Vera Sterndorf
Annas wundersame Reise
Anna lebt mit ihrer Mutter in einer Stadt. Die Sommerferien haben begonnen und Anna träumt davon, zu verreisen. Doch dafür ist kein Geld übrig. Eines Abends erscheinen vor ihrem Fenster eine Sternschnuppe, ein Regenbogen und zwei Sternenländer. Die vier planen, um die ganze Welt zu fliegen. Dabei wollen sie den Menschen Glück bringen. Begeistert beschließt Anna mitzukommen. Damit beginnt für sie ein großes Abenteuer.
Vera Sterndorf wurde 1958 in Karlsruhe geboren. Sie ist Juristin und Redakteurin. Seit vielen Jahren arbeitet sie als freie Texterin. Zusammen mit ihrem Mann und ihrer Katze lebt sie in einem alten Haus mit großem Garten nördlich von Berlin. Von ihr erschienen bislang bei epubli das Kinderbuch „Lena hat ’ne Meise“ sowie die Erzählung „Wen die Vergangenheit trifft“.
Dieses Buch ist bei epubli auch als
gedruckte Ausgabe erschienen
ISBN 978-3-8442-7332-8
Imprint
Annas wundersame Reise
Vera Sterndorf
published by: epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de
Copyright: © 2014 Vera Sterndorf
ISBN 978-3-8442-7447-9
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Sternenland
Lili und Florian beschließen eine Reise
Fräulein Kling
Der kleine Verkehrtrum
Anna am Fenster
Die Bruchlandung
Fünf Freunde in Not
Im Land der Bamba-Lu
Die Rettung des kleinen Verkehrtrum
Pimp-tse erzählt eine Geschichte
König Krallenzahn
Ein böser Zauber
Das Zauberei
Die weiße Rabenkönigin
Fünf Freunde kommen zu spät
Der Streitwicht
Das Land des Vergessens
Die Hexe Grismalda
Krallenzahns Geheimnis
Auf Krallenzahns Burg
Im Kerker
In der Falle
Der Geheimgang
Annas List
Krallenzahns Zauber ist gebrochen
Der Abschied
Der schönste Platz der Welt
Anna ist wieder zu Hause
Sternenland
Es war einmal in einem Land, das hieß Sternenland. Denn es lag weit oben hinter dem Mond bei den Sternen.
Sternenland war ein kleines Land, das man von der Erde aus kaum sehen konnte. Nur manchmal, wenn tausend Sterne funkelten, reichte auch der Glanz von Sternenland bis zur Erde herunter.
Sternenland bot wenig Platz. Es gab dort nur zwei Berge. Die waren recht winzig. Damit man sie von Weitem sehen konnte, war der eine rot und der andere blau bepinselt.
Im Tal dazwischen floss ein Bach. An dessen Ufern wuchsen sieben Bäume und dreizehn Blumen. Natürlich lebten in Sternenland auch Leute, allerdings nur zwei. Die hießen Lili Rübsam und Florian Fliegenpilz.
Lili wohnte auf dem roten Berg. Ihr Haus glich einer Riesenrübe. Es war karottengelb und etwas schief geraten. Florian wohnte auf dem blauen Berg. Sein Haus sah aus wie ein Riesenfliegenpilz. Es trug ein rotes Dach mit weißen Punkten.
Florian mochte Lili sehr. Denn nirgendwo sonst gab es ein so schönes Fräulein Rübsam mehr. In ihrem Gesicht prunkte eine prächtige Karottennase. Ihre Augen strahlten wie Kirschmurmeln. Und ihre Haare leuchteten so rot wie der Mantel einer Königin.
Dabei war ihr Benehmen überhaupt nicht majestätisch. Vielmehr war es flohisch. Den ganzen Tag hüpfte Lili wie ein Floh durch Sternenland. Vorwärts, rückwärts oder auf der Stelle.
Florian dagegen war klein und rund. Eine dicke, grüne Nase zierte sein Gesicht. Sein Mund reichte von einem Ohr zum anderen, zumindest wenn er lachte, was er meistens tat. Es sei denn, er dachte. Dann kratzte er seinen Kopf und streichelte sein struppiges Haar. Das glänzte so blau wie der Berg, auf dem er wohnte.
Ganz besonders stolz war Florian auf seine Füße. Die waren nämlich ziemlich groß geraten. Man hätte meinen können, er würde Siebenmeilenstiefel tragen, wenn Sternenland überhaupt sieben Meilen lang gewesen wäre.
Der Berg war steil. Der Weg ins Tal war weit. Doch mit seinen Riesenfüßen brauchte Florian nur wenig Zeit. Atemlos erreichte er den Bach.
Erschöpft setzte er sich auf einen Stein. Er holte dreimal tief Luft. Dann krempelte er die Hosenbeine hoch und tauchte seine Füße ins Wasser.
Plötzlich plumpste ein Stein neben ihm in den Bach. „Guten Morgen, Florian“, tönte es vom anderen Ufer.
