Read the book: «Die Mutter – Mit Briefen über die Mutter»
Omsriaurobindomira
Die Mutter
Mit Briefen über die Mutter
Sri Aurobindo
SRI AUROBINDO
DIGITAL EDITION
SRI AUROBINDO BHAVAN
BERCHTESGADENER LAND
www.sriaurobindo.center
Vertrieb
Verlag und Fachbuchhandel
AURO MEDIA
Wilfried Schuh
Deutschland
www.auro.media
eBook Design
SRI AUROBINDO DIGITAL EDITION
Deutschland, Berchtesgaden
Die Mutter – Mit Briefen über die Mutter Sri Aurobindo 2. überarbeitete Aufl. 2021 ISBN 978-3-937701-45-5 © AURO MEDIA 2021
Originaltitel:The Mother – with Letters on the Mother The Complete Works of Sri Aurobindo, Vol. 32, 2012
Übertragen aus dem Englischen:
Theodora Karnasch (Erster Teil)
Anastasia Bitzos (Zweiter Teil)
© Fotos und Textauszüge Sri Aurobindos und der Mutter:
Sri Aurobindo Ashram Trust
Puducherry, Indien
Anmerkung des Herausgebers
Sri Aurobindo Über die Mutter – Mit Briefen enthält alle Briefe Sri Aurobindos, in denen er Fragen über die Mutter beantwortet hat. Diese Briefe sind in Englisch unter dem Titel The Mother – With Letters on the Mother 1972 veröffentlicht und 2002 das letzte Mal neu aufgelegt worden.
Der vorliegende Band ist in zwei Teile gegliedert:
Der Erste Teil präsentiert die unter dem Titel DIE MUTTER berühmt gewordenen sechs Briefe Sri Aurobindos, in denen die großen, wesentlichen Aspekte der Göttlichen Mutter, sowie zentrale Themen seines Yoga behandelt werden. Diese Briefe wurden 1928 erstmals zusammengefasst in Buchform publiziert. 1971 erschien eine deutsche Übersetzung von Theodora Karnasch, die für den vorliegenden Band 2011, von ihr revidiert wurde.
Eine weitere deutsche Übersetzung von Ruth Steiger wurde 1980 veröffentlicht.
Mit dem Zweiten Teil liegen erstmals in deutscher Übertragung von Anastasia Bitzos die BRIEFE ÜBER DIE MUTTER vor, die Sri Aurobindo in den folgenden Jahren seinen Schülern in Antwort auf deren Fragen zum Thema der Göttlichen Mutter geschrieben hat. Darunter befinden sich einige undatierte Briefe. Dieser Teil enthält auch Ausschnitte zur gleichen Thematik, die einem seiner Hauptwerke, Die Synthese des Yoga, und einigen wenigen Prosastücken entnommen sind.
Das im Gesamtwerk von Sri Aurobindo so zentrale Thema der Göttlichen Mutter wird in seinem transzendentalen und universalen, wie auch 'verkörperten' Aspekt behandelt und von jedem dieser Blickwinkel her beleuchtet. Gleichzeitig bieten Die Briefe einen wertvollen Einblick in das Leben und die spirituelle Praxis der damaligen Schüler, sowie in deren enge Führung durch die Mutter und Sri Aurobindo.
Zum Verständnis von Sprache und Formgebung in Teil Zwei – Briefe – ist festzuhalten, dass Fragen kursiv gedruckt sind, während Sri Aurobindos Antworten, ebenso wie Auszüge, in normaler Schrift stehen. Sanskrit-Wörter sind nur dann kursiv geschrieben, wenn es Sri Aurobindo im Original selbst tut. Angemerkt wird weiter, dass Sri Aurobindo im englischen Originaltext bei Begriffen, denen er besonderen Gehalt an spiritueller Bedeutung zumisst, den ersten Buchstaben groß schreibt. Da diese Wörter im Rahmen der deutschen Großschreibung sonst nicht zu unterscheiden wären, werden diese Wörter ebenfalls grundsätzlich groß und kursiv geschrieben. In Bezug auf Sri Aurobindos Großschreibung von Sanskrit-Begriffen mit höherer göttlicher Bedeutung, sowie auf die von ihm gewählte, vereinfachte Schreibweise von Sanskrit-Wörtern, hält sich die Übersetzung ebenfalls an das englische Original.
