courier hatte der übrigen Schwesterschaft verkündet, daß die Wünsche der Aebtissin erhört worden und daß der König erst allein ankommen, daß aber sein ganzer Hof baldigst nachfolgen würde.

Der König versprach sich von dieser unter so neuen Umständen veranstalteten Jagdpartie großes Vergnügen. In dem Augenblick, wo er in den Wagen steigen wollte, überreichte man ihm im Namen der Königin die Nummer des »Parthenopäischen Moniteur« welche die Entdeckung des Complotts Backer und die Verhaftung der beiden Anführer des Complotts, das heißt des Vaters und des Sohnes, meldete.

Man erinnert sich der großen Freundschaft, welche der König dem jungen André gewidmet. Sein Zorn war daher doppelt groß, erstens weil er ein Complott entdeckt sah, welches ihn , ohne daß er sich selbst dareinzumischen brauchte, gleichzeitig der Franzosen und der Jakobiner entledigen sollte, und zweitens weil er nun die beiden Männer verhaftet wußte, die mitten in einer Gleichgültigkeit, die er recht wohl bemerkt, so große Beweise von Anhänglichkeit gegeben hatten.

Zum Glück ließen die Unternehmungen des Cardinals und die Truebridge’s, welche wunderschön von Statten gingen, ihm die Hoffnung auf Rache. Er notierte sich den Namen Luisa Molina San Felice und schwur bei sich selbst, daß, wenn er jemals wieder den Thron bestiege, die »Mutter des Vaterlands« den Titel, mit welchem der »Parthenopäische Moniteur« sie geschmückt,theuer bezahlen sollte.

Zum Glück machten bei Ferdinand die Empfindungen, ganz besonders die peinlichen und schmerzlichern, sich nicht mit Hartnäckigkeit geltend. Nachdem er Simon und André Backer einen Seufzer gewidmet und sich vorgenommen, die San Felice mit dem Tode zu bestrafen, überließ er sich gänzlich den geradezu entgegengesetzten Gefühlen, welche in seinem Gemüth durch vier junge hübsche Nonnen und eine Aebtissin erweckt werden mußten, welche die Ehrfurcht vor dem Königthum so weit trieb, daß die leisesten Wünsche des Königs für sie eben so geheiligte Befehle waren, als ab sie ihr durch Engel vom Himmel überbracht worden wären.

Alle Welt kannte den Eifer des Königs für die Jagd, deshalb war man in Palermo nicht wenig erstaunt, als in der Nacht ein Courier eintraf, welcher meldete, daß der König, weil er sich von der Reise ein wenig ermüdet gefühlt und der Ruhe bedürfe, sagen ließe, nicht daß die Jagd abbestellt sei, wohl aber, daß der Aufbruch der übrigen Jäger achtundvierzig Stunden später stattfinden solle. Der Bote war beauftragt die allzu großen Besorgnisse zu beschwichtigen, welche dieser Gegenbefehl in Palermo erwecken konnte und zu sagen, der Klosterarzt selbst hege in Bezug auf die Gesundheit des Königs durchaus keine Befürchtung, sondern habe blos aromatische Bäder angeordnet.

In dem Augenblick, wo der Courier abgegangen war, hatte der König sein erstes Bad genommen.

Die Chronik sagt nicht, ob das Zimmer der Aebtissin sich wie das des Präsidenten Cardillo dem des Königs gegenüber befand und ob ihn um vier Uhr Morgens die Lust anwandelte, zu sehen, wie eine Aebtissin in ihrer Nachthaube sich ausnähme, wie ihn früher die Lust angewandelt, zu sehen, wie ein Präsident in seiner baumwollenen Mütze aussähe. Sie sagt blos, daß der König eine ganze Woche in dem Kloster blieb, daß man dann fünf Tage hinter einander jagte, daß die Jagden eben so ergiebig waren, wie in den Wäldern von Persano und Asperoni, daß der König sich sehr amüsierte und daß die frommen Schwestern aller Zerstreuungen theilhaftig wurden, welche sie von seiner königlichen Gegenwart hoffen konnten.

Der König versprach feierlich wiederzukommen und nur unter dieser Bedingung hoben die heiligen Tauben die Flügel, unter welchen sie ihn schirmten.

Auf der Hälfte des Weges von Caltanisetta nach Palermo begegnete der König einem Courier des Cardinals. Dieser Courier brachte ihm einem Brief, welcher einen vollständigen Bericht über die Einnahme von Cotrone und die Gräuel enthielt, welche dort verübt worden.

Der Cordinal beklagte dieselben, entschuldigte sich deswegen bei dem König und sagte ihm, daß er da die Stadt in seiner Abwesenheit genommen worden, dieselben nicht habe verhindern können.

