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Johanna dArc die Jungfrau von Orleans

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Fünftes Capitel.
Die Zufuhr

Man fand zu Chinon den Herzog von Alencon wieder, welcher seit der Schlacht von Verneuil Gefangener der Engländer war, und von diesen nur gegen ein Lösegeld von 200.000 Thalern freigelassen wurde, wovon er die Hälfte bar bezahlt, und für den Rest sieben von seinen Edelleuten als Geißel zurückgelassen hatte. Daher war er nicht sogleich zum Könige zurückgekehrt, sondern beschäftigt gewesen, seine Besitzung und Herrschaft Gougers, zu verkaufen, wofür er 140.000 Thaler einnahm, so zwar, dass er mit hunderttausend die Geißel frei machte, und mit dem Reste kam, um seinen Kriegsstaat wieder herzustellen.

Der Herzog von Alencon fand die ganze Stadt Chinon in Freude und Hoffnung, denn bereits war das Gerücht verbreitet, dass Johanna für ein gottseliges Mädchen erkannt worden sei. Ohne noch diesen Jubel zu teilen, war der Herzog jedoch nicht völlig unempfindlich dabei; der moralische Einfluss der Begeisterten machte sich bereits fühlbar, und Jeder sprach von einem Marsch gegen die Engländer, als ob es sich darum handelte, zu einem Feste zu ziehen. In diesem Momente kamen der König und Johanna nach Chinon zurück.

Der Herzog hegte ein solches Verlangen, an den Engländern die eben erst erduldete Gefangenschaft zu, rächen, dass ihm jedes Mittel, welches ihn unmittelbar zu diesem Ziele führen konnte, vortrefflich schien. Daher empfing er Johanna, wenn eben nicht mit einem völligen Glauben, wenigstens dem Anscheine nach mit einem großen Vertrauen. Nachdem der König den Herzog von Alencon, dessen sehnlichen Wunsch in die Schlacht zurückzukehren, er kannte, als guter Verwandter umarmt hatte, erteilte er ihm den Auftrag, früher als Johanna nach Blois zu gehen, und Alles zu veranstalten, damit die Zufuhr vor Ablauf von acht Tagen bereit wäre.

Der Herzog von Alencon reiste sogleich ab; die Herzogin, welche kaum eine Woche lang bei ihrem Gemahl geblieben war, weinte sehr über eine so baldige Abreise; aber Johanna tröstete sie mit den Worten:

»Im Namen Gottes, Frau Herzogin, verspreche ich Ihnen, den edlen Herzog Ihnen frisch und gesund zurückzubringen.« ,

Die Herzogin, eine fromme Dame wurde durch dieses Versprechen getröstet, denn sie gehörte zu denjenigen, welche fest an die göttliche Eingebung Johanna's glaubten.

Als der Herzog von Alencon von dannen gezogen war, beschäftigte man sich sogleich mit Johannas Abreise. Man gab ihr das Personal eines Kriegsanführers, nämlich einen Schildknappen, einen Pagen, zwei Herolde, und einen Kaplan. Der Schildknappe hieß Johann Daulon, der Page Ludwig von Comtes, genannt Imerget, der Eine von ihren Herolden Guyenne, der Andere Ambleville, und endlich der Kaplan Bruder Pasquerel.

Nach dieser ersten Besorgung, ließ ihr der König eine vollständige Rüstung geben; aber Johanna sendete das Schwert mit der Äußerung zurück, dass es nicht dasjenige sei, dessen sie sich bedienen müsste, wohl aber bedürfe sie des Schwertes, welches man auf dem Grabmale eines alten Ritters finden würde, das sich in einer von den Kapellen der Kirche der heiligen Katharina von Fierbois befinde. Man fragte sie, woran man dieses Schwert erkennen würde; sie antwortete: an fünf Lilien auf der Klinge und neben dem Griffe. Man erkundigte sich auch, ob sie diese Waffe aus eigener Anschauung kenne, worauf sie erwiderte, dass sie dieselbe durchaus nicht kenne, dass aber ihre Stimmen ihr anempfohlen hätten, sich dieses und keines andern zu bedienen. Der Waffenschmied des Königs wurde in die Kirche der heiligen Katharina von Fierbois gesendet. und traf das Schwert an der bezeichneten Stelle. Es wurde poliert und gereinigt, und Karl VII. ließ ihr eine schöne Scheide von ganz mit goldenen Lilien besätem Sammet machen.

