Free

Die beiden Dianen

Text
iOSAndroidWindows Phone
Where should the link to the app be sent?
Do not close this window until you have entered the code on your mobile device
RetryLink sent

At the request of the copyright holder, this book is not available to be downloaded as a file.

However, you can read it in our mobile apps (even offline) and online on the LitRes website

Mark as finished
Font:Smaller АаLarger Aa

VI.
Diana von Castro

Diana von Castro, die wir als Kind gesehen, zählte, nun ungefähr achtzehn Jahre; ihre Schönheit hatte alle ihre Versprechungen gehalten und sich auf eine zugleich regelmäßige und reizende Weise entwickelt; der eigenthümliche Ausdruck ihres sanften und zarten Gesichtes war eine jungfräuliche Reinheit. Diana von Castro war dem Charakter und dem Geiste nach das Kind geblieben, das wir kennen. Sie war noch nicht dreizehn Jahre alt, als der Herzog von Castro, den sie seit ihrem Hochzeitstage nicht mehr gesehen, bei der Belagerung von Hesdin getödtet wurde. Der König schickte das verwitwete Kind, um das Trauerjahr daselbst zuzubringen, nach dem Kloster der Töchter Gottes in Paris, und Diana fand hier so theure Neigungen und so süße Gewohnheiten, daß sie ihren Vater um Erlaubniß bat, bei den guten Nonnen und ihren Gefährtinnen bleiben zu dürfen, bis es ihm gefiele, abermals über sie zu verfügen. Man konnte ein so frommes Vorhaben nur achten, und Heinrich hatte Diana erst vor einem Monat aus dem Kloster treten lassen, seitdem der Connetable von Montmorency, eifersüchtig auf das Ansehen, das die Guisen in der Regierung gewonnen, für seinen Sohn die Hand der Tochter des Königs und der Favoritin nachgesucht und erhalten hatte.

Während dieses Monats, den sie am Hofe zubrachte, wußte sich Diana die Ehrfurcht und die Bewunderung Aller zu erwerben: »Denn,« sagt Brantôme im Buch der berühmten Damen, »denn sie war sehr gut, und bereitete Niemand ein Mißvergnügen, sie hatte ein großes und erhabenes Herz und eine edle, weise, tugendhafte Seele.« Doch diese Tugend, die sich so rein und liebenswürdig mitten aus der allgemeinen Verdorbenheit der Zeit hervorhob, war durchaus nicht mit Strenge und Härte gemischt. Als eines Tags ein Mann vor Diana sagte, eine Tochter von Frankreich müsse muthig sein, und ihre Schüchternheit habe zu sehr den Geschmack einer Nonne, da lernte sie in wenigen Tagen reiten, und es gab bald keinen Cavalier, er ihr an Kühnheit und Zierlichkeit gleichkam. Sie begleitete von nun an den König auf die Jagd, und Heinrich ließ sich immer mehr von dieser Freundlichkeit einnehmen, welche ohne ein absichtliches Bestreben die geringste Gelegenheit suchte, um ihm zuvorzukommen und zu gefallen. Diana hatte auch das Vorrecht, zu jeder Stunde bei ihrem Vater einzutreten, und sie war stets willkommen. Ihre rührende Anmuth, ihr keusches Wesen, der Dunst der Jungfräulichkeit und Unschuld, den man um sie her einathmete, Alles bis auf ihr ein wenig trauriges Lächeln, machte aus ihr vielleicht die herrlichste und reizendste Erscheinung dieses Hofes, der doch aus so vielen blendenden Schönheiten bestand.

»Nun!« sagte Heinrich, »ich höre Euch, mein Liebling. Es schlägt eben elf Uhr. Die Hochzeitsceremonie in Saint-Germain l’Auxerrois findet erst um Mittag statt. Ich habe Euch also eine ganze halbe Stunde zu geben . . . warum bleibt mir nicht mehr? Die Augenblicke, die ich bei Euch zubringe, sind die guten meines Lebens.«

»Sire, wie nachsichtig und väterlich seid Ihr.«

»Nein, sondern, ich liebe Euch, mein zärtliches Kind, und möchte von Herzen gern etwas thun, was Euch gefiele, unter der Bedingung daß ich dadurch nicht den ernsten Interessen schaden würde, welche ein König immerhin vor jeder Zuneigung im Auge halten muß. Und hört, Diana, um Euch einen Beweis zu geben, will ich Euch vor Allem den Erfolg der zwei Gesuche nennen, die Ihr an mich gerichtet habt. Die gute Schwester Monica, die Euch so sehr geliebt und in Eurem Kloster der Töchter Gottes gelebt hat, ist auf Eure Empfehlung zur Aebtissin des Klosters Origny in Saint-Quentin ernannt worden.«

