Das Forum Sicinius und Brutus treten auf
Das muß der Hauptpunkt sein: daß er erstrebt
Tyrannische Gewalt; entschlüpft er da,
Treibt ihn mit seinem Volkshaß in die Enge,
Und daß er nie verteilen ließ die Beute,
Die den Antiaten abgenommen ward.
(Ein Ädil tritt auf.)
Nun, kommt er?
Er kommt.
Und wer begleitet ihn?
Der alte
Menenius und die Senatoren, die
Ihn stets begünstigt.
Habt Ihr ein Verzeichnis
Von allen Stimmen, die wir uns verschafft,
Geschrieben nach der Ordnung?
Ja, hier ist's.
Habt Ihr nach Tribus sie gesammelt?
Ja.
So ruft nun ungesäumt das Volk hieher,
Und hören sie mich sagen: "So soll's sein,
Nach der Gemeinen Fug und Recht", sei's nun
Tod, Geldbuß oder Bann: so laß sie schnell
"Tod" rufen, sag ich: "Tod!", "Geldbuße", sag ich: "Buße",
Auf ihrem alten Vorrecht so bestehn
Und auf der Kraft in der gerechten Sache.
Ich will sie unterweisen.
Und haben sie zu schreien erst begonnen,
Nicht aufgehört, nein, dieser wilde Lärm
Muß die Vollstreckung Augenblicks erzwingen
Der Strafe, die wir rufen.
Wohl, ich gehe.
Und mach sie stark und unserm Wink bereit,
Wann wir ihn immer geben.
Macht Euch dran!
(Der Ädil geht ab.)
Reizt ihn sogleich zum Zorn; er ist gewohnt
Zu siegen, und ihm gilt als höchster Ruhm
Der Widerspruch. Einmal in Wut, nie lenkt er
Zur Mäßigung zurück; dann spricht er aus,
Was er im Herzen hat; genug ist dort,
Was uns von selbst hilft, ihm den Hals zu brechen.
Es treten auf Coriolanus, Menenius, Cominius, Senatoren
und Patrizier.
Nun seht, hier kommt er.
Sanft, das bitt ich dich.
Ja, wie ein Stallknecht, der für lumpgen Heuer
Den Schurken zehnfach einsteckt. – Hohe Götter!
Gebt Rom den Frieden und den Richterstühlen
Biderbe Männer! Pflanzet Lieb uns ein!
Füllt dicht mit Friedensprunk die Tempelhallen,
Und nicht mit Krieg die Straßen.
Amen! Amen!
Ein edler Wunsch.
Ihr Bürger, tretet näher. Der Ädil kommt mit den Bürgern.
Auf die Tribunen merkt! Gebt acht! Still! still!
Erst hört mich reden.
Beide Tribunen.
Gut, sprecht – ruhig denn.
Werd ich nicht weiter angeklagt als hier?
Wird alles jetzt gleich ausgemacht?
Ich frage:
Ob Ihr des Volkes Stimm Euch unterwerft,
Die Sprecher anerkennt und willig tragt
Die Strafe des Gesetzes für die Fehler,
Die man Euch dartun wird?
Ich trage sie.
O, Bürger, seht! er sagt, er will sie tragen:
Der Kriegesdienste, die er tat, gedenkt;
Seht an die Wunden, die sein Körper hat,
Sie gleichen Gräbern auf geweihtem Boden.
Geritzt von Dornen, Schrammen, nur zum Lachen.
Erwägt noch ferner:
Daß, hört ihr ihn nicht gleich dem Bürger sprechen,
Den Krieger findet ihr in ihm. Nehmt nicht
Den rauhen Klang für bös gemeintes Wort;
Nein, wie gesagt, so wie's dem Krieger ziemt,
Nicht feindlich euch.
Gut, gut, nichts mehr.
Wie kommt's,
Daß ich, einstimmig anerkannt als Konsul,
Nun so entehrt bin, daß zur selben Stunde
Ihr mir die Würde nehmt?
Antwortet uns.
Sprecht denn, 's ist wahr, so sollt ich ja.
Wir zeihn dich, daß du hast gestrebt, zu stürzen
Recht und Verfassung Roms und so dich selbst
Tyrannisch aller Herrschaft anzumaßen,
Und darum stehst du hier als Volksverräter.
Verräter! —
Still nur, mäßig! – Dein Versprechen.
