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Read the book: «Johanna dArc die Jungfrau von Orleans», page 10

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Der König fragte, was für ein Unglück ihr widerfahren sollte; Johanna antwortete ihm, dass sie zuerst würde verwundet, und dann gefangen werden. Aber der König wollte nichts hören, und sagte, dass, wenn sie eine Wunde erhielte, was Gott verhüten möge, so werde man tun, was schon einmal geschah, nämlich sie schnell heilen, und sollte sie gefangen werden, so würde er die Hälfte seines Königreiches verkaufen, um ihr Lösegeld zu bezahlen.

Johanna stand wieder auf, den Kopf schüttelnd, und ging, da sie sah, dass sie vom Könige nichts erwirken könne, in die Kirche zur Verrichtung ihrer Andacht, um, wenn ihr ein Unglück widerführe, wenigstens der Gnade Gottes sich zu erfreuen.

Am folgenden Tage beschloss man, gegen Paris vorzurücken, und verließ Saint-Denis, um bei la Chapelle zu lagern. Johanna ritt traurig dahin, während ihr junger Bruder ihr folgte, ihre Lanze tragend, und Herr Daulon ihre Standarte, als sie, des nämlichen Weges ziehend, wie sie, einen Soldaten bemerkte, der eine Frauenperson von schlechtem Lebenswandel am Arme führte. Johanna hatte zu jeder Zeit strenge verboten, dass Frauenpersonen von solchem Schlage dem Heere folgen: daher ließ sie ihr unverzüglich durch Bruder Paquerel gebieten, sich zu entfernen. Aber anstatt ihr zu gehorchen, gab ihr die Frauenperson eine grobe Antwort, und als Johanna sich näherte, um selbst sie davon zu jagen, warf sich der Soldat mit dem Schwerte in der Hand ihr entgegen, und sagte, allzu lange schon hätten tapfere Krieger, wie sie, einem Weibe gehorcht, und es sei hohe Zeit, dass dies anders werde: Johanna, gewohnt, sich wie ein Kriegsanführer geachtet zu sehen, durfte eine solche Grobheit nicht dulden; sie zog ihr Schwert; doch in Erwägung, dass sie durch einen Hieb mit der Schneide ihn töten könnte, schlug sie mit der flachen Klinge auf seinen Helm, mit dem Befehle, sich zu entfernen; allein wie schwach auch der Schlag war, die Zeit dieses guten Schwertes, das so oft einem weit härteren Anprallen widerstand, war gekommen, die Klinge flog in Stücke, und nur der Griff blieb in Johanna's Hand.

In diesem Momente eilte der König, der einen Lärm gehört hatte, persönlich herbei, um zu sehen, was geschah, und gewahrte Johanna, die traurig auf ihre zerbrochene Klinge, und auf ihren unnützen Griff schaute. Nun erzählte man ihm den Vorfall, und er sagte, dem jungen Mädchen sich nähernd:

»Johanna, Ihr hättet mit der Stange Eurer Lanze zuschlagen sollen, und nicht mit diesem guten Schwerte, das auf eine göttliche Art Euch verliehen wurde.«

»Und es geht fort, wie es kam,« versetzte Johanna; »denn glaubt mir ja, Sire, dies ist die letzte Warnung von Gott, der mir sagt, dass ich mich zurückziehen soll.«

Nun begann der König über diese Beharrlichkeit im Glauben an Unglück zu lachen, und bot ihr, um Johann» über diesen ihren so eben erlittenen Verlust zu trösten, sein eigenes Schwert an; doch Johanna lehnte es mit der Bemerkung ab, dass sie irgend ein anderes den Engländern nehmen wolle.

