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Das Horoscop

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Den Prinzen überkam Etwas wie ein kalter Schauer. Er begriff, daß diese Anwesenheit der Admiralin bei dem König, zu welchem sie immer nur gezwungen kam, sich auf den Grund bezog, der ihn selbst hierher geführt, und er hatte eine Art dunkler Ahnung, daß etwas Schreckliches sich zutragen würde.

Der Vorhang hob sich nachdem er einige Secunden wieder zugefallen war, von Neuem, und die Admiralin erschien.

X.
Worin der König seine Ansicht in Betreff des Herrn von Condé und des Rathes Anne Dubourg ändert

Die Frau Admiralin hatte, ehe sie den König sah, zuerst den Prinzen von Condé bemerkt und wollte ihm eben den heitersten, freundlichsten Blick zuwerfen, als dieser Blick unvermuthet auf das Gesicht des Königs fiel.

Der Ausdruck von Zorn, der in diesem Gesicht zu lesen stand, machte, daß die Admiralin den Kopf senkte und zitternd näher trat.

Vor dem König angekommen, verbeugte sie sich.

»Ich habe Euch rufen lassen, Frau Admiralin, sagte der König mit erbleichenden Lippen und zusammengebissenen Zähnen, »um von Euch die Auflösung eines Räthsels zu erfragen, das ich seit diesem Morgen vergebens zu errathen suche.«

»Ich bin stets zu den Befehlen meines König,s« stammelte die Admiralin.

»Selbst wenn es sich um Entzifferung von Räthseln handelt? versetzte Franz. »Um so besser! freut mich sehr Das zu vernehmen, und wir wollen unverweilt an die Arbeit gehen.«

Die Admiralin verbeugte sich .

»Wollt doch gefälligst, fuhr der König fort, Unserem lieben Vetter Condé und Uns erklären, wie es kommt, das ein auf Unsern Befehl an eine Person vom Hofe geschriebenes Billet gestern Abend von Euch in den Gemächern der Königin Mutter verloren worden ist ?«

»Der Prinz von Condé begriff jetzt, was der Schauder besagen wollte, der ihn bei der Anmeldung der Admiralin angewandelt hatte.

Die ganze Wahrheit erschien vor seinen Augen, wie wenn sie aus der Erde hervorstiege, und die furchtbaren Worte des Königs:

»Ich werde Euch jetzt zeigen, wie ich bestrafe, summten ihm in den Ohren.

Er blickte die Admiralin an.

Diese hatte ihre Augen fest auf ihn geheftet, denn sie schien ihn zu fragen;

»Was soll ich dem König antworten?«

Der König begriff die Pantomime der beiden Mitschuldigen nicht und fuhr fort:

»Nun wohl, Frau Admiralin, das Räthsel ist vorgelegt wir fragen Euch um die Auflösung.«

Die Admiralin schwieg.

Der König fuhr fort:

»Aber vielleicht habt Ihr meine Frage nicht gut begriffen: ich will sie wiederholen. Wie kommt es, daß ein nicht an Euch gerichtete Billet sich in Euern Händen befunden hat, und durch welche Ungeschicklichkeit oder welche verrätherische Bosheit ist es aus Eurer Tasche auf den Teppich im Zimmer der Königin Mutter gefallen, und vom Teppich im Zimmer der Königin Mutter in die Hände des Herrn von Joinville gerathen?«

Die Admiral in hatte Zeit gehabt sich zu erholen.

»Ganz einfach, Sire,« sagte sie, ihre Kaltblütigkeit wieder gewinnend. »Ich habe dieses Billet in dem Gang des Louvre gefunden, der nach dem Saal der Verwandlungen führt; ich hob es auf, las es, und, da ich die Handschrift nicht kannte, nahm sich es zur Königin Mutter mit, um sie zu Fragen ob sie mehr wisse als ich. Bei Ihrer Majestät befand sich eine große Gesellschaft von Dichtern und Schriftstellern, und unter Andern Herr von Brantome der so wunderbare Geschichten erzählte, das wir Alle bis zu Thränen lachten, und ich wie die Andern Sire; während des Lachens zog ich mein Schnupftuch heraus, und bei dieser Gelegenheit spielte sich das unglückliche Billet, das ich vergessen hatte, aus meiner Tasche und fiel auf den Boden. Als ich es suchen wollte, war es nicht mehr da, weder in meiner Tasche noch um mich her, und ich vermuthe, daß Herr von Joinville es bereits aufgehoben hatte.«

»Die Sache ist sehr wahrscheinlich,« sagte der Königs mit einem spöttischen Lächeln ; »aber ich nehme sie nicht für wahr, so wahrscheinlich sie auch sein mag.«

»Was will Euer Majestät damit sagen?« fragte die Admiralin unruhig.

