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Read the book: «Leben und Tod Königs Richard des zweyten», page 6

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Zweyte Scene

(York zu den Vorigen.)

York.

Grosser Herzog von Lancaster, ich komme zu dir von dem berupften Richard abgeschikt, der mit williger Seele dich zu seinem Erben annimmt, und seinen hohen Scepter in deine königliche Hand übergiebt. Besteige also seinen Thron, als nunmehr von ihm abstammend, und lang lebe König Heinrich der vierte!

Bolingbroke.

In Gottes Namen, will ich den königlichen Thron besteigen.

Bischoff von Carlisle.

Das verhüte der Himmel! So schlimm das scheinen oder aufgenommen werden mag, was ich in dieser königlichen Gegenwart reden werde, so anständig ist es mir, die Wahrheit zu sagen. Wollte Gott, daß einer in dieser edeln Versammlung edel genug wäre ein aufrichtiger Richter des edeln Richards zu seyn; denn ein wahrer Edelmuth würde ihn eine so ungerechte That verabscheuen lehren. Welcher Unterthan kan ein Urtheil über seinen König sprechen? Und wer sizt hier, der nicht Richards Unterthan ist? Diebe, so sehr auch die Umstände wider sie zeugen, werden nicht gerichtet, ohne daß man sie gehört hat. Und soll das Bild der Göttlichen Majestät, sein Hauptmann, und selbsterwählter Statthalter, gesalbt, gekrönt, und eingethront, von seinen Unterthanen verurtheilt werden, und er selbst nicht dabey zugegen seyn? O verhüt' es, gerechter Himmel! daß in einem Christlichen Lande, unter einem gesitteten Volk eine so scheußliche, schwarze, unflätige That gesehen werde! Ich rede zu Unterthanen, und als ein Unterthan; vom Himmel angetrieben red' ich so kühn, denn ich rede für meinen König. Milord von Hereford hier, den ihr König nennt, ist ein schändlicher Verräther an Herefords König. Und wenn ihr ihn krönt, so laßt mich propheceyen, Englisches Blut wird den Boden düngen, und künftige Zeitalter um dieser Schandthat willen ächzen. Der Friede wird zu den Türken und Ungläubigen schlafen gehen, und in diesem Siz des Friedens, aufrührischer Krieg, Brüder gegen Brüder, und Bürger gegen Bürger erhizen. Unordnung, ruchlose Gewalt, Mißtrauen und Aufruhr wird hier wohnen, und dieses mit Menschen-Schädeln bedekte Land Golgatha genennt werden. O wenn ihr das königliche Haus gegen das königliche Haus empört, so wird die jammervolleste Zwietracht daraus entstehen, die jemals auf diesem verfluchten Erdboden gewüthet hat. O! vermeidet sie, widerstehet, laßt es nicht so seyn, oder die Kinder eurer Kinder werden Weh über euch schreyen.

Northumberland.

Ihr habt vortrefflich gesprochen, Herr, und für eure Mühe nehmen wir euch hier wegen Hochverraths in Verhaft. Milord von Westmünster, laßt es eure Sorge seyn, ihn bis zum Tag seines Verhörs wol zu verwahren. Gefällt es euch, Milords, die Bitte der Gemeinen zu bewilligen?

Bolingbroke.

Bringet Richarden hieher, damit er vor allen Augen das Reich übergebe: auf diese Art wird aller Verdacht gehoben.

York.

Ich will sein Führer seyn.

(Er geht ab.)

Bolingbroke.

Diejenigen von euch, Milords, die hier unter unserm Arrest sind, mögen für ihre Sicherheit auf den Tag ihrer Antwort besorgt seyn. Wir sind ihrer Liebe wenig schuldig, und haben uns wenig Beystand von ihnen zu versehen gehabt.

Dritte Scene

(König Richard und York zu den Vorigen.)

König Richard.