»Oh! wie dank ich Euch, Sire!«

»Was den braven Antoine, Euren Lieblingsdiener in Vimoutiers betrifft, so erhält er sein ganzes Leben lang eine Pension aus unserem Staatsschatz. Ich bedaure sehr, Diana, daß der gute Enguerrand nicht mehr lebt, wir hätten gern unsere Dankbarkeit diesem würdigen Stallmeister bewiesen, der unsere theure Tochter Diana so glücklich erzog. Doch Ihr habt ihn, glaube ich, im vorigen Jahr verloren und er hinterläßt nicht einmal einen Erben.«

»Sire, das ist wahrhaftig zu viel Großmuth und Güte.«

»Hier sind auch die Patente, welche Euch den Titel einer Herzogin von Angoulême verleihen, und, das ist noch nicht der vierte Theil von dem, was ich für Euch zu thun wünschte. Denn ich sehe Euch zuweilen träumerisch und traurig, nun ich beeilte mich deshalb, mit Euch zu sprechen, von dem Verlangen beseelt, Euch zu trösten oder Eure Leiden zu heilen. Redet, mein Kind, seid Ihr denn nicht, glücklich?«

»Ah! Sire,« erwiderte Diana, »warum sollte ich es nicht sein, umgeben von Eurer Liebe und Euren Wohlthaten? Ich verlange nur Eines: daß die so freudenvolle Gegenwart sich fortsetze. Die Zukunft, so schön und glorreich sie auch sein dürfte, vermöchte nie dafür zu entschädigen.«

»Diana,« sprach Heinrich mit ernstem Tone, »Ihr wißt, daß ich Euch vom Kloster zurückberufen habe, um Euch Franz von Montmorency zu geben. Es ist eine große Partie, Diana, und dennoch scheint Euch diese Heirath, die, ich verberge es Euch nicht, auf eine ersprießliche Weise die Interessen meiner Krone unterstützt hätte, zu widerstreben. Ihr seid mir wenigstens die Gründe dieser Weigerung schuldig, die mich betrübt, Diana.«

»Ich werde sie Euch auch nicht verbergen, mein Vater. Vor Allem,« sagte Diana mit einer gewissen Verlegenheit, »vor Allem hat man mich versichert, Franz von Montmorency wäre schon heimlich mit Fräulein von Fiennes, einer der Damen der Königin, verheirathet.«

»Es ist wahr,« versetzte der König, »doch diese ohne die Einwilligung des Connetable und ohne die meinige heimlich geschlossene Ehe ist null und nichtig, und wenn der Papst die Scheidung ausspricht, so dürft Ihr Euch nicht anspruchsvoller zeigen, als Seine Heiligkeit! Ist dies Euer Grund . . .?«

»Ich habe noch einer andern, mein Vater.«

»Welchen? laßt hören; wie kann eine Verbindung, welche die edelsten und reichsten Erbinnen von Frankreich ehren würde, Euch zum Unglück gereichen?«

»Nun wohl! mein Vater, weil . . . weil ich Einen liebe,« sagte Diana, indem sie sich weinend und ganz verwirrt in die Arme des Königs warf.

»Ihr liebt, Diana?« versetzte Heinrich erstaunt, »und wie heißt derjenige, welchen Ihr liebt?«

»Gabriel, Sire!«

»Gabriel von was?« fragte der König lächelnd.