Inzwischen verflossen die Tage, und man war an das Ende des Aprils gelangt; man durfte keine Zeit mehr verlieren, da der Mut und die Treue der Stadt Orleans nur mehr durch den von ihr erwarteten wundervollen Beistand aufrecht erhalten wurde. Der König entließ Johanna, und sie zog nach Blois, begleitet von dem Marschall von Retz, von la Maison, von Laval, von Pothon, von la Hiré, von Ambrosius von Loré, vom Admirale von Ceilant, und von ungefähr zweihundertfünfzig bis dreihundert Kriegern.

In Blois angekommen, war sie genötigt, einige Tage daselbst zu verweilen, um einen zahlreicheren Trupp zu erwarten; denn obgleich Johanna unablässig wiederholte, dass wenig an der Zahl der Soldaten gelegen sei, woferne sie nur fortzöge, wollten die übrigen Anführer nicht ohne eine etwas Achtung gebietende Macht sich auf den Weg machen. Johanna musste sich also ungefähr noch eine Woche lang in Blois aufhalten; da sie dies zu ihrem großem Bedauern sah, benützte sie die Zeit dazu, eine Standarte von weißer Seide machen zu lassen, ganz übersät mit goldenen Lilien, in der Mitte Unsere Liebe Frau, die Weltkugel in ihrer Hand haltend, und zu ihrer Rechten und Linken zwei betende Engel auf den Knien; ferner ließ sie auf jene Seite, auf welche die heiligen Bilder nicht gemalt waren, dir Worte setzen: Jesus Maria. Sie befahl, dass außer dieser Kriegsstandarte ein anderes ähnliches Banner verfertigt werde, und händigte es dem Bruder Pasquerel, ihrem Kaplan, ein, um es auf den Märschen, bei Festen und Prozessionen zu tragen. Die beiden Standarten wurden in der Kirche Saint-Sauveur de Blois geweiht.

dies war noch nicht Alles. Während dieses gezwungenen Aufenthaltes diktierte Johanna dem Bruder Pasquerel einen Brief, den sie, des Schreibens unkundig, mit einem Kreuze unterzeichnete. Dieser Brief war in folgenden Worten abgefasst, und wir schreiben ihn wörtlich aus einer gleichzeitigen Handschrift, und mit der Sprache und Ortographie der Epoche ab.4

»Jesus Maria!«

»König von England, gebt Rechenschaft dem Könige des Himmels wegen seines königlichen Blutes; gebt der Jungfrau die Schlüssel aller guten Städte zurück, die Ihr erstürmt habet: sie ist im Namen Gottes gekommen, das königliche Blut zu erheben, und ist ganz geneigt, Friede zu schließen, wenn Ihr Rechenschaft geben, Euch unterwerfen, und erstatten wollt, was Ihr eingenommen habt; König von England, wenn Ihr dies nicht tut. . . ich bin Kriegsanführer; an was immer für einem Orte ich in Frankreich auf Eure Leute stoßen werde, will ich sie, wenn sie nicht gehorchen wollen, fühlen lassen, ob sie wollen oder nicht, und wenn sie gehorchen wollen, ihnen Gnade gewähren. Glaubt, dass, wenn sie nicht gehorchen wollen, die Jungfrau kommt, um sie zu töten: sie kommt im Namen des Königs des Himmels, Euch Leib an Leib aus Frankreich zu vertreiben, und verspricht und versichert Euch, sie werde ein so derbes Spiel anrichten, dass ein so großes seit tausend Jahren in Frankreich nicht gesehen wurde, wenn Ihr Euch nicht fügt, und glaubt fest, dass der König des Himmels ihr und ihren tapferen Kriegern mehr Stärke senden wird, als Ihr bei hundert Angriffen erhalten könntet. Geht, Bogenschützen, edle und mutige Waffengefährten, die Ihr vor Orleans liegt, geht in Gottes Namen in Euer Land zurück, und wenn Ihr es nicht tut, so hütet Euch vor der Jungfrau, und gedenkt Eurer Schäden. Entsagt der Meinung, dass Ihr Frankreich vom Könige des Himmels, dem Sohne der heiligen Maria, behalten werdet; sondern der König Karl wird es behalten, der rechtmäßige Erbe, dem es Gott gegeben hat, und der in guter Gesellschaft in Paris einziehen wird. Wenn Ihr den Nachrichten von Gott und der Jungfrau nicht glaubt, werden wir, <m welchem Orte wir Euch treffen mögen, Euch aufs Haupt schlagen, und Ihr werdet sehen, wer ein besseres Recht habe, Gott, oder Ihr, Wilhelm de la Poule, Graf von Suffolk, Johann, Herr von Talbot, und Thomas, Herr von Scales, Lieutenant des Herzogs von Bedford, sogenannten Regenten von Frankreich für den König von England.«

