Assassin's Breed

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Assassin's Breed
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Assassins Breed

Tödliches Spiel

Ein Kriminalroman von

Veit Beck


Veit Beck

Assassins Breed

Kriminalroman

Cover: Veit Beck • www.veitbeck.de

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© 2020

Impressum

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Tel.:(0 22 46) 94 92 61

Fax:(0 22 46) 94 92 24

www.ratio-books.de

ISBN E-Book 978-3-96136-078-9

ISBN Print 978-3-96136-077-2

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Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Kapitel 68

Kapitel 69

Kapitel 70

Kapitel 71

Kapitel 72

Kapitel 73

Kapitel 74

Kapitel 75

Kapitel 76

Kapitel 77

Kapitel 78

Kapitel 79

Kapitel 80

Kapitel 81

Kapitel 82

Kapitel 83

Kapitel 84

Kapitel 85

Kapitel 86

Kapitel 87

Kapitel 88

Kapitel 89

Kapitel 90

Kapitel 91

Kapitel 92

Kapitel 93

Kapitel 94

Kapitel 95

Kapitel 96

Kapitel 97

Kapitel 98

Kapitel 99

Kapitel 100

Kapitel 101

 

Kapitel 102

Kapitel 103

Kapitel 104

Kapitel 105

Kapitel 106

Kapitel 107

Kapitel 108

Kapitel 109

Kapitel 110

Kapitel 111

Kapitel 112

Kapitel 113

Kapitel 114

Kapitel 115

Kapitel 116

Kapitel 117

Kapitel 118

Kapitel 119

Kapitel 120

Kapitel 121

Kapitel 122

Kapitel 123

Kapitel 124

Kapitel 125

Kapitel 126

Kapitel 127

Kapitel 128

Kapitel 129

Kapitel 130

Kapitel 131

Kapitel 132

Kapitel 133

Kapitel 134

Kapitel 135

Kapitel 136

Kapitel 137

Kapitel 138

Kapitel 139

Kapitel 140

Kapitel 141

Kapitel 142

Kapitel 143

Kapitel 144

Kapitel 145

Kapitel 146

Kapitel 147

Kapitel 148

Kapitel 149

Kapitel 150

Kapitel 151

Kapitel 152

Kapitel 153

Kapitel 154

Kapitel 155

Kapitel 156

Kapitel 157

Kapitel 158

Kapitel 159

Kapitel 160

Kapitel 161

Kapitel 162

Kapitel 163

Kapitel 164

Kapitel 165

Kapitel 166

Kapitel 167

Kapitel 168

Kapitel 169

1.

Strecker saß grinsend auf der Couch. „Das ist nicht Dein Ernst. Ausgerechnet ich? Da ist wohl einem der Kollegen in der Verwaltung eine Verwechslung unterlaufen?“

„Nein“, antwortete Kriminalrat Brandt. „Das ist keine Verwechslung. Und ich muss es wissen. Genau genommen, war es meine Idee, die zu dem Angebot geführt hat. Also, was meinst Du?“

„Dass das eine Schnapsidee ist“, antwortete Hauptkommissar Strecker. „Was soll ich da? Ich bin seit über 30 Jahren hier in Köln. Und habe nur noch ein paar Jahre. Was soll ich auf meine alten Tage noch bei diesen Technik-Freaks? Von dem ganzen Kram verstehe ich nichts. Und ich will es auch gar nicht mehr verstehen. Die können mich doch gar nicht gebrauchen. Und ich brauche die übrigens auch nicht.“

„Bernd“, setzte der Kriminalrat nach. „Du hast doch früher schon einmal mit den Kollegen zusammengearbeitet. Und sie dabei wirklich beeindruckt. Mich im Übrigen auch. Und wenn Du ehrlich bist, warst Du doch damals auch der Ansicht, dass sie es nur mit ihren, sagen wir, modernen Mitteln, nicht geschafft hätten. Dass es ohne Instinkt nicht geht. Deshalb wärst Du eine Bereicherung für sie.“

„Das …“, setzte Hauptkommissar Strecker zur Gegenrede an, wurde aber sofort vom Kriminalrat gestoppt.

