Read the book: «Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Siebenter Band: enthaltend Kapitel 13 und 14.», page 12

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Unordnung in der hochländischen Armee

Inzwischen nahm die Unordnung in Cameron’s Lager mehr und mehr zu. Er berief einen Kriegsrath zusammen, um zu erwägen, was zu thun sei. Sobald aber der Kriegsrath versammelt war; wurde eine Vorfrage aufgeworfen. Wer war dazu berechtigt, consultirt zu werden? Die Armee war fast ausschließlich eine hochländische. Der neuerliche Sieg war ausschließlich durch hochländische Krieger erfochten worden. Mächtige Häuptlinge, welche sechs- bis siebenhundert kampffähige Männer ins Feld gestellt hatten, hielten es nicht für recht und billig, daß sie durch Gentlemen aus Irland und dem Niederlande überstimmt werden sollten, welche zwar in König Jakob’s Diensten standen und Obersten und Hauptleute genannt wurden, aber Obersten ohne Regimenter und Hauptleute ohne Compagnien waren. Lochiel sprach energisch im Interesse der Klasse, der er angehörte; Cannon aber beschloß, daß die Stimmen der sächsischen Offiziere mitgezählt werden sollten.115

Es wurde nun zunächst in Erwägung gezogen, welcher Feldzugsplan zu befolgen sei. Lochiel war dafür, vorzurücken, Mackay entgegen zu marschiren, wo er auch sein möge, und abermals eine Schlacht zu liefern. Es ist kaum anzunehmen, daß das Glück dem klugen Häuptling der Camerons den Kopf dergestalt verrückt haben sollte, daß er die Gefährlichkeit des Verfahrens nicht erkannte, zu dem er gerathen. Aber er sah wahrscheinlich ein, daß ihm nur die Wahl zwischen verschiedenen Gefahren blieb. Er war der Meinung, daß energisches Handeln für das Bestehen einer Hochländerarmee überhaupt nothwendig sei und daß die Coalition der Clans nur so lange dauern werde, als sie hastig von Schlachtfeld zu Schlachtfeld eilten. Er wurde abermals überstimmt. Alle seine Siegeshoffnungen waren nun zertrümmert. Sein Stolz fühlte sich tief gekränkt. Er hatte sich dem Uebergewicht eines großen Feldherrn gefügt, aber an einem königlichen Patent lag ihm so wenig wie irgend einem Whig. Er hatte sich bereit finden lassen, die rechte Hand Dundee’s zu sein, von einem Cannon aber wollte er sich nicht befehlen lassen. Er verließ das Lager und zog sich nach Lochaber zurück. Seinem Clan befahl er zwar zu bleiben, aber der Clan, des angebeteten Führers beraubt und wohl wissend, daß er sich in unmuthiger Stimmung entfernt hatte, war nicht mehr die furchtbare Colonne, welche das Gelübde, zu sterben oder zu siegen, vor einigen Tagen so gut gehalten hatte. Macdonald von Sleat, dessen Streitkräfte der Zahl nach die jedes andren der verbündeten Häuptlinge übertrafen, folgte Lochiel’s Beispiel und kehrte nach Sky zurück.116

Mackay’s Rath wird von den schottischen Ministern nicht beachtet

Mackay hatte inzwischen seine Anordnungen vollendet und er hegte wenig Zweifel, daß, wenn die Rebellen ihn angreifen sollten, die reguläre Armee ihre bei Killiecrankie verlorne Ehre wiedergewinnen würde. Seine Hauptschwierigkeiten entsprangen aus der unklugen Einmischung der Minister der Krone zu Edinburg in Dinge, welche seiner alleinigen Leitung hätten überlassen bleiben sollen. Die Sache war die, daß sie nach der gewöhnlichen Art solcher Leute, welche ohne militärische Erfahrung über militärische Operationen urtheilen, den Erfolg als einzigen Prüfstein für die Tüchtigkeit eines Oberbefehlshabers betrachteten. Wer eine Schlacht gewinnt, ist in den Augen dieser Leute ein großer General, wer geschlagen wird, ist ein schlechter General, und nie war ein General vollständiger geschlagen worden als Mackay. Wilhelm dagegen schenkte seinem unglücklichen Leutnant nach wie vor das vollkommenste Vertrauen. Auf die Verunglimpfungen der Kritiker, welche nie ein Gefecht gesehen hatten, erwiederte Portland auf Befehl seines Gebieters, daß Mackay volles Vertrauen verdiene, daß er tapfer sei, daß er den Krieg besser verstehe als irgend ein andrer Offizier in Schottland und daß es sehr zu bedauern sei, wenn man gegen einen so guten Menschen und einen so guten Soldaten ein Vorurtheil hege.117