»Gebt Antwort, ob Ihr mit der Stadt Orleans Frieden schließen wollt; wenn Ihr es nicht Hut, so gedenkt Eurer Schäden; Herzog von Bedford, der Ihr Euch Regent von Frankreich für den König von England nennt, die Jungfrau ersucht und bittet Euch, dass Ihr Euch nicht wöget vernichten lassen. Wenn Ihr derselben nicht Rechenschaft gebt, wird sie also handeln, werden die Franzosen das schönste Werk verrichten, welches jemals in der Christenheit getan wurde.«

»Geschrieben am Dienstage in der Karwoche.«

Auf der Rückseite des Briefes stand geschrieben:

»Hört die Nachrichten von Gott und der Jungfrau.«

»An den Herzog von Bedford, der sich Regent des Königreiches Frankreich für den König von England nennt.«

Als Johanna diesen Brief vollendet hatte, übergab sie ihn Guyenne, einem von ihren Herolden, mit dem Auftrage, ihn dem Befehlshaber der Belagerung von Orleans zu bringen.

Endlich kam der so lange erwartete Tag der Abreise. Die Armee hatte sich während der Woche, da sie in Blois geblieben war, mit dem Marschall von Saint-Sévére ergänzt, mit dem Herrn von Gaucourt, und einer großen Zahl anderer Edlen, die auf das Gerücht der beabsichtigten militärischen Unternehmung herbeigeeilt. waren, so dass die Schar, so wie sie bestand, einen ziemlich furchtbaren Anblick bot. Die Zufuhr war sehr beträchtlich, und so, dass die arme Stadt, wenn sie hineinkommen konnte, eine große Erleichterung dadurch erhielt; denn sie war aus einer bedeutenden Zahl von Wagen und Karren gebildet, beladen mit Getreide und einer großen Menge von Vieh, als: Ochsen, Kühe, Hammel, Schafe und Schweine. Im Moment des Aufbruchs ordnete Johanna an, dass alle Krieger beichten sollten; nach Erfüllung dieser Religionspflicht, machte man sich sofort auf den Weg nach Orleans.

 

Zur Stunde der Abreise hielten die vornehmsten Anführer einen Rat, dem Johanna nicht beiwohnte. Immer noch auf seine Sendung vertrauend, hatte das junge Mädchen befohlen, dem rechten Ufer zu folgen, auf welchem die ganze Macht der Engländer lag, mit der Bemerkung, dass man sich weder wegen ihrer Anzahl noch wegen ihrer Stellung beunruhigen möge, da unser Heiland beschlossen habe, dass die Zufuhr ohne Hindernis in die Stadt kommen solle. Aber wie groß auch das Vertrauen der Anführer auf Johanna war, dachten sie doch, dass es Gott versuchen hieße, so zu handeln, und hatten, ohne es Johanna zu sagen, und sie immer auf dem Glauben lassend, dass man ihre Weisungen befolge, das linke Ufer eingeschlagen, auf dem sie nur einige isolierte Streifreiter zu treffen riskierten.

Die Zufuhr machte sich all» auf den Weg, die Sologne durch schreitend, anstatt durch Beauce zu ziehen. Bruder Pasquerel eröffnete den Zug, sein Banner tragend, und mit den übrigen Priestern, welche das Heer begleiteten, Hymnen singend. Johanna folgte ihnen reitend inmitten der Anführer, die sie in jedem Augenblicke wegen ihrer freien Reden tadelte, und am häufigsten an der Seite von la Hiré, zu dem sie eine große Freundschaft gefasst hatte, ungeachtet seiner ewigen Flüche, und der von Zeit zu Zeit, um sie zu erzürnen, zu ihr sagte: »Johanna, ich verleugne. . . meine Lanze,« und am Abende und am Morgen sein gewöhnliches Gebet verrichtete, zu dessen Abänderung ihn das junge Mädchen nicht bewegen konnte, und welches lautete, wie folgt:

»Guter Gott, tu für la Hiré, was la Hiré für Dich täte, wenn er der gute Gott wäre, und Du la Hiré wärst.«

Sie selbst betreffend, waren ihre Haltung und ihre Worte so musterhaft, dass sie zuletzt sogar den Soldaten Ehrfurcht einflößte, von denen anfangs die Einen darüber gelacht, die Andern gemurrt hatten, dass sie, unter der Anführung der tapfersten und edelsten Ritter zu marschieren gewohnt, jetzt unter jener einer armseligen Bäuerin marschierten.