„Nein Bernd, ich bin noch nicht fertig. Ich hatte eigentlich gehofft, dass ich uns die andere Seite der Argumentation ersparen könnte, aber offenbar geht das nicht. Die Alternative ist Deine Versetzung in den Innendienst oder den vorzeitigen Ruhestand. Hier in Köln gibt es keinen Kollegen mehr, der bereit wäre mit Dir zu arbeiten. Also stellt sich für Dich nur die Frage nach einem neuen Anfang oder einem Ende. Ein schnelles durch den Ruhestand oder ein quälend langes im Archiv. Ich hatte gehofft, Dir das mit meinem Vorstoß ersparen zu können. Es liegt nun an Dir. Du wirst Deinen Schreibtisch hier räumen müssen. Die Entscheidung ist gefallen. Aber wohin es geht, das liegt an Dir.“

„Das ist dann also das Ende? Nach so vielen Jahren?“, erwiderte Strecker in einem Tonfall, irgendwo zwischen Wut und Resignation.

„Es kann auch ein Anfang sein“, setzte Kriminalrat Brandt nach. „Bernd, hör zu. Ich mache Dir jetzt einen Vorschlag. Du versuchst es. Du wirst noch nicht versetzt, wir stellen Dich noch einmal ab. Für etwa drei Monate. Danach kannst Du Dich entscheiden, ob Du dort weitermachen willst oder wir wirklich das Ende einleiten. Aber Deinen Schreibtisch musst Du räumen. Dein Nachfolger wird in wenigen Tagen seinen Dienst antreten.“

„Na gut“, resignierte der Hauptkommissar. „Wann soll ich bei den Technokraten anfangen?“

„Morgen“, antwortete sein Vorgesetzter. „Sie haben einen dringenden Fall, bei dem Sie Deine Hilfe gut gebrauchen können. Für die, nennen wir sie Probezeit, werden sie Dir eine Wohnung in der Umgebung von Meckenheim stellen. Bitte räume Deinen Schreibtisch noch heute Nachmittag aus. Und falls Du keine Verwendung für die angebrochene Flasche Wodka haben solltest, kannst Du sie mir ruhig hochbringen. Ich habe auch meine schweren Tage. Bernd! Das ist eine Chance. Das wird Dir guttun.“

„Auf jeden Fall ist es gut für Dich“, sagte er dem Kriminalrat, während er sich erhob und grußlos den Raum verließ.

2.

Er erinnerte sich nur lückenhaft. In dem Trubel war er von den anderen getrennt worden. Plötzlich war er allein gewesen, inmitten des Chaos, das sie angerichtet hatten. Bei jedem Schritt knirschte das Glas unter seinen Füßen, vor jedem Schritt musste man aufpassen, um nicht über einen umgestoßenen Tisch oder Stuhl zu stolpern. Das alles machte seine Flucht noch schwieriger. Das Ausweichen machte ihn langsamer und das Knirschen leichter auffindbar. Zwar waren die meisten Lampen zerstört worden, doch das restliche Licht hatte ausgereicht, um zusammen mit dem Geräusch jeden Schrittes, den Verfolgern ein deutliches Ziel zu bieten. Und auch er hatte sie deutlich erkennen können. Sie förmlich spüren können, wie sie ihm im Genick saßen, näher gekommen waren und etwas in ihm hervorgerufen hatten, was er nicht erwartet hatte, was er nicht hatte zulassen wollen. Er hatte Angst gehabt. Ob ihn die Angst abgelenkt hatte oder er sich einfach zu lange umgedreht hatte, daran konnte er sich nicht mehr erinnern. Daran, dass er völlig unvorbereitet in etwas Weiches gelaufen war, daran erinnerte er sich aber noch sehr genau. An mehr allerdings nicht, denn gleich darauf war es dunkel geworden, stockdunkel. Jedes Gefühl war weg gewesen, auch die Angst.