Die Camerons werden nach Dunkeld verlegt

Die ungerechte Geringschätzung, mit der die schottischen Staatsräthe Mackay betrachteten, verleitete sie zu einem großen Fehler, der leicht ein großes Unglück hätte nach sich ziehen können. Das Cameron’sche Regiment wurde nach Dunkeld in Garnison gelegt. Diese Maßregel mißbilligte Mackay entschieden. Er wußte, daß diese Truppen in Dunkeld dem Feinde nahe, daß sie von jedem Beistande entfernt, daß sie in einer offenen Stadt und von einer feindlichen Bevölkerung umgeben sein würden, daß sie, obgleich unzweifelhaft tapfer und voll Eifers, doch sehr unvollkommen disciplinirt waren, daß sie von der ganzen jakobitischen Partei in Schottland mit besonderem Mißfallen betrachtet wurden und daß aller Wahrscheinlichkeit nach große Anstrengungen gemacht werden würden, sie zu beschimpfen und zu vernichten.118

Die Ansicht des Generals wurde nicht beachtet und die Camerons besetzten den ihnen angewiesenen Posten. Es zeigte sich bald, daß seine Ahnungen gegründet waren. Die Bewohner der Umgegend von Dunkeld versahen Cannon mit Kundschaft und drangen in ihn einen kühnen Schlag zu versuchen. Das beutelustige Landvolk von Athol schloß sich in großer Anzahl seiner Armee an. Das Regiment erwartete stündlich angegriffen zu werden, und wurde mißmuthig und unruhig. Die Mannschaften, welche von Natur sowohl wie aus Enthusiasmus unerschrocken, aber noch nicht an militärische Subordination gewöhnt waren, beschwerten sich über Cleland, der sie befehligte. Sie glaubten rücksichtslos, wenn nicht arglistigerweise einem sicheren Untergange entgegengeschickt worden zu sein. Sie seien, meinten sie, durch keine Wälle geschützt, hätten nur geringen Munitionsvorrath und seien von Feinden umgeben. Ein Offizier könne aufsitzen und in einer Stunde außer dem Bereiche der Gefahr sein; der gemeine Soldat aber müsse bleiben und sich niedermachen lassen. „Weder ich,“ sagte Cleland, „noch irgend ein andrer meiner Offiziere wird Euch verlassen, was auch geschehen möge. Führt mein Pferd vor, führt alle unsere Pferde vor, sie sollen todtgeschossen werden.“ Diese Worte bewirkten eine vollständige Sinnesänderung. Die Mannschaften erwiederten darauf, daß die Pferde nicht todtgeschossen werden sollten, daß das Wort ihres tapferen Obersten die beste Bürgschaft für sie sei und daß sie mit ihm das Aeußerste wagen würden. Sie hielten ihr Versprechen treulich. Das puritanische Blut war jetzt gründlich aufgeregt, und was dieses Blut vermochte, wenn es aufgeregt war, hatte es auf vielen Schlachtfeldern bewiesen.

