Akrons Crowley Tarot Führer

Text
Author:
Read preview
Mark as finished
How to read the book after purchase
Font:Smaller АаLarger Aa

Weiterführende Bemerkungen


1 Die Karte Ausgleichung führt uns in die tiefen Geheimnisse neuäonischer Magick und Kabbala ein. In ihr liegt, gepaart mit dem Narren, ein Schlüssel zum Verständnis des Liber Legis. Dieser Trumpf prägt das Priesterbild des neuen Æons: Die ausgeglichene, befriedigte Frau, welche das Alpha und das Omega in der Waage hält.2


2 III/​64 Lass ihn durch die erste Prüfung kommen + es wird Silber sein = Rose = Mond = JSVD (= Jesod)

III/​65 Durch die zweite Gold = Sonne = TPhRTh (= Tiphareth)

III/​66 Durch die dritte Steine reinsten Wassers = Kelch = BINH (= Binah)

III/​67 Durch die vierte Funken des inneren Feuers = Feuer = ChKMH (= Chokmah)

Es handelt sich um die Prüfungen der Hingabe (Mond), der Zeugung (Sonne), der Fruchtbarkeit (Kelch) und um das Feuer der Intuition, an dem er sich nur dank seiner reinen Absichtslosigkeit nicht die Hände verbrennt.

3 Der Narr, der Magus und die Kaiserin sind die einzigen drei Karten im Tarot, die sich auf dem kabbalistischen Lebensbaum oberhalb des »Abyss« befinden. In der Kabbala bezeichnet der Abyssos, griechisch für Abgrund, die Grenze zwischen der Welt des Geistes (die oberen drei Sephiroth Kether, Chokmah, Binah) und der materiellen Sphäre, also den sieben restlichen Stu-fen des Schöpfungsplans (Chesed, Geburah, Tiphareth, Netzach, Hod, Jesod, Malkuth). Oberhalb des Abyss regiert das Göttliche oder die Ideenwelt, und unterhalb dieser Linie wurzelt das menschliche Vorstellungsvermögen als fundamentales Konzept der Dualität.


4 Die drei spiralenförmigen Ringe, die mit Ain, Ain Soph und Ain Soph Aur korrespondieren, bezeichnen in der Kabbala die drei Vor-Zustände des erwachenden Seins (auch Schleier der negativen Existenz genannt): Das grenzenlose Licht (000), das grenzenlose oder sich verdichtende Nichts (00) und das vollständige Nichts (0), das selbst die Vorstellung des Nichts ausschließt. Wie ein Quantennetz umfangen sie Alles-das-was-ist und repräsentieren den Urzustand, der nicht ist, der aber alles, was sich zu Werden anschickt, als Wille zur Emanation ins Leben entlässt. Es ist der Schöpferimpuls, das Leben aus sich selbst heraus entstehen zu lassen, nur damit es sich dort draußen zur Urquelle zurücksehnen kann, denn das Verlangen nach sich selbst setzt die Bedingung des eigenen Seins voraus, also die Bestimmung, aus Nichts entstanden zu sein.


5 Wir sehen, dass das Bündel mit den Münzen, die der Narr bei sich trägt, mit den Goldstücken der Scheiben-Zehn korrespondiert. Das zeigt, dass der geistige Schöpfer der Karten nicht nur die Verbindung zwischen Narr und Universum, dem Schnittpunkt der Spirale der Großen Arkana, sondern auch zwischen Narr und Zehn der Scheiben, der letzten Karte der kleinen Trümpfe, im Auge hatte.

Auf einer anderen Ebene erinnert die Verbindung auch ein bisschen an Grimms Märchen Hans im Glück. Die Goldklumpen oder die goldenen Scheiben, die Hans von seinem Herrn für sieben Jahre treue Dienste erhielt, tauschte er, weil sie ihm auf dem langen Heimweg viel zu schwer waren, erst gegen ein Pferd, dann das Pferd gegen eine Kuh, die Kuh gegen ein Schwein, das Schwein gegen eine Gans und die Gans schließlich gegen zwei Wetzsteine zum Scherenschleifen ein. Am Ende der Geschichte kam er mit seiner Last an einen Brunnen. Da wollte er sich ausruhen und sich an einem frischen Trunk erfrischen. Die Steine legte er sorgfältig neben sich auf die Zisterne, aber beim Versuch, sich über den Rand zu beugen, schubste er sie ein klein wenig an, und ehe er es bemerkte, plumpsten sie in die Tiefe. Da sprang er freudig auf und dankte dem Schöpfer von ganzem Herzen, dass er ihn von dieser Bürde befreit hatte. Ich bin der freiste und glücklichste Mensch unter der Sonne, jubelte er und sprang, frei von jeder Last, glücklich von dannen, bis er daheim bei seiner Mutter war.