Jetzt war sie aber wieder da. Die Angst. Obwohl es sich für ihn nicht geziemte. Nicht für einen seines Standes, für einen seiner Position. Angst kann man bekämpfen, Angst kann man besiegen, Angst muss man besiegen. Das hatte man ihn gelehrt. Und er hatte das geglaubt, er hatte es geschafft. Auch daran hatte er geglaubt. Aber offenbar hatte er sich geirrt. Das wusste er jetzt, wo er allein war mit seiner Angst in der Dunkelheit. Er fror, saß irgendwie fixiert auf einem Stuhl, konnte die Füße und die Hände nicht bewegen. Sein Hintern schmerzte, im Schritt war es feucht. Hoffentlich hatte er sich nicht eingenässt. So war er aufgewacht, so wartete er nun bereits seit einer Ewigkeit in der Dunkelheit, die Stille nur unterbrochen von seinem Schluchzen und seinen Atemgeräuschen. Gut, dass ihn sein Meister und seine Kameraden nicht sahen. Sie hätten sich noch mehr für ihn geschämt, als er sich seiner selbst schämte.

Was war das? Das Krächzen der sich öffnenden Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Er hob den Kopf, Hoffnung flammte auf, um gleich wieder zu erlöschen, als er sah, wie sich eine Gestalt im Türrahmen aufbaute. Sie war, gegen das aus dem Raum hinter der Tür scheinenden Licht, zwar nur als Schatten zu erkennen, aber dass sie eine Art Kapuze trug, war deutlich genug zu sehen. Das war kein Retter, das war eine Bedrohung. Die Hoffnung war wieder weg, die Angst hatte sie verdrängt, denn die war wieder da.

„Na? Aufgewacht?“, rief die Gestalt, während sie den Raum betrat und sich kurz nach rechts wandte. Unmittelbar darauf begann ein Flackern an der Decke, dass sich schnell in ein grelles Licht verwandelte. Unwillkürlich musste er, geblendet von der plötzlichen Helligkeit, die Augen schließen. Als er sie nur wenige Sekunden später wieder öffnete, immer noch gegen die Helligkeit anblinzelnd, stand die Gestalt auch schon vor ihm. Und zwei weitere Maskierte, die unbemerkt von ihm ebenfalls in den Raum gekommen waren.

Er fühlte sich bedroht, wagte es nicht den Maskierten in die Augen zu sehen, sondern blinzelte, den Kopf gesenkt nach links und rechts. Der Raum schien fensterlos, die Wände kahl und leer, lediglich rechts von ihm war ein Regal an der Wand befestigt, unter dem ein langer Tisch längs an der Wand stand. Als sein Blick zurückkehrte, auf den Boden unmittelbar vor seinen Füßen, registrierte er noch, dass seine Arme an den Handgelenken an die Stuhllehne gefesselt waren. Seine Fußgelenke konnte er nicht sehen, er wusste aber auch so, dass sie wohl an den Stuhlbeinen fixiert waren. Seine erfolglosen Versuche Hände und Füße zu bewegen, bestätigten seine Eindrücke und Vermutungen.

 

Plötzlich verspürte er eine Berührung. Den Druck einer Fingerspitze unter seinem Kinn. Zuerst ganz leicht, dann fester, sodass er schließlich gezwungen war den Kopf zu heben und die vor ihm stehende Gestalt anzublicken.

„Bist Du denn gar nicht neugierig?“, fragte die Gestalt, als sie Augenkontakt hatten. Das war gar keine Frage, jedenfalls wartete der vermummte Mann keine Antwort ab, bevor er fortfuhr. „Wir sind neugierig. Darauf, was Du uns jetzt gleich erzählen wirst. Insbesondere interessieren wir uns dafür, wer Dich überredet hat unseren Club zu überfallen. Und warum Ihr das gemacht habt? Und natürlich wollen wir auch wissen, wer die anderen waren. Willst Du uns das erzählen?“

„Nein“, antwortete er. Nicht leise, sondern überraschend fest und deutlich, allerdings begleitet von einem kräftigen Schlucken.

„Nein?“, fragte der Maskierte überrascht nach. Wegen der Maske konnte man sein Lächeln nicht erkennen, aber alle im Raum schienen es zu spüren. „Nein?“, wiederholte der Mann, wobei er sich zu den anderen Maskierten umdrehte und die Arme in die Höhe hob.

Für einen Moment war er stolz auf sich. Das hätte ihm niemand zugetraut, das hätte er sich selbst nicht zugetraut. Sein Meister wäre stolz auf ihn.

