Ein Kardinal vor der Stadt

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Ein Kardinal vor der Stadt
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Walter Brendel

Ein Kardinal vor der Stadt

Ein Kardinal vor der Stadt

Walter Brendel

Richelieu und die Belagerung von La Rochelle

Impressum

Texte: © Copyright by Waltr Brendel

Umschlag: © Copyright by Walter Brendel

Illustrationen: © Copyright by Walter Brendel

Verlag: Das historische Buch, 2021

Mail: walterbrendel@mail.de

Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH,

Berlin

Inhalt

Vorwort und historische Ausgangslage

Staatsmann, Kriegsherr und Kirchenfürst

Die Belagerung

Die Belagerung ohne Erfolg

Was will Richelieu besser machen?

Der Deichbau

Der Offensivplan Richelieus

Fertigstellung und Nutzen des Deiches

Die letzte Schlacht

Abgesang

Quellen

Vorwort und historische Ausgangslage

La Rochelle hat in der französischen Erinnerungskultur einen beinahe mythischen Klang. Als gigantische Festung, Hauptort der Hugenotten, blutiges Schlachtfeld und nicht zuletzt zeitweiliger Schauplatz der „Drei Musketiere“ von Alexandre Dumas bringt die Hafenstadt an der Atlantikküste Erinnerungen an die Zeit zum Schwingen, in der sich der Kardinal Richelieu daranmachte, Frankreich zu einem zentral regierten Königreich und zur Hegemonialmacht Europas zu machen. Der erste Schritt dahin war die Belagerung und Eroberung von La Rochelle am 28. Oktober 1628.

Im zehnten Jahrhundert gegründet, stieg La Rochelle bald zum größten Hafen an der französischen Atlantikküste auf. Die Lage im internationalen Handelsnetz, die sichere Entfernung zum Zentrum der königlichen Macht und der Eigensinn des aquitanischen Adels trugen das Ihre dazu bei, dass sich die Stadt schon früh den Ideen der Reformation öffnete. Die waren nicht von Martin Luther, sondern von dem Genfer Reformator Johann Calvin geprägt. Ihre Anhänger nannte man Hugenotten (aus dem Neuhochdeutschen: Eidgenossen).

1627 tobt ein Konfessionskrieg in Frankreich. Die protestantischen Franzosen, Hugenotten genannt, sind König Ludwig XIII. ein Dorn im Auge. Er will ihre Hochburg La Rochelle vernichten. Aber die Stadt leistet erbitterten Widerstand.

La Rochelle ist die größte protestantische Bastion Frankreichs. Ihre günstige Lage an der Atlantikküste sichert den Bürgern die Unterstützung ihres Bündnispartners England. Beide Lager sind durch ihren Glauben vereint und stellen sich gegen den katholischen König Ludwig XIII. Dieser will die Stadt so schnell wie möglich einnehmen, um sich auf seinen eigentlichen Krieg mit den Habsburgern konzentrieren zu können.

Aber La Rochelle hat aus früheren Belagerungen gelernt. Eingebettet in eine Bucht, umgeben von Sümpfen und drei Kilometer langen Festungsmauern, scheint die Stadt uneinnehmbar. Die rechte Hand des Königs, Kardinal Richelieu, greift zu drastischen Mitteln: Auf offenem Meer lässt er einen riesigen Deich bauen. Der Weg der Engländer ist damit versperrt, ebenso jegliche Möglichkeit, Nachschub in die Stadt zu bringen. Kardinal Richelieu will La Rochelle aushungern und so den protestantischen Widerstand endgültig brechen.

König Ludwig der XIII. will die letzte protestantische Bastion des Landes erobern: La Rochelle. Kardinal Richelieu lässt auf offenem Meer einen riesigen Deich bauen, um die Stadt abzuschotten.

In den Religionskriegen, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Frankreich erschütterten und die 1572 im Massaker der Bartholomäusnacht gipfelten, wurde die Stadt zu einer riesigen Festung ausgebaut. Sie wurde zum Trauma der Katholiken. 1573 versuchte der Herzog von Anjou mit einer Armee von 18.000 Mann und 60 Belagerungsgeschützen die Stadt einzunehmen. Nach ein paar Monaten mussten die königlichen Truppen die Belagerung aufgeben, nachdem 10.000 Soldaten vor den Mauern der Stadt verhungert und im Feuer ihrer Geschütze zusammengeschossen worden waren.

