Die beiden edlen Vettern

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Die beiden edlen Vettern
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William Shakespeare

Die beiden edlen Vettern

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Die beiden edlen Vettern

Prolog

Erster Act

Zweiter Act

Dritter Act

Vierter Act

Fünfter Act

Epilog

Impressum neobooks

Die beiden edlen Vettern

Prolog

Ein neues Stück und eine junge Maid,

Sie gleichen sich einander beid'!

Ist es mit ihnen gut bestellt,

Begehrt man sie und schont für sie kein Geld.

Ein neues Stück, das mädchenhaft erglüht,

Wenn's seinen Hochzeitstag gekommen sieht,

Und bangend, hoffend, ahnungsvoll

Nun seine Unschuld opfern soll,

Gleicht einer Jungfrau, die von ihrer Art

Sich nach der Trauung so viel noch bewahrt,

Daß sie bei allem, was sie thut und treibt,

Obgleich sie Frau nun, doch noch Mädchen bleibt –

So wünschen wir, daß unser Stück möcht' sein!

Nach Herkunft ist es edel, gut und rein,

Hat einen Vater, wie ein zweiter so

Nicht zwischen Silber-Trent und Po

Gefunden wird, denn Chaucer ist der Mann,

Der diese Märe uns ersann.

Sein Ruhm wird ewig dauern jung und frisch,

Und sollt' etwa durch unsre Schuld Gezisch

Der erste Willkomm seines Kindes sein,

So würde sich im Grabe sein Gebein

Umdrehn, und rufen würd' er ohne Zweifel:

Jagt diese Pfuscher mir zum Teufel,

Die meinen hohen Werth begriffen nicht

Und ärger plündern mein Gedicht,

Als Robin Hood des Reisenden Gepäck!

Ja! Diese Furcht, wir reden sie nicht weg,

Denn freilich wissen wir wie knabenhaft

Die Hoffnung ist, mit unsrer schwachen Kraft

Ihm nach in seine tiefen Wasser gehn.

Doch sollen wir die Wahrheit Euch gestehn?

Wir rechneten auf Eure Helfershand,

Die schon manch Unglück von uns abgewandt.

Auch diesmal bitten wir um Eure Gunst

Für dieses Spiel, das freilich seiner Kunst

Nicht würdig ist, indeß vielleicht doch werth,

Daß Ihr ein Stündchen opfert und es hört.

Doch müßten wir erleben, daß dies Spiel,

Statt Euch die Zeit zu kürzen, nur misfiel,

So würde das den Muth uns so benehmen,

Daß wir dann lieber gar nicht wiederkämen!

Erster Act

Erste Scene

(Athen; vor einem Tempel.)

Hymen mit einer brennenden Fackel tritt auf; vor ihm her ein Knabe in weißem Gewande, Blumen streuend und singend. Ihm folgt eine Nymphe mit gelöstem Haar, einen Aehrenkranz auf dem Haupte. Hierauf Theseus zwischen zwei andern Nymphen, die ebenfalls Aehrenkränze tragen. Dann, von Pirithous geführt, Hippolyta mit hängendem Haar. Eine Nymphe hält über ihrem Haupte einen Aehrenkranz. Zuletzt Emilia, ihre Schleppe über dem Arm tragend. Artesius und Gefolge. – Musik.

Gesang

Dornenfreie, makellose

Königin der Düfte, Rose,

Farbenreiche, licht und mild,

Federnelke, bar der Düfte,

Asphodil, du Schmuck der Grüfte,

Herzblatt echter Treue Bild;

Primel, erste von den süßen

Blümlein, die den Lenz begrüßen,

Wenn er seinen Einzug hält;

Maßlieb mit den blauen Aeuglein,

Schlüsselblum' an schwankem Zweiglein,

Rittersporn, du tapfrer Held;

Kinder des vergnügten Maien,

Laßt dem edlen Paar euch streuen,

Labt ihm Auge und Geruch;

Englein, steigt vom Himmel nieder,

Vöglein, Sänger süßer Lieder,

Lenket hierher euern Flug!

Kuckuck aber, Eul' und Krähe,

Kommet nicht in seine Nähe,

Denn ihr kündet nur Gefahr;

Sollt nicht nisten hier noch singen,

Unheil nicht und Zwietracht bringen

Unserm holden Liebespaar!