Der Leser wird gebeten, alle Sanskrit-Namen und unbekannten Begriffe im Glossar am Ende des Bandes nachzuschlagen; hier wird auch eine Auswahl grundsätzlicher Begriffe aus der Terminologie des Integralen Yoga von Sri Aurobindo gegeben. Diese Ausdrücke sind im Text nicht weiter gekennzeichnet. (Siehe auch Anmerkungen zum Glossar S. 513).
Anmerkungen des Herausgebers sind im Text durch Eck-Klammern gekennzeichnet.
* * *
InhaltTitelseiteCopyrightAnmerkung des HerausgebersI. DIE MUTTERKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6II. BRIEFE ÜBER DIE MUTTER1. Die Mutter und der Sinn ihrer Verkörperung2. Aspekte und Kräfte der Mutter3. Lichter und Visionen4. Die Gegenwart der Mutter5. Öffnung und Hingabe zur Mutter6. Das Wirken der Kraft der Mutter7. Wahre Beziehung zur Mutter8. Sadhana durch Arbeit für die Mutter9. Die Mutter und die Organisation des Ashrams10. Die Hilfe der Mutter bei Schwierigkeiten11. Einige ErläuterungenANHANGGlossarGuideCoverInhaltStart
Teil I
1
Es gibt zwei Kräfte, die allein in ihrem Zusammenwirken das große und schwierige Werk vollbringen können, um das wir uns zielstrebig bemühen: Eine fest verankerte, unfehlbare Sehnsucht, die aus der Tiefe ruft, und die höchste Gnade, die von oben darauf antwortet.
Allerdings wird die höchste Gnade nur im Einflussbereich des Lichtes und der Wahrheit wirken, nicht unter dem der Falschheit und Unwissenheit. Denn wenn sie dem Drängen der Falschheit nachgäbe, würde sie ihr eigenes Ziel verfehlen.
Dieses sind die Vorbehalte des Lichtes und der Wahrheit – die einzigen, unter denen die höchste Kraft herabkommen wird, denn nur die allerhöchste supramentale Kraft, die von oben herabkommt und aus der Tiefe aufbricht, kann mit der Natur erfolgreich umgehen und deren Schwierigkeiten meistern – sich völlig und aufrichtig zu überantworten, sich ausschließlich der göttlichen Kraft zu öffnen, sich immer und ohne Einschränkung für die Wahrheit, die herabkommt, zu entscheiden, beständig und ausnahmslos die Falschheit jener mentalen, vitalen und physischen Kräfte und Phänomene zurückzuweisen, die immer noch die Erdnatur beherrschen.
Die Überantwortung muss total sein und alle Bereiche des Wesens einschließen. Es genügt nicht, dass das Seelische antwortet und das höhere Mentale zustimmt, oder auch das innere Vitale sich unterwirft und das innere physische Bewusstsein den Einfluss wahrnimmt. Es darf in keinem Bereich unseres Wesens, nicht einmal im äußerlichsten, irgendetwas geben, das sich etwas vorbehält, irgendetwas, das sich hinter Zweifeln, Unordnung und Vorwänden versteckt, irgend etwas, das sich auflehnt oder verweigert.
Wenn sich ein Bereich deines Wesens hingibt, ein anderer aber zurückhält, eigene Wege geht oder eigene Bedingungen stellt, dann stößt du jedes Mal, wenn das geschieht, die göttliche Gnade zurück.
Wenn du deine Wünsche, deine egoistischen Forderungen und deinen vitalen Eigensinn unter dem Deckmantel deiner Ergebenheit und Hingabe versteckst, wenn du sie an den Platz der wahren Sehnsucht stellst oder damit vermischst, und wenn du versuchst, sie der Göttlichen Shakti1 aufzudrängen, dann ist es müßig, die göttliche Gnade anzurufen, dich umzuwandeln.