»Ihr habt das Billet gefunden?«, fragte der König.

»Ja Sire.«

»Nun dann werdet Ihr mir sehr leicht sagen können in was es eingewickelt war.«

»Ei,« stammelte die Admiralin, »es war gar nicht eingewickelt Sire.«

»In gar nichts?«

»Nein, «sagte die Admiralin erblassend; es war blos vierfach gefaltet.«

Ein Blitz durchzuckte den Geist des Prinzen von Condé.

Offenbar hatte Fräulein von St. André dem König den Verlust ihres Billets durch den Verlust ihres Schnupftuchs erklärt. Unglücklicher Waise blieb die Sache, die für Herrn von Condé klar wurde, für die Frau Admiralin im dunkel.

Sie senkte also ihr Haupt unter den forschenden Blick des Königs, wurde immer unruhiger, und gestand durch ihr Schweigen, daß sie den Zorns verdient hatte, den sie auf sich lasten fühlte.

»Frau Admiralin,« sagte Franz »für eine fromme Person wie Ihr seid müßt Ihr selbst zugeben, das dies eine höchst freche Lüge ist.«

»Sire!« stammelte die Admiralin.

»Sind das die Früchte der neuen Religion, Madame?« fuhr der König fort. »Da ist unser Vetter Condé der, obschon eins katholischer Prinz, Uns so eben noch in wahrhaft Ergreifenden Worten die Reformation gepredigt hat. Antwortet doch selbst der Frau Admiralin, lieber Vetter, und sagt Ihr in Unserem Namen, daß man, welcher Religion man auch angehören mag, immer schlecht ankommt, wenn man seinen König betrügt.«

»Gnade, Sire!« stammelte die Admiralin mit Thränen in den Augen, als sie den Zorn des Königs mit der Schnelligkeit der Fluth anwachsen sah.

»Und warum bittet Ihr mich um Gnade, Frau Admiralin?« sagte Franz. »Ich vor nicht ganz einer Stunde, man hätte mir von Euch sagen mögen, was man hätte wollen, eine Hand darauf ins Feuer gehalten daß Ihr die tugendfesteste Person meines Königreichs wäret.«

»Sire!« rief die Admiralin, indem sie stolz ihr Haupt wieder erhob, »Einem Zorn kann ich ertragen, aber Eure Spöttereien nicht. Es ist wahr, ich habe das Billet nicht gefunden.«

»Ah, Ihr gestehet es?i« sagte der König triumphirend.

»Ja, Sire, « antwortete die Admiralin einfach.

»Dann hat Euch Jemand das Billet gegeben?«

»Ja, Sire.«

Der Prinz folgte dem Gespräch mit der offenbaren Absicht einzuschreiten, sobald er glauben würde, der Augenblick sei gekommen.«

»Und wer hat es Euch gegeben, Frau Admiralin.« fragte der König.

»Ich kann Euch diese Person nicht nennen,« antwortete Frau von Coligny in festem Tone.

»Und warum denn nicht, meine Base ?« sagte der Prinz von Condé, indem er dazwischen trat und ihr das Wort abschnitt.

»Ja, warum nicht ?« Versetzte der König, erfreut über die Verstärkung, die ihm zukam.

Die Admiralin sah den Prinzen an, als wollte sie ihn um die Erklärung seiner Worte fragen.

»Wahrhaftig, « fuhr der Prinz, die stumme Frage der Admiralin beantwortend, fort, »ich habe keinen Grund, dem König die Wahrheit zu verbergen.«

»Ah, « sagte der König, sich wieder an den Prinzen wendend, »Ihr wißt also das Stichwort in dieser Geschichte ?«

»Allerdings, Sire.«

»Und woher?«

»Nun ja,Sire, « antwortete der Prinz, »weil ich selbst die Hauptrolle darin gespielt habe.«

»Ihr, mein Herr?«

»Ich selbst, Sire.«

»Und wie kommt es, daß Ihr mir bis jetzt noch kein Wort davon gesagt habt?«

»Weil Ihr mir, « antwortete der Prinz, »nicht die Ehre erwiesen habt mich darüber zu fragen, Sire, und weil ich mir nicht erlauben würde meinen gnädigen Souverän irgend eine Anecdote zu erzählen, ohne von ihm dazu ermächtigt zu sein.«