»Ich weiß es nicht mein Vater.«

»Wie dies, Diana? In des Himmels Namen erklärt Euch.«

»Sire, ich will Euch Alles sagen. Es ist eine Liebe aus der Kindheit. Ich sah Gabriel alle Tage. Er war so gefällig, so brav, so schön, so gelehrt, so zärtlich; er nannte mich seine kleine Frau. Ah! Sire, lacht nicht, es war eine ernste, fromme Zuneigung, die erste, die sich in mein Herz eingegraben hat; andere mögen hinzukommen, doch keine wird sie vertilgen. Und dennoch habe ich mich an den Herzog Farnese verheirathen lassen, Sire, doch ich wußte nicht, was ich that, man zwang mich, und ich gehorchte wie ein kleines Mädchen. Seitdem habe ich gesehen, habe ich gelebt, ich habe begriffen, welches Verrates ich mich gegen Gabriel schuldig gemacht! Armer Gabriel! als er mich verließ, weinte er nicht; doch welch ein Schmerz in seinem tiefen Blick! Alles dies kehrte mit den goldenen Erinnerungen meiner Kindheit während der einsamen Jahre, die ich im Kloster zubrachte zu mir zurück. So habe ich zweimal die in der Nähe von Gabriel verlaufenen Tage durchlebt: in der That und im Geist, in der Wirklichkeit und im Traum. Und hierher, an den Hof, zurückgekehrt, Sire, unter diesen vollendeten Edelleuten, welche gleichsam eine zweite Krone für Euch bilden, habe ich nicht Einen gesehen, der mit Gabriel in die Schranken zu treten vermöchte, und Franz, der unterwürfige Sohn des hochmüthigen Connetable, wird mich nie den sanften und stolzen Gefährten meiner Kindheit vergessen lassen. Nun, da ich meine Handlungen und ihr Gewicht begreife, mein Vater, werde ich auch, so lange Ihr mir die Freiheit gönnt, Gabriel treu bleiben.«

»Hast Du ihn denn, seitdem Du Vimoutiers verlassen, wiedergesehen, Diana?«

»Ach! nein, mein Vater.«

»Doch Du hast wenigstens Nachricht von ihm?«

»Eben so wenig. Ich habe nur durch Enguerrand erfahren, daß er nach meiner Abreise jene Gegend verlassen; zu Aloyse, seiner Amme, hatte er gesagt, sie würde ihn nur ruhmgekrönt und gefürchtet wiedersehen, und sie brauchte nicht um ihn besorgt sein. Hiernach schied er, Sire.«

»Ohne daß seine Familie seitdem von ihm sprechen hörte?« fragte der König.

»Seine Familie?« wiederholte Diana. »Ich kannte keine andere Familie von ihm, als Aloyse, mein Vater, und nie habe ich seine Verwandten gesehen, wenn ich ihn mit Enguerrand in Montgommery besuchte.«

»Ein Montgommery!« rief Heinrich erbleichend.

»Diana! Diana! es ist hoffentlich kein Montgommery! sage mir geschwinde, daß es kein Montgommery ist.«

»Oh! nein, Sire; sonst müßte er, wie mir scheint, das Schloß bewohnt haben, und er wohnte im Hause von Aloyse, seiner Amme. Doch was haben Euch die Grafen von Montgommery gethan, daß Ihr dergestalt in Bewegung gerathet, Sire? Sollten Sie Eure Feinde sein? Man spricht im Lande nur mit Ehrfurcht von ihnen.«

»Ah! wahrhaftig,« sagte der König mit einem Lachen der Verachtung, »sie haben mir nichts gethan, gar nichts, Diana! was soll auch ein Montgommery einem Valois thun? Kehren wir zu Deinem Gabriel zurück . . .; nicht wahr, Gabriel nanntest Du ihn?«

»Ja.«

»Und er hatte keinen andern Namen?«

»Nicht daß ich wüßte, Sire; er war eine Waise, wie ich, und nie hat man in meiner Gegenwart von seinem Vater gesprochen.«

»Und Ihr habt keine andere Einwendung gegen die zwischen Euch und Montmorency beabsichtigte Verbindung zu machen, als Eure alte Zuneigung für diesen jungen Menschen? keine andere, nicht wahr?«

»Dies genügt für die Religion meines Herzens, Sire.«

 

»Sehr gut, Diana, und ich würde es vielleicht nicht versuchen, Eure Bedenklichkeiten zu besiegen, wenn Euer Freund hier wäre, damit man ihn kennen lerne und würdigen könnte, und obwohl er, wie ich vermuthe zweifelhaften Ursprungs ist . . .«

»Ist nicht auch ein Balken in meinem Wappenschild, Eure Majestät?«

»Ihr habt wenigstens ein Wappenschild Madame, und die Montmorency wie die Castro schätzen es sich zur Ehre, in ihre Häuser eine legitimierte Tochter des meinigen einzuführen, dessen wollt Euch erinnern. Euer Gabriel im Gegentheil . . . Doch hiervon ist nicht die Rede. Was mich besorgt macht, ist der Umstand, daß er seit sechs Jahren nicht wieder erschienen ist, daß er Euch vergessen hat, daß er vielleicht eine Andere liebt.«

»Sire, Ihr kennt Gabriel nicht, er ist ein wildes und treues Herz, das in der Liebe für mich erlöschen wird.«