In der Tat, wie hätte man den Ahnungen dieses jungen Mädchens glauben sollen, da ihr Ruf von allen Seiten stieg, und Jeder an sie, wie an eine Prophetin und Heilige sich wendete? Zu Troyes waren mehrere Frauen mit der inständigen Bitte gekommen, Patenstelle bei ihren Kindern zu übernehmen, und sie hob deren drei aus der Taufe, indem sie den Mädchen den Namen Johanna, den Knaben den Namen Karl gab. Zu Logny wurde sie eilig geholt, um an dem Bette eines Kindes zu beten, das seit drei Tagen tot schien, und welches der Priester mit der Äußerung nicht taufen wollte, dass es gestorben sei; Johanna war zu diesem Bette gekommen, hatte sich niedergekniet und gebetet, das Kind dann die Augen geöffnet, der Priester diesen Moment benützt, und ihm die Nottaufe erteilt, laut erklärend, dass Gott auf Johanna's Gebet dieses Wunder gewirkt habe. Endlich, während sie zu Compiégne war, erst unlängst noch, hatte der. Graf von Armagnac, einer von den Vornehmsten des Königreiches, ihr geschrieben, der armen und unwissenden Bäuerin, um sie zu fragen, welchem von den drei Päpsten, die sich den Thron des heiligen Petrus streitig machten, er Glauben beimessen sollte, indem er ihr gelobte, denjenigen anzuerkennen, den sie selbst anerkennen würde. dies waren gewiss große Ehren, die jede Andere, als Johanna, verblendet hätten; aber Johanna dagegen, war demütiger und bescheidener, als jemals, denn sie fühlte, dass Gott täglich von ihr sich zurückziehe.

Zehntes Kapitel.
Compiégne

Am nämlichen Abende erschienen die Franzosen vor Paris, das vom Herrn Ludwig von Luxemburg, Bischof von Therouenne, von einem englischen Ritter, Namens Sir John Ratcliff, und von etwa dreitausend Mann vertheidigt war, ungerechnet die Bürger, die, da sie früher an der Niedermetzelung der Armaniaken Teil nahmen, ein noch größeres Interesse hatten, als die Engländer, dass der König seine Hauptstadt nicht wieder einnehme, wohl wissend, dass nach der Einnahme von Paris keine Gnade für sie zu hoffen sei.

Die Franzosen zogen also unterhalb Montmartre vorüber, und stellten sich in Schlachtordnung von der Porte Saint-Honoré bis zum Hügel nur Pourceaux, nämlich auf dem heut zu Tage zwischen la Madeleine und der Straße der Märtyrer begriffenen Raume. Hier errichteten sie eine Kanonenbatterie, und taten mehrere Schüsse, um die Tragweite derselben zu prüfen. Sie war gut, und die Kugeln flogen bis in die Stadt. sogleich eilten die Engländer und Bürger auf die Mauern; unter ihnen, befand sich auch ein Corps Burgunder, was an dem hochroten Kreuze leicht zu erkennen war, das sie auf ihrer Standarte trugen.

An diesem Abende geschah jedoch nichts Anderes, als dass einige Kanonenschüsse gewechselt wurden. Bei dem Anblicke des Feindes, bei dem Donner der Steingeschütze, bei dem Geruch des Pulvers, hatte Johanna ihren früheren Mut wieder erlangt, und die Leitung des Sturmes übernommen, während die Herzöge von Alencon und von Bourbon sich ganz gewappnet mit ihren Leuten hinter dem Hügel nur Pourceaux hielten, um über die Belagerten herzufallen, wenn sie einen Ausfall versuchen sollten.

Ungeachtet dieser Vorbereitungen wähnten die Pariser während des folgenden Tages ruhig bleiben zu können, denn es war der Tag der Geburt Unserer Lieben Frau, und sie glaubten nicht, dass die Franzosen es wagen würden, während einer so großen Feierlichkeit die Stadt anzugreifen, daher ihr Schrecken groß war, als sie etwa gegen elf Uhr mit den Glocken, die so eben zur Messe dröhnten, Sturm läuten hörten, und viele Leute durch die Stadt rennen sahen, mit dem Rufe: »Auf! Auf! die Armaniaken sind auf dem Walle! Paris ist genommen! Alles ist verloren!«

Aber das Heulen der Glocken und das Geschrei der Fliehenden, weit entfernt, der Besatzung Schrecken einzujagen, verliehen ihr Mut. Engländer, Burgunder und Bürger eilten auf die Mauern, und sahen, dass der Sturm wirklich begonnen hatte, die Sachen aber weit entfernt seien, einen so guten Fortgang für die Franzosen zu haben, als jene vermeintlichen Flüchtlinge sagten, die nur Anhänger des Königs Karl waren, welche, vermittelst dieses Geschreies, die Stadt zur Empörung zu bringen gehofft hatten.Dann befahl Johanna, Faschinen zu bringen, Balken, Alles, was man Taugliches finden konnte, um einen festen Weg durch dieses Wasser und durch diesen Schlamm zu bahnen, und trat selbst bis an den Rand des Grabens vor, um die Tiefe desselben mit ihrer Standartenstange zu sondieren, mit lauter Stimme rufend:

Wirklich war das Unternehmen der Stürmenden, wie groß auch ihr Mut sein mochte, schwierig, um nicht zu sagen unmöglich. Sie hatten sich zwar der ersten Barriere bemächtigt, die sie anzündeten, und waren, mit der Jungfrau und dem Herrn von Saint-Ballier an der Spitze, in den äußern Wall gedrungen, aber, dort angekommen, fanden sie, dass sie noch über zwei Gräben setzen mussten, bevor sie zur Mauer gelangen könnten.