Im zehnten Jahrhundert gegründet, stieg La Rochelle bald zum größten Hafen an der französischen Atlantikküste auf. Die Lage im internationalen Handelsnetz, die sichere Entfernung zum Zentrum der königlichen Macht und der Eigensinn des aquitanischen Adels trugen das Ihre dazu bei, dass sich die Stadt schon früh den Ideen der Reformation öffnete. Die waren nicht von Martin Luther, sondern von dem Genfer Reformator Johann Calvin geprägt. Ihre Anhänger nannte man Hugenotten (aus dem Neuhochdeutschen: Eidgenossen).

In den Religionskriegen, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Frankreich erschütterten und die 1572 im Massaker der Bartholomäusnacht gipfelten, wurde die Stadt zu einer riesigen Festung ausgebaut. Sie wurde zum Trauma der Katholiken. 1573 versuchte der Herzog von Anjou mit einer Armee von 18.000 Mann und 60 Belagerungsgeschützen die Stadt einzunehmen. Nach ein paar Monaten mussten die königlichen Truppen die Belagerung aufgeben, nachdem 10.000 Soldaten vor den Mauern der Stadt verhungert und im Feuer ihrer Geschütze zusammengeschossen worden waren.

„Vom Fall La Rochelles hängen das Staatswohl ab, die Ruhe des Landes, die Festigkeit der Regierungsgewalt“, erklärte Richelieu. Nur zögernd folgte der König dem Rat und ließ im Sommer 1627 den Kardinal mit einem Heer von 11.000 Mann die Belagerung der Stadt aufnehmen. Doch die von venezianischen Ingenieuren auf dem neuesten Stand der Technik errichteten Befestigungsanlagen erwiesen sich als unüberwindlich.

***

Was bewog Ludwig XIII. und seinem Ersten Minister Kardinal Richelieu dazu, die französische Stadt La Rochelle zu belagern? Wollte man den Hugenotten und deren Verbündeten, König Karl I. und seinen Minister, den Herzog von Buckingham eine nachhaltige Lektion erteilen, obwohl das Edikt von Nantes von 1598 und der Friedensvertrag von 1573 den Hugenotten die Stadt als Zufluchtsstätte unter eigener Verwaltung und Herrschaft garantierte? Oder wollte man den englischen Herzog brüskieren, der um die Gunst von Anna von Österreich buhlte?

Keines von beiden war der Fall. Schauen wir etwas in die Historie und in die Wissenschaft.

Ludwig XIII. mit Richelieu

Nicht nur unter den zeitgenössischen Theoretikern der Politik wird der Eroberung von La Rochelle eine entscheidende Rolle für die Neuordnung des französischen Staates zugeschrieben. Auch für Praktiker der Politik hat sie eine eminent katalytische Funktion.

Zu Beginn des Jahres 1629 richtete der Ersten Minister des Königs, Kardinal Richelieu, eine berühmte Denkschrift an den König Ludwig XIII., die als Programmschrift sowohl die praktischen als auch die ideologischen Grundlagen der monarchischen Herrschaft im Königreich Frankreich festschreiben sollte. Neben seinem politischen Testament stellt dieser Text die wichtigste Systematisierung der politischen Auffassungen Richelieus dar. Der Zeitpunkt für die Abfassung eines solchen Grundsatzpapiers war nicht zufällig gewählt. Die ersten Monate des Jahres 1629 markierten in Richelieus Sicht den Beginn einer neuen Ära. Erst zu diesem Zeitpunkt schienen alle Bedingungen erfüllt, eine absolute Monarchie auf französischem Boden durchzusetzen.

