Ein Mord im Weltall

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Ein Mord im Weltall
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Thomas R.P. Mielke

Ein Mord im Weltall

Literaturpreis des SFCD 1984

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Ein Mord im Weltraum

Erweitertes Impressum

Impressum neobooks

Ein Mord im Weltraum

Literaturpreis des Science Fiction Club Deutschland e.V. als

„Beste deutsche SF-Short Story 1984”

Können Sie sich so etwas vorstellen? Einen kaltblütigen, vorsätzlichen Mord ungefähr zweihundertundfünfzig Kilometer senkrecht über uns?

Na schön, Mord bleibt Mord, könnten Sie jetzt sagen, und daran hat sich seit Kain und Abel nichts geändert. Weder Interpol noch irgendei¬ne andere Polizeiorganisation der Erde ist in der Lage, die Summe der Tag für Tag auf unserem Planeten begangenen Morde auch nur annä¬hernd zu bestimmen.

Ich meine jetzt nicht die Kriege, den ununterbrochenen Völkermord, die Folteropfer oder die Folgen von Psychoterror und Unmenschlich¬keit. Darüber kann man nur noch weinen, aber keine Geschichten die¬ser Art schreiben ...

Was ich Ihnen erzählen will, ist so unglaublich wie der erste Schritt eines Menschen auf den Mond. Meine Geschichte handelt nicht von Raumschlachten, berstenden Welten und blauäugigen Phantasiehelden, die immer recht haben, weil ihre Opfer ... „die anderen” ... bewusst fremdartig und abstoßend geschildert werden.

Nein, dieser erste Mord, der nicht unter Bedingungen normaler Er¬denschwere geschah, wäre genauso banal und im Grunde unverständ¬lich geblieben wie jedes andere Verbrechen der Vergangenheit. Wenn nicht ... ja, wenn man nicht ausgerechnet mich hinzugezogen hätte!

Ein Mann wurde erstochen.

Von einem anderen, der genau das gleiche Alter, das gleiche Gewicht und die gleiche Ausbildung hatte wie sein Opfer. Tatwaffe war ein steri¬les Skalpell mit einer Wegwerfklinge der Größe 3.

Wo das passierte?

Sie haben es nie auf der Titelseite eines Revolverblattes gelesen oder in TV-Krawall-News gehört. Da¬für waren die Vorbereitungen, die Geheimhaltung und die Angst vor den möglichen Folgen viel zu groß. Vergessen Sie nicht, dass die elf Mit¬gliedsstaaten der ESA jedes Jahr mehrere hundert Millionen für die Erforschung des erdnahen Weltraums zur Verfügung stellen.

Sie kennen die ESA nicht?

Aber natürlich haben Sie schon einmal von der European Space Agency gehört! Sie hat ihren Sitz in Paris, in der Rue Mario-Nikis 8-10, und seit dem 30. Oktober 1980 ist sie die legale Nachfolgeorganisation von ESRO, ELDO und so weiter ...

Immer noch keine genaue Vorstellung?

Dann denken Sie einfach an Satelliten, die unsere Wetterkarte vorge¬ben, zum Beispiel an Meteosat. Oder an die Europa-Rakete Ariane. Und nun werden Sie auch zustimmen, dass die ESA körperlich und geistig gesunde, hundertfach getestete Europäer als Wissenschaftspassagiere ins All befördert!

Der Tatort für den ersten Mord im Weltraum hat zwölf Jahre Arbeit und annähernd drei Milliarden DM … (!) gekostet. Er ist sieben Meter lang, wiegt knapp viertausend Kilo und erinnert entfernt an eine Dampfloko¬motive ohne Räder. Doch diese exotische hohle Röhre kann sich nicht selbst bewegen, sondern benötigt für jeden Aufstieg eine Raumfähre der NASA, vier Amerikaner als Crew des Spacelab und Hunderte von Kontrolleuren auf der Erde, die theoretisch jeden Atemzug und jeden noch so mühsamen Pinkelversuch der Männer da oben überwachen können. Theoretisch ...

Denn den Mord … den haben sie nicht gesehen!

Und genau das wurde urplötzlich auch mein Problem.

Am 22. Juni 1985 traf ich im Clipper-Club des Flughafens Berlin-Tegel mit dem Chef der ESA-Personaldirektion zusammen. Dr. Wilhelm Eckel war ca. 45, klein, füllig, blonde Wasserwelle, Typ Alter Herr in einer Burschenschaft. Und Siegelring über dem Ehering ... naja.

„Ich habe Sie mir ... sorry ... ein wenig jünger vorgestellt”, sagte er. Okay, okay ich war schon über vierzig und damit keine Konkurrenz mehr für seine Weltraum-Knaben.

Er bediente sich am kostenlosen Whisky im Clipper Club, versorgte sich mit größeren Mengen Salzstangen und setzte sich so, dass ihn die Stewardess am Eingang nicht sehen konnte. Bis auf die in einer Hochglanz-Illu schmachtenden Blondine waren wir allein. Dennoch kam Dr. E. nur zögernd zur Sache.

„Wir haben das Spacelab bisher dreimal oben gehabt”, sagte er schließlich und spürbar stolz. „SL-1 im Herbst 83. Sie wissen ja ... Dr. Ulf Merbold! Auch bei SL-2 gab es keine Probleme. Doch dann kam SL-3 mit dieser entsetzlichen Katastrophe ...”

„Sie meinen den totalen Ausfall aller Funkverbindungen ...”

Dr. E. wischte mit der Hand durch die Luft.

„Unsinn! Das war doch die einzige Möglichkeit, die wir hat¬ten! Die Amerikaner mit ihrem blödsinnigen Öffentlichkeits-Tick hätten fast noch die Leiche gezeigt! Weltweit ... über alle Fernsehstatio-nen!”

„Moment mal! Von welcher Leiche sprechen Sie eigentlich?”

Dr. E. stopfte sich eine Handvoll Salzstangen in den Mund.

„Von funny Faraday natürlich! Dr. John Faraday aus London. Er war der erste Mediziner und Mikrowellenspezialist bei einer Spacelab-Mission ...”

Und dann erzählte er mir den Rest. Irgendwann während der laufen¬den Experimente an Bord war Dr. John Faraday mit einem Skalpell im Herzen zusammen gesackt. In den Erdstationen und bei der NASA wa¬ren zu diesem Zeitpunkt nur die automatischen Kameras eingeschal¬tet.

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