Der tiefsten Hölle Glut verschling das Volk!
Verräter ich! du lästernder Tribun!
Und säßen tausend Tod' in deinem Auge,
Und packten Millionen deine Fäuste,
Wärn doppelt die auf deiner Lügnerzunge:
Ich, ich sag' dennoch dir, du lügst! – die Brust
So frei, als wenn ich zu den Göttern bete.
Hörst du dies, Volk?
Zum Fels mit ihm! Zum Fels mit ihm!
Seid ruhig!
Wir brauchen neuer Fehl' ihn nicht zu zeihn;
Was ihr ihn tun saht, reden hörtet,
Wie er euch fluchte, eure Diener schlug,
Streiche dem Recht erwidernd, denen trotzte,
Die, machtbegabt, ihn richten sollten: dies
So frevelhaft, so hochverräterisch,
Verdient den härtsten Tod.
Doch, da er Dienste
Dem Staat getan —
Was schwatzt Ihr noch von Diensten?
Ich sag es, der ich's weiß.
Ihr?
Ist es dies,
Was Eurer Mutter Ihr verspracht?
O hört.
Ich bitt Euch.
Nein, ich will nichts weiter hören.
Laß sie ausrufen: Tod vom steilen Fels,
Landflüchtges Elend, Schinden, eingekerkert
Zu schmachten, tags mit einem Korn – doch kauft ich
Nicht für ein gutes Wort mir ihre Gnade,
Nicht zähmt ich mich, für was sie schenken können,
Bekäm ich's für 'nen "Guten Morgen" schon.
Weil er, soviel er konnt, von Zeit zu Zeit,
Aus Haß zum Volke Mittel hat gesucht,
Ihm seine Macht zu rauben, und auch jetzt
Als Feind sich wehrt, nicht nur in Gegenwart
Erhabnen Rechts, nein, gegen die Beamten,
Die es verwalten: in des Volkes Namen
Und unsrer, der Tribunen, Macht verbannen
Wir augenblicklich ihn aus unsrer Stadt.
Bei Strafe, vom Tarpejschen Fels gestürzt
Zu sein, betret er nie die Tore Roms.
In 's Volkes Namen sag ich: So soll's sein.
So soll es sein! So soll's sein! Fort mit ihm!
Er ist verbannt, und also soll es sein.
Hört mich, ihr Männer, Freunde hier im Volk.
Er ist verurteilt. Nichts mehr.
Laßt mich sprechen.
Ich war eur Konsul, und Rom kann an mir
Die Spuren seiner Feinde sehn. Ich liebe
Des Vaterlandes Wohl mit zartrer Ehrfurcht,
Heiliger und tiefer als mein eignes Leben,
Mehr als mein Weib und ihres Leibes Kinder,
Die Schätze meines Bluts. Wollt ich nun sagen —
Wir wissen, was Ihr wollt. Was könnt Ihr sagen?
Zu sagen ist nichts mehr. Er ist verbannt
Als Feind des Volks und seines Vaterlands.
So soll's sein.
So soll's sein! So soll es sein!
Du schlechtes Hundepack! des Hauch ich hasse
Wie fauler Sümpfe Dunst; des Gunst mir teuer
Wie unbegrabner Männer totes Aas,
Das mir die Luft vergift't. – Ich banne dich!
Bleibt hier zurück mit eurem Unbestand,
Der schwächste Lärm mach euer Herz erbeben,
Eur Feind mit seines Helmbuschs Nicken fächle
Euch in Verzweiflung; die Gewalt habt immer,
Zu bannen eure Schützer – bis zuletzt
Eur stumpfer Sinn, der glaubt, erst wenn er fühlt,
Der nicht einmal euch selbst erhalten kann,
Stets Feind euch selbst, euch endlich unterwerfe
Als höchst verworfne Sklaven einem Volk
Das ohne Schwertstreich euch gewann. Verachtend
Um euch die Stadt – wend ich so meinen Rücken —
Noch anderswo gibt's eine Welt.
(Coriolanus, Cominius, Menenius, Senatoren und Patrizier gehn ab.)
Des Volkes Feind ist fort! ist fort! ist fort!
Verbannt ist unser Feind! ist fort! Ho! Ho!
(Sie jauchzen und werfen ihre Mützen.)
