Für Immer und Ewig

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From the series: Die Pension in Sunset Harbor #2
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Für Immer und Ewig
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Für Immer und Ewig
Für Immer und Ewig
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Is reading Birgit Arnold
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„Ich will vorbeikommen!“, rief Jayne. „Immerhin ist es das Wochenende des Memorial Day. Und ich muss dringend einmal aus der Stadt rauskommen. Kann ich ein Zimmer reservieren?“

Emily zögerte. „Das musst du nicht tun, das weißt du doch, oder? Du kannst auch einfach so vorbeikommen und mich besuchen.“

„Auf keinen Fall“, widersprach Jayne. „Ich will das volle Programm. Jeden Morgen frische Handtücher. Speck und Eier zum Frühstück. Ich will dich in Aktion sehen.“

Emily lachte. Von all den Menschen, mit denen sie bisher über ihr neues Unternehmen gesprochen hatte, war Jaynes Reaktion die beste.

„Okay, dann buche ich dich offiziell ein“, sagte Emily. „Wie lange willst du denn bleiben?“

„Keine Ahnung, eine Woche vielleicht?“

„Wunderbar“, erwiderte Emily, deren Bauch vor Freude kribbelte. „Und wann möchtest du ankommen?“

„Morgen früh“, sagte Jayne. „So gegen zehn.“

Ihre Freude wurde immer größer. „Okay, warte kurz, während ich dich einbuche.“

Ganz aufgeregt legte Emily ihr Handy beiseite und rannte hinüber zu dem Computer an der Rezeption, wo sie sich in das Reservierungssystem einloggte und Jaynes Details eintrug. Sie war stolz auf sich, weil sie es seit der Eröffnung theoretisch geschafft hatte, jeden Tag einen Gast in ihrer Pension zu haben, und das, obwohl sie vor gerade einmal zwei Tagen eröffnet hatte…

Schnell eilte sie zu ihrem Handy zurück und drückte es wieder an ihr Ohr. „Okay, du bist für eine Woche eingebucht.“

„Sehr gut“, entgegnete Jayne. „Du hörst dich sehr professionell an.“

„Danke“, erwiderte Emily. „Ich muss mich immer noch an alles gewöhnen. Mein letzter Gast war eine komplette Katastrophe.“

„Davon kannst du mir morgen alles erzählen“, meinte Jayne. „Jetzt sollte ich besser Schluss machen. Ich bin bei meiner zehnten Meile angekommen, weshalb ich mir den Atem gut einteilen muss. Bis morgen.“

„Ich kann es kaum erwarten“, sagte Emily.

Sie legte auf und Emily konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Vor dem Gespräch war ihr gar nicht aufgefallen, wie sehr sie ihre alte Freundin vermisst hatte. Jayne morgen zu sehen würde ein wunderbares Gegenmittel für die Katastrophe sein, als die sich Mr. Kapowskis Aufenthalt herausgestellt hatte.

KAPITEL FÜNF

Von ihrem langen, katastrophalen Morgen erschöpft verfiel Emily in einen Zustand der Unzufriedenheit. Wo immer sie auch hinsah, entdeckte sie nur Probleme und Fehler: eine unsauber gestrichene Wand, ein schlecht repariertes Licht, ein Möbelstück, das nicht zum Rest der Einrichtung passte. Zuvor hatte sie all das als liebenswerte Eigenheiten angesehen, doch nun störten sie sie.

Emily wusste, dass sie professionelle Hilfe und Ratschläge brauchte. Mit der Annahme, dass sie einfach so eine Pension leiten konnte, hatte sie sich heillos überschätzt.

Deshalb beschloss sie, Cynthia, die Besitzerin des Buchladens, anzurufen, die in ihrer Jugend ebenfalls eine Pension geleitet hatte, und sie um Hilfe zu bitten.

„Emily“, ertönte Cynthias Stimme, als sie sich am Telefon meldete. „Wie geht es dir, meine Liebe?“

„Schrecklich“, erwiderte Emily. „Ich habe gerade den schlechtesten Tag meines Lebens.“

„Oh, aber es ist doch gerade einmal halb acht!“, rief Cynthia. „Wie schlecht kann er denn jetzt schon sein?“

„Sehr, sehr schlecht“, antwortete Emily. „Mein erster Gast ist gerade abgereist. Am ersten Tag verpasste ich es, ihm das Frühstück zu richten, und dann am zweiten Tag hatte ich nicht genügend Lebensmittel und er meinte, dass das Essen kalt gewesen wäre. Außerdem mochte er weder das Kissen noch die Handtücher. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Kannst du mir helfen?“

„Ich bin gleich da“, erwiderte Cynthia, die es anscheinend kaum abwarten konnte, einen Teil ihrer Weisheit weiterzugeben.