Doch das Gefühl war kurz, denn als die drei Maskierten in Gelächter ausbrachen, kamen ihm Zweifel. Ob Stolz die richtige Reaktion und ob „Nein“ die richtige Antwort gewesen war.

„Das ist gut. Das ist sehr gut“, antwortete der Maskierte. „Denn darauf sind wir vorbereitet. Nicht wahr?“ Bei dieser Bemerkung drehte er sich wieder zu seinen beiden Kumpanen um, wobei er einem von den beiden leicht zunickte. Dieser setzte sich in Bewegung und ging zwei bis drei Schritte, bis er den Tisch unter dem Regal erreichte und sich an einem kleinen Kasten zu schaffen machte.

Erst jetzt bemerkte er ein Kneifen an seinen Brustwarzen. Und die Kabel, die zu dem Kästchen führten. Aber bevor er weiter darüber nachdenken konnte, riss ihn ein jäher Schmerz aus allen Gedanken. Er bäumte sich auf, soweit die Fixierung seiner Glieder dies zuließ. Als der Schmerz langsam abebbte, bemerkte er Blut in seinem Mund. Und Schmerzen. Er hatte sich auf die Zunge gebissen.

„Stopp!“, rief der direkt vor ihm stehende Maskierte. „Wir müssen noch einige Vorkehrungen treffen. Ohne Zunge kann er uns nichts mehr sagen. Und er wird uns viel erzählen wollen. Mehr als uns interessieren wird.“

Wieder wurde er am Kopf gepackt, sein Kopf nach oben gedrückt und sein Mund durch einen leichten Druck auf seine Wangenknochen geöffnet. Bevor er etwas sagen konnte und er wollte eigentlich unbedingt etwas sagen, spürte er schon, wie etwas Weiches in seinen Mund geschoben wurde. Reflexartig versuchte er das Material auszuspucken, hatte aber keinen Erfolg, weil sich irgendetwas gegen seinen Mund presste.

Der Maskierte hielt seine linke Hand über den Mund des Gefangenen, während er mit seiner rechten fordernd in Richtung seiner Kumpanen wedelte. Es dauerte nur Augenblicke, bis ihm der noch hinter ihm stehende Kumpan eine Krawatte in die freie Hand drückte. Diese fixierte der Maskierte geschickt über dem Mund seines Opfers, sodass dieses nicht in der Lage war, das in seinem Mund befindliche Material auszuspucken.

Noch während das Opfer darüber nachdachte, wie er denn mit dem Knebel im Mund die Fragen beantworten sollte, bekam er auch schon die Erklärung.

„Dann wollen wir Dich mal ermutigen uns auch wirklich alles zu erzählen. Ich hoffe, Du hast Dir die Fragen gemerkt. Ich gehe vor die Tür und rauche eine Zigarette. Währenddessen leisten Dir meine beiden Freunde hier Gesellschaft und verschaffen Dir die nötige Energie.“

Bei diesem Wort hielt der am Tisch stehende Maskierte den Kontakt an die auf dem Tisch stehende Autobatterie.

3.

Er hatte nicht lange im Foyer des BKA-Gebäudes in Meckenheim warten müssen. Doch Strecker waren selbst diese wenigen Minuten lang vorgekommen. Er hatte sich nicht wohl gefühlt, schon bei der Anfahrt. Das war nicht seine Heimat. Schon dieses, wie von einem anderen Stern anmutende Gebäude inmitten einer ansonsten von Obstplantagen dominierten Gegend. Nicht das man das Gebäude als modern oder gar futuristisch, wenn man von den zahllosen Antennen auf dem Dach einmal absah, hätte bezeichnen können. Sein entscheidendes Merkmal war, dass es einfach nicht in diese Landschaft passte. „So wenig, wie ich selbst hierher passe“, hatte er resignierend festgestellt.