Andere Verbindungen


Der Anfang als Ende

Der Geist des Narren drückt im Grunde das ganze unbewusste Wissen der Seele aus, deren Assoziationsgeflechte wie ein Spinnennetz in der Psyche aufgespannt sind, aus deren Strickmustern der Mensch seine individuellen Erinnerungsfäden herauszieht. Durch eine höhere, spirituellere Sicht stellt sich jeder Punkt auf der Lebenslandkarte, der sich gegenwärtig immer auf der Schwelle zur Zukunft befindet, gleichzeitig auch als »zukünftige Erinnerung« dar, d. h. entweder als vergessenes Ereignis, das im Dunkeln wirkt, bis es sich wieder in die Gegenwart drängt, oder als psychisch mögliche, aber noch unerlebte Wirklichkeit, die der Mensch als unbewusste Option in den Tiefen der Seele eingelagert hat und die er bruchstückweise in den Träumen oder in visionären Zuständen erfahren kann. Trotzdem ist es nicht so, dass der Narr ein nicht zu entschlüsselndes Geheimnis darstellt, nur weil er sich aus seiner eigenen Sicht nicht definieren kann. Er kann sich dem Walten seines Wirkens ahnend zumindest annähern und sich kontemplativ in die Dimension menschlichen Strebens hineinfallen lassen, um in den Absichten und Wünschen der kollektiven Seele zu baden, die ihn zu einem weiteren Umlauf auf der nie enden wollenden Lebensspirale einlädt. Umgekehrt formuliert könnte man auch sagen, dass es der Narr ist, der unsere Zukunft bestimmt, indem er uns die Wünsche »vorträumt«, die wir später unter Zuhilfenahme der anderen Karten in der Realität zu verwirklichen suchen. Er streut pränatale Assoziationen oder kollektive Symbole in unsere Träume, die uns wie Anker zu den betreffenden Stellen im Unbewussten führen und deren Erkenntnisse wir wie Blitzlichter visualisiert bekommen, und bildet in unserem Bewusstsein die ersten rudimentären Gefäße aus, in denen wir später unsere kulturellen Errungenschaften sammeln. Fassen wir Sinn und Absicht der kommenden Reise aus Sicht des Endes zusammen, dann kommen wir zum Schluss: Alles, was wir gestalten können ist das, was in unseren bewusstseinsformatierten Hirnkassetten Gestalt annehmen kann (die Träume des Narren können nur durch die Absicht des Magus, die Visionen der Hohepriesterin, die Aufmerksamkeit der Kaiserin und die Tatkraft des Kaisers als konkrete Wünsche und Ziele in der Realität sichtbar werden), und deshalb ist alles, was wir irgendwann erreichen, im Grunde schon lange vor seiner Materialisation in der Energie des Narren vorhanden. Deshalb ist Tarot, wie Crowley schreibt, eine einzige Karte – und wir wissen jetzt auch welche!

Fazit:

In diesem Trumpf verbergen sich alle potentiellen Wünsche und Hoffnungen in Form psychischer Energie, und im Grunde sind alle folgenden Karten nichts anderes als die Moderatoren, die die Visionen aus der Tiefe der Seele in die zukünftigen Behälter der Wirklichkeit leiten.