Emily ging hinaus, um auf Cynthia zu warten, und setzte sich, in der Hoffnung, dass der Sonnenschein, oder zumindest die Dosis Vitamin D sie aufmuntern würden, auf die Veranda. Ihr Kopf fühlte sich so schwer an, dass sie ihn einfach in ihre Hände fallen ließ.

Als sie das Geräusch von knirschendem Kiesel hörte, schaute sie auf und sah, dass Cynthia mit ihrem Fahrrad auf sie zukam.

Cynthias rostiges Fahrrad sah man in der Stadt sehr häufig und der Anblick war auf gewisse Weise unvergesslich, denn die Frau, die darauf saß, hatte ihre Haare grell orange gefärbt und trug stets Kleider, die absolut nicht zusammenpassten. Noch bizarrer wurde das Ganze durch den Weidenkorb, den Cynthia vor kurzem vorne an ihrem Fahrrad befestigt hatte. Darin transportierte sie Storm, einen von Mogsys Welpen, den sie adoptiert hatte. Auf gewisse Weise war Cynthia Jones selbst schon eine Touristenattraktion.

Emily war froh, sie zu sehen, auch wenn Cynthias großer, roter Hut, der mit weißen Punkten übersät war, ihre müden Augen sehr herausforderte. Sie winkte ihrer Freundin zu und wartete darauf, dass die Frau das Haus erreichte.

Nachdem sie hineingegangen waren, kam Cynthia direkt zur Sache. Während sie die Treppe hinaufstiegen, löcherte sie Emily mit Fragen über den Wasserdruck, ob sie Bio-Lebensmittel servierte und wo sie ihre Produkte herbekam. Als sie das Gästezimmer erreicht hatten, drehte sich Emilys Kopf bereits.

Sie zog Cynthia in den Raum hinein, den Emily für wunderschön hielt. An einem Ende gab es eine Art Podest, auf dem ein gemütliches Ledersofa stand, auf dem die Gäste sitzen und den Blick auf das Meer genießen konnten. Der Raum war hauptsächlich in Weiß gehalten, hatte jedoch auch blaue Akzente, einen Schaffell-Teppich und antik wirkende Kiefermöbel.

„Das Bett ist zu klein“, bemerkte Cynthia sofort. „Es muss wie in einem Palast wirken!“ Sie lief in dem Raum umher und berührte die zerknitterte Bettwäsche. „Zu kratzig“, stellte sie fest. „Deine Gäste verdienen es, in einem Bett zu schlafen, das sich wie Seide an ihrer Haut anfühlt.“ Sie ging zum Fenster. „Diese Vorhänge sind zu dunkel.“

„Oh“, meinte Emily. „Sonst noch etwas?“

„Wie viele Zimmer hast du eigentlich?“

„Nun ja, das hier ist das einzige, das komplett fertig ist. Es gibt noch zwei weitere, in denen jedoch noch ein paar Möbelstücke fehlen. Außerdem gibt es noch eine Unmenge an anderen Räumen, die ich aber noch gar nicht geschafft habe, auszuräumen. Und auch das gesamte dritte Stockwerk könnte in Gästezimmer umgewandelt werden.

Cynthia nickte und tippte an ihr Kinn. Sie schien wohl ein paar Ideen zu haben und Emily fragte sich, ob es große Pläne für die Pension waren, die sie unmöglich erfüllen konnte.

„Zeig mir das Esszimmer“, verlangte Cynthia.

„Äh…okay…“

Während sie nach unten gingen, verstärkte sich Emilys Nervosität mit jedem Schritt. So langsam bereute sie es, Cynthia um Hilfe gebeten zu haben. Während Mr. Kapowski ihr zerbrechliches Ego nur eingedellt hatte, zerschlug Cynthia es nun mit einem großen Vorschlaghammer.

„Nein, nein, nein, nein, nein“, sagte Cynthia, während sie im Esszimmer auf und abging.

„Ich dachte, du liebst diesen Raum“, meinte Emily verwirrt. Cynthia hatte das Fünf-Gänge-Menü und die Cocktails bei ihrem letzten Besuch definitiv genossen – natürlich war Emily für alle Kosten aufgekommen.