Die Jungfrau, an der Spitze der Tapfersten, setzte über den ersten, inmitten eines Hagels von Pfeilen, von viereckigen Wurfbolzen, und von aus Kanonen und Steingeschützen geschleuderten Kartätschen. Nach Überschreitung des ersten Grabens fand man aber, dass der zweite tief und voll Wasser war.

Dieses Hindernis, von dem Johanna nicht in Kenntnis gesetzt war, obgleich Mehrere in dem französischen Heere es kannten, die aus Neid geschwiegen hatten, schien der Jungfrau jedoch nicht geeignet, sie zum Verzichte auf den Sturm zu bestimmen; sie gelangte auf den höchsten Punkt des Grabens, schwenkte ihre Standarte, und rief den zum Sturme bezeichneten Rittern und Kriegern, die unter der Führung des Marschalls von Netz herbeieilten.

Dann befahl, Faschinen zu bringen, Balken, Alles, was man Taugliches finden konnte, um einen festen Weg durch dieses Wasser und durch diesen Schlamm zu bahnen, und trat selbst bis an den Rand des Grabens vor, um die Tiefe desselben mit ihrer Standartenstange zu sondieren, mit lauter Stimme rufend:

»Ergebt Euch, gute Leute von Paris! Ergebt Euch im Namen Jesu! Denn so Ihr Euch nicht vor Anbruch der Nacht ergebt, werden wir mit Gewalt in Paris einziehen, und Euch Alle ohne Gnade und Erbarmen töten.«

Aber in diesem Momente legte einer von den Armbrustschützen auf sie an, und durchschoss ihr den Schenkel mit seinem Drehpfeile.

Johanna sank zu Boden, denn die Wunde war schmerzlich, und da man sie für tot hielt, begann Jeder zu fliehen. Dann überreichte sie ihre Standarte dem nächsten Soldaten, der neben ihr stand, und befahl ihm, auf den Graben hinaufzusteigen, und sie aus allen seinen Kräften zu schwenken, damit man sehe, dass sie nur verwundet sei. Der Soldat vollzog den ihm erteilten Befehl; doch während er die Standarte schwenkte, und rief: »Stürmt! Stürmt!« traf ihn ein Pfeil am Fuße; er bückte sich dann, um das Eisen aus der Wunde zu ziehen, und schlug, um besser zu sehen, das Visir seiner Sturmhaube auf; aber in demselben Augenblicke traf ihn ein zweiter Pfeil in's Gesicht, und streckte ihn todt nieder.

In diesem Momente kam der Herr von Daulon: er sah Johanna auf der Böschung des Grabens liegen, und der ganze Boden um sie her starrte von Pfeilen, die man auf sie schnellte. Er wollte sie nun unter den Armen fassen, und aus der Schlacht führen; aber Johanna befahl ihm mit jenem Tone, den sie anzunehmen wusste, wenn sie wollte, dass man ihr gehorche, es nicht zu tun, sondern vielmehr ihre Standarte aufzuheben, und die Franzosen wieder zu versammeln. Nun rief Herr von Daulon, von dem Marschall von Retz unterstützt, so laut und stark, dass Jeder herbeieilte.

Indessen hatte Johanna den Drehpfeil aus der Wunde gezogen; aber da sie schreckliche Schmerzen litt, war sie auf dem nämlichen Platze liegen geblieben, immer noch befehlend, dass man den Graben ausfülle. Nun machte sich Jeder an's Werk, durch so großen Heldenmut bei einer Frauenperson ermutigt. Es war, wie gesagt, fast ein unmögliches Werk, so tief war das Wasser. Der ganze Tag wurde also dazu verwendet, die Faschinen in den Graben zu werfen, ohne ihn füllen zu können, und obgleich seit mehr als fünf Stunden verwundet, ohne dass ein Verband auf ihre Wunde gelegt wurde, war Johanna noch da, befahl den Angriff, und wollte nicht, dass man den Sturm aufgebe, als ein Befehl des Königs eintraf, sich gegen Saint-Denis zurückzuziehen.