Himmel, warum werde ich vor einen König vorgefordert, eh ich die königlichen Gedanken abgeschüttelt habe, womit ich regierte? Ich habe noch nicht lernen können, mich einzuschwazen, zu schmeicheln, zu büken und die Knie zu beugen. Lasset meinem Kummer noch Zeit mich zu dieser Unterwürfigkeit anzugewöhnen. Und doch will ich mich der Zeit erinnern, da mir diese Männer günstiger waren. Waren sie nicht einmal mein? Rieffen sie mir nicht einmal lauter Heil und Leben zu? Das that Judas auch gegen Christum: Aber Christus fand unter zwölfen Treue bey allen bis auf einen, ich unter zwölftausend gar keine. Gott erhalte den König! – Will niemand sagen, Amen? Bin ich Priester und Küster zugleich? Wol dann, Amen! Gott erhalte den König, ob ich's gleich nicht bin, und auch Amen! Wenn der Himmel mich dafür erkennt. Was für Dienste fordert man von mir, daß man nach mir geschikt hat?

York.

Eine Handlung deines eignen freyen Willens, wozu du, der Majestät überdrüßig, dich selbst erboten hast, die Übergabe deines Staats und deiner Crone.

König Richard.

Gebt mir die Crone – hier, Vetter, nimm die Crone, hier auf dieser Seite, meine Hand; und auf dieser deine. Izt ist diese goldne Crone wie ein tiefer Brunnen mit zween Kübeln, wovon einer den andern füllt; der leere tanzt immer in der Luft, indem der andre in der Tiefe, ungesehn und voll Wassers ist; dieser erniedrigte und mit Thränen angefüllte Kübel bin ich, der nun seinen Kummer wie Wasser in sich schluken muß, indeß daß ihr in die Höhe steigt.

Bolingbroke.

Ich dachte, ihr wäret willig, die Crone niederzulegen?

König Richard.

Die Crone, ja; aber doch bleibt mein Schmerz mein, ihr könnt mich meiner Majestät und meines Staats entsezen, aber nicht meiner Schmerzen; darüber bleib ich immer König.

Bolingbroke.

Seyd ihr's zufrieden, die Crone zu übergeben?

König Richard.

Ja, nein – Nein, ja, – Denn ich muß nichts seyn – also nein, nein; denn ich übergebe sie dir. Nun, gebt acht wie ich mich selbst vernichte; ich gebe diese schwere Bürde von meinem Haupte weg, diesen unbehülflichen Scepter aus meiner Hand, und den Stolz der Königs-Würde aus meinem Herzen; mit meinen eignen Thränen wasch ich meine Salbung weg; mit meinen eignen Händen geb ich meine Crone von mir; mit meiner eignen Zunge verläugne ich meinen geheiligten Stand, und mit meinem eignen Athem entlasse ich alle ihrer mir geschwornen Pflichten. Ich verschwöre alle Majestät und Hoheit, ich vergesse alle meine Domainen, Renten und Einkünfte, ich vernichte alle meine Handlungen, Edicte und Verordnungen. Gott verzeihe alle die Eidschwüre, die an mir gebrochen werden! Gott erhalte alle diejenigen ungebrochen, die dir gethan werden. Mögest du lange leben, um auf Richards Stuhl zu sizen, und Richard bald im Grabe Ruhe finden. Gott erhalte den König Heinrich, sagt der entkönigte Richard, und sende ihm viele Jahre von glüklichen Tagen! – Was ist noch mehr zu thun?

Northumberland.

Nichts mehr, als daß ihr diese Anklagen und dieses Verzeichniß von abscheulichen Verbrechen leset, die von euch selbst und euern Anhängern gegen den Staat und das Beste dieses Landes begangen worden; damit durch euer Geständniß alle Welt überzeugt werde, daß ihr mit Recht entsezt worden seyd.

König Richard.