„Herzlich willkommen“, begrüßte Hauptkommissar Faber seinen Kölner Kollegen und riss ihn aus seiner Trübseligkeit. „Ich bin sehr froh, dass Sie unser Angebot, künftig für das BKA zu arbeiten, angenommen haben. Bitte folgen Sie mir. Ich stelle Sie gleich Ihren neuen Kollegen vor. Na ja, einige von ihnen kennen Sie ja bereits. Die Herren Sehlmann, Wolf und Marten sind dabei. Und zwei weitere Kollegen mit speziellen technischen Kenntnissen, die insbesondere Herrn Marten unterstützen. Zusammen mit Frau Köster, die uns in allen organisatorischen Dingen unterstützt, Ihnen und mir, als Leiter, ist unsere neue Einheit auch schon komplett.“

Während er dies erläuterte, hatte er seinen neuen Kollegen aus dem Foyer des Bundeskriminalamtes in Meckenheim abgeholt, ihn in den Aufzug und über einen langen Flur im 1. Stock geführt.

„Er hat sich überhaupt nicht verändert“, dachte Strecker. „Schlank, dynamisch, sympathisch! Noch immer wie die Idealbesetzung eines Polizisten für jede Fernsehserie. Jedenfalls in den 70er Jahren. Heute sind da ja andere Typen gefragt. Zumindest skurril, am besten kaputt und vornehmlich mit sich selbst beschäftigt.“

Sie hatten ungefähr den halben Flur abgeschritten, als Faber stehen blieb, mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand auf ein Schild neben einer Tür zeigte. „1.07 HK Strecker“ stand auf dem Schild. „Doch bevor Sie Ihr neues Reich besichtigen, folgen Sie mir noch kurz in unseren Besprechungsraum. Dort warten die Kollegen, um Sie zu begrüßen. Und da wären wir auch schon“, schloss er und bog nach links ab.

Faber klopfte an, schob die nur angelehnte Tür auf und trat, Hauptkommissar Strecker im Schlepptau, in den Raum.

Sie betraten ein langgestrecktes Zimmer, die Wände kühl und weiß, ohne Fenster, aber mit einem geräumigen rechteckigen Tisch in der Mitte, der mindestens 12 Personen Platz bot. Fünf der um den Tisch stehenden Stühle waren besetzt, vier Männer und eine Frau saßen dort, in ein Gespräch vertieft, das sie im Moment des Eintretens der beiden Gäste unterbrachen.

„Frau Köster, Herr Strecker, Herr Strecker, Frau Köster“, stellte Hauptkommissar Faber dem neuen Kollegen die einzige Frau des Teams vor. Sie war in etwa Mitte dreißig, so schätzte Hauptkommissar Strecker, groß, mindestens 1,80 Meter, schlank, brünett mit einem extrem kurzen burschikosen Haarschnitt und einem umwerfenden Lächeln. „Ein würdiger Ersatz für Frau Meier-Uhland“, dachte sich Strecker.

„Angenehm“, sagte Hauptkommissar Strecker und steuerte anschließend auf die Kollegen Wolf, Sehlmann und Marten zu, um diese ebenfalls zu begrüßen. Hauptkommissar Faber hatte Mühe, Strecker zu folgen, erreichte ihn aber rechtzeitig, um ihm den letzten Anwesenden vorzustellen.

„Das ist Kommissar Schmiede, einer unserer IT-Spezialisten. Sein Kollege, Dr. Brick hat leider einen konkurrierenden Termin, ihn werden Sie erst morgen kennenlernen können“, schloss Hauptkommissar Faber die Vorstellungsrunde ab.

„Frau Köster, meine Herren, vielen Dank und an die Arbeit. Ich hatte Sie ja schon informiert, dass wir Verstärkung aus Köln bekommen werden. Hauptkommissar Strecker ist ein sehr erfahrener Kollege, der uns mit seinen langjährigen Erfahrungen in der Polizeiarbeit sicher gut unterstützen kann. Sie werden den neuen Kollegen bald besser kennenlernen können. Herr Marten wird ihm helfen, sich in den aktuellen Fall einzuarbeiten. Herbert kümmerst Du Dich bitte wie besprochen um den Kollegen Strecker. Danke.“ Damit verschwand er durch die Tür, dicht gefolgt von den übrigen Beamten. Nur Kommissar Marten blieb sitzen und sah Hauptkommissar Strecker mit einem breiten Lächeln an.