Am dritten Tage kam man vor Orleans an, und jetzt erst gewahrte Johanna, dass man sie getäuscht hatte, denn sie sah den Strom zwischen ihr und der Stadt. Sie war dann über diese Täuschung sehr aufgebracht, und wäre es nicht eine so große Sünde gewesen, so würde sie in einen heftigen Zorn geraten sein; doch zuletzt gedachte sie, aus ihrer Stellung den besten Vorteil zu ziehen, und da, bei ihrer Annäherung, die Engländer erschrocken eine von ihren Schanzen, auf dem rechten Ufer gelegen, verlassen hatten, befahl Johanna, dass man sich derselben bemächtige, eine Bewegung, die ohne Widerstand ausgeführt wurde. Im nämlichen Momente hatte sich der Bastard von Orleans, von der Ankunft der Zufuhr in Kenntnis gesetzt, in ein kleines Fahrzeug geworfen, und war soeben auf dem linken Ufer gelandet. Man meldete Johanna diese Nachricht, die sogleich an die ihr bezeichnete Stelle eilte, und den Bastard von Orleans ganz freudig inmitten der Anführer fand, und mit ihnen über die Mittel beratschlagend, die Zufuhr in die Stadt zu schaffen.

»Seid Ihr der Bastard von Orleans?« fragte die Jungfrau, sich ihm nähernd.

»Ja« antwortete er, »und ich bin über Eure Ankunft sehr erfreut.«

»Habt Ihr den Rat erteilt,« fuhr Johanna fort, »durch die Sologne zu ziehen, anstatt durch Beauce?«

»Ich gab diesen Rat, weil er nicht bloß der meinige, sondern auch jener der einsichtsvollsten Capitaine war.«

»Und Ihr hattet Unrecht,« versetzte Johanna, »denn der Rat des Herrn ist weiser, als jener der Menschen; durch die Befolgung des seinigen wären wir jetzt in Orleans, während wir noch über den Strom setzen müssen.«

»Wohl an,« entgegnete der Bastard, »es gibt ein Mittel, ruhig über ihn zu setzen, nämlich bis zum Schloss Checy wieder aufwärts zu ziehen, das ungefähr zwei Meilen von hier liegt, und französische Garnison hat; die Schiffe von Orleans werden sich gleichzeitig mit uns dorthin begeben, und unter dem Schutze der Festung ihre Ladungen einnehmen.«

»Im Namen Gottes laßt es uns also machen,« sagte Johanna, und machte sich zuerst auf den Weg, obgleich sie seit dem Morgen zu Pferd geblieben war, ohne abzusteigen und ohne die Rüstung auszuziehen. Der Bastard von Orleans kehrte in die Stadt zurück, um persönlich die Schiffe zu lenken, welche aufwärts nach dem Schloss Checy fahren sollten.

Die Zufuhr machte sich wieder auf den Weg, und erreichte gegen drei Uhr Nachmittags das Schloß Checy; aber der Himmel stürmte seit einer Stunde; der Rege» stürzte in Strömen nieder, und der Wind, der aus Osten kam, war so widrig, dass die Schiffe, so lange dieser Wind anhalten würde, unmöglich stromaufwärts fahren konnten. Johanna bemerkte die Entmutigung, welche dieser Anblick in ihre Bedeckung brachte; sie wendete sich nun zu den Anführern, und sagte:

»Hab' ich Euch nicht im Namen des, Herrn versichert, dass es sein Wille war, wir sollten die Lebensmittel nach Bequemlichkeit in die Stadt Orleans bringen, und die Engländer würden nicht einmal Miene machen, uns zu hindern?«

»Ja, ohne Zweifel, Ihr habt uns dies versichert,« antwortete der Herzog von Alencon, »aber ich sehe nicht ein, dass der Augenblick gut gewählt ist, uns an dieses Versprechen zu erinnern.«

»Im Namen Gottes, habet doch Geduld.« sagte Johanna, »denn vor Verfluß einer Viertelstunde wird der Wind sich geändert haben.«

Bei diesen Worten stieg Johanna vom Pferd, entfernte sich einige Schritte, und begann mit ihrem gewöhnlichen Eifer und Vertrauen zu beten, und wirklich hatte sich der Wind, selbst vor der Vollendung ihres Gebetes, von Osten nach Westen gedreht, und war günstig geworden; die Krieger schauten sich einander an, ohne zu wissen, was sie von dem denken sollten, was sie mit ihren eigenen Augen sahen; aber da galt kein Zweifel, Johanna hatte vorausgesagt, was geschehen würde; die Ungläubigsten wurden also überzeugt.