Das Ende als Anfang3

Das Universum führt am Ende einer Reise stets zur Geburt eines neuen Narren. Im traditionellen Tarot wird dieser Zustand durch eine tanzende Miss Universum oder bei Crowley durch unsere Herrin BABALON symbolisiert, die sich im Tanz mit der Sündenschlange versöhnt (im Gegensatz zur Heiligen Jungfrau, die der Schlange in der Bibel den Kopf zertritt). Frage: Was war zuerst – das Ei oder die Henne? Bei der Karte 0 – Der Narr ist es das Ei, bei der Karte XXI – Das Universum die eierlegende Henne. Fazit: Das Ende ist immer wieder ein neuer Anfang eines weiteren Endes, das auf einer anderen Ebene ein immer weiteres Ende eines neuen Anfangs voraussetzt.

Deutungen

Im persönlichen Erleben unterstützt der Narr das Bemühen, uns für Umbrüche und Veränderungen zu öffnen, die uns durch unsere ausgelassene Heiterkeit und unbekümmerte Fröhlichkeit versperrte Türen aufschließen. Die damit ausgelösten Bewusstseinsprozesse können manchmal positiv und manchmal auch negativ sein, aber sie konfrontieren uns immer mit neuen Erfahrungsmodellen, wenn auch oft leider in einem Sammelsurium von unzusammenhängenden Ideen. Trotzdem führt das nur selten zu größeren Krisen oder gröberen Zerwürfnissen, selbst wenn wir uns an den eigenen Spiegelbildern »die Nase anschlagen«, denn das Vertrauen der kindlichen Seele in die göttlichen Schöpfungsabläufe ist groß. Ob der Narr ein Mystiker oder Weichei ist, ist Ansichtssache; zu seinen besten Eigenschaften zählen jedenfalls Offenheit, Sensibilität und Menschenliebe. Andererseits können wir unter dem Einfluss dieser Karte harten Entscheidungen nichts abgewinnen und suchen uns lieber eine Nische, in der wir in unseren kontemplativen Bildern als Teil unserer Sehnsüchte Probleme unauffällig aussitzen können.

 

In der Partnerschaft lebt der Narr vom Verlangen der Seele nach ihrem inneren Licht. Daher ist er in den Archetyp seiner inneren Sehnsucht verliebt, die sich in der äußeren Erscheinung manifestiert. Zwar will er wie jeder andere auch geliebt werden und Liebe geben, aber es mangelt ihm oft an der nötigen Konzentration, seine guten Absichten zu kommunizieren. Als Närrin entspricht dieser Trumpf dem Bild einer Seejungfrau, die unheimlich in den unergründlichen Tiefen des Meeres leuchtet und durch ihr Licht die unerlösten Seelen an- und hinunterzieht. Deshalb kann die Karte auch für Leichtsinnigkeit, Unzuverlässigkeit und eine zur Verantwortungslosigkeit tendierende Unbekümmertheit stehen, wenn wir mit den Gefühlen der anderen spielen und dabei immer wieder seelische Nischen entdecken, in denen verdorbene Früchte zu finden sind. Normalerweise aber zeigt sie eine fantasiereiche, kreative Phase, in der wir den Träumen und Luftschlössern unserer nächsten Umgebung liebevoll begegnen. Das Problem ist nur, wohin mit den Gefühlen, wenn das Märchen zu Ende geht. Konkret: Die Prinzessin hat den Frosch wachgeküsst, aber nun stellt sich die Frage: Wohin mit dem Prinzen?

Der Narr in der Kabbala

– Tiefergehende Erkenntnisse –


Und wer ist dieser reine Narr? Siehe, in den Sagen der alten Zeit, der Legende der Skalden, Barden und Druiden, kommt er da nicht wie der Frühling in Grün? O Du Großer Narr, Du Wasser, der Du Luft bist, in dem jede Verwirklichung aufgelöst ist! Ja, Du in zerlumpten Kleidern mit dem Stab des Priapus und dem Weinschlauch! Du stehst auf dem Krokodil wie Hoor-pa-Kraat und die Große Katze springt Dich an! Ja, und mehr noch, ich habe Dich gekannt, der Du Bacchus Diphues bist, Keins und Zwei, in Deinem Namen IAO!

Liber Aleph, Liber 111 – DE ORACULO SUMMO

Somit ist der göttliche Gaukler der wahre und ursprüngliche Schöpfungsimpuls, der die ganze Reise und damit alle Stationen aus sich heraus evoziert. Man könnte auch sagen:

Der Thoth Tarot ist der Weg des Narren!