»Eure Ehrerbietung gefällt mir Vetter Ludwig, « sagte Franz; gleichwohl hat der Respect seine Grenzen und man kann den Fragen seines Souveräns zuvorkommen, wenn man ihm nützlich oder wenigstens angenehm zu sein glaubt. Erweist mir also den Gefallen, mein Herr, mir Alles zusagen was Ihr über diesen Gegenstand wißt, und welche Rolle Ihr bei dieser ganzen Geschichte gespielt habt.«

»Ich habe die Rolle des Zufalle gespielt. Ich bins, der das Billet gefunden hat.«

»Ah! Ihr seids!« sagte der König, indem er die Stirne runzelte und den Prinzen streng ansah. »Dann wundere ich mich nicht mehr, daß Ihr auf meine Fragen gewartet habt Ah! Ihr habt das Billet gefunden?«

»Ja, Sire, ich.«

»Und wo?«

»Nun in dem Gang, der zum Saal der Verwandlungen führt, wie die Admiralin so eben die Ehre hatte Euch zu sagen.«

Der Blick des Königs schweifte vom Prinzen auf die Admiralin und schien erforschen zu wollen, welches Einverständniß zwischen ihnen stattfinden möchte.«

»Also, mein Vetter,« sagte er, »da Ihr es gefunden habt, so müßt Ihr wissen, in was es eingeschlossen war.«

»Es war nicht eingeschlossen,Sire.«

»Wie !« rief der« König erblassend, »Ihr untersteht; Euch mir gar sagen es sei nicht eingeschlossen gewesen?

»Ja, Sire, ich habe die Kühnheit die Wahrheit zu sagen, und ich habe die Ehre Eurer Majestät zu wiederholen das das Billet nichts eingeschlossen, sondern zart umwickelt, war.«

»Umwickelt oder eingeschlossen, mein Herr, « sagte der König, »ist das nicht ganz gleich?«

»Ei, Sire, « versetzte der, Prinz, »es ist ein außerordentlicher Unterschied zwischen den beiden Worten. Man schließt einen Gefangenen ein, aber man umwickelt einen Brief. «

»Ich wußte nicht daß Ihr ein so großer Sprachgelehrter seid, mein, Vetter.«

»Die Muße, welche mir der Friede läßt; gestattet mir die Grammatik zu studiren, Sire. «

Kurz, und gut, mein Heer, sagt: mir in was das Billet eingewickelt oder eingeschlossen war. «

»Ja ein feines, an den vier Erben gesticktes Schnupftuch, Sire, und in eine der Ecken war das Billet eingebunden. «

»Wo ist dieses Schnupftuch?«

»Hier, Sire!«

Der Prinz zog es aus seiner Brust.

 

»Der König riß es ihm heftig aus der Hand.

»Gut! Aber wie kommt es, daß das von Euch gefundene Billet in die Hände der Frau Admiralin gerathen ist?«

»Nichts Einfacheres als das, Sire. Auf der Treppe des Louvre begenete ich; der Frau Admiralin und sagte zu ihr: Base, hier ist ein Billet das irgend ein Herr oder eine Dame vom Louvre verloren hat. Erkundigt Euch doch, wer ein Billet verloren haben mag, – die Sache Ist Euch leicht durch Dandelot, der die Wache hat – und gebt es gefälligst seinem Eigenthümer zurück.«

»Das ist in der That sehr natürlich, Vetter,« sagte der König, der von der ganzen Geschichte kein Wort glaubte.

»Also, Sire,« sagte der Prinz von Condé in dem er Miene machte abzutreten, »da ich die Ehre gehabt habe Euer: Majestät vollständig zu befriedigen . . .«

Aber der König hielt ihn mit einer Geberde zurück.

»Noch ein Wort, Vetter, wenn ich bitten darf,« sagte er.

»Gerne, Sire.«

»Frau Admiralin,« sagte der Könige indem er sich gegen Frau von Coligny umwandte, »ich erkenne Euch als eine loyale Unterthanin; wenn in der Stellung, worin Ihr Euch dem Herrn Prinzen von Condé gegenüber befandet, habt Ihr mir Alles gesagt was Ihr mir sagen konntet. Ich bitte um Entschuldigung, daß ich Euch bemüht habe. Ihr seid frei und ich bleibe Euch in Gnaden gewogen. Der Rest der Erklärung betrifft Herrn von Condé.«

Die Admiralin verbeugte sich und ging.

Herr von Condé hätte gerne Dasselbe gethan, aber er wurde durch den Befehl des Könige zurück gehalten.

