Eine Pandemie verändert die Welt

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Eine Pandemie verändert die Welt
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Walter Swoboda





Eine Pandemie verändert die Welt



Gentechnik, Datenschutz und ein ethisches Dilemma





UVK Verlag · München




Umschlagabbildung: © peterhowell · iStock | Autorenfoto: © privat | Kapitelendpiktogramm: © Walter Swoboda










Prof. Dr. Walter Swoboda

 ist Arzt, Informatiker und Forschungsprofessor an der Hochschule Neu-Ulm. Als Gründer der gemeinsamen Ethikkommission der Hochschulen Bayerns (GEHBa) beschäftigt er sich mit ethischen Fragen zu neuen Technologien aus Medizin und Informatik.





DOI:

https://doi.org/10.24053/9783739881959





© UVK Verlag 2021

— ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen





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Internet:

www.narr.de

 eMail: info@narr.de





Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart



ISBN 978-3-7398-3195-4 (Print)



ISBN 978-3-7398-0585-6 (ePub)




Inhalt







„Erst kommt das Fressen, ...







Was Sie vorher unbedingt wissen sollten!







1 Der digitale Aufbruch







2 Digitalisierung ohne Grenzen







3 Die Entdeckung der Gene







4 Die Gentechnik am Start







5 Der Kampf gegen das Virus







6 Die Welt nach der Pandemie







7 Das Dilemma







8 Ein neuer Entwurf







In eigener Sache







Quellen







Stichwörter und Namen











„Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“







Bert Brecht, Dreigroschenoper







Was Sie vorher unbedingt wissen sollten!





Das ist nicht die erst Pandemie der Menschheit und es wird nicht ihre Letzte sein. Aber COVID-19 wird in die Geschichte eingehen als Treiber von Innovationen. In der Folge werden wir vor völlig neuen Herausforderungen stehen.





1918 verbreitete sich die

Spanische Grippe

, sie tötete in kurzer Zeit über 50 Millionen Menschen. Der auslösende Virus gehört zur Gruppe der Influenza-A-Viren und ist nie ganz verschwunden: Der Erreger der Schweinegrippe (2009 · circa 150.000 Tote) ist dem gleichen Stamm zugehörig und hat sich sehr wahrscheinlich durch Mutation aus der Spanischen Grippe entwickelt. Weitere verwandte Viren verursachten die

Asiatische Grippe

 (1967 · circa eine Million Tote), die

Hongkong Grippe

 (1968 · circa eine Million Tote).

Epidemi

en

Epidemien und ihre weltumspannenden Schwestern, die

Pandemi

en

Pandemien, sind also nichts Neues.



COVID-19 ist trotzdem eine Ausnahmeerscheinung, und zwar gleich aus mehreren Gründen. Zum einen verbreitete sie sich extrem schnell über den ganzen Erdball und befiel auch entlegene Gebiete. Die Infektion ist offensichtlich ziemlich effektiv bei der Übertragung von Mensch zu Mensch. Zum anderen ist die Erkrankung nicht besonders tödlich, hat also eine relativ niedrige Mortalität. Das ist zunächst eine gute Nachricht, aber leider sind gerade solche Krankheiten schwer zu besiegen. Die Infizierten sind anfangs nur wenig eingeschränkt und bleiben sozial aktiv. Sie gehen weiterhin zur Arbeit, feiern und nehmen an Veranstaltungen teil, womit die Ansteckungsgefahr ansteigt. Im Gegensatz dazu neigen von Anfang an schwer verlaufende Infektionserkrankungen dazu, ihre Wirte (das sind wir) lokal auszurotten, wodurch die Erreger selbst verschwinden, jedenfalls bis zum nächsten Ausbruch. Ein Beispiel: Das hochansteckende Ebola Fieber wird vom gleichnamigen Virus ausgelöst, endet zwischen 25–90 Prozent tödlich und geht früh mit ausgeprägten Symptomen einher. Bisher konnten alle Ausbrüche der Krankheit beherrscht werden. Allerdings muss das nicht so bleiben, denn der Erreger springt immer wieder vom Tier auf Menschen über. Zuletzt waren erhebliche Anstrengungen nötig, wie die komplette Abriegelung der Infektionsareale. Trotzdem waren mehr als 10.000 Tote zu beklagen. Es ist davon auszugehen, dass Ebola bisher schlecht an die menschliche Spezies angepasst ist und deshalb dieses für seine Verbreitung ungünstige Verhalten zeigt1. ‚Erfolgreiche‘ Krankheiten töten nicht. Sie bleiben stattdessen möglichst lange ansteckend, um viele Individuen zu infizieren. Anpassungen erfolgen aber eher in Zeiträumen von Jahrzehnten als in Monaten, denn die Evolution benötigt vor allem eines: Zeit.