Wie bestimmt auch dieser Befehl lautete, Johanna wollte ihm nicht gehorchen, mit der Bemerkung, dass man, im Falle des beharrlichen Stürmens, Paris einnähme, bevor es zwei Uhr schlüge; zweimal ließ der Herzog von Alencon sie holen, ohne dass sie einwilligte, sich zurückzuziehen; endlich holte er sie selbst, da er sie sehr liebte. Dann entschloss sich Johanna, sich zu entfernen, richtete sich wieder auf, und zog sich endlich zurück, aber mit einem so wunderbaren Mute, dass man, ungeachtet der schrecklichen Wunde, die sie erhielt, kaum bemerkte, dass sie hinke.

Der Rückzug der Franzosen wurde nur durch das Feuer der Artillerie beunruhigt, das sie verfolgte; aber die Belagerten ließen es dabei bewenden, da aus Besorgnis eines Hinterhaltes Keiner die Stadt zu verlassen wagte. dies gestattete den Belagernden, ihre Toten mitzunehmen, die sehr zahlreich waren; aber da sie keine Zeit fanden, Gruben für sie zu graben, schichteten sie dieselben in einer Scheune der Trinitarier auf, und verbrannten sie darin.

Die Franzosen erreichten während der Nacht Saint-Denis wieder, wo sie stehen blieben. Dort meldete man dem Könige Alles, was vorgefallen war, und der Herzog von Alencon und der Marschall von Retz erzählten ihm, wie Johanna Alles getan habe, was sie konnte, um getötet zu werden. Nun besuchte sie der König in ihrem Quartier, wo sie an einem heftigen Fieber lag, und machte ihr ernstliche Vorstellungen wegen der Entmutigung, von welcher sie ergriffen war. Bei seinem Anblicke begann Johanna zu weinen, und gestand ihm, dass sie lieber sterben, als den Engländern in die Hände fallen möchte, was, wie ihre Stimmen ihr gesagt, geschehen würde, wenn sie nicht in ihr Dorf zurückginge.

Hierauf sagte der König zu ihr, um ihr wieder Mut einzustoßen, sie möge vor Allem genesen, und dann würde er ihr erlauben, Alles zu tun, was sie wolle. Am nämlichen Abende ließ Johanna eine Trophäe aus ihren Waffen bilden, und weihte sie dem heiligen Denis, und da einige Tage nachher, in Folge ihrer großen Jugend und starken Leibesbeschaffenheit, ihre Wunde wieder geschlossen war, ließ sie in der königlichen Basilika eine Messe lesen, und hängte, nachdem sie sich vor den Altar des Märtyrers hingeworfen, und Gott, der heiligen Jungfrau und den Heiligen für die ihr erwiesenen Gnaden gedankt hatte, selbst ihre Waffen an der Säule auf, welche dem Kästchen am nächsten stand, worin die Reliquien des heiligen Apostels verschlossen waren. Nach Vollendung dieser frommen Zeremonie, ging sie fort zum König, und bat ihn um die ihr versprochene Entlassung.

Allein inzwischen hatte man Karl vorgestellt, welchen Fehler er beginge, in dem Momente, da noch nichts entschieden sei, jene sich entfernen zu lassen, die Jedermann, vom ersten Capitain bis zum letzten Soldaten, als seinen guten Geist betrachte, so dass Karl der Johanna antwortete, was er ihr versprochen habe, sei von ihm versprochen worden, um ihr wieder guten Mut zu machen, jetzt aber, da sie genesen wäre, bitte vielmehr er sie inständig, sich nicht wegzubegeben, bestätigend, dass die erfahrensten Leute seines Rates ihm gesagt hätten, dass, wenn sie sich zurückzöge, Alles verloren sein würde.

Johanna wollte darauf beharren; aber bei den ersten Worten, die sie sprach, und bei ihrer Kenntnis von dem Charakter des Königs, sah sie wohl, dass es verlorene Mühe, und ein gefasster Entschluss sei, sie nicht sich entfernen zu lassen. Nun fügte sich das arme Kind in ihr Schicksal. Als ihr der König neue Waffen anbot, nahm sie dieselben an, mit Ausnahme des Schwertes, indem sie, wie das erste mal, sagte, dass sie bei der ersten Gelegenheit eines den Engländern nehmen würde, was sie auch wirklich tat.