Wenn du dich einerseits, oder in einem Bereich, der Wahrheit öffnest und andererseits ständig den feindlichen Kräften die Tore aufhältst, dann kannst du nicht erwarten, dass die göttliche Gnade bei dir bleibt. Du musst den Tempel rein halten, wenn du willst, dass sich die lebendige Gegenwart dort niederlässt.
Wenn du der Macht jedes Mal den Rücken zukehrst, wenn sie eingreift und die Wahrheit hereinbringt, und die Falschheit wieder hereinrufst, die bereits vertrieben wurde, dann kannst du nicht die göttliche Gnade dafür verantwortlich machen, sondern musst der Zwiespältigkeit deines eigenen Willens und der Unvollkommenheit deiner eigenen Hingabe die Schuld geben.
Wenn du nach der Wahrheit rufst und doch etwas in dir wählt, was unrichtig, unwissend und ungöttlich oder eben einfach nicht willens ist, es grundsätzlich zurückzuweisen, dann bist du ständig dem Angriff ausgesetzt, und die Gnade wird sich von dir zurückziehen. Entdecke zuerst, was falsch oder dunkel in dir ist, und weise es beharrlich zurück, nur dann allein darfst du zu Recht die göttliche Kraft anrufen, dich umzuwandeln.
Bilde dir nicht ein, dass sowohl Wahrheit als auch Falschheit, Licht als auch Finsternis, Hingabe als auch Selbstsucht in dem Hause zusammenwohnen können, das dem Göttlichen geweiht ist.
Die Umwandlung muss vollständig sein, also muss auch die Zurückweisung dessen, was ihr trotzt, vollständig sein.
Weise auch die falsche Auffassung zurück, dass die göttliche Kraft alles für dich tun wird und auch muss‚ was du von ihr erwartest, selbst dann, wenn du die Bedingungen nicht erfüllst, die das Höchste gestellt hat. Lass deine Hingabe aufrichtig und vollkommen sein, nur dann wird alles andere für dich getan werden.
Weise auch die irrige und träge Erwartung zurück, die göttliche Kraft werde auch noch die Hingabe für dich leisten. Das Höchste fordert deine Hingabe an Sie, erzwingt sie aber nicht: Du bist jederzeit frei, bis die unwiderrufliche Umformung erfolgt, das Göttliche zu verleugnen und zurückzuweisen oder deine Selbsthingabe zu widerrufen, wenn du willens bist, die spirituellen Folgen zu tragen.
Deine Hingabe muss freiwillig sein und aus dir selbst kommen, sie muss die Hingabe eines lebendigen Wesens sein, nicht die eines trägen Automaten oder eines mechanischen Werkzeugs.
Immer wieder wird träge Passivität mit wirklicher Hingabe verwechselt, aber aus träger Passivität kann nichts Wahrhaftiges und Mächtiges kommen. Es ist ja gerade die träge Passivität der physischen Natur, die diese jedem dunklen und ungöttlichen Einfluss ausliefert.
Die Göttliche Kraft fordert, dass wir uns freudig, entschlossen und ihrem Wirken entgegenkommend unterwerfen, sie fordert den Gehorsam des erleuchteten Jüngers der Wahrheit, des inneren Kämpfers, der gegen Finsternis und Falschheit kämpft, des ergebenen Dieners des Göttlichen.
Das ist die rechte Einstellung, und nur wer diese Haltung einnehmen und bewahren kann, wird sich auch jenen Glauben bewahren können, der durch keinerlei Enttäuschungen und Schwierigkeiten zu erschüttern ist, und wird die Feuerprobe bis zum letzten Sieg und der großen Umwandlung bestehen können.
1 Die göttliche Schöpferkraft, die Weltenmutter.
2
In allem und hinter allem, was in der Welt geschieht, steht das Göttliche mit seiner Shakti, der kosmischen Energie, ist aber verschleiert durch seine Yoga Maya1 und wirkt durch das Ego des Jiva2 in der niederen Natur.
Auch im Yoga ist es das Göttliche, das sowohl der Sadhaka3 ist als auch die spirituelle Praxis, Sadhana4 Es ist SEINE Shakti, die mit Ihrem Licht, Ihrem Wissen und Bewusstsein, Ihrer Macht und Ihrer Seligkeit, Ananda5, auf das menschliche Gefäß, Adhara6 einwirkt und, wenn das sich ihr geöffnet hat, mit Ihren göttlichen Kräften, die erst den Yoga ermöglichen, hineinströmt.