Zugleich fragte er, was er mit den siebzehn Franzosen machen solle, welche mit den calabresischen Patrioten in der Citadelle eingeschlossen seien.

Der König wollte keine Zeit verlieren, dem Cardinal seine ganze Zufriedenheit zu erkennen zu geben. Es war bereits vorher bestimmt, daß in Villafrati Halt gemacht werden sollte, weil der König hier dinieren wollte. Er verlangte Feder und Tinte und schrieb dem Cardinal eigenhändig den nachstehenden Brief.

Wenn wir zu unserem Bedauern nicht im Stande gewesen sind, unsern Lesern den Brief des Cardinals Ruffo vorzulegen, so haben wir dagegen das Vergnügen, sie die Antwort des Königs lesen zu lassen, welche wir nach dem Original übersetzt haben und für deren Echtheit wir bürgen:

»Villafrati, am 5. April 1799.

»Eminentissime! Soeben erhalte ich auf dem Wege von Caltanisetta nach Palermo Ihren Brief vom 26. März, worin Sie mir das Schicksal der unglücklichen Stadt Cotrone erzählen. Die Plünderung und Verwüstung, welche dieser Ort erfahren, thut mir sehr leid, obschon eigentlich die Bewohner das, was ihnen widerfahren ist, durch ihre Rebellion gegen mich mit Recht verdient haben. Deshalb sage ich Ihnen nochmals, daß mit meinem Willen Denem die sich gegen mich und Gott aufgelehnt, kein Erbarmen zu Theil werden soll. Was die Franzosen betrifft, die Sie in der Festung vorgefunden haben, so befehle ich, daß dieselben sofort nach Frankreich zurückgeschickt werden, denn man muß sie als eine mit der Pest behaftete Menschenrasse betrachten und sich durch die Entfernung vor der Berührung mit ihnen schützen.

»Ich habe Ihnen nun meinerseits auch einige Nachrichten mitzutheilen. Der Commodore Truebrigde hat mir zwei Berichte zugesendet, einen von Procida,, der mir am vergangenen Sonntag in Caltanisetta, wohin ich mich, um mich zu sammeln, zurückgezogen, zuging, und den andern vorgestern. Da Niemand in meiner Umgebung englisch verstand, so habe ich diese Berichte sofort nach Palermo geschickt, damit Lady Hamilton sie mir übersetze. Sobald ich diese Uebersetzung erhalte, sende ich Ihnen eine Abschrift davon.

»Ich hoffe, daß die Nachrichten, welche Sie erhalten, und die, welche ich bei meiner Ankunft erfahre, und welche ich Ihnen ebenfalls sofort melden werde, Ihnen nach dem, was Circello, der ein wenig englisch radebrecht, davon verstanden hat , keinen Schmerz bereiten werde. Truebridge verlangt, daß man ihm einen Richter schickt, welcher die Rebellen verhöre und verurtheile. Ich habe Cardillo geschrieben, er solle einen nach seinem Ermessen wählen, so daß, wenn er meinen Befehl ausgeführt hat und der Richter am Montag abgereist ist, er, wenn Gott und der Wind ihm günstig gewesen sind, zur gegenwärtigen Stunde schon tüchtig unter den Angeklagten aufgeräumt und viele casicavalli gemacht haben muß, denn ich habe ihm einschärfen lassen, mit denselben keine langen Umstände zu machen.

Ihnen, Eminentissime, empfehle ich meinerseits in Uebereinstimmung mit dem zu handeln, was ich Ihnen geschrieben, und zwar mit der größten Beschleunigung. Tüchtige Stockhiebe und kleine Stücke Brod machen gute Kinder,« so sagt das neapolitanische Sprichwort.

»Wir sind hier in der größten Besorgniß, denn wir warten auf Nachricht von unseren lieben kleinen Russen. Wenn sie bald kommen, so hoffe ich, daß wir in kurzer Zeit Hochzeit machen und mit Gottes Hilfe das Ende dieser verwünschten Geschichte sehen werden.

»Ich bin in Verzweiflung, daß das Wetter immer noch so regnerisch bleibt, denn der Regen ist unseren Operationen sehr hinderlich. Ich hoffe, daß er nicht Ihrer Gesundheit schadet. Die unsrige ist, Gott sei Dank, gut, und wäre sie auch schlecht, so würden die guten Nachrichten, die wir von ihnen erhalten, sie wieder gutmachen. Der Herr erhalte Sie und segne Ihre Operationen, wie dies wünscht und unwürdiger Weise vom Himmel erbittet

 

»Ihr wohlgeneigter

Ferdinand B.«

In dem vorstehenden Brief kommt eine Redensart vor, welche unsere mit der italienischen Sprache oder vielmehr mit dem neapolitanischen Dialekt derselben nicht vertrauten Leser nicht verstanden haben werden. Es ist die, wo der König in scherzhafter Weise sagt, daß der Richter hoffentlich unter den Rebellen schon tüchtig ausgeräumt und gehörig viel casicavalli gemacht habe.