Muß ich das thun? muß ich das Gewebe meiner Thorheiten Faden vor Faden ausfäseln? Lieber Northumberland, wenn deine Sünden alle aufgeschrieben wären, würdest du nicht beschämt seyn, sie in einer so schönen Gesellschaft abzulesen? Thätest du es, du würdest einen scheuslichen Artikel, die Absezung eines Königs, darinn finden, den gewaltthätigen Bruch eines geheiligten Eides, mit einem Strich der Verdammniß im Buch des Himmels bezeichnet. O, ihr alle die ihr hier steht und mich anseht, wie mein Unglük mich nöthigt, mich selbst aufzureiben, wenn gleich einige von euch wie Pilatus ihre Hände mit heuchlerischen Thränen waschen; so seyd ihr's dennoch, ihr Pilatusse, die mich hier zu meinem bittern Creuz ausliefern, und Wasser kan eure Sünde nicht abwaschen.

Northumberland.

Milord, beschleunigst euch, überleset diese Artikel.

König Richard.

Meine Augen sind voll Thränen; ich kan nicht sehen, und doch blendet ihr Salz-Wasser sie nicht so sehr daß ich nicht einen Pak Verräther hier beysammen sehe. Doch was sag ich? ich bin selbst ein Verräther wie die übrigen; denn ich habe die Einwilligung meiner Seele zur Entsezung eines Königs gegeben; ich habe die Majestät entweiht, und einen Monarchen zu einem Sclaven gemacht; ich bin ein Verräther!

Northumberland.

Milord —

König Richard.

Kein Lord von dir, du hohnsprechender Mann, niemands Lord; ich habe keinen Namen, keinen Titel mehr; nein, sogar der Name der mir über dem Taufstein gegeben wurde, ist usurpirt. O! des unglüklichen Tags! daß ich so manche Winter überlebt haben, und meinen eignen Namen nicht mehr wissen soll! O! daß ich ein zum Scherz aus Schnee zusammengeballter König wäre, und hier, vor Bolingbroks Sonne stehend, in Wassertropfen wegschmelzen möchte! – Guter König, – Grosser König – wenn anders mein Wort noch gangbare Münze in England ist, so laßt es diesen Augenblik einen Spiegel hieher befehlen, damit ich sehe, wie mein Gesicht aussieht, seitdem es seine Majestät verlohren hat.

Bolingbroke.

Gehe jemand, und hole einen Spiegel.

Northumberland.

Überleset indessen dieses Papier, bis der Spiegel kommt.

König Richard.

Teufel, du peinigst mich, eh ich noch in der Hölle bin.

Bolingbroke.

Sezt ihm nicht weiter zu, Milord von Northumberland.

Northumberland.

Die Gemeinen werden so nicht zufrieden seyn.

König Richard.

Sie sollen es werden; ich will genug lesen, wenn ich das Buch sehe, worinn, in der That, alle meine Sünden geschrieben sind, und das bin ich selbst.

(Man bringt einen Spiegel.)

Gieb mir den Spiegel, hierinn will ich lesen – Noch keine tiefere Runzeln! Hat der Kummer so manche Streiche auf dieses mein Gesicht geführt, und keine tiefere Wunden gemacht? O! schmeichelndes Glas! Du betrügst mich wie die Freunde meines glüklichen Zustands – War dieses das Gesicht, das täglich zehntausend Menschen unter seinem Haus-Dach hielt? War diß das Gesicht, das gleich der Sonne, diejenigen die es ansahen, blinzen machte? und nun von Bolingbrok überglänzt wird? Eine zerbrechliche Majestät leuchtet in diesem Gesicht,

(er schmeißt den Spiegel auf den Boden,)

und so zerbrechlich wie die Majestät, ist auch das Gesicht; denn hier ligt es, in hundert Scherben zerbrochen. Gieb Acht, stillschweigender König, auf die Moral dieses Kinderspiels; wie schnell mein Kummer mein Gesicht zerstört hat.

Bolingbroke.

Der Schatten euers Kummers hat den Schatten euers Gesichts zerstört.

König Richard.