Wissen | Herpes





85 Prozent aller Menschen sind mit den Herpesviren infiziert, bei vielen manifestiert sich die Erkrankung als harmlose Lippenherpes (Bläschenbildung). Es kommen aber mehr oder weniger schwere Komplikationen vor, wie Befall der inneren Organe bis hin zu Lungenentzündung. Herpes ist hoch ansteckend, Hautkontakt kann ausreichen, auch die gemeinsame Benutzung von Besteck. Selbst Tröpfcheninfektion durch Husten ist möglich.



Die Hauptgründe für die Sonderstellung der aktuellen Pandemie liegen nicht nur an der Erkrankung selbst, sondern an den äußeren Umständen. Sie trifft uns in Zeiten einer weltweit dichten Besiedelung bei etablierter

Globalisieru

ng

Globalisierung. Das ist relevant, denn Bevölkerungsdichte und Bevölkerungsmobilität begünstigen die Verbreitung einer Epidemie. Infizierte stecken in kurzer Zeit wesentlich mehr Mitmenschen an, zusätzlich erreichen wegen der Reisetätigkeit die Erreger schnell bisher verschonte Gebiete. Durch Entstehen von Brückenköpfen bilden sich

Hotspots

, von denen dann weitere Infektionen ausgehen. Die Ausbreitung wird damit parallelisiert.





Wissen | Pest





Die Pest konnte sich in Irland nie flächendeckend ausdehnen, da das Land in früheren Jahrhunderten zu dünn besiedelt war und es keine nennenswerte Reisetätigkeit gab. Das lässt sich heute noch nachweisen: Der Krankheitsverlauf der schwarzen Pest verläuft bei Menschen mit Blutgruppe 0 durchschnittlich schwerer als bei Trägern anderer Blutgruppen und führt damit zu mehr Todesfällen bei Menschen mit dieser Blutgruppe. Deshalb wurde die Blutgruppe 0 in Europa eher selten, nicht aber in Irland.2



In der Folge werden Epidemien und Pandemien in kürzeren Abständen auf uns zukommen und die durch sie verursachten Krankheiten werden potenziell gefährlicher. Was erwartet uns? Da bestehen grundsätzlich drei Möglichkeiten:





 Epidemien verschwinden wieder wegen einer Verhaltensänderung der Bevölkerung (soziale Anpassung)



 Epidemien verschwinden wieder durch den Einsatz neuer Behandlungen (medizinischer Fortschritt)



 Epidemien bleiben bestehen, oft besser angepasst mit verringerter Mortalität (Persistenz)





Meist ergeben sich Kombinationen: Die Pest wurde überwunden durch Änderung des Verhaltens (Hygiene) und durch bessere Behandlungsmöglichkeiten (Antibiotika). Die verschiedenen Formen der Grippe wurden eingedämmt durch neue Behandlungen (adjuvante Therapie, Impfung), bleiben aber latent vorhanden. Malaria als Beispiel einer in einigen Gegenden epidemischen Erkrankung kann nur eingeschränkt behandelt werden und breitet sich weiter aus.