(Die drei Königinnen, in schwarze Schleier und Gewänder gehüllt, Königskronen auf dem Haupte, treten auf. Die erste fällt vor Theseus, die zweite vor Hippolyta, die dritte vor Emilia nieder.)

ERSTE.

Um der Barmherzigkeit und Gnade willen

Erhöret mich!

ZWEITE.

Um Eurer Mutter willen,

Und daß Ihr holde Kinder mögt gebären,

Erhöret mich!

DRITTE.

Um des Beglückten willen,

Dem Zeus die Ehre Eures Bettes einst

Gewähren wird, – um Eurer Keuschheit willen

Erbarmt Euch unsres Leids. Die gute That

Löscht jedes Unheil, das im Buch des Schicksals

Für Euch verzeichnet steht, auf immer aus!

THESEUS.

Steht auf!

HIPPOLYTA.

Steht auf!

EMILIA.

O, kniet nicht vor mir!

Für jede meiner Schwestern, die sich grämt,

Hab' ich ein fühlend Herz.

THESEUS.

Was bittet ihr?

Für alle rede eine von euch drei'n.

ERSTE KÖNIGIN.

Wir sind drei Königinnen, deren Gatten

Als Opfer fielen König Kreon's Wuth.

Dort im Theban'schen Felde liegen sie

Den Raben, Geiern, Krähen hingeworfen.

Er will nicht dulden, daß wir ihre Leichen

Zu Asche brennen und in Urnen bergen,

Damit der Greuel menschlicher Verwesung

Dem Strahlenauge Phöbus' sei entrückt.

Erbarmt Euch unsrer! Ihr, der Erde Herrscher,

Zieht Euer siegreich Schwert, des Rechtes Hort,

Und gebt der todten Könige Gebeine

Uns Jammernden, damit wir sie bestatten!

Und dann erwägt in Eurem edlen Sinn,

Daß wir, gekrönte Königinnen, ach!

Kein Obdach haben, außer da, wo Löwen

Und Bären hausen, wenn nicht schlimmer noch.

THESEUS.

Ich bitte, stehet auf, kniet länger nicht!

So sehr hat Eure Rede mich ergriffen,

Daß ich darob vergaß, Euch aufzuheben.

Das Schicksal eurer edlen Gatten kenn' ich,

Und Mitleid feuert mich zur Rache an.

Ihr war't mit König Kapaneus vermählt!

An Eurem Hochzeitstag, 's war um die Zeit

Des Jahres, wo auch ich jetzt Hochzeit halte,

Traf ich mit Eurem Bräutigam zusammen

An Mars' Altar. Ihr waret damals schön,

Eu'r Lockenhaar floß dicht und voll und golden

Von Eurem Haupte, schöner als der Schleier

Der Göttin Juno. Euer Aehrenkranz,

Er strahlte frisch und war noch unversehrt.

Fortuna lächelte Euch freundlich zu,

Und unser Vetter Hercules, besiegt

Von Euern Blicken, streckte seine Keule,

Warf sich auf des Numäischen Löwen Fell

Und schwur, ihm sei der Sehnen Kraft geschmolzen.

O, wie doch Zeit und Leid bis zur Vernichtung

An allem zehren!

ERSTE KÖNIGIN.

Unsre Hoffnung ist,

Es werd' ein Gott in Eure Heldenseele

Ausgießen seine Kraft und Euch bestellen

Zu unsrem Helfer!

THESEUS.

Nicht vor mir, Verwaiste,

Kniet vor Bellona, der behelmten, hin

Und fleht für Euren Krieger. Weh' ergreift mich!

(Er wendet sich ab.)

ZWEITE KÖNIGIN.

Hippolyta, du tapfrer Amazonen

Gefürchtetste, die den fünfzahn'gen Eber

Erschlug und dann mit ihrem starken Arm,

So stark als schön, das Volk der Männer fast

Dem weiblichen Geschlecht hätt'st unterworfen,

Wenn er, der jetzt dein Herr, der Schöpfung Willen

Nicht aufrecht hätt' erhalten, und die Flut,

Die über ihre Ufer schwellte, bändigend

Durch Liebe dich und Kraft bezwungen hätte:

Du Kriegerin so barsch wie mitleidsvoll,

Die Macht hat über ihn, wie er zuerst

Sie über dich geübt, der seine Kraft

Wie seine Liebe dir zu Diensten stellte

Und seiner Rede deinen Inhalt leiht;

Du Spiegel aller Frau'n, o bitte ihn,

Daß er uns, von der Glut des Kriegs Verzehrten

Im Schatten seines Schwerts, das über uns

Er breitet, Kühlung gebe. Bitte ihn

Mit sanfter Frauenstimme, so wie wir,

 

Und spare auch dabei der Thränen nicht.