Von diesem Momente an, und um ihr noch größeres Ansehen zu verschaffen, vermehrte der König Johanna's Gefolge, und steigerte es zur Höhe von jenem seiner ersten Capitaine: er übergab ihr die ihr geschenkten Adelsbriefe, erlaubte ihr, ihren zweiten Bruder zu ihr kommen zu lassen, gab ihr zwölf Handpferde und einen besonderen Schatz, um das kleine Armeecorps zu bezahlen, das sie persönlich befehligen sollte; aber alle diese Gnaden konnten Johanna von jenem traurigen Gedanken nicht abbringen, dass sie bald den Engländern in die Hände fallen sollte; sie fügte sich in ihr Los, aber sie tröstete sich nicht.

Der Rat hatte beschlossen, dass der König von der andern Seite der Loire sich zurückziehen sollte, und dieser Beschluss wurde vollzogen; Karl kam nach Gien zurück, den Weg über Lagny, Bray und Sens einhaltend, und Gouverneure in den von ihm eroberten Städten zurücklassend; Ambrosius von Loré blieb also zu Lagny, Jakob von Chabannes zu Treil, Wilhelm von Flavy zu Compiégne, und der Graf von Vendôme zu Saint-Denis und Senlis; die Jungfrau folgte dem Könige mit den übrigen Kriegsanführern.

Kaum hatten die Franzosen die Umgegend von Paris verlassen, als der Herzog von Bedford wieder in die Hauptstadt zurückkam, wo der Herzog von Burgund seinerseits mit sicherem Geleit von Karl eintraf, unter dem Vorwand, wegen des Friedens Unterhandlung zu pflegen; aber als die beiden Schwäger beisammen waren, benahm sich der Herzog von Bedford so gut, dass die schönen Entschlüsse des Herzogs Philipp verschwanden, und die durch Johannas Brief geweckten Gesinnungen den vom Ehrgeiz aufgestachelten wichen; freilich hätten wenige Herzen solchen Anerbietungen, wie jene waren, die dem Herzog von Burgund gemacht wurden, widerstanden.

Der Herzog von Bedford überließ ihm die Regentschaft von Paris, begnügte sich mit seinem Gouvernement d« Normandie, und versprach ihm Brie und die Champagne; daraus erfolgte, dass es, wiewohl man zu gleicher Zeit, da man die neue Regentschaft publizierte, auch den Vertrag von Compiegne veröffentlichte, offenbar war, dass auch diesmal die Hoffnung des Friedens, wo nicht völlig vernichtet, wenigstens sehr weit zurückgestellt sei.

Nach vierzehntägigen Konferenzen in der Staet Paris, trennten sich die beiden Fürsten: der Herzog von Bedford verfügte sich wieder in sein Gouvernement Rouen, und der Herzog Philipp kehrte nach Brügge zurück, um Madame Isabelle, Tochter des Königs Johann I. von Portugal zu heiraten, und dort den Orden des goldenen Vließes zu stiften.

Indessen wurde, wie man wohl denkt, der beschworene Waffenstillstand nicht sehr beobachtet, und weder Engländer, noch Franzosen, noch Burgunder, kümmerten sich im mindesten von der Welt darum. Der Herzog von Alencon hatte seine Leute unter der Führung des Ambrosius von Lore zur Wiedereroberung der ihm zugeteilten Normandie entsendet; der Ruth des Königs seinerseits war auf den alten Plan zurückgekommen, sich aller Städte zu versichern, die den Lauf der Loire beherrschten, und der Herr von Albret, von Johanna tapfer unterstützt, hatte soeben Saint-Pierre-le-Moutier mit Sturm genommen.

Diese Eroberung, eine der schönsten Waffentaten der Jungfrau, hatte den Franzosen einen so großen Mut wieder verliehen, dass, gegen Johanna's Warnung, der Marschall von Brousac und der Herr von Albret, sogleich zur Belagerung von la Charité aufbrachen; doch an dem Erfolge dieses Unternehmens erkannte man noch eines von den Scheidelichtern jener göttlichen Eingebung, die in der Jungfrau erlosch; die Franzosen wurden durch Perrin Granet zurückgetrieben, der die Stadt befehligte, und gezwungen, mit Hinterlassung ihrer Kanonen sich zurückzuziehen; diese von Johanna vorhergesagte Niederlage, vermehrte noch ihren Ruf, ihre Vorhersagung verwirklichend.