111 – Der Name Gottes

Der Zahlwert des dem Narren zugeordneten Buchstabens aus dem hebräischen Alphabet Aleph ist 1, als A-L-Ph ausgeschrieben 111 (A + L + PH = 1 + 30 + 80 = 111):

111 = AChD HVA ALHIM

Ein Name Gottes: Einheit ist ER, der Gott!

Tue, was du willst, sei das ganze Gesetz!

Genauso wie: 111 = HVA AIB ALHIM Titel des Leviathan = als Drache, Schlange oder Urmeer Sinnbild des Chaos und der widergöttlichen Weltmächte. In der hebräischen Überlieferung ist Leviathan ein Notarikon von 7 Namen, die die 7 Köpfe des apokalyptischen Drachens benennen und im menschlichen Bewusstsein die 7 Todsünden regieren, die den Menschen hindern, sich selbst zu verwirklichen und zu seiner vollen Größe heranzuwachsen. Bei Hobbes4 auch Symbol des allmächtigen Staates:

Die Armatur einer staatlichen Organisation erfordert einen einheitlichen Geist und einen einheitlichen Willen: Denkt, was ihr wollt, nur gehorcht!

Das alttestamentarische Bild des Leviathan, des roten Drachens, ist eine Synthese aller negativen Kräfte der unsichtbaren Sphäre hinter dem Lebensbaum. Mit seinen zehn Hörnern ist er eine Synthese aller Kellipoth der Sephiroth.5 Auch wenn er heute nur noch wenige praktizierende »schwarze Brüder« in Angst und Schrecken versetzen kann, assoziiert er sich immer noch mit Grausamkeit und Machtgier, was sowohl das mythologische Tier als auch den von ihm symbolisierten Staat als Energiebild betrifft.

Erinnern wir uns, dass auch die Kräfte, die uns herausfordern und in Versuchung führen, genauso ein Teil des Ganzen sind wie die Teile, die uns unterstützen. Man könnte sogar behaupten, dass sie sich direkt aufeinander beziehen. Energien können uns nur an der Stelle herausfordern, an der wir nicht in harmonischem Gleichgewicht sind, und die Ohrfeige, die uns von außen trifft, ist unsere eigene Aggression, die wir nach innen gerichtet haben. Also Energie, die in die falsche Richtung fließt.

Solchen Zusammenhängen begegnen wir überall in der kabbalistischen Tradition. Die Begriffe Messiah, der Gesalbte, und Nechasch, die Schlange, haben nicht ohne tieferen Hintergrund den gleichen Zahlenwert (358). Das bedeutet: Die Kräfte, die uns von außen angreifen, sind exakt das Heilmittel, das uns – wenn wir die richtigen Lehren daraus ziehen – auch aus unserer Schwäche erlösen kann.

Fazit:

Gut und Böse sind in der gleichen Zahl identisch, sozusagen die beiden verschiedenen Seiten einer gleichen Medaille. Das zeigt uns: In der hebräischen Zuordnung ist der Schatten die andere Seite des Lichts. Wenn wir diese Korrespondenzen noch ein bisschen erweitern, dann wird aus der Kapitel und Vers übers Kreuz gestrickten Zahl 111 beispielsweise die Ziffer I/​11. Crowley schreibt im Liber Legis I/​11:

Jene sind Narren, die Menschen anbeten;

beide, ihre Götter und ihre Menschen, sind Narren.

Liber 7776 und weitere Korrespondenzen

Wahrheit, Lachen, Lust: Der heilige Narr des Weins! Zerrissen der Schleier, lüsterner Wahnsinn ist sublime Erleuchtung.

Titel: Der Geist von Äon

Bild: Ein bärtiger Alter im Profil

Zahl: 1, 1000, 111 (ausgeschrieben)7


Buchstabe: Aleph/​ALPh = A (Ochse, Pflug). Das ALPh bildet das Ochsenjoch ab bzw. eine Pflugschar mit phallischer Bedeutung.8

Pfad: Aleph, der 11. Pfad am Baum des Lebens. Er führt von Kether nach Chokmah. Kether ist die Einheit jenseits aller Widersprüche, und Chokmah ist die positive, männliche Kraft.

