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Blanche von Beaulieu

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»Das ist der Palast von Cäsar,« sagte er lächelnd zu ihm; »was haben Sie vom Dictator zu erbitten?«

»Die Begnadigung meiner von Carrier verurtheilten Frau.«

»Deine Frau von Carrier verurtheilt! Die Frau von Marceau dem Republicaner der alten Tage! dem Soldaten von Sparta! Was macht er denn in Nantes?«

»Grausamkeiten.«

Marceau entwarf ihm nun das Gemälde, das wir dem Leser vor Augen gestellt haben. Robespierre rückte während dieser Erzählung auf seinem Stuhle hin und her, ohne ihn zu unterbrechen; Marceau schwieg endlich.

»So wird man mich also immer verstehen,« sagte Robespierre mit einer heiseren Stimme, denn die innere Aufregung, die er erlitten, genügte, um diese Veränderung in seiner Stimme zu bewerkstelligen, »überall, wo meine Augen nicht sind, um zu sehen, und meine Hand, um ein unnöthiges Blutbad zu hemmen. Es gibt doch genug Blut, welches zu vergießen unerläßlich ist, und wir sind noch nicht beim Ende.«

»Nun wohl! Robespierre, die Begnadigung meiner Frau!«

Robespierre nahm ein weißes Blatt Papier.

»Ihr Mädchenname?«

»Warum?«

»Er ist mir nothwendig, um ihre Identität darzuthun.«

»Blanche von Beaulieu.«

Robespierre ließ die Feder fallen, die er in der Hand hielt.

»Die Tochter des Marquis von Beaulieu? des Anführers der Räuber?«

»Blanche von Beaulieu, die Tochter des Marquis von Beaulieu.« «

»Und wie kommt es, daß sie Deine Frau ist?«

Marceau erzählte ihm Alles.

»Junger Thor! junger Wahnsinniger!« rief Robespierre, »mußtest Du . . .?«

Marceau unterbrach ihn:

»Ich verlange von Dir weder Beleidigungen, noch Rathschläge; ich verlange ihre Begnadigung, willst Du sie mir geben?«

»Marceau, werden Dich die Familienbande, der Einfluß der Liebe nie hinreißen, daß Du zum Verräther an der Republik wirst?«

»Nie!«

»Wenn Du Dich mit den Waffen in der Hand dem Marquis von Beaulieu gegenüber fändest?«

»Ich würde mich mit ihm schlagen, wie ich es schon gethan habe.«

»Und wenn er in Deine Hände fiele?«

Marceau überlegte einen Augenblick.

»Ich würde ihn Dir zuschicken, und Du wärest selbst sein Richter.«

»Du schwörst mir das?«

»Bei meiner Ehre!«

Robespierre nahm wieder seine Feder.

»Marceau, Du hast das Glück gehabt, Dich rein in Aller Augen zu erhalten: längst kenne ich Dich, längst wünschte ich Dich zu sehen.«

Die Ungeduld von Marceau wahrnehmend, schrieb er die drei ersten Buchstaben seines Namens, dann hielt er an.

»Höre,« sagte er, indem er Marceau fest anschaute: »ich bitte Dich nun auch um fünf Minuten; ich gebe Dir eine ganze Existenz für fünf Minuten: das ist gut bezahlt.«

Marceau bedeutete durch ein Zeichen, er höre. Robespierre fuhr fort:

»Man hat mich bei Dir verleumdet, Marceau; und dennoch bist Du Einer von den seltenen Menschen, von denen ich gekannt zu sein wünsche; denn was liegt mir am Urtheile derjenigen, welche ich nicht schätze? Höre also: drei Versammlungen haben nach und nach die Geschicke Frankreichs in Währung gebracht, sich in einem Menschen zusammengedrängt, und die Sendung vollführt, mit der sie das Jahrhundert betraut hatte: die Constituirende Versammlung, repräsentiert durch Mirabeau, hat den Thron erschüttert; die Gesetzgebende Versammlung, in Danton verkörpert, hat ihn umgestürzt. Das Werk des Conventes ist ungeheuer, denn es muß vollends niederreißen, um wiederaufzubauen. Ich habe da einen hohen Gedanken: den, der Typus dieser Epoche zu werden, wie Mirabeau und Danton jeder der Typus der seinigen gewesen ist; es wird in der Geschichte des französischen Volkes drei Männer geben, repräsentiert durch drei Zahlen: 91, 92, 93. Gönnt mir das höchste Wesen die Zeit, mein Werk zu vollenden, so wird mein Name über allen Namen fein: ich werde mehr gethan haben, als Lykurg bei den Griechen, als Numa in Rom, als Washington in America; denn Jeder von ihnen hatte nur ein entstehendes Volk zu pacificiren, und ich, ich muß eine gealterte Gesellschaft regenerieren. Falle ich, – mein Gott, erspare mir eine Blasphemie gegen Dich in meiner letzten Stunde . . . Falle ich vor der erforderlichen Zeit, so wird mein Name, der nur die Hälfte von dem, was er zu thun hatte, erfüllt haben wird, den blutigen Flecken behalten, den die andere Hälfte getilgt hätte; die Revolution wird mit ihm fallen, und Beide werden verleumdet sein . . . Das ist es, was ich Dir zu sagen hatte, Marceau, denn es sollen in allen Fällen einige Menschen meinen Namen lebendig und rein in ihrem Herzen bewahren wie die Flamme der Lampe im Tabernakel, und Du bist einer von diesen Menschen.«

Er schrieb vollends seinen Namen.