»Gut, Diana. Bei Euch ist die Untreue allerdings nicht wahrscheinlich, und Ihr habt Recht, sie zu leugnen. Doch Alles führt Euch zum Glauben, daß dieser junge Mann in den Krieg gezogen. Ist es nun nicht wahrscheinlich, daß er umgekommen? Ich betrübe Dich, mein Kind, Deine Stirne ist erbleicht, und Deine Augen haben sich mit Thränen befeuchtet. Ja, ich sehe es, es ist in Dir ein tiefes Gefühl, und obgleich ich kaum Gelegenheit gehabt habe, ein ähnliches zu treffen, obgleich man mich daran gewöhnt hat, an allen diesen großen Leidenschaften zu zweifeln, lächle ich doch nicht über die Deinige, und will sie ehren. Doch bedenke, meine Holde, in welche Verlegenheit ich wegen einer Kinderliebe, wegen eines Gegenstandes, der nicht mehr vorhanden ist, wegen einer Erinnerung, wegen eines Schattens, durch Deine Weigerung gerathen werde. Nehme ich beleidigender Weise mein Wort zurück, so wird sich der Connetable mit Recht ärgern, meine Tochter, und sich vielleicht aus dem Dienst zurückziehen; und dann bin ich nicht mehr König, der Herzog von Guise ist es . . . Schau’, Diana, von sechs Brüdern dieses Namens hat der Herzog von Guise unter seiner Hand alle militärische Kräfte von Frankreich, der Cardinal alle Finanzen, ein dritter meine Galeeren in Marseille, ein vierter befehligt in Schottland, und ein fünfter wird Brissac in Piemont ersetzen; so daß ich, der König, in meinem ganzen Reiche weder über einen Soldaten, noch über einen Thaler ohne ihre Einwilligung verfügen kann. Ich spreche sanft mit Dir, Diana, und erkläre Dir die Dinge; ich bitte, während ich befehlen könnte. Doch ich will lieber Dich selbst zum Richter machen, und nicht der König, sondern der Vater soll es von seiner Tochter erhalten, daß sie seinen Plänen beitritt. Ich werde dies verlangen, denn Du bist gut und ergeben. Diese Heirath rettet mich, mein Kind, sie verleiht den Montmorency die Gewalt, die sie den Guisen entzieht. Sie macht die zwei Schalen der Wage gleich, deren Balken meine königliche Macht ist, Guise wird minder stolz, und Montmorency mehr ergeben sein. Nun? Du antwortest nicht, mein Kind; wirst Du taub bleiben für die Bitten Deines Vaters, der Dir keine Gewalt anthut, der Dir nicht mit Ungestüm begegnet, der im Gegentheil in Deine Gedanken eingeht, und Dich nur ansieht, ihm den ersten Dienst nicht zu verweigern, mit dem Du ihm bezahlen kannst, was er für Dich gethan hat und noch für Deine Ehre und Dein Glück thun will. Nun! Diana, meine Tochter, willigst Du ein, sprich?«

»Sire,« erwiderte Diana, »Ihr seid tausendmal mächtiger, wenn Eure Stimme fleht, als wenn sie befiehlt. Ich bin bereit, mich Euren Interessen zu opfern, doch unter einer Bedingung, Sire.«

»Nenne sie, verwöhntes Kind.«

»Diese Heirath darf erst in drei Monaten stattfinden, und bis dahin werde ich Aloyse um Nachricht von Gabriel bitten lassen, und überdies alle mögliche Erkundigungen einziehen, damit ich, wenn er nicht mehr ist, es weiß, und daß ich, wenn er lebt, wenigstens mein Versprechen von ihm zurückverlangen kann.«

»Von ganzem Herzen bewilligt,« sagte Heinrich voll Freude, »und ich füge sogar bei, daß man nicht mit mehr Vernunft bei einer Kinderei zu Werke gehen kann . . . Du lässest also nach Deinem Gabriel forschen, und ich werde Dich im Falle der Noth unterstützen, und in drei Monaten heirathest Du Franz, was auch der Erfolg unserer Erkundigungen ist, mag Dein junger Freund leben oder todt sein.«

»Und nun weiß ich nicht, ob ich mehr seinen Tod oder sein Leben wünschen soll,« sprach Diana, schmerzlich den Kopf schüttelnd.

Der König öffnete den Mund und wollte eine wenig väterliche Theorie und einen ziemlich gewagten Trost aussprechen; doch er hatte nur dem unschuldsvollen Blick und dem reinen Profil von Diana zu begegnen, um zu rechter Zeit inne zu halten, und sein Gedanke verrieth sich nur durch ein Lächeln.