Eine Stunde später kamen die Schiffe an, leicht stromaufwärts fahrend, wie von der Hand Gottes getrieben: auf dem ersten befand sich der Bastard von Orleans mit mehreren andern edlen Kriegern, und den angesehensten Bürgern der Stadt.

Man lud das Getreide, die Tiere und Vorräte auf die Schiffe, und brauchte sie nur der Strömung des Flusses zu überlassen; inzwischen machte die Garnison einen Ausfall, und beschäftigte die Engländer auf dem rechten User, so dass nichts die Zufuhr hinderte, an ihrem Bestimmungsorte anzukommen. Im letzten Schiffe kam Johanna, zwischen dem Grafen von Dunois und la Hiré; zweihundert Lanzen folgten ihnen, während der Rest des Heeres nach Blois zurückkehrte, um dort eine zweite Zufuhr vorzubereiten.

Alle Einwohner, von Dunois in Kenntnis gesetzt, waren nach dem Quai geströmt, und harrten Johanna's; das junge Mädchen stieg an's Land, und fand einen schönen, ganz ausgerüsteten Schimmel, den es bestieg: die Jungfrau hielt einen triumphierenden Einzug; die Bewohner von Orleans empfingen sie, der Zukunft vorgreifend, bereits als Befreierin.

Nachdem Johanna sich in die Kirche begeben hatte, wo man ein Te Deum sang, stieg sie im Hotel des Schatzmeisters des Herzogs von Orleans ab: er war ein braver Mann, Namens Jakob Boucher, feinem Herrn sehr ergeben, der die Gunst nachgesucht und erwirkt hatte, ihr Wirt zu sein; da erst legte sie ihre Rüstung ab, und bat um ein wenig Wein; man brachte ihr davon die Hälfte einer silbernen Tasse, die sie mit Wasser füllte, und in welche sie fünf oder sechs Brotschnitte tat; sie wollte nichts Anderes zu ihrem Abendessen, dann zog sie sich fast sogleich mit der Frau und Tochter ihres Wirtes in ihr Zimmer zurück. Bald entfernte sich die Frau, aber die Tochter blieb bei ihr, von Johanna gebeten,, ihr Bett zu teilen.

So hielt Johanna ihren Einzug in die Stadt Orleans am 29. April l 1429, inmitten einer solchen Begeisterung, dass es, wie das Tagebuch der Belagerung sagt, den Bürgern und Kriegern dünkte, dass ein Engel Gottes oder Gott selbst unter sie herabgeschwebt sei.

Sechstes Kapitel.
Die Belagerung von Orleans

Der Einzug Johanna's in Orleans hatte auf keine minder außerordentliche Weise auf den Geist der Belagernden, als auf jenen der Belagerten gewirkt, nur verursachte ihre Anwesenheit eben so große Unruhe jenen, als sie diesen Trost verschaffte. Die Engländer hatten anfangs gelacht, als sie vernahmen, dass eine Frauenperson zu König Karl VII. mit dem Vorgeben kam, dass sie beauftragt sei, die Engländer aus Frankreich zu vertreiben; dann verbreitete sich das Gerücht, dass diese Frauenperson wirklich unter göttlicher Eingebung stehe. Man sprach von durch sie bewirkten Wundern, und war, wie man sich erinnern möge, noch in einer Epoche des Glaubens oder Aberglaubens, wo man leicht an außerordentliche Dinge glaubte, sei's, dass sie von Gott kämen, sei's, dass der Himmel sie bewirkte, oder die Hölle sie erzeugte.

Wie dem auch sei, Johanna hatte gesagt, dass die Zufuhr nach Orleans kommen würde, und zweimal, das erste mal stromaufwärts, und das zweite mal die Loire abwärts, war die Zufuhr in der Tat auf Bogenschuss an den Schanzen der Engländer vorübergezogen, ohne dass eine von diesen Schanzen die mindeste Bewegung gemacht hätte, sich diesem Durchzug zu widersetzen, so zwar, dass die erste Prophezeiung der Jungfrau bereits in allen Punkten erfüllt war; es herrschte also, wie gesagt, eine große Unruhe in der englischen Armee.