Fall' vor ihm auf das Knie, doch länger nicht,

Als sterbend der geköpften Taube Flügel

Den Boden schlägt, – und rede solche Worte,

Wie sie dir kämen, wenn er selbst verwesend

Auf blutgetränktem Felde läg', der Sonne

Die Zähne weisend und den Mond angrinsend!

HIPPOLYTA.

Kein Wort mehr. Glaubt mir: freud'ger schreit' ich nicht

Der heil'gen Handlung dort im Tempel zu,

Als ich bereit für Euch zu handeln bin.

Mein Herr ist tief von Eurem Leid ergriffen,

Er überlege erst, dann rede ich.

DRITTE KÖNIGIN (vor Emilia kniend).

Zu Eis gefroren war mein Flehn, das nun

Der Schmerzen heiße Glut zu Tropfen schmolz.

So weicht der Gram, der keinen Ausdruck findet,

Dem stärkern Drang.

EMILIA.

Ich bitte Euch, steht auf!

In jedem Eurer Züge les' ich Gram.

DRITTE KÖNIGIN.

Nein, wehe mir! Dort könnt' Ihr ihn nicht lesen,

Wie Kiesel in des klaren Stromes Flut

Seht Ihr ihn nur verschoben. Edle Frau,

Wer ganz der Erde Schätze will erkunden,

Muß dringen bis zum tiefsten Kern hinab,

Und wer mein kleinstes Fischchen fangen will,

Der senke tief ins Herz mir seine Angel.

Die höchste Noth, die den Verstand sonst schärft,

Macht mich zur Närrin.

EMILIA.

Bitte, sagt nichts mehr!

Wer in dem Regen steht und ihn nicht fühlt,

Der weiß auch nicht, was naß, was trocken ist.

Wenn eines Meisters Meisterstück Ihr wäret,

Ich würd' Euch kaufen, mich vor Gram zu warnen,

So herzzerreißend stellet Ihr ihn dar.

Doch da Ihr mir als Weib verschwistert seid,

Trifft Euer bittres Leid so lebhaft mich,

Daß es von meinem Herz abprallen soll

Auf meines Bruders Herz und es erweichen,

Wär' es so hart als Stein. Drum seid getrost!

THESEUS.

Jetzt in den Tempel! Laßt andächtig uns

Die heiligen Gebräuche dort verrichten.

ERSTE KÖNIGIN.

O, diese Feier! Länger wird sie dauern

Und mehr Euch kosten, als ein Krieg für uns.

Bedenkt, daß Euer Ruhm die Welt erfüllt.

Was schnell Ihr thut, ist drum nicht übereilt.

Mehr werth, als andrer langes Ueberlegen

Ist Euer plötzlicher Entschluß, – mehr werth

Als all ihr Handeln, Euer Ueberlegen.

Doch wenn Ihr unverweilt zum Werke schreitet,

Betäubt Ihr sie, wie Spiritus den Fisch,

Eh' sie sich rühren. Edler Fürst, bedenkt,

Wie hart gebettet unsre Kön'ge liegen!

ZWEITE KÖNIGIN.

Wie ruhelos auf unsrem Lager wir,

Da unsre theuren Gatten keine haben –

DRITTE KÖNIGIN.

Wie's Todten doch geziemt. Wer überdrüssig

Des Sonnenlichts, durch Strick, Dolch, Gift und Sturz

Den eignen Tod gesucht hat und gefunden,

Selbst dem gibt menschlich Mitleid noch ein Grab!

ERSTE KÖNIGIN.

Doch unsre Gatten faulen in der Sonne,

Obgleich sie lebend gute Herrscher waren.

THESEUS.

Ihr redet wahr, und Trost will ich Euch bringen,

Ein Grab den Todten geben, doch dazu

Muß ich mit Kreon, Thebens Herrscher, kämpfen.

ERSTE KÖNIGIN.