»Zum Glück oder zum Unglück wird sie der Umgang mit dem Hof bilden,« sagte er zu sich.

Dann sprach er laut:

»Es ist die Stunde, sich in die Kirche zu begeben, Diana, nehmt meine Hand bis zur großen Gallerie, Madame, und dann werde ich Euch beim Ringelrennen und bei den Spielen des Nachmittags wiedersehen, und wenn Ihr mir nicht zu sehr grollt wegen meiner Tyrannei, so werdet Ihr Euch wohl herbeilassen, mir Beifall zu zollen bei meinen Lanzenstößen und Angriffen mit dem Schwert, mein hübscher Richter.«

VII.
Die Pater noster des Herrn Connetable

An demselben Tage, während die Ringelrennen und Feste in den Tournelles gehalten wurden, befragte der Connetable von Montmorency im Louvre, im Cabinet von Diana von Poitiers, einen von seinen geheimen Vertrauten.

Der Spion war von mittlerem Wuchse und braunem Gesicht. Er hatte schwarze Augen und Haare, eine Adlernase, ein gabelförmiges Kinn, eine hervorspringende Unterlippe und einen leicht gekrümmten Rücken. Er glich auf das Auffallendste Martin-Guerre, dem treuen Stallmeister von Gabriel. Wer sie getrennt gesehen hätte, würde den Einen für den Andern gehalten haben. Wer sie mit einander gesehen hatte, würde geschworen haben, es wären Zwillingsbrüder, so groß und scharf war die Übereinstimmung in allen ihren Theilen. Es waren dieselben Züge, dasselbe Alter, dieselbe Haltung und Bewegung.

»Und was habt Ihr mit dem Eilboten gemacht, Meister Arnauld?« fragte der Connetable.

»Gnädigster Herr, ich habe ihn umgebracht. Es mußte sein. Doch es geschah in der Nacht, im Walde von Fontainebleau. Man wird den Mord auf Rechnung der Räuber setzen. Ich bin klug.«

»Gleichviel Meister Arnauld, die Sache ist ernst, und ich tadle Euch, daß Ihr so rasch mit dem Messer spielt.«

»Ich weiche vor keinem äußersten Mittel zurück, wenn es sich in den Dienst von Monseigneur handelt.«

»Ja; noch einmal für allemal, Meister Arnault, bedenkt, daß, wenn Ihr Euch fangen laßt, ich Euch hängen lasse,« sprach mit trockenem und ein wenig verächtlichem Tone der Connetable.

»Seid unbesorgt, Monseigneur, man ist ein Mann der Vorsicht.«

»Laßt nun den Brief sehen.«

»Hier ist er Monseigneur.«

»Nun, so öffnet ihn, ohne das Siegel zu verlegen, und leset. Bei Gottes Tod! bildet Ihr Euch ein, ich könne lesen?«

Meister Arnauld du Thill nahm aus seiner Tasche eine Art von schneidendem Meißel, schnitt sorgfältig das Siegel heraus und öffnete den Brief. Er schaute zuerst nach der Unterschrift.

»Monseigneur sieht, daß ich mich nicht täuschte. Der an den Cardinal von Guise gerichtete Brief ist vom Cardinal Caraffa, wie der elende Eilbote mir alberner Weise zugestanden hat.«

»Bei der Dornenkrone! lies doch,« rief Anne von Montmorency.

Meister Arnauld las:

»Monseigneur und theurer Verbündeter, nur drei Worte von Belang. Erstens wird der Papst, Eurer Bitte gemäß, die Angelegenheit der Ehescheidung in die Länge ziehen und von Congregation zu Congregation Franz von Montmorency schicken, der gestern in Rom bei uns angekommen ist, um ihm endlich die Dispense, welche er nachsucht, zu verweigern.«

»Pater noster,« murmelte der Connetable. »Satan verbrenne alle diese Rothröcke.«

»Zweitens,« fuhr Arnauld im Lesen fort, »zweitens hält Herr von Guise, Euer erhabener Bruder, nachdem Campli genommen, Civitella im Schach. Doch damit wir uns hier entschließen, ihm, seinem Begehren gemäß Mannschaft und Mundvorräthe zu schicken, was im Ganzen ein großes Opfer für uns ist, möchten wir gern versichert sein, daß Ihr ihn nicht für den Krieg in Flandern zurückrufen werdet, wie hier die Sage gebt. Richtet es so ein, daß er uns bleibt, und Seine Heiligkeit wird sich zu einer großen Bewilligung von Indulgenzen entscheiden, obgleich die Zeiten hart sind, um Herrn Franz von Guise auf eine wirksame Weise den Herzog von Alba und seinen anmaßenden Herrn bestrafen zu helfen.«