Als die Admiralin sich entfernt hatte, ging der König mit übereinander gebissenen Zähnen und blauen Lippen auf den Prinzen zu.

»Mein Herr,« sagte er, »Ihr hatte nicht nöthig Euch an die Frau Admiralin zu wenden, um zu erfahren, an wen das Billet gerichtet war.«

»Wie so, Sire ?«

»Weil in der einen Ecke des Schnupftuchs die Anfangsbuchstaben und in der andern das Wappen des Fräuleins von St. André eingestickt ist.«

Jetzt war es an Herrn von Condé den Kopf zu senken.

»Ihr wußtet daß das Billet dem Fräulein von St. André gehörte, und obschon Ihr das wußtet, habt Ihr es möglich gemacht, daß es der Königin Mutter in die Hände fiel.«

»Euer Majestät wird mir wenigstens die Gerechtigkeit widerfahren lassen anzuerkennen, daß ich nicht wußte, daß das Billet auf ihren Befehl geschrieben war, und daß die Bekanntwerdung desselben sie bloßstellen konnte.«

»Mein Herr, da Ihr die Bedeutung der Worte unserer Sprache so gut kennt; so müßt Ihr auch wissen,daß Nichts meine Majestät bloßstellt; ich thue, was wir beliebt, Niemand hat Etwas daran zu sehen oder drein zusprechen, und der Beweis . . . «

Er ging an den Tisch und, nahm das Pergament, auf das er bereits anderthalb Zeilen geschrieben hatte.

»Und der Beweis, da seht . . .«

Er machte eine Bewegung, als ab er das Pergament zerreißen wollte.

»Ah, Sire, laßt Euern Zorn auf mich fallen und nicht auf einen Unschuldigen!«

»So bald mein Feind ihn beschützt, ist er für mich nicht mehr unschuldig, mein Herr.«

»Euer Feind, Sire!« rief der Prinz; »betrachtet mich der König als seinen Feind ?«

»Warum nicht, da ich von diesem Augenblick an der Eurige bin?«

Und er zerriß das Pergament.

»Sire, Sire, um Gotteswillen!« rief der Prinz.

»Mein Herr, das ist meine Antwort auf die Drohung, die Ihr soeben im Namen der Hugenottenpartei an mich richtetet. Ich biete ihr Trotz, mein Herr, und Euch mit ihr, wenn es Euch zufällig beliebt das Commando derselben zu übernehmen. Heute Abend wird der Rath Anne Dubourg hingerichtet.«

»Sire, es ist das Blut eines Unschuldigen, das Blut eines Gerechten das da fließen wird.«

»Ganz gut, « sagte der König, es mag fließen und Tropfen und Tropfen auf das Haupt desjenigen zurückfallen der es vergießt.«

»Und dieser ist. Sire?«

»Ihr selbst seid es, Herr von Condé«

Damit wies er dem Prinzen die Thüre und sagte:

»Entfernt Euch, mein Herr.«

»Aber Sire . . .« bat der Prinz.

»Geht, sage ich Euch!« rief der Königs zähneknirschend und mit dem Fuß stampfend, »Es gäbe keine Sicherheit für Euch, wenn Ihr zehn Minuten im Louvre bliebet.«

Der Prinz verbeugte sich und ging.

Der König fiel zermalmt in seinen Lehnstuhl die Ellbogen auf den Tisch gestemmt, den Kopf zwischen seinen Händen.

XI.
Kriegserklärung

Man begreift leicht, daß der Prinz von Condé nicht minder wüthend war als der König, und seine Wuth war um so grimmiger, als er den ganzen Vorfall blos sich selbst zuschreiben konnte, da er selbst zu Fräulein von St. André gegangen war, das Billet in dem Schnupftuch entdeckt und es dem Admiral von Coligny übergeben hatte.

Wie alle Leute, die sich durch ihren eigenen Fehler in einen schlimmen Handel verstrickt sehen beschloß er daher den seinigen bis aufs Aeußerste zu treiben und selbst das letzte Schiff zu verbrennen, auf das er sich hätte zurückziehen können.

Ueberdieß wäre es nach all den Leiden, die er um Fräulein von St. André ausgestanden, seine größte Verzweiflung, ja in seinen Augen eine Schmach und sein Beweis von Unmacht gewesen, wenn er sich zurückgezogen hätte, ohne noch auf dem Rückzug jenen Partherpfeil abzudrücken, der so häufig zurückprallt und dass Herz des Verliebten durchbohrt, welcher ihn abgeschossen: nämlich die Rache.