Götternamen: AIN, AIN SOPH, AIN SOPH AUR

Götter: Hoor-pa-Kraat ist der Narr des Tarots, Nuit ist die Göttin des Firmaments und der ägyptische Amon ist der Gott der Fruchtbarkeit

Gottheiten: Dionysos, Pan, LASh TAL, Harpokrates, Morpheus, griechischer Gott des Schlafes, oder der über den Wassern schwebende Geist Gottes

Mythen: Garten Eden = Adam vor dem Sündenfall bzw. das Urchaos vor dem Schöpfungsmythos; Parzival, der Reine Thor, der im Narrengewand auszog, um am Ende seiner langen Reise zum Gralskönig zu werden (vgl. Ritter der Kelche, S. 307)

Symbole: Äther, Regenbogen, Sintflut, Seelenwanderung, Uroboros, Wiedergeburt (Doppelhelix als Zeichen der Übertragung von Erbanlagen)

Kultstätten: Erdspalte der Phythia in Delphi; die Aachquelle im Hegau (wasserreichste und Hauch des Lebens für alle Dinge; weitere Götter: Juno, Göttin der Luft, Aeolus, Gott der Winde, Pan oder der rauschhafte Bacchus

Pflanze: Die Espe gleicht der Luft durch ihr Zittern

Krafttiere: Adler (oder auch der Mensch als Kerub der Luft), Ochse – die tatsächliche Bedeutung von Alef

Edelstein: Topas ist das reine, transparente Gelb der Luft

Wesen: Sylphen

Dämon (Qlipoth): Die Synthese aller Dämonen: Leviathan – der große rote Drache mit sieben Köpfen und zehn Hörnern (diese Zuordnung entspricht nicht dem Liber 777)

Magische Kräfte: Weissagung

Magische Waffen: Der Dolch oder der Fächer

Parfüm: Mutterharz (Galbanharz)

Droge: Pfefferminz

Geomantie: Luftige Dreiheit

Gematrische Korrespondenzen

1: Die mystische Zahl von Kether, der ersten Sephira am Lebensbaum

111: Ein Name Gottes (AChD HVA ALHIM), Ochse, Geschlecht, AVM, tiefe Dunkelheit, Hinterhalt, Unglück, Finsternis, täglich, Decke, Schleier, Tuch, Ungerechtigkeit, Brandopfer, wunderbar, ungewöhnlich sein, rätselhaft Karstquelle Deutschlands – das Wasser versinkt aus der Donau bei Immendingen und kommt nach 14 Kilometern Fahrt durch Labyrinthe unterirdischer Hohlräume im Aachtopf wieder zum Vorschein)

Ritual: Nichts-Tun (im Gegensatz zum kontrollierten Nicht-Tun – vgl. XI – Das Universum)

Sabbat: 29. Februar (für Kinder auch der 1. April)

Kraftsteine: Rheinkiesel, Wasseropal

Räucherwerk: Opium, Narkotikum (die betäubenden Dämpfe aus der Erdspalte des Orakels von Delphi, die die Priesterin Phythia auf ihrem Dreifuß in Trance versetzten)

Malerei: Grüner Cherub von Ernst Fuchs

Musik: Rheingold-Ouvertüre von Richard Wagner. Beim Es-Dur-Akkord ohne Modulation und akkordischen Wandel stellt sich das embryonale Gefühl ein, irgendwie aus der Zeit hinauszutreiben, das Bild des Urchaos, das sich aus dem Nichts bildet.

Schrift: Sibyllinisches Orakel (Sammlung von 14 Büchern von Weissagungen in dunkler Vieldeutigkeit)

I – Der Magus


Tu was Du tust!

Der Vater des Willens, der Wille zur Tat; Hermes, der Trickser, der ägyptische Thoth

Astrologie: Sonne/​Merkur in Widder. Sonne im Sinne von Kraft und Ausstrahlung, Merkur im Hinblick auf Wendigkeit und Geschicklichkeit.

I Ging: 1 Kiân – Das Schöpferische

Rune: Fehu (Vieh) ist die erste Rune und repräsentiert die individuelle Ausformung des Nichts (die Idee an der Schwelle zur materiellen Verwirklichung).