„Das tue ich auch. Für Dinner-Partys!“, rief Cynthia. „Aber du musst es jetzt in ein Esszimmer verwandeln, das einer Pension angemessen ist. Du brauchst kleine Tische, damit die Gäste alleine essen können. Du kannst sie nicht einfach alle an einen großen Tisch wie den hier setzen!“

„Ich dachte, dadurch würde eine Art Gemeinschaftsgefühl entstehen“, stotterte Emily zu ihrer Verteidigung. „Ich versuchte doch nur, etwas anders zu machen als alle anderen.“

„Meine Liebe“, begann Cynthia, „denk erst gar nicht daran. Nicht jetzt. Vielleicht in zehn Jahren, wenn dein Geschäft gut läuft und du etwas Geld zurückgelegt hast, dann kannst du anfangen, herumzuexperimentieren. Aber jetzt hast du keine andere Wahl, als die Erwartungen deiner Gäste zu erfüllen. Verstehst du das?“

Emily nickte niedergeschlagen. Sie wusste nicht einmal, ob es die Pension in zehn Jahren noch geben würde. Sie hatte im Hinblick auf die Pension immer nur auf kurze Sicht geplant und nun hatte es den Anschein, als wollte Cynthia, dass sie ernsthaft in dieses Haus investierte und es in etwas Dauerhaftes und Nachhaltiges verwandelte. So langsam hörten sich die Vorschläge teuer an und teuer war nichts, dass sich Emily leisten konnte. Trotzdem hörte sie Cynthia geduldig zu, während sie mit ihrer Kritik fortfuhr.

„Stell hier keine Lilien auf. Sie erinnern die Menschen an Beerdigungen. Und, um Gottes Willen, das hier muss woanders hin.“ Cynthia schaute aus dem Fenster direkt auf das Hühnergehege. „Jeder liebt Eier von Hühnern aus Freilandhaltung, aber niemand mag es, die dreckigen kleinen Viecher zu sehen, die diese Eier produzieren!“

Als Cynthia endlich ging, fühlte sich Emily so schlecht wie seit langem nicht mehr. Sie ging wieder hinaus, um sich auf die Veranda zu setzen und sich die To-Do-Liste anzusehen, die Cynthia ihr gegeben hatte. In dem Moment kam Daniel nach Hause und schlenderte ihr auf dem Kiesweg entgegen.

 

„Oh Mann, bin ich froh, dich zu sehen“, sagte Emily, als sie zu ihm aufblickte. „Mein Tag war von der ersten Minute an total beschissen.“

Daniel setzte sich neben sie auf die Veranda. „Was ist denn los?“

Emily berichtete ihm von dem Vorfall mit Mr. Kapowski, dass Lola und Lolly ihre einzige Aufgabe nicht erfüllt hatten, dass sie ein paar schöne Schuhe im Hühnergehege ruiniert und danach den Speck angebrannt hatte, dass Mr. Kapowski gegangen war und was Cynthia alles kritisiert hatte.

„Hol erst einmal tief Luft“, sagte Daniel mit einem Grinsen auf dem Gesicht, nachdem sie ihre Geschichte beendet hatte.

„Lach mich nicht aus.“ Emily schmollte. „Es war ein wirklich anstrengender Tag und ich könnte deine Unterstützung gebrauchen.“

Daniel gluckste. „Eines Tages wirst du zurückblicken und die lustige Seite daran erkennen. Das heißt, sobald all das hinter dir liegt und du die erfolgreichste Pension in Maine führst.“

„Ich bezweifle, dass das geschehen wird“, erwiderte Emily, die in ihrer schlechten Stimmung noch weiter versank. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, mit der Pension jemals erfolgreich zu sein. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie diese in der nahen Zukunft überhaupt noch finanzieren konnte. „Das Schlimmste ist ja, dass ich genau weiß, dass die beiden Recht haben“, fügte sie hinzu. „Ich bin nicht gut genug. Ich muss besser werden. Und ich muss all die Veränderungen durchführen, die Cynthia vorgeschlagen hat. Die Pension, die sie früher einmal geführt hatte, war eine der besten in ganz Maine. Es wäre töricht, ihre Vorschläge nicht anzunehmen.“

„Was glaubst du, wie viel Arbeit noch ansteht?“, fragte Daniel.

„Ganz schön viel. Cynthia meinte, dass die anderen beiden Zimmer so schnell wie möglich hergerichtet werden müssen. Sie sollten in anderen Farbmustern gehalten sein und sich in den Übernachtungskosten unterscheiden, um den Gästen das Gefühl zu geben, dass sie die Wahl und die Kontrolle haben. Sie sagte, dass sich die meisten Menschen für das Zimmer mit dem mittleren Preis entscheiden werden, denn sie wollen vor ihrem Partner nicht geizig erschienen, aber es wird immer wieder Leute geben, die zur günstigsten Option tendieren, genauso wie es immer welche geben wird, die nur das teuerste nehmen.“

„Wow“, entgegnete Daniel. „Ich wusste gar nicht, dass man so viel bedenken muss.“

„Ich auch nicht“, erwiderte Emily. „Ich bin die ganze Sache blind und naiv angegangen. Aber ich will, dass es funktioniert, das will ich wirklich.“

„Was musst du also verändern? Und wie lange wird das dauern?“

„So ziemlich alles“, gab Emily niedergeschlagen zu. „Und es muss so schnell wie möglich geschehen. Das wird den Rest meiner Ersparnisse auffressen. Ich habe ausgerechnet, dass ich die Pension mit meinen Ersparnissen nur noch bis zum vierten Juli am Laufen halten. Das heißt, noch einen Monat.“

Sofort bemerkte sie die Veränderung in Daniels Körpersprache, denn er rückte kaum merklich von ihr ab. Sie war sich durchaus bewusst, dass sie ihrer Beziehung eine Art Zeitlimit gesetzt hatte, genau wie ihrem Unternehmen, und es schien, als ob sich Daniel bereits jetzt schon von ihr distanzierte, wenn auch nur um ein paar Zentimeter.