Nun hatte er die Rache am König bereits beschlossen, aber über die Rache an Fräulein von St. André sann er noch nach.

Einen Augenblick fragte er sich, ob nichts eine gewisse Feigheit darin liege, wenn er als Mann sich an einem Weib räche; aber er wußte sich dar auf antworten, dass dieses heuchlerische und rachsüchtige junge Mädchen, das ohne Zweifel noch am selben Tag die erklärte Mätresse des Königs werden sollte, keineswegs ein schwacher Feind sei.

Ja gewiß, er setzte sich einer geringeren Gefahr aus, wenn er dem tapfersten und gewandtesten Herrn vom Hof eine Herausforderung zuschickte, als wenn er sich rücksichtslos mit Fräulein von St. André überwarf.

Er wußte wohl, daß daraus ein tödtlicher Krieg ohne Aussicht auf Frieden oder Waffenruhe entstehen, daß dieser Krieg eine Menge von Gefahren, an Hinterhalten, offenen oder versteckten Angriffen mit sich führen und solange dauern mußte, als die Liebe des Königs dauerte.

Und bei der glänzenden Schönheit seiner Feindin, bei ihrem falschen Charakter, bei ihrem wollüstigen Temperament begriff er, daß diese Liebe, gleich der Liebe Heinrichs II. zu der Herzogin von Valentinois, ihr ganzes Leben hindurch dauern konnte.

Er setzte sich also nicht der Gefahr des tapfern Mannes aus, welcher dem Löwen kühn und offen die Stirne bietet, sondern er trotzte der weit ernsteren, wenn auch scheinbar weniger bedeutenden Gefahr des unvorsichtigen Reisenden, der mit einem einfachen Gertchen in der Hand sich den Spaß macht jene bezaubernde Cobra Capella zu reizen, deren geringster Biß tödtlich ist.

Diese Gefahr war in Wirklichkeit so groß, daß der Prinz sich einen Augenblick fragte, ob es durchaus nothwendig sei diesen neuen Blitz zu den Donnerwettern hinzuzufügen, die bereite über seinem Haupte tosten.

Aber wie er Bedenken getragen hatte, als er vor näherer Ueberlegung gefürchtet hatte in eine Feigheit zu verfallen, ebenso fühlte er sich unwiderstehlich vorangedrängt, als er sah, daß seine scheinbar feige Handlung bis zum Wahnsinn verwegen war.

Hätte er die Treppen hin absteigen, über den Hof schreiten, wieder in einem andern Flügel hinaufsteigen müssen, kurz, wäre ihm zwischen seinem Weggehen aus dem Cabinet des Königs und seinem Eintritt in die Wohnung des Fräuleins von St. André Zeit zu einer ernsteren Ueberlegung geblieben, so wäre ihm vielleicht die Vernunft zu Hilfe gekommen und gleich der Minerva der Alten welche Ulysses bei der Hand aus dem Gewühl zog, würde die kalte Göttin ihn aus dem Louvre gezogen haben. Aber unglücklicherweise brauchte der Prinz nur auf dem Corridor wo er sich bereits befand, weiter zu gegen, um nach einer oder zwei Biegungen auf die Thüre des Fräuleins von St. André zu stoßen.

Er fühlte, daß jeder Schritt ihn näher zu ihr führte, und mit jedem Schritt wurden die Pulsschläge seines Herzens schneller und heftiger.

Endlich gelangte er vor dieser Thüre an.

Er konnte den Kopf abwenden, vorbeigehen, seinen Weg fortsetzen. Allerdings war dieß der Rath, den ihm sein guter Engel ganz leise ertheilte, aber er hörte nur auf den bösen. Er blieb stehen, wie wenn seine Füße sich im Fußboden festgewurzelt hätten, und Daphne schien nach ihrer Verwandlung in einen Lorbeerbaum nicht unweglicher in der Erde zu haften.

Nach einem Augenblicke, nicht der Zögerung, sondern der Ueberlegung, sagte er wie Cäsar, als er seinen Spieß über den Rubicon warf:

»Wohlan denn! der Würfel ist gefallen.«

Und er klopfte.

Die Thüre ging auf.

Es war immer noch möglich, daß Fräulein von St. André ausgegangen war, oder daß sie ihn nicht empfangen wollte.

Das Schicksal war in die Sterne geschrieben – Fräulein von St. André befand sich zu Hause, und die Worte: er möge eintreten! gelangten bis zu den Ohren des Prinzen.