Licht: Antrieb, Impuls, Lebenskraft (Wille zur Tat: Ich will!)

Schatten: Aggressivität, Egoismus, Machtmissbrauch, Streit

Farben: Gelb, Lila, Grau und Indigo mit violetten Strahlen (Liber 777)

Planet: Merkur = Symbol für Willen, Wissen und Wort, durch die die Welt erschaffen wurde (Buch Thoth)

Kurzbeschreibung: In erster Linie ist der Magus der Träger des Hermesstabes: ein Symbol für die Kraft, die Welt nach seinem eigenen Willen zu gestalten (Thelema ist das griechische Wort für höherer Wille, also um das, was ich will, mit dem, was getan werden muss, in Übereinstimmung zu bringen). Daher gefällt er sich hier als Hermes oder Merkur in der Rolle eines kleinen Schöpfers, der den Urknall nochmals »nachschöpft« oder nachvollzieht und mit verklärt-verschmitztem Gesicht die Welt aus seinem Hut zu zaubern versucht, kurz: Der Magus verdichtet und manifestiert die Idee. Aus diesem Grund stellt die Karte auch das Wort oder den Logos dar, der die geistige Welt oder zumindest die aktuellen, sich laufend verändernden Ausbildungen des Zeitgeists schafft, der die Grenzen vorgibt, innerhalb derer sich das Individuum im gesellschaftlichen Fokus entwickeln kann.

 

Analyse

Crowley zeigt uns den Magus als eine goldene Gestalt mit einem Flügelpaar an den Füßen, der im Gegensatz zum »hängenden« Narren wie eine Primaballerina auf dem Berg der Dualitäten balanciert.1 Dieser tanzende Schelm schöpft sich mit einem Lächeln im Gesicht eine scheinbare Welt nach seiner eigenen Vorstellung, was auf einer anderen Ebene auch dem Griff nach dem Paradiesapfel entspricht: Wenn du den Apfel isst, wirst du wie Gott, versprach die Schlange. Und sie hat nicht zu viel versprochen. Jeder Mensch wurde zwar zu Gott, doch weil es plötzlich zu viele Götter gab, die sich gegenseitig bekriegten, wurden die evolutionären Systeme seither auf raffinierte Verteidigungsstrategien fokussiert, um die vielen »Magier« gegenseitig in Schach zu halten. Anders herum formuliert: Da sich jedes Ego als kleiner Gott herauskristallisiert, der sich sein eigenes Paradies geschaffen hat, haben wir zum Schluss Milliarden kleiner Götter in ihren paradiesischen Superstar-Vorstellungen, die von den gemeinsamen Zielen gerade durch die gleichen Ziele der anderen getrennt sind.

Doch zur Karte zurück. Am unteren Rand sehen wir den blauen Strahl der Erkenntnis, der den spitzen Kegel, auf dem der Magus wippt, erst senkrecht durchläuft, dann durch seinen Körper strömt und ihm als ein von den Uräusschlangen, den königlichen Schlangen Ägyptens, umwundenes Zepter aus dem Scheitel(-Chakra) dringt. Dieser stilisierte Caduceus oder Merkurstab, in dem Crowley den ägyptischen Einfluss (Tahuti oder Thoth) mit dem griechischen (Hermes) verbindet, ähnelt den im ägyptischen Symbolismus gebräuchlichen Hadit-Schwingen, eine geflügelte Scheibe, die uns noch mehrfach beschäftigen wird. Zusätzlich hat er das ägyptische Auge des Horus mit der Friedenstaube als Symbol christlicher Erleuchtung kombiniert. Damit bekommen wir einen ersten Vorgeschmack auf die Verbindung Taube-Schlange, die ein wichtiges Element in der Crowley’schen Überlieferung darstellt.1 Diese multikulturelle Verschmelzung assoziiert die unterschwellige Sehnsucht nach dem Göttlichen, denn trotz aller egoistischen Querelen und Winkelzüge strebt das Ich nach Verschmelzung und Entwicklung, was sich nicht zuletzt in den Fußfesseln zeigt, deren Musterungen mit denen der Schlangen auf seinem Kopf identisch sind.2 Auch die mächtigen (Jugendstil-)Flügel an den Fußgelenken, die die nur mühsam gehaltene Balance unterstreichen, sind interessant. Sie zeigen, dass der Magus zwar alle »beflügelnden« Erkenntnisse zu haben glaubt, diese aber selbst nur an den überlieferten kollektiven Prägungen kleben (was die instabile Gestalt fixiert und im Gleichgewicht festhält) und selbst keine eigene Wahrheit beinhalten. Obgleich er ahnt, dass er am Ende genauso klug wie vorher ist: Der jugendliche Held muss lernen, diesen Apparat, wenn nicht zu beherrschen so doch wenigstens zu bedienen, wenn er in der Welt etwas bewirken will. Die zu einem geometrischen Netzwerk angeordneten goldenen Fäden im Hintergrund, die sich in der Karte der Hohepriesterin zum Schleier der Isis verdichten, zeigen das Konstrukt der kollektiven Vorstellung und der menschlichen Kultur, die der Homo sapiens in Tausenden von Jahren entwickelt hat.