Jeder, der in den Straßen von Neapel herumgewandelt ist, hat die Decken der Käseverkaufsläden mit einer Eßwaare verziert gesehen, welche ganz besonders in Calabrien fabricirt wird. Dieselbe hat die Form einer ungeheuern Steckrübe mit einem Kopf. In einer sehr harten Schale enthält dieses Product eine gewisse Quantität frische Butter, welche in Folge vollständiger Luftleere dieser Hülle sich jahrelang frisch erhält.

Diese Käse, wie man sie nennt, werden an dem Halse aufgehängt und heißen casicavalli.

Wenn der König daher sagt, er hoffe, daß der Richter gehörig viel casicavalli gemacht, so will er ganz einfach damit sagen, er hoffe, daß eine gute Anzahl Patrioten gehängt sein würden.

Was das königliche Sprichwort: »Mit tüchtigen Stockhieben und kleinen Stücken Brot macht man gute Kinder.« betrifft, so glaube ich nicht, daß dasselbe einer näheren Erklärung bedarf. Es gibt fast kein Volk, welches nicht aus dem Munde eines seiner Könige ein Sprichwort von derselben Art vernommen und welches nicht seine Revolution gemacht hätte, um weniger harte Stockhiebe und größere Stücke Brot zu bekommen.

Das Erste, was der König Ferdinand bei seiner Ankunft in Palermo verlangte, war die Uebersetzung der Briefe, die er von Truebridge erhalten. Diese Uebersetzung lag bereits fertig vor.

Er brauchte sie deshalb blos dem Briefe beizufügen den er in Villafrati an den Cardinal geschrieben und ein und derselbe Bote konnte Alles mitnehmen.

»An Lord Nelson.

»3. April 1799.

»Die neapolitanischen Farben wehen auf allen Inseln von Ponza. Noch niemals, Mylord, haben Sie einem solchen Feste beigewohnt. Das Volk ist buchstäblich närrisch vor Freude und verlangt mit lautem Geschrei seinen vielgeliebten Monarchen. Bestände der Adel aus Leuten von Ehre oder Grundsätzen, so würde nichts leichter sein, als die Armee auf die Seite des Königs zu bringen.

Schaffen Sie blos tausend Mann englische tapfere Soldaten und ich verspreche Ihnen, daß der König binnen achtundvierzig Stunden wieder auf seinem Throne sitzt. Ich bitte Sie, Mylord, den Capitän Cianchi dem Könige ganz besonders zu empfehlen. Es ist dies ein braver, muthiger Seemann, ein guter und loyaler Unterthan, welcher seinem Vaterlande Gutes zu erzeigen wünscht. Wenn die ganze Flotte des Königs von Neapel aus Männern wie er zusammengesetzt gewesen wäre, so hätte das Volk sich nicht empört.

»Ich habe einen Brigand Namens Francesco, einen ehemaligen neapolitanischen Officier, an Bord. Er hat seine Güter auf der Insel Ischia. Er war Commandant des Forts, als wir uns desselben bemächtigten. Das Volk hat seine nichtswürdige dreifarbige Uniform in Fetzen gerissen und die Knöpfe abgetrennt, auf welchen die Freiheitsmütze zu sehen war. Da er sich auf diese Weise ohne Uniform sah, so hatte er die Keckheit, seine alte Uniform als neapolitanischer Officier wieder anzuziehen. Ich habe ihm dieselbe gelassen, ihm aber die Epauletten und die Cocarde abgerissen und ihn gezwungen diese Gegenstände über Bord zu werfen. Hierauf erzeigte ich ihm die Ehre, ihn in doppelte Ketten legen zu lassen. Das Volk hat den Freiheitsbaum umgehauen und die auf demselben wehende Fahne zu Charpie zerzupft, so daß ich Ihnen und auch dem Könige nicht den kleinsten Fetzen davon zu Füßen legen kann. Was dagegen den Freiheitsbaum betrifft, so bin ich in dieser Beziehung glücklicher und sende Ihnen davon zwei Scheite mit den Nennen Derer, welche sie mir gegeben haben.

»Ich hoffe, der König wird sich ein Feuer davon machen, und sich daran wärmen.