„Guten Morgen, Lili“, grüßte Florian zurück. „Das war aber gar nicht nett. Fast hättest du meinen Lieblingsfuß getroffen.“
„Das tut mir aber leid“, sagte Lili. „Darf ich dich zum Frühstück einladen?“
Bevor Florian antworten konnte, sprang Lili über den Bach. Sie trug einen Korb mit Erdbeeräpfeln.
Nach dem Frühstück saßen sie faul im Gras und planschten mit den Füßen im Wasser. Angestrengt dachten sie nach, wie sie den Tag verbringen wollten. Das war gar nicht so einfach. Denn Sternenland war ja ein sehr kleines Land. Da stießen Florians Riesenfüße schnell an die Grenze.
Da hatte Lili eine Idee. „Wir könnten auf Schatzsuche gehen.“
Florian gähnte. „Och! Schätze suchen wir doch ständig.“
Sie überlegten weiter. „Wir könnten zum Nachbarstern reisen“, schlug Florian vor.
„Oh, wie langweilig“, meinte Lili. „Da waren wir doch erst neulich.“
Nach einer Weile pfiff Lili leise. Das tat sie immer, wenn ihr etwas Besonderes einfiel. Sie fragte: „Wie wäre es mit einem Ausflug zur Erde?“
Florian war begeistert. „O ja, das machen wir. Das wird bestimmt ein großes Abenteuer!“
So war die Sache abgemacht und die Reise beschlossen. Sie warteten, bis es Nacht wurde. Dann brachen Lili und Florian auf, um zur Erde zu reisen.
Die Nacht war klar wie Glas. Die Sterne leuchteten wie Laternen. Lili und Florian wanderten die Lichtstraße entlang, die von Sternenland zur Erde führte.
In jener Nacht strahlten jedoch viele Tausend Sterne. Vor allem aber gab es noch mehr Lichtstraßen. Diese verbanden nämlich alle Sterne miteinander. Und so glich der Himmel einer riesigen Stadt. Auf jeden Fall gab es genauso viele Kreuzungen.
Obwohl Lili und Florian auf den Weg achteten, bogen sie mehrmals falsch ab. Schließlich gerieten sie in eine Lichtsackgasse. Dort wurde es immer dunkler. Am Ende gähnte nur noch schwärzeste Finsternis. Es war, als hätte jemand alle Lichter ausgeknipst.
„Oje“, riefen Lili und Florian.
Plötzlich hörten sie einen leisen Klang. Der hörte sich an wie ein Glöckchen. Blitzschnell schoss ein winziger Ball heran. Er funkelte feurig golden. Dicht vor Lili und Florian bremste er. Dabei ließ er viele Funken regnen.
„Schöne Nacht“, sprach der Ball. „Ich bin eine Sternschnuppe und fliege zur Erde. Mein Name ist Kling, Fräulein Kling.“
„Hallo, Fräulein Kling“, grüßten Lili und Florian. „Auch wir reisen zur Erde“, erzählten sie. „Leider haben wir uns verirrt. Kannst du uns helfen, den richtigen Weg zu finden?“
„Verirrt?“ Fräulein Kling klang erstaunt. „Das hier ist der kürzeste Weg zur Erde. Viele kennen ihn allerdings nicht. Denn es ist der Dunkelquerfeldeinweg. Wenn ihr wollt, führe ich euch.“
„Vielen Dank“, sagten Lili und Florian. „Dürfen wir fragen, warum du zur Erde reist?“
„Alle Sternschnuppen fliegen irgendwann zur Erde. Wir werden dafür geboren.“
Lili und Florian wunderten sich. „Warum macht ihr das?“, fragten sie.
„Alle paar Jahre besucht uns der Weltraumpostbote“, antwortete Fräulein Kling. „Er bringt uns auch die Zeitung. Darin lesen wir immer schreckliche Dinge über die Erde. Dass Menschen Krieg führen. Dass viele nicht genug zu essen haben. Dass Kinder nicht in die Schule gehen können, weil ihre Eltern zu arm sind. Überhaupt, dass viele Menschen traurig sind. Und das seit vielen Tausend Jahren.“
„Das ist ja wirklich schrecklich“, meinten Lili und Florian.
„Allerdings!“, rief Fräulein Kling. „Bei uns in Sternschnuppenland gibt es dagegen Friede und Freude im Überfluss. Und so haben wir beschlossen, unser Glück mit den Menschen zu teilen. Ich fliege also zur Erde, um den Menschen Glück zu bringen.“
„Aber wird das Glück nicht weniger, wenn man es teilt?“, fragte Lili.
„Ganz im Gegenteil“, antwortete Fräulein Kling. „Das macht so viel Freude, dass dadurch das Glück immer weiter wächst.“
Lili und Florian verstanden das zwar nicht. Aber sie waren schwer beeindruckt. Sie überlegten kurz. Dann erklärten sie: „Bei uns in Sternenland gibt es auch viel Freude. Wir können davon etwas abgeben. Dürfen wir dich begleiten?“
„Klar“, antwortete Fräulein Kling. „Zu dritt bringen wir dreifach Glück.“
Und so reisten sie gemeinsam weiter zur Erde.