Sagt das noch einmal. Der Schatten meines Kummers! Ha, laßt einmal sehen – es ist in der That so, mein Schmerz ligt ganz in meinem Innern, und alle diese äusserlichen Zeichen von Jammer sind blosse Schatten des unsichtbaren Grams, der in geheim in der gepeinigten Seele schwellt. Ich danke dir, König, daß du mir nicht nur Ursache zum Wehklagen giebst, sondern mich auch noch lehrst, wie ich die Ursache bejammern soll. Ich will nur noch um eine einzige Gefälligkeit gebeten haben, und dann gehen und euch nicht mehr beunruhigen. Werd' ich sie erhalten?

Bolingbroke.

Nennet sie, geliebter Vetter.

König Richard.

Geliebter Vetter! Ah! ich bin grösser als ein König; denn wie ich ein König war, waren meine Schmeichler meine Unterthanen; nun da ich ein Unterthan bin, hab ich einen König zum Schmeichler.

Da ich ein so grosser Mann bin, so hab ich nicht nöthig zu bitten.

Bolingbroke.

So fordert.

König Richard.

Und soll ich's haben?

Bolingbroke.

Ihr sollt.

König Richard.

So erlaubt mir wegzugehen.

Bolingbroke.

Wohin?

König Richard.

Wohin ihr wollt, wenn es nur aus euerm Gesicht ist.

Bolingbroke.

Einige von euch sollen ihn nach dem Tower begleiten – Auf nächsten Mitwoch sezen wir unsre Krönung fest: Milords, haltet euch dazu gefaßt.

(Alle gehen ab, bis auf den Abbt von Westmünster, den Bischoff und Aumerle.)

Vierte Scene

Abbt.

Welch ein jammervolles Schauspiel, das wir hier gesehen haben!

Bischoff.

Der Jammer wird erst kommen; die noch ungebohrne Nachwelt wird diesen Tag so scharf wie einen Dorn in ihrem Fleische fühlen.

Aumerle.

Ihr heiligen Priester, ist denn kein Mittel, das Reich vor diesem verderblichen Unwesen zu retten?

Abbt.

Eh ich euch hierüber mein Innerstes entdeke, sollt ihr das Sacrament darauf empfangen, daß ihr nicht nur mein Vorhaben verschwiegen halten, sondern auch alles vollziehen wollet, was ich euch nur immer auftragen werde. Ich sehe eure Stirne voll Mißvergnügen, euer Herz voll Gram, und eure Augen voll Thränen. Kommt mit mir heim zum Nacht-Essen, und da wollen wir den Grund zu einem Entwurf legen, der uns einen glüklichen Tag sehen lassen soll.

(Sie gehen ab.)

Fünfter Aufzug

Erste Scene

(Eine Strasse in London.)

(Die Königin mit ihren Damen tritt auf.)

Königin.

Diesen Weg wird der König kommen: Diß ist der Weg zu jenem fatalen Thurm, den Julius Cäsar aufführte, und worein der stolze Bolingbroke meinen Herrn zur Gefangenschaft verurtheilt hat. Hier wollen wir ausruhen; wenn diese aufrührische Erde anders noch eine Ruhe für ihres rechtmäßigen Königs Gemalin hat. – (König Richard tritt mit seiner Wache auf.) Aber stille! aber seht, doch seht lieber nicht, wie verwelkt meine schöne Rose ist – Nein, seht auf, schaut und zerfließt aus Mitleiden in Thau, um ihn mit den Thränen einer getreuen Liebe wieder frisch zu waschen. O du, der Trümmer, wo das alte Troja stand, du Ruin der Majestät, du Grabmal von König Richard, und nicht König Richard selbst! Du schöner Gasthof, soll Gram und Jammer in dir herbergen, indeß daß Triumph der Gast in einer Bierschenke worden ist?

König Richard.

Vereinige dich nicht mit meinem Kummer, schönes Weib, mein Ende zu sehr zu beschleunigen. Lerne, gute Seele! unsern vorigen Zustand als einen glüklichen Traum ansehen, von dem wir nun erwacht sind, und uns in der That in keinen bessern Umständen finden, als worinn wir sind. Meine Liebe, ich bin ein geschworner Bruder der unerbittlichen Nothwendigkeit, und wir beyde werden im Bündniß stehen bis zum Tode. Eile du nach Frankreich, und verbirg dich in irgend eine andächtige Freystätte. Es ist uns nichts übrig, als durch ein heiliges Leben die Crone in einer bessern Welt wieder zu gewinnen, die wir durch unheilige Stunden verlohren haben.