»Adveniat regnum tuum!« brummte Montmorency. »Dafür werden wir Rath schaffen, Blutkopf! wir werden sorgen, und müßten wir die Engländer nach Frankreich rufen. Fahrt also fort, bei der heiligen Messe!«

»Drittens,« las der Spion weiter, »um Euch zu ermuthigen und Euch in Euren Bemühungen zu unterstützen, Monseigneur, melde ich Euch die nahe bevorstehende Ankunft in Paris eines Abgesandten Eures Bruders, des Vicomte d’Ermès, der Heinrich die in dem italienischen Feldzuge eroberten Fahnen überbringt. Er reist ab, und wird ohne Zweifel zu gleicher Zeit mit meinem Brief ankommen, den ich jedoch unserem gewöhnlichen Eilboten anzuvertrauen vorgezogen habe; seine Gegenwart und die glorreiche Beute, die er dem König überbringt, werden sicherlich sehr ersprießlich zur Leitung Eurer Negociationen in der nothwendigen Richtung sein.«

»Fiat voluntas tua!« rief der Connetable wüthend. »Wir werden ihn empfangen, diesen Höllengesandten! ich empfehle ihn Dir, Arnauld. Ist der Brief zu Ende?«

»Ja, es folgen nur noch die Artigkeiten und die Unterschrift.«

»Er ist gut, Du siehst, daß Du Geschäfte bekommst, Meister.«

»Ich verlange nur dieses, Monseigneur, ein wenig Geld, um meine Geschäfte zu einem guten Ziele zu führen.«

»Bursche! hier sind hundert Dukaten. Man muß bei Dir immer Geld in der Hand haben.«

»Ich gebe so viel für den Dienst des gnädigsten Herrn aus.«

»Deine Laster kosten Dich mehr als mein Dienst, Hallunke.«

»O wie sehr täuscht sich der gnädigste Herr über mich. Es wäre mein einziger Traum, ruhig und glücklich und reich in irgend einer Provinz, umgeben von meiner Frau und meinen Kindern, zu leben und hier im Frieden als ein ehrlicher Familienvater meine Tage hinzubringen.«

»Das klingt in der That ganz tugendhaft und ländlich. Nun, so bessere Dich, lege einige Dublonen bei Seite, heirathe, und Du kannst Deine Pläne häuslichen Glückes verwirklichen. Was hindert Dich daran?«

»Ah! gnädigster Herr, das Ungestüm; welche Frau würde mich wollen?«

»In Erwartung Deiner Hochzeitsfeier, Meister Arnauld, versiegle wieder auf das Pünktlichste diesen Brief und trage ihn zu dem Cardinal; Du wirst Dich verkleiden, hörst Dir wohl, und dort sagen, Du seist von Deinem sterbenden Kameraden beauftragt worden.«

»Der gnädigste Herr kann sich auf mich verlassen. Der wiedergeschlossene Brief und der ersetzte Eilbote werden wahrscheinlicher sein, als die Wahrheit selbst.«

»Ah! Gottes Tod!« rief Montmorency, »wir haben vergessen, den Namen des von Guise angekündigten Gesandten aufzufassen. Wie heißt er doch?«

»Der Vicomte d’Ermès, Monseigneur.«

»Ja, so ist es, Schurke. Nun, so behalte diesen Namen, He da! wer kommt, wer stört mich wieder?«

»Der gnädigste Herr wolle mir verzeihen,« sprach eintretend der Fourrier des Connetable. »Ein so eben aus Italien ankommender Edelmann wünscht den König im Auftrag des Herzogs von Guise zu sehen, und ich glaubte Euch um so mehr davon in Kenntniß setzen zu müssen, als er durchaus den Cardinal Von Lothringen sprechen wollte. Er nennt sich Vicomte d’Ermès.«

»Damit hast Du wohl gethan, Guillaume,« sprach der Connetable. »Laß den Herrn eintreten. Und Du, Meister Arnauld, stelle Dich hinter diesen Thürvorhang und versäume die Gelegenheit nicht, denjenigen anzuschauen, mit welchem Du ohne Zweifel zu thun haben wirst; Deinetwegen empfange ich ihn, aufgepaßt!«

»Mir däucht, gnädigster Herr,« erwiderte Arnauld, »ich habe ihn schon auf meinen Reisen getroffen. Gleichviel! es ist gut, sich Sicherheit zu verschaffen.«

Der Spion schlüpfte hinter den Vorhang. Guillaume führte Gabriel ein.