Sei's, dass Johanna die von ihr hervorgebrachte Wirkung erkannte, oder dass die Eingebung des Herrn sie antrieb, so zu handeln, sie wollte am Tage nach ihrer Ankunft die Werke der Engländer angreifen; aber Dunois, der Herr von Gamache, und mehrere andere tapfere Capitaine, deren Namen schon bewiesen, dass sie nicht aus Furcht dem Plane sich widersetzten, waren einer gegenteiligen Meinung. Johanna, welche glaubt, vom Könige den Oberbefehl der Armee erhalten zu haben, bestand darauf mit der ganzen Hartnäckigkeit des Selbstvertrauens, und wirklich war sie nahe daran, ihre Ansicht durchzusetzen, als der Herr von Gamache, über diesen befehlenden Ton einer Frauenperson erzürnt, der ihn demütigte, sich erhob, zu la Hiré sich wendete, und zu dem Herrn von Illiers, die Johanna für ihre Meinung gewonnen hatte, und sprach:

»Weil man mehr auf die Ansicht einer Plaudertasche von geringer Herkunft hört, als auf jene eines solchen Ritters, wie ich bin, werde ich mich nicht dagegen setzen. Bei gelegener Zeit und am schicklichen Orte wird mein gutes Schwert sprechen, und vielleicht werde ich dabei umkommen. Aber der König und meine Ehre wollen es, fortan ziehe ich mein Banner ein, und bin nur mehr ein armer Schildknappe. Ich will lieber einen edlen Mann zum Gebieter haben, als ein Mädchen, das vielleicht früher ich weiß nicht was gewesen ist.'

Und mit diesen Worten rollte er sein Banner zusammen, und überreichte es dem Grafen von Dunois.

Dunois war, wie gesagt, einer ganz andern Meinung, als Johanna; es ist sogar wahrscheinlich, dass er selbst keinen großen Glauben an die Sendung hegte, mit der sie beauftragt zu sein vorgab; allein er sah den Vorteil ein, den man aus dem Glauben schöpfen konnte, den sie Andern einflößte, trat daher sogleich zwischen Johanna und dem Herrn von Gamache, indem er zu diesem sagte, dass es ihm immerhin frei stehe, zu kämpfen, wann und wie er wolle, und dass er zu denjenigen gehöre, die nur von Gott und dem Könige Befehle an» zunehmen brauchen, und zugleich der Jungfrau bemerkte, dass es nur ein kurzer Aufschub sei, und man kämpfen würde, sobald eine Verstärkung, die er aus Blois erwarte, eingetroffen wäre. Kurz, er machte seine Sache so gut, dass Johanna und der Herr von Gamache sich die Hand gaben, freilich mit einer sehr sauertöpfischen Miene, aber sie gaben sie sich doch; dies war Alles, was Dunois wünschte, welcher hoffte, dass dieses Missverständnis auf dem Schlachtfelde verschwinden würde.

Was Johanna vorzüglich beruhigte hatte, war das von Dunois ihr gemachte Versprechen, dass er am folgenden Tage persönlich nach Blois abreisen würde, um die Ankunft dieser Verstärkung zu beschleunigen; sie wollte ihren Tag nützlich verwenden; sie diktierte einen zweiten, an die englischen Anführer gerichteten, und ungefähr in den nämlichen Ausdrücken, wie der erste, abgefassten Bries; dann, als dieser geschrieben, und mit ihrem Kreuze unterzeichnet war, rief sie Ambleville, ihrem zweiten Herolde, und gebot ihm, ihn dem Grafen von Suffolk zu bringen. Aber dann bemerkte Ambleville her Johanna, dass Guyenne, der Überbringer des ersten Briefes, noch nicht zurückgekommen sei, und die Engländer, weit entfernt ihn loszulassen, gegen das Völkerrecht als Gefangenen ihn zurückbehielten, und als Ketzer zu verbrennen drohten; aber Johanna beruhigte ihn.

»Im Namen Gottes,« sagte sie mit ihrer gewohnten Zuversicht, »geh' in aller Sicherheit, denn sie werden Dir nichts Böses tun, weder Dir noch ihm; im Gegenteil zweifle durchaus nicht, dass Du Deinen Gefährten zurückbringen wirst, und sag zu Talbot, dass, wenn er sich rüste, auch ich mich rüsten werde; es stehe ihm frei, wenn er mich fangen könne, mich verbrennen zu lassen; aber wenn ich ihn auf's Haupt schlage, so lasse auch er die Belagerung aufheben, und kehre mit den Engländern in sein Land zurück.«

 

All das beruhigte den armen Ambleville nur mittelmäßig; aber auch der Graf von Dunois gab ihm einen Brief für den Grafen von Suffolk mit, worin er dem englischen Generale ankündigte, dass sowohl das Leben aller Gefangenen, als auch jenes der gesendeten Herolde, um über die Lösegelder zu unterhandeln, ihm für das Leben der beiden Herolde der Jungfrau bürgten: in der Tat, wie Johanna es vorhersagte, Ambleville und Guyenne wurden am nämlichen Abende zurückgesendet, aber ohne eine Antwort der englischen Anführer auf die beiden Briefe zurückzubringen, die sie empfangen hatten.