Im aktuellen Fall versuchen wir es mit einer Kombination der ersten beiden Möglichkeiten (Verhaltensänderung und Impfung). Allerdings ist sicher, dass uns die aktuelle Pandemie noch einige Zeit beschäftigen wird, denn durch die weltweite Verbreitung und der kaum schnell genug durchführbaren Immunisierung aller Menschen werden sich immer wieder Mutationen bilden. Die führen dann zu lokalen Ausbrüchen mit partieller Resistenz. Sogar wenn einzelne Länder die gesamte eigene Bevölkerung durch Impfung immunisieren: Die Gefahr des Einschleppens einer neuen Variante bleibt. Durch die hohe Anzahl von Infizierten wird auch eine große Anzahl von Viren erzeugt. Jede „Herstellung“ eines Virenkörpers bedingt die Wahrscheinlichkeit einer Veränderung oder Mutation. Die weitaus meisten Mutanten werden sich als nicht erfolgreich herausstellen – ihre Linie stirbt schnell ab. Aber eine kleine Anzahl wird sich behaupten und ist eventuell gegen Impfungen oder andere Gegenmaßnahmen unempfindlicher.

 



Die Bedrohung durch Epidemien ist nicht zu unterschätzen, andererseits traten auch in der Vergangenheit immer wieder Gefahren auf, die mit Hilfe von Innovationen oder Entdeckungen überwunden wurden: Städte wurden gebaut, um sicher vor Feinden zu sein. Ackerbau wurde eingeführt, um die Menschen in den Städten zu ernähren. Die Einführung der Kanalisation half, die Besiedlungsdichte weiter zu steigern. Die

industriellen Revolution

en

Industrielle Revolution (Mechanisierung, Massenfertigung, Automation) erhöhten die Effizienz der Produktion von Mitteln des täglichen Bedarfs und schafften damit zusätzliche Freiräume. Aber jeder Fortschritt hat seinen Preis; jede einzelne Innovation hat auch gesundheitliche, soziale oder gesellschaftliche Folgen.





Wissen | Entwicklung





Der Bau von Städten war einschneidend. Um die Menschen auf kleinsten Raum zu ernähren, wurde der Ackerbau etabliert. Die resultierende Nahrung auf Basis weniger Nutzpflanzen war aber in vielerlei Hinsicht wesentlich einseitiger als die der ursprünglichen Jäger und Sammler. Skelettfunde zeigen, dass die ersten Bauern sich eher ungesund ernährten und die durchschnittliche Körpergröße abnahm. Die Menschen wurden von Umwelteinflüssen abhängiger, da der Ertrag der Ackerwirtschaft davon abhing.3 Auch entstanden neue Krankheiten wie Karies, die durch den Abbau von pflanzlicher Stärke im Mundraum entsteht. Sie ist heute die Erkrankung mit der höchsten Erkrankungsrate (Prävalenz) weltweit.



Innovationen verändern nicht nur die Gesellschaft, sondern auch das individuelle Denken. Jede Entdeckung oder Erfindung hat das Potenzial, einen Paradigmenwechsel4 zu erwirken.





Wissen | Paradigmenwechs



el

Paradigmenwechsel




Nikolaus Kopernikus hat mit seinem Buch „De revolutionibus orbium coelestium“ („Über die Umlaufbahnen der Himmelssphären“) einen wissenschaftlichen Paradigmenwechsel herbeigeführt. Er widersprach der bis dahin geltenden Lehrmeinung, dass die Erde der Mittelpunkt des Universums ist. Künftig bezog sich die Astronomie in ihren Darlegungen nicht mehr auf religiöse Thesen, sondern auf naturwissenschaftlich begründeten Schlussfolgerungen. Die kopernikanische Deutung setzte sich aber nicht etwa dadurch durch, weil entsprechende Diskussionen geführt und gewonnen wurden. Vielmehr führte technologische Innovation des Fernrohrs zu Erkenntnissen (Bewegung der Jupitermonde), die nicht mit dem traditionellen Paradigma in Einklang zu bringen waren. In der Folge entstand eine neue ‚Wissenschaftsschule‘, der sich immer mehr Astronomen anschlossen. Heute ist die Beobachtung von Erscheinungen über Licht und nicht sichtbare Wellen in der Astronomie ein etabliertes Verfahren, das nicht wegzudenken ist.