In der Zwischenzeit, die man brauchte um ihn aus dem Vorzimmer, wo, er die Antwort erwartete, nach dem Baudoir zu führen, wo diese Antwort so laut gegeben worden war, daß man sie außen hören konntet, sah Ludwig von Condé, wie in einem Nebel den er vor seinen Augen und seinem Herzen hätte, das ganze ungeheure Panorama der letzten sechs Monate an sich vorüberziehen, von dem Tag an wo er das junge Mädchen bei einem schrecklichen Ungewitter in einer schlechten Herberge bei St. Denis getroffen bis zur Stunde wo er sie mit einem Myrtenzweig in den Haaren in den Saal der Verwandlungen kommen gesehen, und wo sein unbescheidener Blick keine Sekunde lang von ihr abgelassen, bis zu dem Moment wo sie von dem ganzen Schmuck, den sie bei dem Eintritt in den Saal gehabt, nur diesen Myrtenzweig behalten hatte.

Und indem dieses Panorama sich vor seinen Augen entrollte, sah er, wenn auch ganz flüchtig jene nächtliche Scene in St. Cloud zwischen dem jungen Mädchen und dem Pagen sich wiederholen; dann fand er sie am Rand des großen Bassin, im Halbdunkel des zitternden Schattens der Platanen und Feigen wieder ; hierauf sah er sich selbst unbeweglich unter den Fenstern stehen und warten, bis ein Laden sich halb öffnete und eine Blume oder ein Billet zu seinen Füßen fiel; endlich fand er sich wieder unter diesem Bett wo er in der ersten Nacht vergebens gewartet, weil Niemand kam, und wo er in der zweiten Nacht nicht blos die erwarteten, sondern auch ganz unerwartete Personen kommen gesehen; und all diese verschiedenen Empfindungen, die Bezauberungen der Herberge, die Eifersucht des versteckten Zeugen, die Selbstbespiegelung des jungen Mädchens in dem Bassin, die ungeduldige Erwartung unter den Fenstern, die Angst des Liebhabers im Saales der Verwandlungen, all diese Empfindungen stiegen ihm jetzt zu Gehirn, machten seine Schläfe hoch pochen, quälten sein Herz und stürmten dermaßen auf ihn ein, daß sie sich einige Sekunden lang seines ganzen Wesens bemächtigten.

Schaudernd und blaß zugleich vor Eifersucht, vor Zorn und Liebe, vor Beschämung und Haß, trat er also vor Fräulein von St. André.

Das Fräulein war allein.

Sobald sie den Prinzen bemerkte, der all die entgegengesetzten Gefühle die in ihm kämpften unter einer ziemlich impertinenten Haltung verbarg; sobald sie das spöttische Lächeln sah, das auf seinen Lippen saß wie der amerikanische Spottvogel auf einem Zweig, das runzelte das junge Mädchen ihre Brauen, aber ganz unmerklich: sie war in Beziehung auf Heuchelei dem Prinzen von Condé unendlich überlegen.

Der Prinz grüßte sie höchst unbefangen Fräulein von St. André täuschte sich im Ausdruck dieses Grußes nicht; sie begriff, das es ein Feind war, der zu ihr kam.

Aber sie ließ sich von ihrer klaren Einsicht Nichts anmerken und erwiederte den unbefangenen Gruß so wie das spöttische Lächeln des Prinzen mit einer langen und anmuthsvollen Verbeugung.

Dann lächelte sie ihm mit dem kosendsten Blicke zu und sagte mit ihrer freundlichsten Stimme zu ihm:

»Welcher Heiligen, mein Prinz habe ich für diesen eben so frühen als unerwarteten Besuch meine Danksagungen abzustatten?«

»Der heiligen Aspasia, mein Fräulein,« antwortete der Prinz, indem er sich mit erheuchelter Ehrerbietung verbeugte.

»Gnädigster Herr,« erwiederte das junges Mädchen, »ich zweifle daran, daß ich sie selbst beim genauesten Suchen im Calender des Jahres der Gnade 1559 finden würde.«

»Dann, mein Fräulein, wenn Ihr durchaus einer Heiligen für diese höchst unbedeutende Gunst meines Besuches danken wollt, so wartet bis Fräulein Valentinois todt und canonisirt ist, was nicht ausbleiben kann, wenn Ihr sie dem König empfehlet.«

 

»Da ich bezweifeln muß daß mein Ansehen sich so weit erstrecken würde, gnädigster Herr, so will ich mich darauf beschränken Euch selbst zu danken und in aller Demuth Euch selbst zu fragen, was mir das Vergnügen verschafft Euch zu sehen.«

»Wie, Ihr errathet es nicht?«

»Nein.«

»Ich komme, um Euch meine aufrichtigsten Glückwünsche zu der neuen Gunst darzubringen, womit Seine Majestät Euch beehrt.«

Das junge Mädchen wurde purpurrot; dann aber bedeckten sich in Folge einer plötzlichen Rückwirkung ihre Wangen mit der Blässe des Todes.