Am folgenden Tage, nachdem sie mit la Hiré und einem beträchtlichen Teil der Besatzung, eine Meile weit zur Stadt hinaus den Grafen von Dunois geleitet hatte, der, seinem Versprechen vom vorigen Tage gemäß, zu Blois Verstärkung holen sollte, wollte Johanna mit lauter Stimme den Engländern noch einmal sagen, was sie ihnen bereits schriftlich zu wissen getan. Sie stieg folglich auf einen der Wälle der Belagerten, welcher der englischen Schanze der Türmchen gegenüber lag, näherte sich ihnen ungeschützt bis auf eine Entfernung von kaum sechzig Schritten, und befahl ihnen, bei Vermeidung von Unheil und Schmach, sich nicht nur von der Stadt zurückzuziehen, sondern auch das Königreich zu verlassen.

Aber anstatt diesem Begehren zu entsprechen, antworteten Sir Wilhelm Gladesdale und der Bastard von Graville, welche in der Schanze der Türmchen befehligten, der Johanna nur durch grobe Schimpfworte, riechen ihr, heimzukehren, und die Kühe ihres Dorfes zu hüten, und behandelten die Franzosen als Ketzer und Ungläubige. Johanna hörte all diese Beleidigungen ziemlich ruhig an, die ihr persönlich galten, wie grob sie auch waren; aber als sie die Franzosen beschimpfen hörte, rief sie aus:

»Ihr lügt, und weil Ihr nicht gutwillig von hier fortgehen wollt, werdet Ihr bald gezwungen fortgehen; doch Ihr, die Ihr mich beschimpft, werdet diesen Abzug nicht sehen.«

Inzwischen zog der Bastard von Orleans, von den Seigneurs von Retz und von Loré, gegen Blois, wo sie am andern Tage Abends ankamen; sie begaben sich sogleich in den Rat des Königs, um vorzustellen, wie sehr die Stadt einer neuen Zufuhr von Lebensmitteln, und eine neue Verstärkung an Mannschaft bedürfe; Beides wurde ihnen bewilligt, und diesmal beschloss man, der größeren Eile wegen, durch Beauce zu ziehen, anstatt wie das erste mal, durch die Sologne, und zwar den Engländern zum Hohn; denn seit Johannas glücklichem Erfolge, hatte die Armee des Königs wieder ein solches Selbstvertrauen gefasst, dass, sagt der anonyme Chronikschreiber der Jungfrau, vor ihrer Ankunft, zweihundert Engländer in Scharmützeln vierhundert Franzosen davon jagten, während, seit ihrem Erscheinen, zweihundert Franzosen vierhundert Engländer in die Flucht trieben.

Man beeilte sich so sehr, Lebensmittel und Soldaten zusammen zu bringen, dass am dritten Mai die zweite Zufuhr zum Aufbruch bereit stand. Sie machte sich also gegen neun Uhr Morgens auf den Weg, und übernachtete an dem nämlichen Abende auf halbem Wege zwischen Blois und Orleans, in einem Dorfe, das der Chronikschreiber nicht nennt, aber Beaugency oder Saint-Ay war. Am 4. setzten sie ihren Weg nach der Stadt fort, obgleich in dem Falle, dass es zum Handgemenge käme, die Engländer drei gegen einen stellen konnten; als aber der Bastard im Angesicht der Stadt ankam, gewahrte er, die Jungfrau mit la Hiré und den meisten Rüstmeistern, die ihm in schöner Ordnung und mit flatternden Fahnen entgegenzogen. Bald trafen die bei» den Heeresabteilungen zusammen, und marschierten so vereinigt vor den Engländern vorüber, die ihre Schanzen nicht zu verlassen wagten, und die zweite Zufuhr in die Stadt bringen ließen, ohne ihr mehr Hindernis in den Weg zu legen, als das erste mal.

Der Graf von Dunois fand die Besatzung mit einer sehr großen Zahl von Kriegern verstärkt, die am vorigen Tage von Montargis, Gien, Château-Renard, aus der Gegend von Galinois und Châteaudun kamen, so dass zwischen ihm und Johanna verabredet wurde, am folgenden Tage wieder zum Angriff überzugehen.