Solange aber die niedere Natur aktiv bleibt, bleibt auch die persönliche Anstrengung des Suchenden notwendig.
Die persönliche Anstrengung besteht in dreifacher Bemühung, dem Emporstreben, dem Zurückweisen und der Hingabe,
in dem wachsamen, gleichbleibenden und steten Emporstreben, dem Willen des Denkvermögens, dem Suchen des Herzens, der Zustimmung des Vitalen, dem Willen, das Körperbewusstsein und die körperliche Natur zu öffnen und wandlungsfähig zu machen,
im Zurückweisen der Regungen der niederen Natur, dem Zurückweisen von Ideen, Meinungen, Vorurteilen, Denkgewohnheiten und Gedankenkonstruktionen, damit das wahre Wissen in einem schweigenden Denkvermögen freien Raum vorfinde, im Zurückweisen von Wünschen und Forderungen, von Begierden, Gefühlen und Leidenschaften der vitalen Natur, ihrer Selbstsucht und Arroganz, ihrer Lust und Habgier, ihres Stolzes und Neides, ihrer Eifersucht und Feindseligkeit gegenüber der Wahrheit, damit sich die wahre Freude und die Kraft von oben in ein ruhiges, weites, starkes, geweihtes vitales Wesen ergießen können, im Zurückweisen des Stumpfsinns, des Zweifelns und Unglaubens der physischen Natur, ihrer Dunkelheit, Widerspenstigkeit, Kleingeistigkeit, Faulheit und ihrer Abneigung gegenüber der Umwandlung, dem Tamas7, damit sich Licht, Macht und Seligkeit in ihrer wahren Widerstandskraft in einem immer göttlicher werdenden Leib niederlassen können;
in der Hingabe unserer selbst und all dessen, was man ist und hat, jeder Ebene des Bewusstseins und jeder Tätigkeit an das Göttliche und die Shakti.
In dem Maße, wie Hingabe und Selbstweihe zunehmen, wird dem Suchenden bewusst, dass die Göttliche Shakti selbst den Yoga ausübt, immer mehr von sich Selbst in ihn einfließen lässt und die Freiheit und Vollkommenheit der Göttlichen Natur in ihm ins Leben ruft. Je mehr dieser bewusste Prozess sein eigenes Bemühen ersetzt, desto schneller und wahrhaftiger wird sein Fortschritt sein. Aber er kann erst dann die persönliche Anstrengung völlig ersetzen, wenn Hingabe und Weihe vom Scheitel bis zur Sohle makellos und vollkommen geworden sind.
Merke dir, dass träge Hingabe, die sich weigert, die Voraussetzungen zu erfüllen, und Gott auffordert, alles zu tun, und dir selbst alle Mühe und jegliches Ringen zu ersparen, Selbstbetrug ist und weder zu Freiheit noch zu Vollkommenheit führt.
1 Yoga Maya: Die Macht des Göttlichen, die die Welt erschaffen und deren Realität hinter den Phänomenen versteckt hat.
2 Jiva: Die individuelle Seele, das Selbst.
3 Sadhaka: Yoga Praktizierender.
4 Sadhana: Spirituelle Disziplin/Praxis.
5 Ananda: Gottseligkeit.
6 Adhara: Das menschliche Gefäß.
7 Tamas: Dumpfheit, Trägheit.
3
Um gewappnet gegen jede Art Furcht, Gefahr und Unheil durchs Leben zu gehen, bedarf es nur zweier Voraussetzungen, die immer Hand in Hand gehen: – der Gnade der Göttlichen Mutter und einer inneren Haltung von Gläubigkeit, Lauterkeit und Hingabe, deinerseits. Dein Glaube sei rein, aufrichtig und vollkommen. Ein egoistischer Glaube im Mentalen und im Vitalen, verdorben durch Ehrgeiz, Stolz und Eitelkeit, mentale Arroganz, vitalen Eigensinn, persönliche Ansprüche und das Verlangen nach den armseligen Befriedigungen der niederen Natur ist eine schwelende, rauchdunkle Flamme, die nicht gen Himmel lodern kann.