»Truebridge.«

»Nachschrift. – In diesem Augenblicke erfahre ich, daß Caracciolo die Ehre gehabt hat, als gemeiner Soldat auf Wache zu ziehen und daß er gestern am Thore des Palastes Schildwache gestanden. Sie wissen wohl, schon, daß Carcciolo bei dem Könige seine Entlassung gegeben?«

Wäre Nelson so ehrlich gewesen, diesen Brief bei einer späteren Gelegenheit vorzulegen, so hätte, wie man sehen wird, diese Nachschrift vielleicht eine große Einwirkung auf das Urtheil der Richter geäußert, als man dem Admiral den Proceß machte.

Der zweite, einen Tag später, nämlich vom 4. April 1799, datirte Briefe des Admiral Truebridge lautete:

»Die französischen Truppen belaufen sich aus etwas über zweitausend Mann. Vertheilt sind dieselben folgendermaßen:

»dreihundert Mann in dem Fort San Elmo,

»zweihundert Mann in dem Castell d’Uovo,

»eintausendvierhundert Mann in dem Castello Nuovo,

»hundert Mann in Pozzuolo,

»dreißig Manns in Baja,

»Ihre Gefechte in Salerno sind von großen Verlusten begleitet gewesen, und nicht ein Einziger von ihren Mannschaften ist ohne Wunde zurückgekommen. Sie waren eintausentfünfhundert Mann stark.

»Ueberdies sagt man, daß bei dem Angriff auf eine Stadt, Namens Andria, in den Abruzzen dreitausend Mann Franzosen gefallen sind. Die Franzosen und die neapolitanischen Patrioten sind uneinig. Es herrscht großes Mißtrauen zwischen ihnen. Es geschieht oft, daß beim Patrouilliren des Nachts, wenn der Eine ruft: »Wer da?« und der Andere antwortet: »Es lebe die Republik!« man nun gegenseitig Schüsse wechselt. Sie sehen, Mylord, daß es nicht gerathen ist, sich des Nachts in die Straßen von Neapel zu wagen.

»In diesem Augenblicke erhalte ich die Nachricht, daß ein Priester Namens Albavena in Ichia die Revolte predigt. Ich schicke sechzig Mann Schweizer und dreihundert Mann treue Unterthanen ab, um Jagd auf ihn zu machen. Noch im Laufe dieses Tages hoffe ich ihn todt oder lebendig in meine Gewalt zu bekommen.

»Ich bitte Sie, Mylord, von dem König einen rechtschaffenen Richter zu verlangen, der mit dem rückkehrenden »Perseus« hierherkommt, denn sonst ist es mir unmöglich so fortzufahren. Die Elenden können jeden Augenblick mir aus den Händen und von dem Volke in Stücke gerissen werden. Um dieses zu beschwichtigen müssen schleunigst ein Dutzend Republikaner gehängt werden.«

Kaum hatte Truebridge diese beiden Briefes expediert und das kleine griechische Postschiff, welches dieselben nach Palermo trug, aus den Augen verloren, als er in der Richtung von Salerno ein kleines Fahrzeug auf seine Fregatte zukommen sah.

Es gingen ihm nämlich jeden Augenblick wichtige Mittheilungen vom Lande zu. Nachdem er sieh daher überzeugt, daß die Barke es wirklich mit dem »Sea Horse« auf welchem er sich befand, zu thun hatte, erwartete er, daß sie das Schiff angreifen würde. Dies geschah auch, nachdem sie die unter solchen Umständen gewöhnlichen Fragen beantwortet hatte.

In der Barke befanden sich zwei Männer, von welchen der eine eine Art Hühnerkorb vom Kopfe nahm und auf das Deck brachte. Hier angelangt, fragte er wo Seine Excellenz der Commodore Truebridge wäre.

Truebridge trat vor. Er sprach ein wenig italienisch und konnte daher den Mann mit dem Hühnerkorbe selbst befragen.

Dieser wußte selbst nicht, was er brachte. Er war blos beauftragt, den ihm übergebenen Gegenstand an den Commodore zu überbringen und sich eine Quittung ausstellen zu lassen, um dadurch zu beweisen, daß er und sein Camerad sich ihres Auftrages entledigt.

Ehe Truebridge die Quittung ausstellte, wollte er wissen, was der Korb enthielte. Demzufolge durchschnitt , er den Bindfaden, womit das Stroh festgeschnürt war, und fuhr, mitten im Kreise seiner durch die Neugier angelockten Officiere und Matrosen stehend, mit der Hand in das Stroh hinein, zog sie aber mit einer Geberde des Ekels sofort wieder heraus.