Geht, seht ihm nach zum Tor hinaus und folgt ihm,
Wie er euch sonst mit bitterm Schmähn verfolgte,
Kränkt ihn, wie er's verdient. – Laßt eine Wache
Uns durch die Stadt begleiten.
Kommt, kommt! ihm nach! zum Tor hinaus, so kommt!
Edle Tribunen, euch der Götter Schutz!
(Alle ab.)
Rom, vor einem Tore der Stadt Es treten auf Coriolanus, Volumnia, Virgilia, Menenius, Cominius und mehrere junge Patrizier
Nein, weint nicht mehr. Ein kurz Lebwohl. Das Tier
Mit vielen Köpfen stößt mich weg. Ei, Mutter!
Wo ist dein alter Mut! Du sagtest oft:
Es sei das Unglück Prüfstein der Gemüter,
Gemeine Not trag ein gemeiner Mensch.
Es segl' auf stiller See mit gleicher Kunst
Ein jedes Boot; doch bei den schwersten Schlägen
Des Glücks gelassen bleiben, das erheische
Den höchsten Sinn. – Du ludest oft mir auf
Belehrungen, die unbezwinglich machten
Die Herzen, die sie ganz durchdrangen.
O Himmel! Himmel!
Nein, ich bitte, Frau —
Die Pestilenz treff alle Zünfte Roms
Und die Gewerke Tod!
Was, was! Ich werde
Geliebt sein, wenn ich bin gemißt. Nun Mutter!
Wo ist der Geist, der sonst dich sagen machte,
Wärst du das Weib des Herkules gewesen,
Sechs seiner Taten hättest du getan,
Und deinem Mann so vielen Schweiß erspart?
Cominius!
Frisch auf! Gott schütz euch! – Lebt wohl, Frau und Mutter!
Mir geht's noch gut. – Menenius, alter, treuer,
Salzger als jüngern Manns sind deine Tränen,
Und giftig deinem Aug. Mein weiland Feldherr,
Ich sah dich finster, und oft schautest du
Herzhärtend Schauspiel; sag den bangen Frauen:
Beweinen Unvermeidliches sei Torheit
Sowohl als drüber lachen. – Weißt du, Mutter,
Mein Wagnis war dein Trost ja immer! und,
Das glaube fest, geh ich auch jetzt allein,
So wie ein Drache einsam, den die Höhle
Gefürchtet macht, besprochen mehr, weil nicht gesehn,
Dein Sohn ragt über dem Gemeinen stets;
Wo nicht, fällt er durch Tück und niedre List.
Mein großer Sohn!
Wo willst du hin? Nimm für die erste Zeit
Cominius mit, bestimme dir den Lauf,
Statt wild dich jedem Zufall preiszugeben,
Der auf dem Weg dich anfällt.
O ihr Götter!
Den Monat bleib ich bei dir; wir bedenken,
Wo du magst weilen, daß du von uns hörest
Und wir von dir; daß, wenn die Zeit den Anlaß
Für deine Rückberufung reift, wir nicht
Nach einem Mann die Welt durchsuchen müssen,
Die Gunst verlierend, welche stets erkaltet,
Ist jener fern, der sie bedarf.
Leb wohl!
Du trägst der Jahre viel, hast übersatt
Kriegsschwelgerei, mit einem umzutreiben,
Des Gier noch frisch. Bringt mich nur aus dem Tor;
Komm, süßes Weib, geliebte Mutter und
Ihr wohlerprobten Freunde. – Bin ich draußen,
Sagt: Lebe wohl! und lächelt. Bitte, kommt —
Solang ich überm Boden bin, sollt ihr
Stets von mir hören und nie etwas andres,
Als was dem frühern Marcius gleicht.
So würdig,
Wie man nur hören kann. Laßt uns nicht weinen.
Könnt ich nur sieben Jahr herunterschütteln
Von diesen alten Gliedern – bei den Göttern!
Ich wollt auf jedem Schritt dir folgen!
Kommt!
Deine Hand.
(Alle ab.)
Sicinius, Brutus und ein Ädil treten auf.
Schickt sie nach Hause, er ist fort. Nicht weiter.
Der Adel ist gekränkt, der, wie wir sahen,
Für ihn Partei ergriff.
Da unsre Macht
Wir nun gezeigt, laßt uns demütger scheinen,
Nun es geschehn, als da's im Werden.
Schickt sie heim.
Sagt ihnen, fort sei nun ihr großer Feind
Und neu befestigt ihre Macht.