Die Hochländer greifen das Regiment Cameron an

Das Regiment blieb diese Nacht unter den Waffen, und am Morgen des folgenden Tages, des 21. August, wimmelte es auf allen Anhöhen um Dunkeld von schottischen Mützen und Plaids. Cannon’s Armee war viel stärker als die, welche Dundee befehligt hatte. Mehr als tausend Bagagepferde begleiteten ihn auf dem Marsche. Die Pferde sowohl, wie das Gepäck, welches sie trugen, waren wahrscheinlich ein Theil der Kriegsbeute von Killiecrankie. Die Gesammtmacht der Hochländer wurde von Augenzeugen auf vier bis fünftausend Mann geschätzt. Sie kamen wüthend herangestürmt, warfen die Vorposten des Cameron’schen Regiments zurück und drangen von allen Seiten in die Straßen. Die Kirche hielt sich jedoch hartnäckig. Der größere Theil des Regiments aber stand hinter einer Mauer, welche ein dem Marquis von Athol gehörendes Haus umgab. Diese Mauer, welche einige Tage zuvor mit Holz und losen Steinen eiligst ausgebessert worden war, vertheidigten die Soldaten tapfer mit Muskete, Pike und Hellebarde. Ihr Kugelvorrath war bald erschöpft, aber einige von der Mannschaft mußten das Blei vom Dache des Hauses des Marquis losschneiden und es zu Geschossen formen. Mittlerweile wurden alle benachbarten Häuser von oben bis unten mit Hochländern besetzt, welche aus den Fenstern ein wirksames Feuer unterhielten. Cleland wurde getödtet, während er seine Leute anfeuerte, und Major Henderson übernahm das Commando. In der nächsten Minute fiel auch Henderson, von drei Kugeln getroffen. Hauptmann Munro trat an seine Stelle und der Kampf ward mit unverminderter Wuth fortgesetzt. Eine Abtheilung des Cameron’schen Regiments machte einen Ausfall, steckte die Häuser, aus denen die verderblichen Schüsse kamen, in Brand und verschloß die Thüren. In einem einzigen Hause verbrannten sechzehn Mann lebendig. Theilnehmer an dem Gefecht schilderten es als eine furchtbare Feuertaufe für Rekruten. Die halbe Stadt stand in Flammen und mit dem unaufhörlichen Knattern der Schüsse vermischte sich das durchdringende Geschrei der Unglücklichen, welche im Feuer umkamen. Der Kampf dauerte vier Stunden. Das Cameron’sche Regiment war jetzt fast bis auf das letzte Pulverhorn reducirt, aber der Muth der Leute wankte nicht. „Der Feind wird bald die Mauer erstürmen. Es sei. Wir werden uns dann in das Haus zurückziehen, es bis aufs Aeußerste vertheidigen und, wenn sie hereindringen sollten, es über ihren und unseren Köpfen anzünden.“ Während sie jedoch mit diesen verzweifelten Plänen umgingen, bemerkten sie, daß die Heftigkeit des Angriffs nachließ. Die Hochländer begannen bald zurückzuweichen, es verbreitete sich sichtbare Unordnung unter ihnen und ganze Schaaren marschirten dem Gebirge zu. Umsonst befahl ihnen ihr General zum Angriff zurückzukehren; Beharrlichkeit gehörte nicht zu ihren militärischen Tugenden. Die Camerons luden inzwischen Amalek und Moab mit herausforderndem Geschrei ein zurückzukommen und noch einmal gegen das auserwählte Volk ihr Heil zu versuchen. Aber diese Aufforderungen hatten ebenso wenig Erfolg wie die Cannon’s. In kurzer Zeit war die ganze gälische Armee in vollem Rückzuge gegen Blair. Jetzt wirbelten die Trommeln, die siegreichen Puritaner warfen ihre Mützen in die Luft, stimmten aus einem Munde einen Psalm des Triumphes und des Dankes an und schwenkten ihre Fahnen, welche an diesem Tage zum ersten Male angesichts eines Feindes entrollt wurden, die aber seitdem stolz nach allen Welttheilen getragen worden und die jetzt mit einer Sphinx und einem Drachen, den Emblemen der in Egypten und China vollbrachten Heldenthaten, geschmückt sind.119

Auflösung der hochländischen Armee

Das Cameron’sche Regiment hatte guten Grund, erfreut und dankbar zu sein, denn es hatte dem Kriege ein Ende gemacht. Im Lager der Rebellen herrschte nichts als Uneinigkeit und Entmuthigung. Die Hochländer tadelten Cannon, Cannon tadelte die Hochländer, und das Heer, welches der Schrecken Schottland’s gewesen war, ging rasch seiner Auflösung entgegen. Die verbündeten Häuptlinge unterzeichneten einen gemeinschaftlichen Vertrag, durch den sie sich für treue Unterthanen König Jakob’s erklärten und sich verpflichteten, später wieder zusammenzutreten. Nachdem sie diese Formalität – denn weiter war es nichts – beobachtet hatten, begab sich jeder in seine Heimath. Cannon kehrte mit seinen Irländern auf die Insel Mull zurück, und die Niederländer,120 welche Dundee ins Gebirge begleitet hatten, sorgten für sich so gut sie konnten. Am 24. August, gerade vier Wochen nachdem die gälische Armee die Schlacht von Killiecrankie gewonnen, hatte diese Armee aufgehört zu existiren. Sie hatte aufgehört zu existiren wie die Armee Montrose’s über vierzig Jahre früher aufhörte zu existiren, nicht in Folge eines vernichtenden Schlages von Außen, sondern durch eine natürliche Auflösung, das Resultat innerer Mißbildung. Die Besiegten ernteten alle Früchte des Sieges. Das Schloß Blair, welches das unmittelbare Streitobject gewesen war, öffnete Mackay seine Thore, und eine Kette von Militärposten, die sich nördlich bis Inverneß erstreckte, schützte die Landleute in der Ebene gegen die räuberischen Einfälle der Gebirgsbewohner.