Innovationen sind die Treiber wissenschaftlicher Revolutionen. Sie entstehen durch Anwendung neuer technologischer Möglichkeiten, weshalb sie häufig von Erfindern und Entdeckern initiiert wurden wie Josef von Fraunhofer und Konrad Wilhelm Röntgen. Allerdings kommen Innovationen nicht unbedingt gleich dann zum Einsatz, wenn sie verfügbar sind, sondern häufig erst, wenn sie preiswert verfügbar sind und so eine gewisse Verbreitung erlangen. So wurde die Lokomotive erst über 100 Jahre nach der Erfindung der Dampfmaschine gebaut, denn die Technik benötigte Zeit, um halbwegs sicher und vor allem bezahlbar zu sein. Das gilt auch für die Computertechnologie. Die technische Entwicklung war in der Mitte des letzten Jahrhunderts bereits weit fortgeschritten: Konrad Zuse baute schon 1937 den ersten frei programmierbaren Rechner und John von Neumann veröffentlichte 1945 die noch heute gültigen Normen für Computerarchitekturen. Durchsetzen konnte sich die neue Technik aber erst, nachdem die Firma Intel es schaffte, die wesentlichen Bestandteile eines Computers auf einem integrierten Baustein unterzubringen. Damit wurden Computer unglaublich preiswert, was es vielen Menschen ermöglichte, sich so ein Stück Technik zu kaufen. Die Mikrocomputer verbreiteten sich rasch; heute sind sie in praktisch allen Bereichen des menschlichen Lebens im Einsatz; wir nennen dieses Phänomen Digitalisierung.



Manchmal werden Innovationen behindert, weil es ein gesellschaftliches

Akzeptanzprobl

em

Akzeptanzproblem gibt. Frühe Anatomen hatten die größten Schwierigkeiten, wenn sie ihrer Forschung nachgingen; das Eröffnen von Leichen stand unter Androhung drastischer Strafen; Claudius Galen von Pergamon führt deshalb nur Sektionen an Tierleichen durch und noch Leonardo da Vinci war gezwungen, heimlich zu arbeiten.



Bei der Überwindung solcher Widerstände sind externe Auslöser entscheidend. So war die schwarze Pest ein wichtiger Wegbereiter der Renaissance, die das Mittelalter beendete. Das Vertrauen in die göttliche Ordnung wurde durch diese Erkrankung, die als unausweichlich galt, empfindlich gestört. Es trat eine Spaltung ein: Der eine Teil der Bevölkerung verharrte in tiefer Frömmigkeit, während sich der andere Teil auf eine diesseitsbezogene Lebenshaltung einstellte. Letztlich konnte sich eine neue humanistische Haltung durchsetzen, da sie in Theorie und Praxis vollständiger nutzbar war.





Wissen | Innovation und Kritik





1825 ließ der Engländer George Stephensen die erste Dampflok zwischen Stockton und Darlington verkehren. Das neue Fortbewegungsmittel erreichte 8 Stundenkilometer, war also nicht schneller als bis dahin bekannte Transportmittel. Trotzdem traten Kritiker auf, die aufführten, dass der Qualm das Vieh vergiften und Lungenentzündungen hervorrufen könne. Das hohe Tempo muss, so wurde vermutet, zu Hirnverwirrungen führen, da es der menschliche Geist nicht vermag, so schnellen Ortswechseln zu folgen.



COVID-19 hat das Potenzial, die Gesellschaft ebenso nachhaltig zu verändern. Wir benötigen Innovationen, um der Gefahrenlage zu begegnen. Zwei davon sind bereits im Einsatz:





 Digitale Kontaktdatenverfolgung (DigitalisierungDigitalisierung)



 Immunisierung mit genbasierenden Impfstoffen (GentechnisierungGentechnisierung)





Kontaktdatenverfolgung ermöglicht es, Infektionsherde klein zu halten, da bei einem Ausbruch einer Erkrankung schnell alle Personen gefunden werden können, die mit initial Infizierten Kontakt hatten. Durch Isolierung wird dann eine weitere Ausbreitung verhindert.