Gewiß, ein solcher Kampf steht Euch bevor.

Jetzt nimmt die Hitze ab, die Zeit ist günstig,

Unnütze Arbeit lohnt nur eigner Schweiß.

Jetzt wähnt er sicher sich und träumet nicht,

Daß wir vor Euch Gewalt'gem unser Flehn,

Von Thränen unterstützt, erschallen lassen.

ZWEITE KÖNIGIN.

Jetzt greift ihn an, wo er vom Siege trunken –

DRITTE KÖNIGIN.

Und wo sein Herr in üpp'gem Nichtsthun schwelgt.

THESEUS.

Artesius, du bist der rechte Mann,

Dies Unternehmen klüglich einzuleiten,

Die nöth'ge Zahl der Truppen zu bestimmen

Und was zu unsrem Zwecke dienen kann

Vorzubereiten. Dir sei's überlassen,

Indeß wir selbst den großen Lebensact

Vollziehen, dieses kühne Unternehmen –

Uns zu vermählen.

ERSTE KÖNIGIN.

Schwestern, laßt uns gehn,

Umsonst war unser Flehen! Dieser Aufschub

Beraubt uns jeder Hoffnung.

ALLE DREI.

Lebet wohl!

ZWEITE KÖNIGIN.

Zur Unzeit kamen wir. Doch konnte Leid

Sich je den besten Augenblick zur Bitte

Frei wählen?

THESEUS.

Edle Frau'n, die heil'ge Handlung,

Zu der ich schreiten will, ist wicht'ger mir

Als jeder Krieg, und geht mich näher an

Als alles andre, was ich je vollbracht

Und was ich künftig noch vollbringen werde!

ERSTE KÖNIGIN.

Um so viel hoffnungsloser unsre Bitte!

Wenn ihre Arme, die die Macht besitzen,

Selbst Zeus vom Götterrathe fern zu halten,

Im sanften Licht des Mondes Euch umschlingen,

Ihr Purpurlippenpaar an Eurem hängt,

Was werd't Ihr da an Kön'ge, die verwesen,

An grambedrängte Königinnen denken?!

Wie soll Euch kümmern, was Ihr selbst nicht fühlt,

Wenn, was Ihr fühlt, selbst Mars bewegen könnte

Die Trommel hinzuwerfen? Eine Nacht

Mit ihr und jede Stunde macht für hundert

Euch zum Gefangenen, daß Ihr alles andre

Vergessen werdet über diesem Mahl,

So Euch geboten wird!

HIPPOLYTA (vor Theseus kniend).

Obgleich ich fürchte,

Ihr möchtet wen'ger liebeeifrig sein

Als zornig, daß ich Euch mit Bitten plage,

Doch mein' ich, folgt' ich nur dem eignen Wunsche

Und suchte meine Freude nur, wo jene

An dem, was schnelle Heilung fordert, leiden,

So dürfte jede Frau mit Recht mich tadeln.

Darum, o Herr, laßt meiner Bitten Kraft

Erproben mich, ob sie Euch rühren können,

Ob machtlos sie verhallen! Schiebt die Feier,

Die wir begehen wollen, auf und hängt

Um Euren Nacken, der mein Eigenthum

Und den ich diesen armen Königinnen

Zu Lehen jetzt will geben, Euren Schild!

ALLE DREI.

Ja helft, auf Euren Knieen fleht für uns!

EMILIA.

Wenn Ihr der Schwester rührendes Gesuch,

Das sie so dringend an das Herz Euch legte,

Nicht in dem gleichen Sinn und schnell erfüllt,

So werd' ich nie Euch mehr um etwas bitten

Und niemals einem Manne mich vermählen!

THESEUS.

Ich bin bewegt; steht auf! Mich selber drängt's

Zu thun, was Ihr da knieend von mir fordert.

Pirithous, führ' du die Braut nach Haus;

Um Sieg und Rückkehr flehet zu den Göttern.

Ihr Königinnen, folget Eurem Ritter!

Artesius, mach' schnell dich auf den Weg,

Und so viel Truppen, als du sammeln kannst,

Führt' uns nach Aulis nach; dort finden wir

Schon viele vor, – was selbst zu schwererm Werke

Genügen würd'! Da Eile uns geboten,

(Zu Hippolyta.)

Drück' ich auf deine Lippen diesen Kuß,

Als meiner Liebe Zeichen.