Und gleichwohl war sie noch weit entfernt die die Wahrheit zu ahnen; sie glaubte blos das nächtliche Abenteuer sei bereits ruchbar geworden und das Echo davon zu den Ohren des Prinzen gedrungen.

Sie begnügte sich daher den Prinzen mit einem Ausdruck anzusehen, der zwischen Frage und Drohung die Mitte hielt.

Der Prinz that, als ob er Nichts bemerkte.

»Nun wohl,« fragte er lächelnd, »was gibt es denn, mein Fräulein? und wie hat der Glückwunsch, den ich Euch darzubringen die Ehre hatte, Euern Wangen so augenblicklich die Farbe Eurer Lippen – es ist wahr, sie haben dieselbe nicht lange behalten – und dies Schnupftuchs geben können, das Ihr mir gestern zu schenken die Ehre erwiesen habt?«

Der Prinz betonte diese letzten Worte auf eine so bedeutsame Art, daß über den Ausdruck welchen das Gesicht des Fräuleins jetzt annahm, kein Zweifel mehr, obwalten konnte.«

Die unverkennbarste Drohung lag darin.

»Nehmt Euch in Acht, gnädigster Herr,« sagte sie mit einer Stimme, die um so furchtbarer war, als sie eine vollendete Ruhe erheuchelte. »Ich glaube, Ihr seid hierhergekommen, um mich zu beschimpfen.«

»Glaubt Ihr mich einer solchen Kühnheit fähig, mein Fräulein?«

»Oder einen solchem Feigheit, gnädigster Herr. Welches von, beiden Worten wäre im gegebensten Fall das passendste?«

»Das habe ich vor Eurer Thüre mich selbst gefragt, mein Fräulein. Ich habe mir geantwortet Kühnheit! und bin eingetreten.«

»Ihr gestehet also, daß Ihr diese Absicht hattet?«

»Vielleicht. Aber bei näherer Ueberlegung habe ich vorgezogen Euch unter einem ganz andern Rechtsgrund zu besuchen.«

»Und unter welchem?«

»Als ehemaliger Anbeter Eurer Reize, der sich in einen Höfling Eures Glücke umgewandelt hat.«

»Und ohne Zweifel wollt Ihr mich ein dieser Eigenschaft um seine Gunst ansprechen?«

»Um eine ungeheure Gunst, mein Fräulein.«

»Um welche?«

»Daß Ihr mir gütigst verzeihen wollet, daß ich die :Ursache des unglückseligen Besuches von heute Nacht war.«

Fräulein von St. André sah den Prinzen zweifelhaft an, denn sie konnte nicht glauben, daß ein Mensch so unvorsichtig und so geraden Weges ein den Abgrund zuschreite. Ihre Blässe ging ins Bleifarbige über.

»Prinz,« sagte sie, »Ihr habt wirklich das gethan, was Ihr sagt?«

»Ja.«

»Wenn dieß wahr ist, so erlaubt mir Euch zu sagen, daß1 Ihr ganz einfach den Verstand verloren haben müßt.«

»Ich glaube im Gegentheil ganz einfach, daß ich ihn bis zu diesem Augenblick wieder gefunden habe.«

»Aber glaubt Ihr auch, daß eine solche Beschimpfung ungestraft bleiben wird, mein Herr, wenn Ihr auch zehnmal Prinz seid, oder hofft Ihr, daß ich dem König nicht davon benachrichtigen werde?«

»Oh, das ist unnöthig.«

»Wie so unnöthig?«

»Mein Gott, weil ich ihm so eben erst Alles selbst gesagt habe.«

»Und habt Ihr ihm auch gesagt, daß Ihr von ihm hinweg zu mir zu gehen beabsichtigtet?«

»Nein, wahrhaftig nicht, denn ich dachte nicht daran; der Einfall ist mir erst unterwegs gekommen Eure Thüre lag mir auf dem Weg, und Ihr kennt das Sprichwort: Gelegenheit macht Diebe. Ich sagte zu mir, es wen doch sehr interessant, wenn ich glücklicher Weise der Erste wäre, der seinen Glückwunsch darbrächte. Bin ich der Erste?«

»Ja, mein Herr,« sagte Fräulein von St. André stolz, »und ich nehme diesen Glückwunsch an.«

»Ah, da Ihr ihn so gut aufnehmt, so erlaubt mir Euch noch ein anderes Compliment zu machen.«

»Ueber was.«

»Über den Geschmack Eurer Toilette bei einer so feierlichen Gelegenheit.«

Fräulein von St. André biß sich in die Lippen.