Wissen | Taiwan





Taiwan konnte durch konsequente Anwendung digitaler Technik die Pandemie eindämmen.5 Es wurden Datenbanken der nationalen Gesundheitsdienste, der Einreisebehörde und des stattlichen Melderegisters zusammengefügt. Durch Einsatz eines computerbasierten Überwachungssystems auf Basis von Mobiltelefonen lassen sich lokale Infektionen schnell und effektiv nachverfolgen; entsprechende Maßnahmen können zeitnah eingeleitet werden.



Bei der

Impfu

ng

Impfung gegen das Coronavirus werden auch klassische Impfstoffe verwendet. Bei diesen werden Bestandteile eines Erregers, die für sich genommen nicht infektiös sind, in den Körper verbracht; damit wird eine entsprechende Immunreaktion ausgelöst. Im Falle einer tatsächlichen Infektion verfügt der Geimpfte gleich zu Beginn über ein trainiertes Immunsystem, das eine Erkrankung effektiv verhindert. Der Einsatz von Gentechnik ermöglicht ein fortschrittlicheres Verfahren: Nicht mehr Teile des Erregers werden gespritzt, sondern nur deren genetische Information. Diese wird im Körper zu Eiweißen umgesetzt, woraus ebenfalls eine Immunantwort erfolgt.





Wissen | DNA und RNA





Der Bauplan der Organismen liegt in praktisch allen Zellen als DNA vor. In einem festgelegten Prozess wird die DNA von Ribosomen, das sind spezielle Enzyme, gelesen und in kleinere ‚Bauabschnittspläne‘, die RNA, kopiert. Von der RNA ausgehend erfolgt dann die Proteinbiosynthese, das heißt es werden die Eiweißmoleküle hergestellt. Diese sind die Bausubstanz aller Lebensformen auf der Erde. Im Falle eines RNA-Impfstoffs wird kein Virusprotein geimpft, um die Immunabwehr anzukurbeln, sondern ein RNA-Bauplan, der dann den Zellen im Körper als Vorlage dient. So werden die Eiweiße, die die Abwehr erzeugen, von den menschlichen Zellen selbst produziert.



Alle Impfungen sind sehr spezifisch. Das hat den Nachteil, dass sie gegen Mutanten schwach oder sogar gar nicht wirken. In der Folge muss dann ein neuer Impfstoff entwickelt werden. Mit weiter Verbreitung eines Erregers wird es zunehmend unwahrscheinlicher, dass eine Impfung gegen alle Mutationen wirkt. Dies zeigt der Fall des Grippevirus: hier wird jährlich ein neuer Impfstoff hergestellt, der gegen die wahrscheinlichsten Varianten wirksam ist. Wegen der weltweit hohen Anzahl Coronainfizierter und den daraus folgenden Mutationen ist es absehbar, dass sich das auch hier wiederholt. Künftig werden wir uns auf regelmäßige Impfungen mit neuen Kombinationen einstellen müssen, wenn wir geschützt sein wollen.



Bei beiden möglichen Wegen aus der Pandemie bestand bisher große Skepsis, was ihren flächendeckenden und massenweisen Einsatz betrifft. Digitalisierung stößt auf Vorbehalte wegen des möglichen