Die aus der Hauptstadt und deren Umgegenden eingetroffenen Nachrichten, waren jedoch von solcher Art, dass die Blicke des Königs und seines Rates sich wie» der dorthin wendeten. Nicht nur war es allen französischen Garnisonen gelungen, sich zu behaupten, sondern die Einwohner von Melun hatten auch die Engländer davongejagt, und ihre Stadt dem Kommandeur von Girenne übergeben; Saint-Denis seinerseits war überfallen, und wieder französisch geworden; la Hiré endlich, der nicht aufhörte, den Krieg als Parteigänger zu führen, hatte Louviers genommen, und dehnte seine Streifzüge bis zu den Toren von Rouen aus, dessen er sich durch das Komplott einiger Bürger sogar beinahe bemächtigt hätte; es gab keinen Ort, der sich nicht, selbst Paris, das sich im vorigen Jahre so gut verteidigte, und, wie es schien, von dem Herzog von Bedford und dem Herzog Philipp den Plünderungen und Räubereien einer halb picardischen, halb burgundischen Besatzung überlassen war, mit Missvergnügten anfüllte; dies waren köstliche Nachrichten, wie man sieht, für die Partei des Königs Karl, und die man nach der Meinung eines Jeden benützen sollte. Daher beschloss sein Rat, bei der Rückkehr des Frühlings den Krieg wieder nach jener Seite zu spielen; inzwischen erließ man große Proklamationen, um die Truppen zu versammeln, und große Aufforderungen an das Volk, um Geld zu bekommen.

Unterdessen verlieh eine Verschwörung, die in Paris angezettelt wurde, obgleich entdeckt und unterdrückt, denjenigen neue Hoffnungen, welche der Partei des Königs folgten; denn sie bewies ihnen, dass sie Einverständnisse in der Hauptstadt hatten. Einige Seigneurs von Paris, mit jenen de« Parlaments und des Châtelet vereinigt, hatten sich einige Kaufleute und Handwerker zugesellt, und beschlossen, die Franzosen in die Hauptstadt einzuführen; ein Karmeliter, Namens Pierre Dellée, war der Bote, der die Briefe zwischen jenen, die drinnen, und jenen, die draußen waren, hin und her trug; aber die Wächter an der Porte Saint-Denis, erstaunt, diesen Karmeliter immer aus- und wieder eingehen zu sehen, verhafteten ihn eines Morgens, und führten ihn in das Gefängnis; dort spannte man ihn, da er auf alle Fragen nur leugnend antwortete; dass er sich in politische Angelegenheiten irgendwie mische, auf die Folter, deren Qual ihn dahin brachte, Alles zu gestehen: sechs Köpfe wurden bei den Hallen abgeschlagen, und mehr als fünfzig Leichen an den Ufern der Seine wieder gefunden.

Der Moment war also günstig, die Feindseligkeiten wieder zu beginnen; Johanna brach mit ihrem kleinen Armeecorps auf, und kam bis Lagny, ohne auf Engländer zu stoßen. Hier erfuhr sie, dass ein tapferer, aber unbarmherziger Mann, Namens Franquet von Arras, mit ungefähr vierhundert Mann, die er unter seinen Befehlen vereinigte, für die guten Leute der Partei des Königs die verderblichsten Streifzüge mache; denn er fing. Niemand auf Lösegeld, weder Männer noch Weiber, Alles plündernd und ermordend, die nicht Engländer oder Burgunder waren; Johanna wollte nicht so bei einem solchen Manne vorüberziehen, und seine Verbrechen unbestraft lassen. Sie brach von Lagny mit einer Zahl Soldaten auf, ungefähr derjenigen gleich, mit der' sie kämpfen sollte, und eine Meile von der Stadt stieß sie auf jenen, den sie suchte; sie marschierte gerade auf ihn los, und griff ihn sogleich mit der nämlichen Kraft an, die sie in den ersten Tagen gezeigt hatte.

Aber die vierhundert Mann des Franquet wann mutige Bogenschützen, die festhielten, und zweimal mit Pfeilschüssen die königlichen Truppen zurücktrieben; doch zweimal führte Johanna sie wieder in's Gefecht, und endlich wurden Franquet und seine Parteigänger gezwungen, sich in ein kleines, für die Jungfrau und ihre Leute, die keine Kanonen hatten, so ziemlich uneinnehmbares Fort einzuschließen.