Intriguen des Clubs, Zustand des Niederlandes

Während des Herbstes machten die Whigs des Niederlandes der Regierung viel mehr zu schaffen, als die Jakobiten des Hochlandes. Der Club, der zur Zeit der letzten Parlamentssession das Land in eine oligarchische Republik zu verwandeln versucht und die Stände dazu vermocht hatte, Geldzuschüsse zu verweigern und die Justizverwaltung zu sistiren, hielt auch während der Suspension des Parlaments nach wie vor seine Sitzungen und peinigte die Minister der Krone durch systematische Agitation. So verächtlich die Organisation dieses Vereins der Generation erscheinen mag, welche die römischkatholische Association und die Ligue gegen die Korngesetze gesehen hat, damals galt sie für ausgezeichnet und furchtbar. Die Häupter der Verbindung rühmten sich laut, daß sie den König zwingen würden, ihnen gerecht zu werden. Sie brachten Petitionen und Adressen zu Stande, suchten mit Hülfe der Presse und der Kanzel die Waffen aufzuregen, bearbeiteten die Soldaten durch Emissäre und sprachen davon, ein starkes Heer Covenanters aus dem Westen herbeizuziehen, um den Geheimen Rath einzuschüchtern. Trotz aller Kunstgriffe aber legte sich die Gährung des Volks allmälig. Nach kurzem Zaudern wagte es die Regierung, die von den Ständen geschlossenen Gerichtshöfe wieder zu öffnen, die vom König ernannten Sessionslords nahmen ihre Plätze ein, und Sir Jakob Dalrymple präsidirte. Der Club bemühte sich nun, die Advokaten von der Barre zurückzuhalten und hegte einige Hoffnung, daß der Pöbel die Richter von der Bank verjagen werde. Allein es zeigte sich sehr bald deutlich, daß eher Mangel an Gebühren als an Anwälten, um dieselben einzustreichen, zu erwarten stand; das Volk sah sehr gern wieder ein Tribunal fungiren, das in seinen Augen ein nothwendiges Attribut des Ansehens und Gedeihens seiner Stadt war, und aus vielen Anzeichen ließ sich erkennen, daß die falsche und habgierige Partei, welche die Majorität der Legislatur beherrscht hatte, nicht auch die Majorität der Nation beherrschte.121

Vierzehntes Kapitel.
Wilhelm und Marie

Zwistigkeiten im englischen Parlament

Vierundzwanzig Stunden vor dem Augenblicke, wo der Krieg in Schottland durch die Niederlage der celtischen Armee bei Dunkeld beendigt wurde, ging das Parlament zu Westminster auseinander. Die beiden Häuser waren seit dem Monat Januar ununterbrochen versammelt gewesen. Die in einen engen Raum eingepferchten Gemeinen hatten viel von der Hitze und Unbehaglichkeit zu leiden gehabt und die Gesundheit manches Mitgliedes war erschüttert worden. Das Ergebniß stand jedoch in keinem Verhältniß zu der gehabten Arbeit. Die letzten drei Monate der Session waren fast ganz mit Streitereien vergeudet worden, welche im Gesetzbuche keine Spur zurückgelassen haben. Das Fortschreiten heilsamer Gesetze war durch Häkeleien bald zwischen den Whigs und Tories, bald zwischen den Lords und den Gemeinen gehemmt worden.