Königin.

Wie? Ist mein Richard an Gestalt und Gemüth verwandelt? Hat Bolingbroke auch deinen Geist abgesezt? Ist er bis in dein Herz eingedrungen? Ein sterbender Löwe sträubt sich, und verwundet, aus Wuth überwältigt zu seyn, wenigstens die Erde, wo er fiel; und du, willt wie ein unmündiger Knabe deine Züchtigung mit Sanftmuth empfangen, die Ruthe küssen, und deinem Feind mit schaamwürdiger Demuth die Füsse lecken, du, der ein Löwe, ein König der Thiere war?

König Richard.

Ein König von Thieren, in der That; und wenn es nichts als Thiere gewesen wären, so wär' ich noch ein glüklicher König von Menschen. Meine gute ehmalige Königin, mache dich reisefertig nach Frankreich. Denk, ich sey todt, und daß du eben hier, als bey meinem Todbette, den lezten Abschied von mir nimmst. In verdrieslichen Winternächten size mit guten alten Leuten zum Feuer, und laß dir Geschichten von Jammer und Unglük erzählen, die längst begegnet sind; und ehe du ihnen gute Nacht giebst, erzähl' ihnen hinwieder meinen kläglichen Fall, und schike die hörenden weinend zu Bette —

Zweyte Scene

(Northumberland und Gefolge zu den Vorigen.)

Northumberland.

Milord, Bolingbrok hat seine Gedanken geändert, ihr sollt nach Pomfret, nicht nach dem Tower – Madam, es sind schon Anstalten euertwegen gemacht; ihr müßt in möglichstes Eile nach Frankreich.

König Richard.

Northumberland, du Leiter, auf welcher Bolingbroke an meinen Thron hinaufgestiegen ist; die Zeit wird nicht lange aussenbleiben, da dein schwährendes Verbrechen von faulem Eyter aufbrechen wird. Du wirst denken, wenn er gleich das Reich theilt, und dir die Hälfte giebt, es sey zu wenig, weil du ihm alles gegeben habest; und er wird denken, du, der den Weg kennt unrechtmäßige Könige zu sezen, werdest, auf die kleinste Veranlassung, auch wissen, ihn wieder, so lang er ist, von seinem angemaßten Thron herab zu stürzen. Die Liebe lasterhafter Freunde verwandelt sich in Mißtrauen, und diß Mißtrauen in Haß; und der Haß wird einen oder beyde dem verdienten Untergang überliefern.

Northumberland.

Mein Verbrechen sey über meinem Haupt, und soviel hievon! Nehmt Abschied von einander, ihr müßt scheiden.

König Richard.

Doppelt geschieden? Gottlose Leute, ihr entheiligt eine zweyfache Ehe; zwischen mir und meiner Crone, und zwischen mir und meinem vermählten Weib. Laß mich den Eid hinwegküssen, der dich und mich vereinigt; und doch, nicht so, denn mit einem Kuß ward er gemacht. Scheid' uns, Northumberland; ich, nach Norden, wo schauernde Kälte das kranke Clima verzehrt; meine Königin nach Frankreich, von wannen sie im Pomp herübergesandt wurde, geschmükt wie der holde May, nun zurük geschikt, verdüstert und traurig wie der kürzeste Tag.

Königin.

Und müssen wir denn getrennt seyn? Müssen wir denn scheiden?

König Richard.

Ja, Hand von Hand, meine Liebe, und Herz von Herz.

Königin.

Verbannet uns beyde, und schikt den König mit mir.

Northumberland.

Das wäre gütig, aber sehr unpolitisch.

Königin.

So laßt mich mit ihm gehen.