(Zu Artesius.)

Geh' voran,

Daß ich dich gehen sehe! – Lebe wohl,

Lieb' Schwesterlein! Pirithous, du lass'

Dem Feste seinen Gang; um keine Stunde

Sei es gekürzt!

PIRITHOUS.

Ich möchte, Herr, Euch folgen,

Das Fest kann warten, bis Ihr wiederkehrt!

THESEUS.

Nein, Vetter! Rühre von Athen dich nicht!

Wir sind zurück, noch eh' das Fest zu Ende,

Das nicht gestört soll werden! Einmal noch:

Lebt alle wohl!

ERSTE KÖNIGIN.

So thut Ihr, was die Welt

Von Euch erwartet!

ZWEITE KÖNIGIN.

Schwingt zum Gott Euch auf,

Ein andrer Mars.

DRITTE KÖNIGIN.

Seid größer noch als er,

Zu göttlicher Verehrung zwinget Ihr,

Ein Sterblicher, die Herzen. Die das thun,

So sagt man, leiden unter solcher Last!

THESEUS.

Wie sollt' es anders sein? Denn sie verlieren

Der Menschheit Rechte! Folgt uns, edle Frauen,

Zu Eurem Trost sind wir bereit zu handeln!

Zweite Scene

(Theben. Der Hof vor dem königlichen Palaste.)

Palämon und Arcites treten auf.

ARCITES.

Geliebter Vetter, theurer mir durch Neigung

Als durch Verwandtschaft noch, der du dich rein

Von Lastern hast erhalten, laß uns fliehn

Vor den Versuchungen, die hier in Theben

Uns rings umlauern, daß wir nicht zuletzt

Der jungen Seelen Unschuld noch verlieren!

Wir schämen uns, der Ausschweifung zu fröhnen

Und ebenso Enthaltsamkeit zu üben!

Nicht mit dem Strome schwimmen, heißet hier

So viel, als in dem Strome untergehn!

Es wäre mindestens verlorne Müh',

Und folgten wir dem Strom, so trieb' er uns

Zu solchen Wirbeln, wo wir wenden oder

Ertrinken müßten; kämen wir hindurch,

Wär' der Gewinn ein Leben der Erschöpfung.

PALÄMON.

Die Weisheit deines Rathes zeigt ein Beispiel:

Wenn wir durch Theben wandern, auf wie viele

Ruinen stoßen wir, die alle erst

Es wurden seit den Zeiten unsrer Kindheit!

Auf wie viel ärmliche Gewänder, Narben,

Dem einzigen Gewinne Kriegeslust'ger,

Die wohl von Haufen Golds und Ehren träumten

Doch nie erlangten, allem Sieg zum Trotz,

Getäuscht vom Frieden, den sie uns erkämpften.

Wer opferte da noch an Mars' Altar?

Begegn' ich solchen, blutet mir das Herz;

Dann wünsch' ich, daß der Juno Eifersucht

Den Kriegern Arbeit gäb' durch Friedensbruch

Und Streit und Krieg.

ARCITES.

Doch das ist Eines nur:

Sahst du sonst nichts, dein Mitleid zu erregen,

Als unversorgte Krieger?

PALÄMON.

O, noch manches,

Denn alles, was zu Grunde geht, beklag' ich,

Am meisten aber jene, deren Schweiß

Ehrlicher Arbeit man mit Eis bezahlt,

Sie abzukühlen!

ARCITES.

Davon sprach ich nicht,

Das ist nun einmal so Thebaner Art.

Ich wollt' nur sagen, wie gefährlich es

Für unsre Tugend sei, wenn wir noch länger

In Theben bleiben, wo man alles Böse

So schön zu färben weiß und alles Gute

Als Maske für das Böse nur gebraucht,

Wo jeder, der nicht mit den Wölfen heult,

Als Fremder und Barbar geachtet wird.

PALÄMON.

Es steht in unsrer Macht – wir hielten denn

Affen für gute Muster – unsre Sitte

Uns selbst zu machen. Hab' ich Selbstvertraun,

Was werd' ich eines andern Gangesart

Nachahmen, oder einer andern Weise

Zu sprechen mich befleißen, da man meine,

Die ich zu reden pflege, ja versteht?