Betrachte dein Leben als dir ausschließlich für das göttliche Werk und die göttliche Offenbarung gegeben. Begehre nichts als die Reinheit und Kraft, das Licht und die Weite, die Ruhe und die Seligkeit des göttlichen Bewusstseins und Sein Verlangen, dein Denkwesen, dein Vitalwesen und deinen Leib umzuwandeln und zu vervollkommnen.
Erbitte nichts als die göttliche, spirituelle und supramentale Wahrheit, ihre Verwirklichung auf Erden, in dir und in allen, die berufen und auserwählt sind, und die dazu notwendigen Voraussetzungen für deren Hervorbringen, und ihren Sieg über alle gegnerischen Kräfte.
Lass deine Aufrichtigkeit und deine Hingabe echt und vollkommen sein. Wenn du dich hingibst, gib dich ganz, ohne Gegenforderung, ohne Bedingungen, ohne Vorbehalt, so dass alles in dir der Göttlichen Mutter gehört und nichts dem Ego oder irgendeiner anderen Macht überlassen bleibt.
Je vollkommener dein Glaube, deine Lauterkeit und deine Hingabe sind, desto mehr wird die Gnade und der Schutz mit dir sein. Und wenn die Gnade und der Schutz der Göttlichen Mutter mit dir sind, was kann dir dann noch zustoßen, oder wen müsstest du noch fürchten?
Schon ein wenig davon wird dich über alle Schwierigkeiten, Hindernisse und Gefahren hinwegtragen. Eingehüllt in Ihre volle Gegenwart kannst du sicher deinen Weg gehen, denn es ist der Ihre, ungeachtet aller Drohungen, jeglicher Feindseligkeit, wie mächtig sie auch seien, die dich aus dieser oder unsichtbaren Welten beeinflussen sollten. Ihre Berührung kann Schwierigkeiten in Gelegenheiten, Misserfolg in Erfolg und Schwäche in unerschütterliche Stärke verwandeln.
Denn die Gnade der Göttlichen Mutter ist die Zustimmung des Höchsten, und Ihre Wirkung ist sicher, heute oder morgen, eine unausweichliche, unwiderstehliche Verfügung.
4
Geld ist das sichtbare Zeichen einer universalen Macht; und diese Macht zeigt sich in ihrem Wirken auf Erden auf den vitalen und physischen Ebenen und ist für die Fülle des äußeren Lebens unerlässlich. Ursprünglich, und ihrem wahren Wirken gemäß, gehört sie dem Göttlichen. Aber, wie andere Kräfte des Göttlichen auch, ist sie uns anvertraut, und in der Unwissenheit der niederen Natur kann das Ego sie gewaltsam an sich reißen, oder sie kann in den Einflussbereich der Asuras1 geraten und für deren Zwecke missbraucht werden. Geld ist tatsächlich eine der drei Kräfte – Macht, Reichtum, Sexualität –, die auf das menschliche Ego und die Asuras die stärkste Anziehungskraft ausüben und fast immer von denen, die darüber verfügen, schlecht verwaltet und missbraucht werden.
Wer Reichtum begehrt oder verwaltet, ist häufiger davon besessen, als dass er ihn besitzt; wenige nur können sich gänzlich einem gewissen entstellenden Einfluss entziehen, der sie auf Grund der langen Beschlagnahme und des Missbrauchs durch die Asuras geprägt hat. Deshalb bestehen die meisten spirituellen Disziplinen auf totaler Selbstkontrolle, Loslösung und Verzicht auf alle Haftung an Hab und Gut und auf jeden persönlichen und egoistischen Wunsch nach seinem Besitz. Manche belegen sogar Geld und Gut mit einem Bann und behaupten, dass Armut und Dürftigkeit der Lebensumstände die einzig mögliche Voraussetzung für Spiritualität sei. Das aber ist ein Irrtum, denn es lässt diese Macht in den Händen der feindlichen Kräfte. Sie für das Göttliche zurückzuerobern, dem sie gehört, und auf ehrliche Weise für das göttliche Leben zu verwenden, ist der supramentale Weg für den Suchenden.