„Auch keine Veränderung“, dachte Strecker. „Noch immer etwas zu klein, etwas zu dick, zu wenige Haare, dafür einen dichten struppigen Bart.“

„Ich hätte nicht erwartet, dass wir uns so schnell wiedersehen“, sagte der Kommissar und riss damit Strecker aus seinen Gedanken. „Und schon gar nicht in dieser Konstellation. Aber ich freue mich. Sie werden uns guttun. Mit Ihrem Instinkt.“

„Warten wir es ab“, erwiderte Strecker. „Also, worum geht es bei dem neuen Fall?“

„Wir untersuchen eine Reihe von Überfällen, Anschlägen und ein Tötungsdelikt von denen wir annehmen, dass sie in einem Zusammenhang stehen. Offenbar werden die Tatverdächtigen über das Internet rekrutiert und gesteuert. Aber ehrlich gesagt, wissen wir noch nicht viel. Wir haben den Fall erst am Ende der letzten Woche übernommen. Was wir wissen, finden Sie in dem Aktenberg auf Ihrem Schreibtisch. Ich habe es ausdrucken lassen. Extra für Sie. Bitte sehen Sie sich das Material an. Wenn Sie durch sind oder Fragen haben, geben Sie mir Bescheid. Dann sprechen wir über den Ermittlungsstand. Okay? Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Büro.“

Ohne eine Reaktion seines Gesprächspartners abzuwarten, stand Marten auf und schickte sich an, den Raum zu verlassen. Strecker blieb nichts anderes übrig, als sich ebenfalls zu erheben und Marten zu folgen, der erstaunlich zügig den Flur hinunterging. Ohne den ihm folgenden Strecker anzusehen, informierte er den Neuen über die Räumlichkeiten.

„Dort hinten links ist eine kleine Küche“, bemerkte Kommissar Marten, begleitet von einer leichten Drehung des Kopfes zur linken Seite. „Am anderen Ende des Flurs, gleich vor dem Treppenhaus, finden Sie die Toiletten. In Raum 1.03, zweite rechts nach dem Treppenhaus, sitzt Frau Köster. Ah, da sind wir schon.“

Marten öffnete die Tür des Raumes 1.07, trat zur Seite und forderte Strecker mit einer ausladenden Armbewegung auf, einzutreten.

„Pure Sachlichkeit“, dachte Strecker, als er eintrat und seinen Blick durch den Raum schweifen ließ. Hatte er sich in seinem Kölner Büro beinahe zu Hause gefühlt, ja zeitweilig sogar fast darin gelebt, so war dies hier unmöglich. Funktional und rational. Denn es gab weder ein Sofa, noch eine Sitzecke, nur einen kahlen Raum, wenn man von den zwei sich gegenüberstehenden Schreibtischen in der Mitte absah. Gut, zwei Bürostühle waren auch noch vorhanden, aber das, abgesehen von den zwei Computermonitoren und Schreibtischlampen, war es auch schon. Nicht mal Telefone. Kein Bild, kein Kalender an der Wand und hinter den Fenstern keine Spur von pulsierendem Großstadtleben, sondern lediglich eine, von Obstplantagen nur dürftig kaschierte, öde Landschaft.

Streckers Blick blieb auf dem linken Schreibtisch haften. Jedenfalls vermutete er einen Schreibtisch unter den Stapeln von Aktenordnern, die sich dort türmten.

„Ich vermute, das ist mein Platz“, sagte der Hauptkommissar und deutete mit seinem linken Zeigefinger auf den Aktenberg. „Dafür, dass Sie den Fall noch nicht lange bearbeiten, haben Sie aber schon eine Menge Papier verbraucht“, frotzelte er.

„Normalerweise arbeiten wir hier nicht viel mit Papier. Aber ich kenne ja Ihre Aversion gegen Computerarbeit. Deshalb habe ich extra für Sie die Akten ausdrucken lassen. Als Begrüßungsgeschenk sozusagen. Bitte behandeln Sie sie pfleglich, denn nachdem Sie damit durch sind, wandern die Dokumente in das Archiv. Das finden Sie im Übrigen ganz hinten im Flur, direkt gegenüber der Kaffeeküche. Wenn Sie keine Fragen mehr haben, lasse ich Sie jetzt allein.“

Kommissar Marten wartete noch eine Sekunde, ob nicht doch noch eine Frage oder ein Dankeschön von seinem neuen Kollegen kam. Dann verließ er, ebenfalls wortlos, den Raum und schloss die Tür.