König Richard. Weine du in Frankreich für mich, und ich will hier für dich weinen; es ist besser entfernt, als näher geschieden zu seyn. Geh, zähle deinen Weg mit Seufzern ab, ich mit Ächzen den meinigen.

Königin.

So wird der längste Weg die meisten Seufzer haben.

König Richard.

Ich will bey jedem Schritt zweymal ächzen, weil mein Weg der kürzere ist. Komm, komm, ein Kuß soll uns den Mund schliessen, und dann fahr' wohl; so geb' ich dir mein Herz, und so nehm' ich deines.

(Sie küssen sich.)

Königin.

Nein, gieb mir das meinige zurük; es wäre kein schöner Abschied, wenn ich dein Herz mit mir nehmen wollte, um es zu tödten.

(Sie küssen sich wieder.)

So, nun hab' ich das Meinige wieder, damit ich mich bestreben kan, es mit einem Seufzer zu tödten.

König Richard.

Wir vermehren nur unsern Schmerz mit diesen zärtlichen Verzögerungen; noch einmal, leb' wohl; das übrige laß unsre Thränen sagen. —

(Sie gehen ab.)

Dritte Scene

(Des Herzogs von York Palast.)

(York und seine Herzogin treten auf.)

Herzogin.

Milord, ihr wolltet fortfahren, mir den Einzug unsrer beyden Vettern in London zu erzählen, als ihr durch Thränen genöthigt wurdet, eure Geschichte zu unterbrechen.

York.

Wo blieb ich stehen?

Herzogin.

Bey dem kläglichen Absaz, Milord, da ruchlose unmenschliche Hände aus einem Fenster Staub und Auskehricht auf König Richard herunter schütteten.

York.

Der Herzog, der grosse Bolingbroke, von einem heissen feurigen Hengst getragen, der, als ob er seinen emporstrebenden Reuter kenne, mit langsamem aber stolzem Schritt dahergieng, sezte also, wie ich sagte, seinen Zug fort, indem alle Zungen ihm entgegenriefen: Gott erhalte dich, Bolingbroke! Unzähliche weitoffne Augen schossen ihre verlangende Blike nach ihm, und das Zujauchzen war so groß, daß ihr gedacht hättet, die Mauren selbst mit den Bildern womit sie übermahlt sind, hätten auf einmal zu ruffen angefangen: Gott erhalte dich, willkommen, Bolingbroke! Indeß daß er, sich immer von einer Seite zur andern drehend, mit entblößtem Haupt, und alle Augenblike bis unter seines stolzen Rosses Kopf sich bükend, ihnen antwortete: Ich danke euch, meine Mitbürger; und so zog er langsam die Strasse durch.

Herzogin.

O Jammer! Armer Richard! Wie gieng es ihm indessen?

York.

Wie in einem Schauspiel die Augen der Leute, wenn ein beliebter Schauspieler die Scene verläßt, sich unachtsam von demjenigen wegwenden, der zunächst auftritt, in der Einbildung, daß sie nichts als ein langweiliges Gewäsche von ihm zu erwarten haben; eben so, oder noch verächtlicher, runzelte sich jede Stirne, da Richard kam; niemand rief. Gott erhalte ihn! Keine erfreute Zunge hieß ihn in seiner Hauptstadt willkommen; sondern Staub wurde auf sein geheiligtes Haupt geschüttet, den er mit einem so sanftmüthigen Schmerz und mit einem Gesicht, worinn Thränen und Lächeln, auf eine so herzrührende Art kämpften, von sich abschüttelte, daß, hätte nicht Gott, aus irgend einer furchtbaren Ursache, die Herzen der Menschen verhärtet, sie nothwendig hätten schmelzen, und Barbarey selbst ihn hätte beweinen müssen. (Aber der Himmel hat seine Hand in diesen Begebenheiten, und in seinen hohen Willen müssen wir den unsrigen ergeben. Wir sind nun Bolingbroks Unterthanen, und ihm hab' ich nun auf ewig meine Treue angelobt.)