Du sollst dich weder in asketischer Scheu von der Macht des Reichtums und den Mitteln, die er gibt, und den Dingen, die er bringt, abwenden, noch leidenschaftliche Anhänglichkeit ihm gegenüber oder versklavende Hörigkeit seinen Annehmlichkeiten gegenüber hegen. Betrachte Reichtum einfach als einen Machtbereich, der für die Mutter zurückgewonnen und ihr zur Verfügung gestellt werden muss.
Aller Reichtum gehört dem Göttlichen, und wer ihn in Händen hält, ist Treuhänder, nicht Besitzer. Heute ist er in diesen, morgen mag er in anderen Händen sein. Alles hängt davon ab, wie man mit dem anvertrauten Gut umgeht, solange man es hat, in welchem Geist, in welchem Bewusstsein und wozu man es verwendet.
In deinem persönlichen Umgang mit Geld betrachte alles‚ was du hast oder erhältst oder überbringst, als das Eigentum der Mutter. Verlange nichts, aber nimm an, was du von Ihr bekommst, und verwende es, wofür es dir gegeben wurde. Sei vollkommen selbstlos, vollkommen gewissenhaft, genau, sorgfältig im Detail, ein guter Verwalter; denke immer daran, dass du mit Ihrem und nicht mit deinem Besitz umgehst. Andererseits sollst du Ihr gewissenhaft zu Füßen legen, was du für Sie erhältst; zweige nichts ab für dich selbst oder für irgend Jemanden sonst.
Schaue nicht zu Menschen auf ihres Reichtums wegen, und lass dich nicht durch die Macht, die Schau oder ihren Einfluss beeindrucken. Wenn du für die Mutter bittest, musst du wahrnehmen, dass SIE es ist, die durch dich ein klein wenig von dem verlangt, was Ihr gehört, und der Mensch, den du um etwas bittest, wird sich durch seine Antwort selbst richten.
Wenn du durch Reichtum weder verdorben bist, noch dich asketisch davon zurückgezogen hast, dann wirst du besser für das göttliche Werk darüber verfügen können. Gleichmut im Geiste, Wunschlosigkeit und völlige Hingabe all dessen, was du hast und empfängst, und die Hingabe deiner ganzen Erwerbskraft an die Göttliche Shakti und Ihr Werk kennzeichnen diese Freiheit. Jedes ängstliche Grübeln über Geld und seine Verwendung, jeder Anspruch, alle Verdrießlichkeit im Geben deutet auf irgendeine Unvollkommenheit oder Bindung hin.
Der ideale Sucher in dieser Hinsicht könnte notfalls in Armut leben und würde doch von keinem Schatten eines Wunsches, der das volle innere Spiel des göttlichen Bewusstseins stören könnte, berührt werden, und er könnte, gegebenenfalls, in Reichtum leben und würde doch niemals auch nur für einen Moment in Begehrlichkeit versinken oder in Abhängigkeit von seinem Reichtum oder von den Dingen geraten, die er benutzt, oder in Nachgiebigkeit sich selbst gegenüber verfallen oder in ein schwächliches Haften an den Gewohnheiten, die der Besitz von Reichtümern mit sich bringt. Für ihn sind der göttliche Wille und die göttliche Seligkeit alles.
In der supramentalen Schöpfung muss die Macht des Reichtums an die Göttliche Macht zurückgegeben und für eine echte, schöne und harmonische Ausstattung und Ordnung einer neuen, vergöttlichten, vitalen und physischen Existenz verwendet werden, so wie es die Göttliche Mutter in Ihrer schöpferischen Vision bestimmt.
Vorher aber muss diese Macht für Sie zurückerobert werden, und dazu sind die am besten befähigt, die in diesem Bereich ihrer Natur stark und großmütig und frei von Egoismus sind und hingegeben, ohne irgendeinen Anspruch, ohne Zurückhaltung oder Zögern, reine und mächtige Instrumente für die Höchste Macht.
1 Asura: Titan, Kraft der Finsternis.