»Verzeiht,« sagte der junge Mann sich vor dem Greise verbeugend, »mit wem habe ich zu sprechen die Ehre?«

»Ich bin der Connetable von Montmorency, mein Herr, was wünscht Ihr?«

»Ich bitte noch einmal um Verzeihung,« versetzte Gabriel, »was ich zu sagen habe, muß ich dem König sagen.«

»Ihr wißt, daß Seine Majestät nicht im Louvre ist, und in seiner Abwesenheit . . .«

»Ich werde mich zu seiner Majestät begeben, oder sie erwarten,« unterbrach ihn Gabriel.

»Seine Majestät ist bei den Festen der Tournelles und wird nicht vor Abend hierher zurückkommen; ist es Euch unbekannt, daß man heute die Hochzeit Seiner Hoheit des Herrn Dauphin feiert?«

 

»Nein, gnädigster Herr, ich habe es unter Weges erfahren. Doch ich bin durch die Rue de l’Université und über den Pont au Change gekommen, und nicht durch die Rue Saint-Antoine.«

»Ihr hättet der Richtung der Menge folgen sollen. Sie hätte Euch zum König geführt.«

»Ich habe nicht die Ehre, von Seiner Majestät gesehen worden zu sein, bin ganz fremd am Hofe und hoffte im Louvre Monseigneur den Cardinal von Lothringen zu finden. Ich fragte auch nach Seiner Eminenz und weiß nicht, warum man mich zu Euch geführt hat.«

»Herr von Lothringen,« sprach der Connetable, »liebt die Scheinkämpfe, da er ein Mann der Kirche ist. Doch ich bin ein Mann des Schwertes, und liebe nur die wirklichen Kämpfe, und deshalb bin ich im Louvre, während sich Herr von Lothringen in den Tournelles befindet.«

»Ich werde mir die Freiheit nehmen, ihn dort aufzusuchen, gnädigster Herr.«

»Mein Gott! ruht ein wenig aus, mein Herr, Ihr scheint von fern herzukommen, von Italien, ohne Zweifel, da ihr durch die Rue de l’Université eingeritten seid.«

»In der That, von Italien. Ich habe keinen Grund, es zu verbergen.«

»Ihr kommt vielleicht im Auftrag des Herzogs von Guise. Nun, was macht er dort?«

»Erlaubt mir, es zuerst Seiner Majestät mitzutheilen und Euch zu verlassen, um diese Pflicht zu erfüllen.«

»Geht, mein Herr, da Ihr so sehr Eile habt. Ohne Zweifel,« fügte er mit einer geheuchelten Vertraulichkeit bei, »ohne Zweifel seid Ihr ungeduldig, irgend eine von unsern schönen Damen wiederzusehen. Ich wette, Ihr habt zugleich Eile und Furcht. He! nicht wahr, es ist so, sprecht, junger Mann.«

Doch Gabriel nahm seine kalte, ernste Miene an, antwortete nur mit einer tiefen Verbeugung und entfernte sich.

»Pater noster, qui es in coelis!« knurrte der Connetable, als sich die Thüre hinter Gabriel geschlossen hatte. »Bildet sich dieser verfluchte Jungfernknecht ein, ich wolle ihm entgegenkommen, ihn gewinnen, wer weiß? ihn bestechen vielleicht! Weiß ich nicht eben so gut als er, was er dem König sagen wird? Gleichviel, wenn ich ihn wiederfinde, so soll er mir seine kecke Miene und sein freches Mißtrauen theuer bezahlen. Holla! Meister Arnauld. Nun? was? wo ist der Bursche? auch entflohen? beim Kreuz! alle Leute haben sich das Wort gegeben, heute albern zu sein; Satan verwirre sie . . . Pater noster!«

Während der Connetable seiner schlimmen Laune in Schmähungen und Pater-nostern, seiner Gewohnheit gemäß, Luft machte, sah Gabriel, als er, um aus dem Louvre wegzugehen, durch eine ziemlich dunkle Gallerie schritt, zu seinem großen Erstaunen an der Thüre seinen Stallmeister Martin-Guerre, dem er im Hof zu warten befohlen hatte.