Mit dem Stab erzeugt Er.

Mit dem Kelch erhält Er.

Mit dem Dolch zerstört Er.

Mit der Scheibe erlöst Er.2


Um ihn herum fliegen oder tanzen die magischen Werkzeuge herum, die da sind: Stab, Kelch, Dolch, Scheibe sowie das geflügelte Ei als Symbol für das fünfte Element, wie Crowley bemerkt. Sie sind Zeugnisse für das Inventar, mit denen er seine Leere mit Sinn füllen kann. Der Pfeil über der Hand steht für Ausweitung und Erkenntnisdrang, Schreibgriffel und Schriftrolle für die Gabe, Wissen festhalten und vergleichen zu können. Das Zepter mit Phönixkopf (Was-Zepter) neben seiner Hand illustriert das Wunder der sich immer wieder erneuernden Kraft, die den ganzen Kosmos beseelt, und das Triebwesen im Untergrund, das schäumend vor Zorn und blind vor Wut von unten rechts ins Bild drängt, verkörpert die oft auf der Merkurebene verloren gegangene Instinktnatur. Der erwachte Schatten sieht, dass das Werk des Magiers nicht vollkommen ist, solange er die Triebnatur auszuschließen versucht, deshalb wird er den Magus im Verlauf seiner Reise, bis er reif und weise geworden ist, noch das eine oder andere Mal schmerzhaft damit konfrontieren.3


Urteil der Götter

Jeder Mensch ist eine Manifestation des Universums und trägt die Summe aller Möglichkeiten genauso in sich, wie er selbst aus der Summe aller dieser Möglichkeiten geschaffen ist: Ergo ist der Magus das sich aus sich selbst heraus schöpfende Potential, das sich grenzenlos ausdehnen kann, da es gleichermaßen Schöpfer wie Geschöpftes, d. h. sein eigenes Universum oder Universum für sich selbst ist.

Einspruch des Advocatus Diaboli

Wenn der Narr der noch formlosen Leere entspricht, verkörpert der Magus das Feuer des Antriebs und den Spiegel des Selbstbildes. Steht die Hohepriesterin für die spirituelle Weisheit und die Sehnsucht nach den Seelengründen, symbolisiert der Magus den Willen, der beginnt, sich ein Bild von sich selbst zu machen. Im Grunde ist er der zwischen die vorangegangene und die nachfolgende Karte eingepferchte Geist, der sich gezwungen sieht, ein eigenes Wissensinventar zu erstellen, um den beiden nebulösen Wächtern zu entkommen. Vergeblich! Zwar verbindet ihn Crowley mit den vier (apokalyptischen) Reitern unserer abendländischen Kultur: dem Willen, der Weisheit, dem Wort und dem Logos, aus deren Zauberhüten wenn nicht die Welt, so doch zumindest unsere Vorstellung von der Welt erschaffen wurde, was sich zu dem ausgewachsen hat, was wir heute haben. Und doch: Im Grunde beruht der Wille des Magus auf den Verdrängungen der Visionen des Narren, und die Hohepriesterin ist die Quelle, die die Erkenntnisse des Magus durch ihre Ahnungen ergänzt.