Entlaßt sie.
Hier kommt die Mutter. Volumnia, Virgilia und Menenius treten auf.
Laßt uns fort!
Weshalb?
Man sagt, sie sei verrückt.
Sie sah uns schon.
Weicht ihr nicht aus.
Ha, wohlgetroffen!
Der Götter aufgehäufte Strafen lohnen
Euch eure Liebe.
Still, seid nicht so laut.
Könnt ich vor Tränen nur, ihr solltet hören —
Doch sollt ihr etwas hören. Wollt Ihr gehn?
Auch Ihr sollt bleiben. Hätt ich doch die Macht,
Das meinem Mann zu sagen.
Seid Ihr männisch?
Ja, Narr. Ist das 'ne Schande? Seht den Narren!
War nicht ein Mann ihr Vater? Warst du fuchsisch,
Zu bannen ihn, der Wunden schlug für Rom,
Mehr als du Worte sprachst?
O gütger Himmel!
Mehr edle Wunden als du kluge Worte,
Und zu Roms Heil. Eins sag ich dir – doch geh.
Nein, bleiben sollst du! Wäre nur mein Sohn,
Sein gutes Schwert in Händen, in Arabien,
Und dort vor ihm dein Stamm.
Was dann?
Was dann?
Er würde dort dein ganz Geschlecht vertilgen.
Bastard' und alles.
O Wackrer! du trägst Wunden viel für Rom.
Kommt, kommt! seid ruhig.
Ich wollt, er wär dem Vaterland geblieben,
Was er ihm war, statt selbst den edlen Knoten
Zu lösen, den er schlang.
So wünscht ich auch.
"So wünscht ich auch"? Ihr hetztet auf den Pöbel,
Katzen, die seinen Wert begreifen können
Wie die Mysterien ich, die nicht der Himmel
Der Erd enthüllen will.
Kommt, laßt uns gehn.
Nun ja, ich bitt euch! geht!
Ihr tatet wackre Tat. – Hört dies noch erst:
So weit das Kapitol hoch überragt
Das kleinste Haus in Rom, so weit mein Sohn,
Der Gatte dieser Frau, hier dieser, seht ihr?
Den ihr verbanntet, überragt euch alle.
Genug. Wir gehn.
Was bleiben wir, gehetzt
Von einer, der die Sinne fehlen?
Nehmt
Noch mein Gebet mit euch.
(Die Tribunen gehn ab.)
O! hätten doch die Götter nichts zu tun,
Als meine Flüch erfüllen. Träf ich sie
Nur einmal tags, erleichtern würd's mein Herz
Von schwerer Last.
Ihr gabt es ihnen derb,
Und habt auch Grund. Speist Ihr mit mir zu Nacht?
Zorn ist mein Nachtmahl; so mich selbst verzehrend,
Verschmacht ich an der Nahrung. Laßt uns gehn.
Laßt dieses schwache Wimmern, klagt wie ich,
Der Juno gleich im Zorn. – Kommt, kommt!
Pfui, pfui!
(Sie gehn ab.)
Landstraße zwischen Rom und Antium Ein Römer und ein Volsker, die sich begegnen
Ich kenne Euch recht gut, Freund, und Ihr kennt mich auch.
Ich denke, Ihr heißt Adrian?
Ganz recht. Wahrhaftig, ich hatte Euch vergessen.
Ich bin ein Römer und tue jetzt wie Ihr Dienste gegen Rom.
Kennt Ihr mich nun?
Nikanor? nicht?
Ganz recht.
Ihr hattet mehr Bart, als ich Euch zuletzt sah; aber Euer Gesicht wird mir durch Eure Zunge kenntlich. – Was gibt es Neues in Rom? Ich habe einen Auftrag vom Staat der Volsker, Euch dort auszukundschaften, und Ihr habt mir eine Tagereise erspart.
In Rom hat es einen seltsamen Aufstand gegeben: das Volk gegen die Senatoren, Patrizier und Edeln.
Hat es gegeben? Ist es denn nun vorbei? Unser Staat denkt nicht so; sie machen die stärksten Rüstungen und hoffen, sie in der Hitze der Entzweiung zu überfallen.