»Hier ist die Begnadigung Deiner Frau . . . Du kannst abgehen, sogar ohne mir die Hand zu geben.«

Marceau nahm seine Hand und drückte sie kräftig; er wollte sprechen, doch es waren zu viel Thränen in seiner Stimme, als daß er ein Wort artikulieren konnte, und Robespierre sagte zuerst zu ihm:

»Auf! Du mußt gehen, es ist kein Augenblick zu verlieren; auf Wiedersehen!«

Marceau eilte nach der Treppe; der General Dumas stieg gerade herauf, als er hinabstieg.

»Ich habe ihre Begnadigung!« rief Marceau, indem er sich seinem Freunde in die Arme warf; »ich habe ihre Begnadigung; Blanche ist gerettet!«

»Wünsche mir auch Glück,« erwiederte Dumas; »ich bin so eben zum Obergeneral der Alpenarmee ernannt worden, und ich komme, um Robespierre hierfür zu danken.«

Sie umarmten sich, Marceau stürzte auf die Straße und lief nach der Place du Palais-Egalite, wo ihn sein Wagen erwartete, bereit, mit derselben Geschwindigkeit zurückzukehren, mit der er den General gebracht hatte.

Um welche Last war sein Herz erleichtert! Welches Glück harrte seiner! Welche Seligkeiten nach so viel Schmerzen! Seine Einbildungskraft versenkte sich in die Zukunft; er sah den Augenblick, wo er von der Schwelle des Kerkers seiner Frau zurufen würde: »Blanche, Du bist frei durch mich! komm, Blanche, und Deine Liebe und Deine Küsse mögen die Schuld des Lebens bezahlen!«

Von Zeit zu Zeit durchzuckt indessen eine unbestimmte Unruhe seinen Geist, ein plötzlicher Schauer ergreift sein Herz; da treibt er die Postillons an, verspricht Gold, verschwendet es, und verspricht noch mehr; die Räder fliegen über das Pflaster hin, die Pferde verschlingen den Weg, und dennoch findet er, sie kommen kaum vorwärts! Ueberall sind die Relais bereit: kein Verzug; Alles scheint die Aufregung, die ihn quält, zu theilen. In ein paar Stunden hat er Versailles, Chartres, le Mans, la Flèche hinter sich gelassen; er erblickt Angers; plötzlich fühlt er einen entsetzlichen Stoß; der umgeworfene Wagen geht in Stücke; er steht gequetscht, blutig auf, durchschneidet mit einem Säbelhiebe die Stränge, die das eine von den Pferden festhalten, schwingt sich rasch auf dasselbe, erreicht die erste Post, nimmt hier einen Renner und setzt seinen Ritt mit noch größerer Geschwindigkeit fort.

Endlich hatte er Angers durchflogen, er erblickt Ingrande, erreicht Varades, läßt Ancenis hinter sich; sein Pferd trieft von Schweiß und Blut. Er erschaut Saint-Donatien, dann Nantes! Nantes! das seine Seele, sein Leben, seine Zukunft enthält! Noch ein paar Augenblicke, und er wird in der Stadt sein, er bat ihre Thore erreicht: sein Pferd stürzt vor dem Gefängnisse des Bouffays nieder; er ist an Ort und Stelle; was liegt daran!

»Blanche! Blanche!«

»Zwei Karren sind so eben aus dem Gefängnisse abgegangen,« antwortet der Kerkermeister; »sie ist auf dem ersten.«

»Fluch!« schreit Marceau.

Und er stürzt mitten durch das Volk fort, das sich drängt, das nach dem großen Platze läuft; er holt den letzten von den zwei Karren ein; Einer von den Verurtheilten erkennt ihn.

»General, retten Sie sie . . . ich habe es nicht vermocht, und ich bin ergriffen worden . . . Es lebe der König! es lebe die gute Sache!«

Das war Tinguy.

»Ja! ja!« erwiedert Marceau.

Und er öffnet sich einen Weg; die Menge drängt, preßt ihn, reißt ihn aber fort; er kommt mit ihr auf den großen Platz; er ist vor dem Schaffot: er schwingt sein Papier in der Luft und ruft:

»Gnade! Gnade!«

In diesem Augenblicke faßte der Henker bei seinen langen blonden Haaren den Kopf eines Mädchens und bot dem Volke dieses häßliche Schauspiel; die Menge wandte sich mit Schrecken ab, denn sie glaubte den Kopf Blutwogen ausspeien zu sehen! . . . Plötzlich macht sich mitten unter dieser stummen Menge ein Wuthschrei hörbar, in welchem sich alle menschlichen Kräfte erschöpft zu haben scheinen: Marceau hatte zwischen den Zähnen dieses Kopfes die rothe Rose erkannt, die er der jungen Vendéerin geschenkt.

Ende