Johanna war sehr ermüdet, denn an den beiden vorhergegangenen Tagen hatte sie den Besuch aller Notabeln der Stadt empfangen, und auf die Straßen gehen müssen, um sich dem Volke zu zeigen; ferner war sie in der vorigen Nacht wach und gerüstet geblieben, aus Besorgnis, der Bastard möchte zurückkommen, und es ihr, wenn sie entwappnet wäre, an Zeit gebrechen, ihm Beistand zu bringen; auf das ihr von Dunois so eben gemachte Versprechen vertrauend, ließ sie sich also entwappnen, warf sich ganz angekleidet auf ihr Bett, und schlummerte ein.

Da jedoch einige Notabeln der Stadt die Besatzung durch die Anwesenheit Johanna's und durch die Ankunft der Lebensmittel wieder ermutigt sahen, benutzten sie diesen Moment der Gegenwirkung, um eine Anzahl von Bogenschützen und Gemeinen mit sich fortzureißen, und einen Ausfall zu machen; dieser improvisierte Ausfall ward gegen die Schanze Saint-Loup gerichtet, eines der stärksten und besten Vollwerke; wirklich war sie von einem tapferen Capitain, Namens Gucrrard, befehligt, und mit Kriegern und Munition vollständig versehen. Daher wurden die Franzosen nachdrücklich empfangen; da sie aber in ihrer Begeisterung wieder von einem außerordentlichen Mut beseelt waren, hielten sie an den Mauern wütend Stand, vergalten Schlag mit Schlag, Tod mit Tod, so dass der Kampf von beiden Seiten mit einer so schrecklichen Erbitterung sich entspann, dass man seit dem Beginne der Belagerung desgleichen noch nicht gesehen hatte.

Plötzlich erwachte Johanna, welche, wie gesagt, auf ihr Bett sich geworfen hatte, und ungefähr seit einer Stunde schlief, mit dem Rufe:

»Zu mir her, mein Schildknappe! zu mir her, Herr Daulon, zu mir her!«

»Was gibt's!« fragte Daulon, rasch in ihr Zimmer tretend. ^

»Was es gibt?« rief Johanna aus, von ihrem Bette springend und ihren Helm ergreifend, »was es gibt? Die Franzosen fechten in diesem Augenblicke vor einer Schanze, und ich muß mich wappnen, denn es sind bereits Viele getötet und verwundet.«

Und sie wappnete sich eiligst und rief: »Mein Pferd! Mein Pferd!« Aber Daulon konnte sie nicht wappnen und zugleich ihr Pferd holen; er schnallte ihr den Kürass völlig zu, und wollte sich entfernen; allein Johanna hielt ihn an.

»Bleibt, bleibt!« sagte sie zu ihm; »wappnet Euch völlig, und kommt eiligst nach; ich will selbst mein Pferd holen.«

Dann ergriff sie eine kleine Streitart, und eilte so rasch hinab, dass sie ihr Banner vergaß, welches in ihrem Zimmer war. Auf der Treppe begegnete sie ihrer Wirtin.

»Mein Gott!« sagte sie, .das Blut unserer Leute fließt zu Boden, und Ihr habt mich nicht geweckt; das ist von Euch übel getan.« Dann setzte sie ihren Weg fort, mit dem Rufe: »Mein Pferd! Mein Pferd.«

Auf der Schwelle der Tür traf sie ihren Pagen, welcher spielte.

»Ah! schlechter Junge!« rief sie aus, »der Ihr nicht gekommen seid, mir zu sagen, dass das Blut der Franzosen vergossen werde! Auf, schnell, mein Pferd! mein Pferd!«

Während Imerget in den Stall eilte, bemerkte sie, dass sie ihr Banner vergessen habe, und rief Daulon, der es ihr durch das Fenster reichte. Johanna entfaltete es. In diesem Momente brachte man ihr ihr Pferd; die junge Kriegerin schwang sich auf dasselbe, ungeachtet der Schwere ihrer Rüstung, wie es ein vollendeter Reiter hätte tun können, und, ohne zu fragen, in welcher Richtung die Schanze Saint-Loup liege, setzte sie die, beiden Sporen ein, vom Geiste geleitet, der sie erhellte, im gestreckten Galopp ihres Pferdes durch die Straßen sprengend, dass, gleich dem Würgengel, die Funken unter seinen vier Hufen stieben ließ. Bei dem Burgunterthor angekommen, traf sie einen Mann aus der Stadt, den man schwer verwundet zurückbrachte; dann hielt sie ihr Pferd an, und zwei große Tränen flossen, während sie den Unglücklichen anschaute, über ihre Wangen herab. Hierauf sagte sie, den Kopf schüttelnd:

4Natürlich kann sich diese Bemerkung nur auf das französische Original beziehen.