»Ihr seid es, Meister Martin,« sagte er, »Ihr seid mir also entgegengekommen? Nun gut! eilt mit Jerôme voran und erwartet mich mit den Wohleingewickelten Fahnen an der Ecke der Rue Sainte-Catherine, in der Rue Saint Antoine. Monseigneur der Cardinal will vielleicht, daß wir sie dem König auf der Stelle und vor dem versammelten Hofe im Carrousel überreichen. Christoph wird mein Pferd halten und mich begleiten. Geht! Ihr habt mich begriffen?«

»Ja, gnädigster Herr, ich weiß was ich wissen wollte,« antwortete Martin-Guerre.

Und er stieg die Treppe hinab und ging Gabriel mit einer Schnelligkeit voran, welche als ein gutes Vorzeichen für die Vollziehung seines Auftrags erscheinen mußte. Gabriel, der langsamer und gleichsam träumend aus dem Louvre wegging, war sehr erstaunt, als er im Hof seinen Stallmeister abermals traf, doch diesmal ganz bleich und erschrocken.

»Nun! Martin, was gibt es denn, was habt Ihr?« fragte er.

»Ah! gnädiger Herr, ich habe ihn gesehen, er ist so eben an mir vorübergegangen, er hat mit mir gesprochen.«

»Wer denn?«

»Wer? wenn es nicht Satan ist, das Gespenst, die Erscheinung, das Ungeheuer, der andere Martin-Guerre.«

»Abermals diese Tollheit, Martin! Ihr träumt also wachend?«

»Nein, nein, ich habe nicht geträumt. Er hat mit mir gesprochen, sage ich Euch, gnädiger Herr, er ist vor mir stehen geblieben, hat mich mit seinem Zauberblick versteinert und auf eine höllische Art lachend, sagte er zu mir: »Nun! wir sind also immer noch im Dienste des Vicomte d’Ermès?« bemerkt diese Mehrzahl, wir sind, gnädiger Herr, »und wir bringen von Italien die im Feldzug von Herrn von Guise eroberten Fahnen?« Ich antwortete ja mit dem Kopf wider meinen Willen, denn er behexte mich: woher weiß er dies Alles, gnädiger Herr? Dann fuhr er fort: »Fürchten wir uns nicht, sind wir nicht Freunde und Brüder?« Und als er sodann das Geräusch Eurer Tritte hörte, gnädiger Herr, rief er mit seiner teuflischen Ironie, die mir die Haare auf dem Kopfe sich sträuben machte: »Wir werden uns wiedersehen, Martin-Guerre.« Und er verschwand durch die kleine Thüre vielleicht oder vielmehr in der Mauer.«

»Du bist ein Narr,« versetzte Gabriel, »wie hätte er die materielle Zeit gehabt, Alles. dies Dir zu sagen und zu thun, seitdem Du mich oben in der Gallerie verlassen hast.«

»Ich, gnädiger Herr, habe mich nicht von der Stelle gerührt, wo Ihr mir Euch zu erwarten befahlet.«

»Ah! das wäre etwas Anderes, und wenn ich nicht mit Euch gesprochen habe, mit wem habe ich also eben gesprochen?«

»Sicherlich mit dem Andern, gnädiger Herr, mit dem Doppelgänger, mit meinem Gespenst.«

»Mein armer Martin,« versetzte Gabriel mitleidig, »bist Du krank? Du mußt Kopfweh haben. Wir sind vielleicht zu lange in der Sonne marschiert.«

»Ja,« sprach Martin-Guerre, »Ihr denkt aber abermals, ich habe das Delirium, nicht wahr? Doch gnädiger Herr, zum Beweis, daß ich mich nicht täusche, diene, daß ich nicht ein Wort von den Befehlen weiß, die Ihr mir gegeben zu haben glaubt.«

»Du hast sie vergessen, Martin!« sprach Gabriel mit sanftem Tone, »nun! ich will sie Dir wiederholen, mein Freund. Ich befahl Dir, mich mit den Fahnen in der Rue Saint-Antoine, an der Ecke der Rue Saint-Catherine zu erwarten. Jerôme sollte Dich begleiten, und ich würde Christoph behalten, erinnerst Du Dich nun?«

»Verzeiht, gnädiger Herr, wie soll man sich dessen erinnern, was man nie gewußt hat?«

»Nun weißt Du es aber, Martin. Nehmen wir unsere Pferde wieder an der Pforte, wo unsere Leute sie uns halten müssen, und dann rasch vorwärts. Nach den Tournelles!«

»Ich gehorche, gnädiger Herr. Im Ganzen habt Ihr dadurch zwei Stallmeister; doch es ist ein Glück für mich, daß ich nicht zwei Herren habe.«