Die Revolution war kaum vollbracht, so zeigte es sich auch schon, daß die Freunde der Ausschließungsbill ihre Leiden während des Uebergewichts ihrer Feinde nicht vergessen hatten und daß sie sowohl Genugthuung erlangen als Rache üben wollten. Schon vor der Wiederbesetzung des Thrones ernannten die Lords einen Ausschuß, um zu untersuchen, was an den grauenvollen Geschichten, welche über den Tod Essex’ circulirten, Wahres sei. Der aus eifrigen Whigs bestehende Ausschuß setzte seine Untersuchungen so lange fort, bis alle vernünftigen Männer die Ueberzeugung gewonnen hatten, daß er durch seine eigne Hand gefallen war, und bis seine Gattin, seine Brüder und seine intimsten Freunde die Nachforschungen nicht weitergeführt zu sehen wünschten.122

Russell’s Todesurtheil umgestoßen

Das Gedächtniß und die Familien, einiger anderer Opfer, welche dem Bereiche menschlicher Macht entrückt waren, wurden ebenfalls, ohne Opposition von Seiten der Tories, rehabilitirt. Bald nachdem die Convention in ein Parlament verwandelt worden war, wurde den Peers eine Bill zur Umstoßung des Todesurtheils Lord Russell’s vorgelegt, rasch von ihnen angenommen, in’s Unterhaus geschickt und hier mit ungewöhnlichen Zeichen von Bewegung begrüßt. Viele von den Mitgliedern hatten mit Russel in dieser Kammer gesessen. Er hatte darin lange einen Einfluß ausgeübt, ähnlich dem, welchen der wackere und menschenfreundliche Althorpe, dessen sich Leute dieser Generation noch erinnerten, einst ausübte, einen Einfluß, der seinen Grund nicht in überlegener Gewandtheit in der Debatte oder im Vortrage, sondern in einer makellosen Rechtschaffenheit, in einem schlichten gesunden Verstande und in jener Freimüthigkeit, Einfachheit und Gutherzigkeit hatte, welche bei einem durch Geburt und Vermögen hoch über seinen Nebenmenschen stehenden Manne ganz besonders einnehmend und gewinnend sind. Die Whigs hatten in Russell ein Oberhaupt verehrt und seine politischen Gegner hatten zugegeben, daß er, wenn er nicht durch minder achtungswerthe und schlauere Genossen als er irregeleitet würde, ein so braver und gutherziger Gentleman sei wie irgend einer in England. Die männliche Festlichkeit und christliche Ergebung, womit er in den Tod gegangen war, die Trauer seines edlen Hauses, der Schmerz seines der Stütze beraubten Vaters, die vernichtete Zukunft seiner verwaisten Kinder,123 und vor Allem der Verein von weiblicher Zärtlichkeit und engelgleicher Geduld in der Frau, die dem wackeren Dulder das Theuerste gewesen war, die vor den Schranken des Gerichts mit der Feder in der Hand an seiner Seite gesessen, die düstre Einsamkeit seines Kerkers erheitert und an seinem letzten Tage die Denkwürdigkeit des großen Opfers mit ihm getheilt, hatten die Herzen vieler gerührt, welche sonst nicht gewohnt waren, einen Gegner zu bemitleiden. Daß Russell viele gute Eigenschaften besessen, daß er den besten Willen gehabt hatte und daß man hart gegen ihn verfahren war, wurde jetzt selbst von höfischen Juristen, welche sein Blut hatten vergießen helfen, und von höfischen Theologen zugegeben, welche ihr Möglichstes gethan hatten, um seinen Ruf zu verunglimpfen. Als daher das Pergament, welches sein Todesurtheil annullirte, auf den Tisch der Versammlung gelegt wurde, in der noch vor acht Jahren seine Züge und seine Stimme so wohl bekannt gewesen, war die Aufregung groß. Ein bejahrtes whiggistisches Mitglied versuchte zu sprechen, wurde aber von seinen Gefühlen überwältigt. „Ich kann,“ sagte er, „den Namen Mylord Russell’s nicht aussprechen, ohne tief ergriffen zu werden. Es genügt ihn zu nennen. Mehr vermag ich nicht zu sagen.“ Viele Blicke richteten sich nach der Gegend des Saales, wo Finch saß. Die höchst ehrenwerthe Art und Weise, wie er ein einträgliches Amt niedergelegt, sobald er sich überzeugt hatte, daß er es nicht behalten konnte, ohne das Dispensationsrecht zu unterstützen, und die bedeutende Rolle, die er bei der Vertheidigung der Bischöfe gespielt, hatten viel dazu beigetragen, seine Fehler wieder gut zu machen. Doch an diesem Tage konnte man sich der Erinnerung nicht erwehren, daß er eifrig bemüht gewesen war als Kronanwalt das Urtheil auszuwirken, das jetzt feierlich widerrufen werden sollte. Er erhob sich und versuchte sein Verfahren zu rechtfertigen, aber weder sein juristischer Scharfsinn, noch der fließende und wohlklingende Vortrag, der eine erbliche Gabe in seiner Familie war und dessen sich kein Mitglied seiner Familie in reicherem Maße erfreute als er, halfen ihm bei dieser Gelegenheit etwas. Das Haus war nicht in der Stimmung ihn anzuhören und unterbrach ihn mehrmals mit dem Rufe „zur Ordnung.“ Er sei, sagte man ihm, mit großer Nachsicht behandelt und nicht in Anklagestand versetzt worden. Warum versuche er jetzt, unter dem Vorwande, sich zu rechtfertigen, entehrende Beschuldigungen auf einen berühmten Namen zu werfen und einen Justizmord zu entschuldigen? Er mußte sich wieder setzen, nachdem er erklärt hatte, daß er sich nur von der Anschuldigung habe reinigen wollen, die Grenzen seiner Amtspflicht überschritten zu haben, daß er jede Absicht, das Gedächtniß Lord Russell’s zu verunglimpfen, zurückweise, und daß ihn die Umstoßung des Urtels aufrichtig freuen werde. Ehe das Haus auseinanderging, wurde die Bill noch einmal verlesen, und sie würde auf der Stelle zum dritten Male verlesen und angenommen worden sein, wären nicht einige Zusätze und Auslassungen vorgeschlagen worden, von denen man glaubte, daß sie die Genugthuung vollständiger machen würden. Die Amendements wurden mit großer Eil entworfen, die Lords stimmten denselben bei, und der König gab mit Freuden seine Genehmigung.124