Der große Brand ist gelöscht; aber eine geringe Veranlassung würde ihn wieder in Flammen setzen; denn den Edeln geht die Verbannung des würdigen Coriolan so zu Herzen, daß sie ganz in der Stimmung sind, dem Volk alle Gewalt zu nehmen und ihnen ihre Tribunen auf immer zu entreißen. Dies glimmt unter der Asche, das kann ich Euch versichern, und ist fast reif zum heftigsten Ausbruch.
Coriolan verbannt?
Ja, verbannt.
Mit der Nachricht werdet Ihr willkommen sein, Nikanor.
Das Wetter ist jetzt gut für euch. Man pflegt zu sagen, die beste Zeit, eine Frau zu verführen, sei, wenn sie sich mit ihrem Manne überworfen hat. Euer edler Tullus Aufidius kann sich in diesem Kriege hervortun, da sein großer Gegner Coriolanus jetzt für sein Vaterland nichts tut.
Das kann ihm nicht fehlen. Wie glücklich war ich, Euch so unvermutet zu begegnen! Ihr habt meinem Geschäft ein Ende gemacht, und ich will Euch nun freudig nach Hause begleiten.
Ich kann Euch vor dem Abendessen noch höchst sonderbare Dinge
von Rom erzählen, die ihren Feinden sämtlich zum Vorteil gereichen.
Habt ihr ein Heer bereit? Wie?
Ja, und ein wahrhaft königliches. Die Zenturionen und ihre
Mannschaft sind schon förmlich verteilt und stehn im Sold, so
daß sie jede Stunde aufbrechen können.
Römer. Es freut mich, daß sie so marschfertig sind, und ich denke, ich bin der Mann, der sie sogleich in Bewegung setzen wird. Also herzlich willkommen, und höchst vergnügt durch Eure Gesellschaft.
Volsker. Ihr nehmt mir die Worte aus dem Munde; ich habe die meiste Ursach, mich dieser Zusammenkunft zu freuen.
Gut, laßt uns gehn.
(Sie gehn ab.)
Antium. Vor Aufidius' Haus Coriolanus tritt auf in geringem Anzuge verkleidet und verhüllt.
Dies Antium ist ein hübscher Ort. O Stadt!
Ich schuf dir deine Witwen. Manche Erben
Der schönen Häuser hört ich in der Schlacht
Stöhnen und sterben. – Kenne mich drum nicht,
Sonst morden mich mit Bratspieß deine Weiber,
In kindscher Schlacht mit Steinen deine Knaben.
(Es kommt ein Bürger.)
Gott grüß Euch, Herr.
Und Euch.
Zeigt mir, ich bitte,
Wo Held Aufidius wohnt. Ist er in Antium?
Ja, und bewirtet heut in seinem Haus
Die Ersten unsrer Stadt.
Wo ist sein Haus?
Dies ist's, Ihr steht davor.
Lebt wohl. Ich dank Euch.
(Der Bürger geht ab.)
O Welt! du rollend Rad! Geschworne Freunde,
Die in zwei Busen nur ein Herz getragen,
Die Zeit und Bett und Mahl und Arbeit teilten,
Vereinigt stets, als wie ein Zwillingspaar,
In ungetrennter Liebe, brechen aus
Urplötzlich durch den Hader um ein Nichts
In bittern Haß. – So auch erboste Feinde,
Die Haß und Grimm nicht schlafen ließ vor Planen,
Einander zu vertilgen, durch 'nen Zufall,
Ein Ding, kein Ei wert, werden Herzensfreunde,
Und Doppelgatten ihre Kinder. So auch ich.
Ich hasse den Geburtsort, liebe hier
Die Feindesstadt. – Hinein! Erschlägt er mich,
So übt er gutes Recht; nimmt er mich auf,
So dien ich seinem Land.
(Geht ab.)
Halle in Aufidius' Hause Man hört Musik von innen; es kommt ein Diener
Wein, Wein! Was ist das für Aufwartung? – Ich glaube,
die Burschen sind alle im Schlaf. (Geht ab.) Ein zweiter
Diener kommt.
Wo ist Cotus? Der Herr ruft ihn. Cotus.
(Geht ab. Coriolanus tritt auf.)
Ein hübsches Haus; das Mahl riecht gut. Doch ich
Seh keinem Gaste gleich. Der erste Diener kommt wieder.
Was wollt Ihr, Freund? Woher kommt Ihr? Hier ist kein
Platz für Euch. Bitte, macht Euch fort.
Ich habe bessern Willkomm nicht verdient,
Wenn Coriolan ich bin. Der Zweite Diener kommt.