In diesem Momente kam glücklicherweise Johann von Faucault, der zu Lagny befehligte, mit einem Teile der Besatzung und der Artillerie; die Batterien wurden also aufgeführt, man schoss Bresche, und stürmte unverzüglich, sowie die Mauer gangbar war. Franquet und seine Soldaten schlugen sich verzweifelt, allein sie hatten es mit noch Schrecklicheren zu tun, als sie waren; ein Teil der Parteigänger musste über die Klinge springen, der andere ergab sich auf Gnade; der Capitain Franquet von Arras war unter der Zahl der Letzteren.

Dann kamen die Richter von Lagny und der Landvogt von Senlis, welche Franquet als Verräter, Dieb und Mörder reklamierten. Ihrerseits erklärte Johanna dass sie ihn, da er ihr Gefangener sei, an Niemand ausliefern werde, indem sie ihn gegen den Seigneur von, Loré, der eben erst gefangen wurde, auszuwechseln gedenke; hierauf antwortete man ihr jedoch, dass diese Auswechslung durch den in der Gefangenschaft erfolgten Tod, des Seigneur von Loré unmöglich geworden sei. In Folge dieser Versicherung gab sie Franquet auf, und überließ ihn dem Landvogt mit den Worten: »Tut mit ihm, was Rechtens sein wird.« Der Prozess dauerte vierzehn Tage, und Franquet wurde nach dem Geständnis aller seiner Verbrechen enthauptet.

Inzwischen war soeben eine neue Verschwörung in Paris ausgebrochen, und hatte, obgleich wie die erste unterdrückt, deshalb nicht minder einen tiefen Eindruck gemacht, so nahe war sie daran gewesen, zu gelingen. Einer von den Kriegsgefangenen in der Bastille, der sein Lösegeld bezahlt hatte, und, beinahe schon auf freien Fuß gestellt, nach Belieben hin und her ging, fand eines Tages den Gefangenenwärter entschlummert auf einer Bank im Hofe; er näherte sich ihm dann sachte, nahm ihm den Bund Schlüssel, der in seinem Gürtel hing, öffnete den Kerker von drei Kameraden, und alle vier, mit Messern und Stecken bewaffnet, fielen über die Wächter her, von denen sie einige ermordeten, bevor diese Zeit fanden, sich zu besinnen, so zwar, dass sie vielleicht der Bastille sich bemächtigt hätten, als der Herr von Isle, Adam, Gouverneur von Paris, der mit einem Truppe Krieger in der Umgebung die Runde machte, auf das Geschrei derjenigen herbeieilte, die man tötete, und spaltete, eine Axt in der Hand in den Hof reitend, dem Rädelsführer des Komplottes den Kopf: die Übrigen wurden dann ergriffen, auf die Folter gespannt, und nach dem Geständnisse, dass sie das Schloss nehmen wollten, um es den Leuten des Königs auszuliefern, zum Tode verurteilt, enthauptet, oder in den Fluss geworfen.

Johanna erhielt diese Nachricht, als sie zu Lagny war, und hatte bereits beschlossen, nach Paris zu marschieren, um jene guten Absichten zu benützen, die sie dort zum Ausbruch kommen sah, als sie eine noch weit wichtigere Neuigkeit erfuhr: der Herzog von Burgund, welcher mehr als jemals wieder Engländer geworden war, kam mit einer starken Armee, und belagerte Compiegne, wo, wie gesagt', der Herr von Flavy befehligte. Johanna beschloss, zu dem Bedrängtesten zu gehen: sie sendete Jakob von Chabannes, Régnault von Fontaine und Yaintrailles voraus, und ließ durch sie dem Gouverneur sagen, er möge fest halten, sie würde kommen.

Wirklich verweilt sie, nach Erteilung ihrer letzten Befehle, zu Crespy einen einzigen Tag, um dort ihre Andacht zu verrichten, dann zieht sie nach Anbruch der Nacht nach Compiégne, in welches sie ohne Hindernis dringt, von der Dunkelheit begünstigt, obgleich die Stadt fast von allen Seiten umzingelt war, und der Herr von Luxemburg, der Herr von Noyelle, Sir John Montgommery und der Herzog selbst, die vorzüglichsten Punkte bewachten.