115.Memoirs of Sir Ewan Cameron.
116.Memoirs of Sir Ewan Cameron.
117.Siehe Portland’s Briefe an Melville vom 22. April und 15. Mai 1690 in den Leven and Melville Papers.
118.Mackay’s Memoirs; Memoirs of Sir Ewan Cameron.
119.Exact Narrative of the Conflict at Dunkeld between the Earl of Angus’s Regiment and the Rebels, collected from several Officiers of that Regiment who were Actors in or Eyewitnesses of all that’s here narrated. In Reference to those Actions; Brief von Leutnant Blackader an seinen Bruder, datirt Dunkeld, 21. August 1689; Faithful Contendings Displayed; Protokoll des schottischen Geheimraths vom 28. August, citirt von Mr. Burton.
120.Die schottischen natürlich. – Der Uebers.
121.Die Geschichte Schottland’s während dieses Herbstes läßt sich am besten in den Leven and Melville Papers studiren.
122.Siehe die Verhandlungen der Lords vom 5. Febr. 1688/89 und mehreren darauffolgenden Tagen; Braddon’s Pamphlet betitelt: The Earl of Essex’s Memory and Honour Vindicated, 1690, und die London Gazette vom 31. Juli und 4. und 7. August 1690, worin Lady Essex und Burnet öffentlich Braddon widersprachen.
123.Ob die Verurtheilung Lord Russel’s, wenn sie nicht umgestoßen worden wäre, für seinen Sohn ein Hinderniß gewesen sein würde, ihm im Earlthum Bedford nachzufolgen, ist eine schwer zu entscheidende Frage. Der alte Earl holte darüber die Gutachten der größten Juristen der damaligen Zeit ein, die man noch in den Archiven zu Woburn sehen kann. Bemerkenswerth ist, daß eines dieser Gutachten von Pemberton herrührt, der bei dem Prozesse den Vorsitz geführt hatte. Dieser Umstand beweist, daß die Familie ihn keiner Ungerechtigkeit oder Grausamkeit beschuldigte, und er hatte sich auch in der That so gut benommen, wie irgend ein andrer Richter sich vor der Revolution in einem ähnlichen Falle benommen hatte.
124.Grey’s Debates, March 1688/89.