Wo kommst du her, Freund? Hat der Pförtner keine Augen im Kopf, daß er solche Gesellen herein läßt? Bitte, mach dich fort.
Hinweg!
Zweiter Diener.
Hinweg? Geh du hinweg.
Du bist mir lästig.
Bist du so trotzig? Man wird schon mit dir sprechen.
Der dritte Diener kommt.
Was ist das für ein Mensch?
Ein so wunderlicher, wie ich noch keinen sah. Ich kann ihn nicht aus dem Hause kriegen. Ich bitte, ruf doch mal den Herrn her.
Was habt Ihr hier zu suchen, Mensch? Bitte, scher dich aus dem Haus.
Laßt mich hier stehn, nicht schad ich euerm Herd.
Wer seid Ihr?
Ein Mann von Stande.
Ein verwünscht armer.
Gewiß, das bin ich.
Ich bitte Euch, armer Mann von Stande, sucht Euch ein andres
Quartier; hier ist kein Platz für Euch. – Ich bitte Euch, packt
Euch fort.
Euerm Berufe folgt. Hinweg! Stopft euch mit kalten Bissen.
(Stößt den Diener weg.)
Dritter Diener. Was, Ihr wollt nicht? Bitte, sage doch meinem Herrn, was er hier für einen seltsamen Gast hat.
Das will ich.
(Geht ab.)
Wo wohnst du?
Unter dem Firmament.
Unter dem Firmament?
Ja.
Wo ist das?
In der Stadt der Geier und Krähen.
In der Stadt der Geier und Krähen? Was das für ein Esel ist!
So wohnst du auch wohl bei den Dohlen?
Nein, ich diene nicht deinem Herrn.
Kerl! was hast du mit meinem Herrn zu schaffen?
Nun, das ist doch schicklicher, als wenn ich mit deiner Frau
zu schaffen hätte. Du schwatzest und schwatzest. – Trag deine
Teller weg. Marsch!
(Er schlägt ihn hinaus. Aufidius tritt auf.)
Wo ist der Mensch?
Hier, Herr. Ich hätte ihn wie einen Hund hinausgeprügelt, ich wollte nur die Herren drinnen nicht stören.
Woher kommst du? Was willst du? Dein Name? Weshalb antwortest du nicht? Sprich, Mensch, wie heißest du?
Wenn, Tullus,
Du noch nicht mich erkennst, und, mich beschauend,
Nicht findest, wer ich bin, zwingt mich die Not,
Mich selbst zu nennen.
Und wie ist dein Name?
Ein Name, schneidend für der Volsker Ohr,
Und rauhen Klangs für dich.
Wie ist dein Name?
Du hast ein grimmig Aussehn, deine Mien ist
Gebieterisch. Ist auch zerfetzt dein Tauwerk,
Zeigst du als wackres Schiff dich. Wie dein Name?
Zieh deine Stirn in Falten. Kennst mich jetzt?
Nicht kenn ich dich. Dein Name?
Mein Nam ist Cajus Marcius, der dich selbst
Vorerst und alle deine Landsgenossen
Sehr schwer verletzt' und elend machte; Zeuge:
Mein dritter Name Coriolan. Die Kriegsmühn,
Die Todsgefahr und all die Tropfen Bluts,
Vergossen für das undankbare Rom,
Das alles wird bezahlt mit diesem Namen,
Er, starkes Mahnwort und Anreiz zu Haß
Und Feindschaft, die du mir mußt hegen. Nur
Der Name bleibt. Die Grausamkeit des Volks,
Ihr Neid, gestattet von dem feigen Adel,
Die alle mich verließen, schlang das andre.
Sie duldeten's, mich durch der Sklaven Stimmen
Aus Rom gezischt zu sehn. – Diese Verruchtheit
Bringt mich an deinen Herd; die Hoffnung nicht,
Versteh mich recht, mein Leben zu erhalten;
Denn fürchtet ich den Tod, so mied' ich wohl
Von allen Menschen dich zumeist; – nein, Haß,
Ganz meinen Neidern alles wettzumachen,
Bringt mich hierher. – Wenn du nun in dir trägst
Ein Herz des Grimms, das Rache heischt für alles,
Was dich als Mann gekränkt, und die Verstümmlung
Und Schmach in deinem ganzen Land will strafen,
Mach dich gleich dran, daß dir mein Elend nütze,
Daß dir mein Rachedienst zur Wohltat werde;
Denn ich bekämpfe
Mein gifterfülltes Land mit aller Wut
Der Höllengeister. Doch fügt es sich so:
Du wagst es nicht und bist ermüdet, höher
Dein Glück zu steigern, dann, mit einem Wort,
Bin ich des Lebens auch höchst überdrüssig;
Dann biet ich dir und deinem alten Haß
Hier meine Gurgel. – Schneidest du sie nicht,
So würdest du nur als ein Tor dich zeigen;
Denn immer hab ich dich mit Grimm verfolgt
Und Tonnen Blutes deinem Land entzapft.