Am Morgen begab sich Johanna in die St. Jakobskirche, um dort die Messe zu hören, was sie zu tun pflegte, so oft sie sich in einer Stadt befand. Kaum erfuhr man, dass sie dort sei, als die Kirche sich mit Leuten füllte, und vorzüglich mit Weibern und Kindern. Sie lehnte sich an eine Säule, an den bezeichneten Stellen kniend, andächtig betend, und während ihrer Gebete weinend. So lange die Messe dauerte, begnügte man sich, sie anzuschauen, ohne sie zu stören; aber kaum war die Messe zu Ende, als die Menge zu ihr hinstürzte, und einen kleinen goldenen Ring zu küssen begehrte, den sie am Finger trug, und in welchen drei Kreuze und der Name Jesus gestochen waren; nun überließ Johanna ihre Hände diesen guten Leuten, und da Einer von jenen, die vor ihr knieten, sie fragte, warum sie sie so traurig anschaue, antwortete sie:

»Ach! meine guten Freunde und meine lieben Kinder, ich sag' es Euch mit aller Gewissheit: es gibt einen Menschen, der mich verkauft hat; ich bin verraten, und werde bald dem Tode überliefert. Betet also zu Gott für mich, ich bitte Euch inständig darum; denn bald werde ich meinem Könige, und dem edlen Königreiche Frankreich nicht mehr dienen können.

Jetzt begann die ganze Menge, diese Worte hörend, zu weinen und zu schluchzen, und forderte sie auf, den Verräter zu bezeichnen, wenn sie ihn kenne, welcher seiner Strafe nicht entgehen würde. Doch Johanna begnügte sich, traurig den Kopf zu schütteln, verließ die Kirche., und kehrte heim, von dieser Menge gefolgt, die noch lange Zeit vor dem Thor ihres Hauses blieb, in der Hoffnung, sie wieder zu sehen.

Johanna brachte den Tag im Gebete zu. Wie Jesus auf dem Ölberge, trank sie ohne Zweifel den Kelch, den irgend ein Engel ihr brachte. Als sie dann zu dem Truppe, der sie begleitete, gesagt hatte, sich zu einem Ausfalle gegen vier Uhr Nachmittags bereit zu halten, kam Pothon, der Burgunder, einer von ihren Capitainen, zur verabredeten Stunde, und meldete ihr, dass ihre Krieger bereit seien, und nur noch auf sie warteten.

Johanna erschien in ihrer gewöhnlichen Tracht, das heißt, sie trug eine Mannsrüstung, bedeckt mit einem Überkleid von rotem, gold- und silbergestickten Sammet, ein starkes Schwert, das sie zu Lagny von einem Burgunder eroberte, … denn, wie erwähnt, wollte sie, seitdem sie ihr Schwert von Fierbois zerbrach, keines andern mehr, als nur eines solchen sich bedienen, das sie dem Feinde abnahm, … und ihre kleine Streitaxt. Sie stieg zu Pferd, nahm ihre Standarte ans den Händen ihres Schildknappen, machte noch ein- oder zweimal das Zeichen des Kreuzes, anempfahl jenen, die sie von dannen ziehen sahen, für sie zu beten, und sagte dann zu Pothon: »Vorwärts!« setzte ihr Pferd in Trab, und ritt dem Tore zu, wo ihr Trupp sie erwartete. Im nämlichen Augenblicke wurde das Thor geöffnet, und Johanna, von ungefähr fünf oder sechshundert Reisigen gefolgt, sprengte in die Ebene, und stürzte auf die Standorte des Herrn von Noyelles in dem Momente, da Johann von Luxemburg und einige von seinen Reitern sich dort befanden, die hingekommen waren, um die Stadt mehr in der Nähe genau zu betrachten.

Dieser Ausfall war nicht vorherzusehen, daher seine erste Wirkung schrecklich: alle Leute des Herrn von Noyelles wurden in waffenlosem Zustande überfallen, und nur Johann von Luxemburg versuchte mit den Reitern, die er führte, Widerstand zu leisten, während ein Bote mit verhängtem Zügel in sein Lager sprengte, um Hilfe zu verlangen. Die Franzosen säbelten indessen in die Wette nieder, Alles zu Boden werfend, was widerstand, und bis zum Standorte des Sir John Montgommery vordringend.

Nun machte sich Jeder hastig auf die Beine, denn das Geschrei: »Die Jungfrau! Die Jungfrau!» war von dem einen Ende des Lagers bis zu dem andern erschollen; bald rückten zehnmal zahlreichere Massen, als jene des kleinen Trupps der Angreifenden, gegen diese vor, und sie mussten zurückweichen. Die Jungfrau führte den Rückzug, wie sie den Angriff geführt hatte, die Letzte bei jenem, wie die Erste bei diesem, jedes mal sich umwendend, wenn sie allzu gedrängt war, und so oft sie sich umwendete, sah sie diese ganze Masse vor ihrer Standarte zurückfahren.