Die Einnahme La Rochelles fungiert demnach auch hier als Voraussetzung und Anstoß für ein persönliches wie politisches Reformprogramm, das Richelieu im Folgenden skizziert. Zwischen innen- und außenpolitischen Maßnahmen wird dabei deutlich unterschieden. Auf der innenpolitischen Seite sei es vor allem wichtig, nun endgültig den Widerstand des protestantischen Wiederstandes zu brechen, der noch in einigen protestantischen Städten des Midi beheimatet sei. Die Epoche der Religionskriege, die Frankreich seit der Mitte des 16. Jahrhunderts erschüttert hatten, soll nach dem Sieg über La Rochelle dadurch endgültig beendet werden. Als interne Befriedungsmaßnahme seien anschließend alle Festungen, die nicht die Grenzen des Reiches bewachten, zu schleifen und dafür Sorge zu tragen, dass der König absolutem Gehorsam von Groß und Klein geschuldet wird.

Richelieu verknüpft in seiner Denkschrift die tagespolitischen Erfordernisse mit sehr grundsätzlichen Fragen nach Konzeption und Aufgaben monarchischer Herrschaft. Es ist ebendiese Kombination, welche die Bedeutung seiner Denkschrift ausmacht. Wichtig in diesem Zusammenhang erscheint aber der Zeitpunkt ihrer Formulierung. Es ist die Einnahme La Rochelles, die ein solch weit greifendes Konzept provoziert. Dabei ist die konkrete Befriedung des Reiches noch nicht einmal endgültig erreicht.

Richelieus Denkschrift praktiziert durch den Fokus auf La Rochelle eine Verortung der politischen Ideengeschichte im Wortsinne. Sie lokalisiert und konkretisiert die Idee der absoluten Monarchie im Konflikt zwischen der französischen Monarchie und der Stadt La Rochelle. La Rochelle dient dabei weniger als Beispielfall denn als Paradigma der Idee der absoluten Monarchie. Durch die entscheidende Bedeutung, die La Rochelle, für die Entstehung der absoluten Monarchie durch zeitgenössische Beobachter zugeschrieben wurde, gewinnt diese Fragestellung eine besondere Relevanz für die Geschichte der französischen Monarchie in der Frühen Neuzeit überhaupt. Sie rückt den Konflikt zwischen La Rochelle und der französischen Monarchie ins Zentrumeiner politischen Ideengeschichte des Absolutismus unter Berücksichtigung seiner praktischen Umsetzung.

 

Die Konzentration auf die Stadt lässt sich durchaus wörtlich nehmen, wurde sie doch

Zweimal, 1573 und 1627/28, durch königliche Truppen belagert und entging 1621/22 einer Belagerung nur durch spezifische politische Umstände. Während der zwei Friedensjahrzehnte, die auf das Edikt von Nantes folgten, gelang es La Rochelle, eine dem König gegenüber loyale, aber letztlich auf die eigene Unabhängigkeit bedachte Politik zu verfolgen. Erst mit der Béarn-Krise 1620/21 und dem Wiederaufflammen der Religionskriege in dieser Zeit bis zum Frieden von Montpellier 1622 rückte die Stadt erneut in den Fokus der Politik der Zentrale.

Mit Beginn des Jahres 1568 rückte La Rochelle von der atlantischen Peripherie des Reiches ins Zentrum der politischen und konfessionellen Konflikte. Während sich die Stadt im ersten französischen Religionskrieg 1562/63, abgesehen von einer finanziellen Unterstützung des aufständischen Prinzen von Condé, weitgehend neutral verhalten hatte, schlug sie sich nun im Verlauf des zweiten Religionskriegs klar auf dessen Seite. Die innenpolitische Lage in Frankreich hatte sich nach der relativen Ruhephase im Anschluss an das Edikt von Amboise vom März 1563 vor allem während der Jahre 1566 und 1567 dramatisch zugespitzt.

Sowohl vom König selbst als auch seiner Mutter Catherine de Médicis wurde das als Auftakt zu einer allgemeinen hugenottischen Verschwörung gegen die Monarchie gedeutet und Condé, Coligny und ihre Bundesgenossen wurden nunmehr als Rebellen betrachtet. Und dazu gehörte nun auch La Rochelle. Selbstbewusste Forderungen nach freier Religionsausübung ohne räumliche und soziale Beschränkungen – ein Streitpunkt, der die gesamten Religionskriege über vorherrschend bleiben sollte – vor allem aus dem Umkreis von Coligny gingen einher mit der Befürchtung einer allgemeinen europäischen katholischen Verschwörung zur Bekämpfung der reformierten Konfession, einschließlich Frankreich.

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