Was sollte mich vermögen, dem zu folgen,

Der seinem Schneider folgt, bis dieser ihn

Zuguterletzt verfolgt? Ich möcht' doch wissen,

Warum mein Bartscher schlechter sollte sein,

Und ebenso mein Kinn, weil es nicht just

Nach eines Gecken Spiegel ward geschoren!

Gibt's eine Regel, die von mir verlangt,

Daß ich statt an der Hülfe, in der Hand

Den Degen trage, auf den Spitzen gehe,

Obgleich die Wege rein? Entweder will ich

Das Leitpferd sein im Zuge, oder gar nicht

Mit andern gehn! Doch kümmert alles das

Mich wahrlich äußerst wenig; was mich grämt

 

Und tief betrübt, ist –

ARCITES.

Kreon, unser Oheim!

PALÄMON.

Ja er, der ungezügelte Tyrann,

Der macht, daß man den Himmel nicht mehr fürchtet,

Daß Niedertracht auf ihre Stärke trotzt,

Auf Gunst vertraut und blindem Zufall huldigt;

Der alles das, was andre für ihn thun,

Sich selber zumißt, ihre Dienste fordert

Und dabei Ruhm und Beute an sich reißt;

Der furchtlos Böses thut, doch Gutes nie

Zu thun sich untersteht. O, könnten Egel

Dies Blut, das mich mit ihm versippt, aussaugen,

Bis sie, der Fäulniß voll, vom Leib mir fielen!

ARCITES.

Mein guter Vetter, laß den Hof uns fliehn,

Damit uns diese Schmach nicht auch ergreife

Und unsre Milch nach schlechter Weide schmecke.

Entweder Schurken oder Widersacher,

Das ist für uns, die wir mit ihm durch Blut,

Nicht durch Gesinnung nah verwandt, die Wahl!

PALÄMON.

Nur allzu wahr! Das Echo seiner Frevel

Hat, wie ich glaube, taub gemacht das Ohr

Der himmlischen Gerechtigkeit. Das Schrei'n

Der Witwen dringt nicht zu der Götter Thron,

Kehrt ungehört zurück. Valerius!

(Valerius tritt auf.)

VALERIUS.

Der König schickt nach euch, doch eilet nicht,

Bis sich erst seine Wuth gelegt. Als Phöbus

Den Peitschenstiel auf seinen Sonnenrossen

Zerbrach und aufschrie, war's ein Lispeln nur,

Verglichen mit dem Aufschrei seiner Wuth!

PALÄMON.

Der kleinste Hauch bläst ihn zur Flamme auf;

Doch was war jetzt der Grund?

VALERIUS.

Tödliche Fehde

Entbot ihm Theseus, dessen Drohn allein

Schon Schrecken ist. Vernichten will er Theben,

Und naht sich, seinen Vorsatz auszuführen!

ARCITES.

Er möge kommen, fürchteten wir nicht

In ihm die Götter, sollt' er uns nicht schrecken,

Obgleich er stärker ist als unsrer Drei.

Doch wer kann sich auf seine Kraft verlassen,

Wenn, was er sonst mit Ueberzeugung thäte,

Für Böses nur gethan wird?

PALÄMON.

Laß das jetzt,

Um Theben handelt's sich und nicht um Kreon!

Beiseit' zu stehn erlaubt uns Ehre nicht,

Und gegen ihn zu streiten wär' Verrath –

So müssen wir mit ihm bis an das Ende

Sein Schicksal theilen.

ARCITES.

Ja, das müssen wir!

Hat schon der Krieg begonnen, oder wird

Noch unterhandelt?

VALERIUS.

Er hat schon begonnen!

Zu gleicher Zeit mit unserm Boten traf

Die Kriegserklärung ein.

ARCITES.

Zum König komm'!

Wär' nur ein Viertheil von der Ehre sein,

Die seinem Feind gebührt, so wagten wir

Gesunden Aderlaß, und unser Blut

Wär' nicht verschwendet, nein, gut angelegt.

Doch so, da wir mit unsern Händen nur,

Nicht mit den Herzen kämpfen, bringt's nicht Heil,

Wie auch die Schläge fallen.

PALÄMON.

Das verkündet

Der Richter, der nie irret, der Erfolg,

Uns, wenn wir's selber wissen. Laßt uns jetzt

Der Stimme unsres Schicksals folgen. Kommt!

(Alle ab.)