Ich kann nur leben dir zum Hohn, es sei denn,
Um Dienste dir zu tun.
O Marcius, Marcius!
Ein jedes Wort von dir hat eine Wurzel
Des alten Neids mir aus der Brust gejätet.
Wenn Jupiter
Von jener Wolk uns als Orakel riefe:
"Wahr ist's!" nicht mehr als dir würd ich ihm glauben.
Ganz edler Marcius! O! laß mich umwinden
Den Leib mit meinen Armen, gegen den
Mein fester Speer wohl hundertmal zerbrach,
Und traf den Mond mit Splittern. Hier umfang ich
Den Amboß meines Schwerts und ringe nun
So edel und so heiß mit deiner Liebe,
Als je mein eifersüchtger Mut gerungen
Mit deiner Tapferkeit. Laß mich bekennen:
Ich liebte meine Braut, nie seufzt' ein Mann
Mit treurer Seele; doch, dich hier zu sehn,
Du hoher Geist! dem springt mein Herz noch freudger,
Als da mein neuvermähltes Weib zuerst
Mein Haus betrat. Du Mars, ich sage dir,
Ganz fertig steht ein Kriegsheer, und ich wollte
Noch einmal dir den Schild vom Arme hauen,
Wo nicht, den Arm verlieren. Zwölfmal hast du
Mich ausgeklopft, und jede Nacht seitdem
Träumt ich vom Balgen zwischen dir und mir.
Wir waren beid in meinem Schlaf am Boden,
Die Helme reißend, bei der Kehl uns packend:
Halbtot vom Nichts erwacht ich. – Würdger Marcius!
Hätt ich nicht andern Streit mit Rom, als nur,
Daß du von dort verbannt, ich böte auf
Von zwölf zu siebzig alles Volk, um Krieg
Ins Herz des undankbaren Roms zu gießen
Mit überschwellnder Flut. – O komm! tritt ein
Und nimm die Freundeshand der Senatoren,
Die jetzt hier sind, mir Lebewohl zu sagen,
Der eure Länderein angreifen wollte,
Wenn auch nicht Rom selbst.
Götter, seid gepriesen!
Willst du nun selbst als unumschränkter Herr
Dein eigner Rächer sein, so übernimm
Die Hälfte meiner Macht; bestimme du,
Wie dir gefällt, da du am besten kennst
Des Landes Kraft und Schwäche, deinen Weg,
Sei's, anzuklopfen an die Tore Roms,
Sei's, sie an fernen Grenzen heimzusuchen,
Erst schreckend, dann vernichtend. Doch tritt ein
Und sei empfohlen jenen, daß sie ja
Zu deinen Wünschen sprechen. – Tausend Willkomm!
Und mehr mein Freund als du je Feind gewesen,
Und, Marcius, das ist viel. Komm, deine Hand.
(Coriolanus und Aufidius gehn ab.)
Das ist eine wunderliche Verändrung.
Bei meiner Hand, ich dachte, ihn mit einem Prügel hinauszuschlagen, und doch ahnete mir, seine Kleider machten von ihm eine falsche Aussage.
Was hat er für einen Arm! Er schwenkte mich herum mit seinem Daum und Finger, wie man einen Kreisel tanzen läßt.
Nun, ich sah gleich an seinem Gesicht, daß was Besonderes in ihm steckte. Er hatte mir eine Art von Gesicht, sag ich – ich weiß nicht, wie ich es nennen soll.
Das hatte er. Er sah aus, gleichsam – ich will mich hängen lassen, wenn ich nicht dachte, es wäre mehr in ihm, als ich denken konnte.
Das dachte ich auch, mein Seel. Er ist geradezu der herrlichste
Mann der Welt.