»Der Prinz führte sie auf ein Terrain, wo es schwer hielt sich, mit Vortheil zu verteidigen.

»Ihr seit ein Mann von Einbildungdkraft, gnädigster Herr,« sagte sie »und vermöge dieser Einbildungskraft habt Ihr ganz gewiß die Ehren einer weit ausgezeichneteren Toilette angethan, als ich in Wahrheit hatte.«

»O nein, das schwöre ich Euch, sie waren im Gegentheil sehr einfach; die Hauptsache war ein Myrtenzweig, der in diesen schönen Haaren steckte.«

»Ein Myrtenzweig!« rief das junge Mädchen; »woher wißt Ihr, daß ich einen Myrtenzweig in den Haaren trug?«

»Ich habe ihn gesehen.«

»Ihr habt ihn gesehen?«

Fräulein von St. André fing an, Nichts mehr zu begreifen, und fühlte, daß ihre Kaltblütigkeit sie demnächst verließ.

»Wohlan, Prinz,« sagte sie, »fahret fort, ich liebe die Mährchen.«

»Dann müßt Ihr Euch wohl an das von Narciß erinnern, von Narciß, der sich in sich selbst verliebte und in einem Bache beäugelte.«

»Nun weiter ?«

»Nun wohl, vorgestern habe ich etwas Aehnliches oder vielmehr etwas noch weit Merkwürdigeres gesehen! ein in sich selbst verliebtes junges Mädchen, das sich mit nicht geringerer Wollust in einem Spiegel beäugelte als Narciß in seinem Bache.«

Fräulein von St André stieß einen Schrei aus. Es war unmöglich, das; der Prinz dies erfunden oder daß man es, ihm erzählt hatte. Sie war allein oder vielmehr sie glaubte sich allein im Saal der Verwandlungen, als die Scene stattfand, auf welche der Prinz anspielte. Die Röthe gewann wieder die Oberhand, ihr Gesicht bepurpurte sich.

Fräulein von St André knirschte zwischen den Zähnen, nur versuchte sie dieses Knirschen durch ein schallendes Gelächter zu verdecken.

»Oh, « versetzte sie, »welch ein schönes Mährchen Ihr da zum Besten gebt!«

»Ja, Ihr habt Recht, das Mährchen ist schön, aber was ist es im Vergleich mit der Wirklichkeit?Unglücklicher Weise war die Wirklichkeit flüchtig wie ein Traum. Die schöne Nymphe erwartete einen Gott, und nun konnte dieser Gott nicht kommen, weil die Göttin, seine Gemahlin, wie eine einfache Sterbliche vom Pferde gefallen war und sich verletzt hatte.«

»Habt Ihr mir noch viele Dinge von dieser Sorte zu erzählen, wein Herr?« knirschte Fräulein von St. André, die trotz ihrer Kraft nahe daran war sich vom Zorn hinreißen zu lassen.«

»Nein, ich habe nur noch ein einziges Wort zu sagen: Dieß habe ich Euch sagen wollen; und nun – erlaubt mir, daß ich in der Hoffnung auf die Zukunft so schließe, wie wenn ich bereits König wäre – und nun, da der gegenwärtige Besuch keinen andern Zweck hatte, bitte ich Gott daß er Euch in seinem heiligen und würdigen Schutz halte.«

Und nun entfernte sich der Prinz von Condé wirklich mit jener Impertinenz, welche zwei Jahrhunderte später das Glück eines Lauzun und Richelieu begründete.

Auf dein Absatz der Treppe blieb er stehen, warf noch einen Blick zurück und sagte:

»Wohlan , jetzt bin ich mit der Königin Mutter, mit dem König, mit dem Fräulein von St. André überworfen, und das Alles aus einen Schlag. Warhrhaftig ein schöner Morgen für einen jüngeren Sohn aus dem Hause Navarra! Bah! « fügte er philosophisch hinzu, »es ist wahr, die jüngeren Söhne kommen durch, wo die älteren nicht durchkämen.«

Und er ging flink die Treppe hinab, schritt wohlgemuth über den Hof und salutirte die Schildwache, die das Gewehr vor ihm präsentirtet.