Missbrauchs der Dat

en

Datenmissbrauch. Gentechnisierung wird kritisiert aufgrund ihrer potenziellen Unkontrollierbarkeit, wenn ihre Produkte einmal freigesetzt sind. Beide Innovationen und würden daher ohne COVID-19 noch Jahre bis Jahrzehnte auf den breiten Einsatz warten. Doch die Lage hat sich verändert und wie es aussieht, werden wir die neuen Möglichkeiten nutzen. Mehr noch, es wird zur massenhaften Anwendung kommen, zu einem starken Preisverfall und der weltweiten Verbreitung des damit verbundenen Wissens. Es werden große Datenbanken entstehen, die Information enthalten, wo jeder Bürger zu jedem Zeitpunkt zu finden ist und zu wem er Kontakt hat. Das Tragen von entsprechenden digitalen Devices wird zumindest für diejenigen Personen selbstverständlich werden, die sich im öffentlichen Raum aufhalten wollen oder müssen. Der Einsatz von Gentechnik wird zum Alltag gehören; es werden hunderttausende kleiner und kleinster Firmen entstehen, die sich damit beschäftigen. Die großen Player sind längst auf diesen Zug aufgesprungen.



Andererseits sind die angesprochenen Probleme des gefährdeten Datenschutzes und der potenziellen Unkontrollierbarkeit der Gentechnik keine Hirngespinste. Versuche, die Risiken durch gesetzliche Regelungen einzudämmen, sind zum Scheitern verurteilt und führen zu nicht suffizienten Implementierungen. Denn Kontaktdatenverfolgung kann nur dann funktionieren, wenn alle relevanten Daten gesammelt vorliegen. Diese sind aber grundsätzlich einsehbar und potenziell lässt sich damit Missbrauch begehen.



Und: Die Herstellung genbasierender Impfstoffe führt unweigerlich zur weltweiten Anwendung der

Gentechn

ik

Gentechnik, da die gleiche Technologie verwendet wird. ‚Gentechnik am Küchentisch‘ ist bereits heute machbar, das Internet bietet genügend Anleitungen für

Biohack

er

Biohacker. Ebenso wenig, wie lokale Gesetze in der Lage sind, die Produktion von Computerviren zu unterbinden, wird es möglich sein, alle entstehenden Freizeitaktivisten und Start-ups zu kontrollieren, geschweige denn die multinational operierenden Pharmakonzerne.



Es hat bereits begonnen: Soziale Netzwerke sammeln Daten und verwerten sie kommerziell, ohne dass sich Nutzer in nennenswertem Umfang wehren. Wirtschaftliche Existenzen werden ruiniert, weil Ungleichheit besteht bei der Behandlung von traditionellen und digitalen Geschäftsmodellen.6 Weltweit ist die Gentechnik außer Kontrolle, wie der jüngste Fall von klonierten menschlichen Zwillingen zeigt.7 Oftmals sind weder übergeordnete Organe noch die Bevölkerung ausreichend informiert.8



Wir haben es mit keinem technischen Problem zu tun, sondern mit dem Problem des richtigen Umgangs mit der Technik. Was wir benötigen, sind neue auf breiter Basis akzeptierte und von allen verteidigte Regeln. Nur damit werden wir in der Lage sein, die Pandemie zu überwinden und trotzdem die Freiheit, Selbstverantwortung und Unversehrtheit des Einzelnen zu gewährleisten.



Wir brauchen eine neue

Eth

ik

Ethik, um die Zukunft lebenswert zu erhalten.

 





Quintessenz





COVID-19 nimmt in der Pandemiegeschichte eine Sonderstellung ein, denn dichte Bevölkerung und Globalisierung begünstigen die Ausbreitung der Erkrankung. Ihre relativ niedrige Mortalität führt zu hoher Ansteckungsrate.



Es sind neue, innovative Methoden notwendig, um die aktuelle Pandemie zu überwinden. Das führt zu verändertem Denken und damit zu einer neuen Gesellschaft.



Impfung mit gentechnisch hergestellten Impfstoffen und digitale Kontaktdatenverfolgung sind aussichtsreiche Kandidaten bei Kampf gegen die Pandemie. Bereits jetzt werden die zugrunde liegenden Technologien (Gentechnik und Digitalisierung) weltweit eingesetzt. Dieser Trend wird sich wesentlich verstärken.



Gegenüber den sich abzeichnenden ethischen Problemen ist die Gesellschaft nur unzureichend vorbereitet. Daher sind