Das glaube ich auch. Aber einen besseren Krieger als er kennst du doch wohl.
Wer? mein Herr?
Ja, das ist keine Frage.
Der wiegt sechs solche auf.
Nein, das nun auch nicht, doch ich halte ihn für einen bessern Krieger.
Mein Treu! sieh, man kann nicht sagen, was man davon denken soll; was die Verteidigung einer Stadt betrifft, da ist unser Feldherr vorzüglich.
Ja, und auch für den Angriff. Der dritte Diener kommt zurück.
O, Bursche, ich kann euch Neuigkeiten erzählen, Neuigkeiten, ihr Flegel!
Was? was? was? Laß hören.
Ich wollte kein Römer sein, lieber alles in der Welt; lieber wäre ich ein verurteilter Mensch.
Erster und zweiter Diener.
Warum? Warum?
Nun, der ist da, der unsern Feldherrn immer zwackte, der
Cajus Marcius.
Warum sagtest du, unsern Feldherrn zwacken?
Ich sage just nicht, unsern Feldherrn zwacken; aber er war ihm doch immer gewachsen.
Kommt, wir sind Freunde und Kameraden. Er war ihm immer zu mächtig, das habe ich ihn selbst sagen hören.
Er war ihm, kurz und gut, zu mächtig, Vor Corioli hackte und zwackte er ihn wie eine Karbonade.
Und hätte er was von einem Kannibalen gehabt, so hätte er ihn wohl gebraten und aufgegessen dazu.
Aber dein andres Neues?
Nun, da drinnen machen sie soviel Aufhebens von ihm, als wenn er der Sohn und Erbe des Mars wäre. Obenan gesetzt bei Tische, von keinem der Senatoren gefragt, der sich nicht barhäuptig vor ihn hinstellt. Unser Feldherr selbst tut, als wenn er seine Geliebte wäre, segnet sich mit Berührung seiner Hand und dreht das Weiße in den Augen heraus, wenn er spricht. Aber der Grund und Boden meiner Neuigkeit ist: unser Feldherr ist mitten durchgeschnitten und nur noch die Hälfte von dem, was er gestern war; denn der andre hat die Hälfte durch Ansuchen und Genehmigung der ganzen Tafel. Er sagt, er will gehn und den Pförtner von Rom bei den Ohren zerren, er will alles vor sich niedermähen und sich glatten Weg machen.
Und er ist der Mann danach, es zu tun, mehr als irgend jemand, den ich kenne.
Es zu tun? Freilich wird er's tun! Denn versteht, Leute, er hat ebensoviel Freunde als Feinde; und diese Freunde, Leute, wagten gleichsam nicht, versteht mich, Leute, sich als seine Freunde, wie man zu sagen pflegt, zu zeigen, solange er in Mißkreditierung war.
In Mißkreditierung? Was ist das?
Aber Leute, wenn sie seinen Kamm wieder hoch sehen werden und den Mann in seiner Kraft, so werden sie aus ihren Höhlen kriechen wie Kaninchen nach dem Regen, und ihm alle nachlaufen.
Aber wann geht das los?
Morgen, heute, sogleich. Ihr werdet die Trommel heute nachmittag schlagen hören, es ist gleichsam noch eine Schüssel zu ihrem Fest, die verzehrt werden muß, ehe sie sich den Mund abwischen.
Nun, so kriegen wir doch wieder eine muntre Welt. Der Friede ist zu nichts gut als Eisen zu rosten, Schneider zu vermehren und Bänkelsänger zu schaffen.
Ich bin für den Krieg, sage ich, er übertrifft den Frieden wie der
Tag die Nacht; er ist lustig, wachsam, gesprächig, immer was Neues;
Friede ist Stumpfheit, Schlafsucht, dick, faul, taub, unempfindlich
und bringt mehr Bastarde hervor, als der Krieg Menschen erwürgt.
Richtig; und wie man auf gewisse Weise den Krieg Notzucht nennen kann, so macht, ohne Widerrede, der Friede viele Hahnrei'.
Ja, und er macht, daß die Menschen einander hassen.
Und warum? Weil sie dann einander weniger nötig haben. Der Krieg ist
mein Mann. – Ich hoffe, Römer sollen noch ebenso wohlfeil werden als
Volsker. Sie stehn auf, sie stehn auf!
Hinein! hinein!
(Alle ab.)