„Was wirst du also tun?“, wollte er wissen.

„Ich werde alles auf eine Karte setzen“, antwortete sie entschlossen.

Daniel lächelte und nickte. „Warum sollte man eine Sache nur halb angehen?“, stimmte er zu.

Dann legte er seinen Arm um ihre Schulten und Emily lehnte sich an ihn, erleichtert, dass er den Abstand zwischen ihnen wieder geschlossen hatte. Doch die Veränderung in ihm würde sie so schnell nicht vergessen.

Sie hatte ihrer Beziehung einen Countdown gestellt, der nun langsam ablief.

KAPITEL SECHS

„Diese Kommode würde perfekt in den kleineren Raum passen“, bemerkte Emily, während sie mit den Fingern über die Oberseite der aus Kiefernholz gefertigten Kommode strich und zu Daniel hinüberschaute.

Ihr Herzschlag beschleunigte sich wie immer, wenn sie sich in Ricos Antiquitätenladen in ein verstecktes Schmuckstück verliebte. Sie konnte sehen, dass auch Daniel begeistert war, als er es betrachtete; es war ein zusätzliches Plus, dass sie ihre Dates am liebsten hier verbrachten.

Die beiden genossen den Nervenkitzel, etwas Seltenes und Exotisches für die Pension zu entdecken, doch sie genossen auch die Unterhaltung, die der alte, vergessliche Mann ihnen bot. Während Ricos Kurzzeitgedächtnis kein Stück verlässlich war, konnte er sich so gut wie kein anderer an lang zurückliegende Ereignisse erinnern, und häufig erzählte er ganz unerwartet Anekdoten über die Bewohner der Stadt oder erteile Geschichtsunterricht über Sunset Harbor. Außerdem trafen sie dort häufig Serena, die Emily mittlerweile als gute Freundin betrachtete, auch wenn diese fünfzehn Jahre jünger war als sie selber.

Dann schaute Emily auf und entdeckte einen reizenden Frisierspiegel mit Goldrand.

„Oh, und der hier wäre ebenfalls perfekt.“

Sie huschte durch den Laden, Daniel war ihr dicht auf den Fersen, während sie von einer Kommode zur nächsten sprang. Dabei schrieb sie die Preise und Produktnummern der Gegenstände, an denen sie interessiert war, auf, sodass sie am Ende Rico einfach nur die Liste geben musste. Immerhin würde sie mehrere Gegenstände kaufen und es war nicht sonderlich ratsam, den armen Mann zu verwirren.

„Was ist mit dem hier?“, fragte Emily Daniel, während sie ein großes Himmelbett betrachtete. „Cynthia meinte, dass das Bett größer sein müsste und dass sich meine Gäste wie Mitglieder eines Königshauses fühlen sollten.“

Daniel kam von der Stelle, an dem er ein paar Vogelbäder aus Stein untersucht hatte, zu ihr hinüber und blieb neben ihr stehen.

„Wow. Ich meine, ja, deine Gäste werden sich definitiv königlich fühlen, wenn sie in diesem Teil schlafen. Es ist riesig. Meinst du, das passt auch wirklich ins Zimmer?“

Emily holte ein Metermaß hervor und begann, das Bett abzumessen. Anschließend überprüfte sie die Daten auf dem Diagramm in ihrer Tasche. Sie hatte die Raumabmessungen aufgeschrieben, um sicherzugehen, dass sie nur Möbel kaufte, die auch wirklich in die Zimmer passten. Ihr Plan sah vor, die anderen beiden Hauptzimmer zu renovieren und all ihre finanziellen Mittel auszuschöpfen, um sie so perfekt wie möglich zu gestalten. Dann, sobald die ersten drei Zimmer genügend Geld eingebracht hatten, wollte sie schnell auf zwanzig Räume aufstocken, die sie zu einem günstigen Preis vermieten würde.

„Es würde auf jeden Fall in die Hochzeitssuite passen!“ Emily strahlte. Sie war von dem wunderschönen Bettgestell so begeistert, dass schon allein der Gedanke daran, es zu besitzen und in eines der Schlafzimmer zu stellen, ausreichte, um ihr einen gewissen Kick zu geben.

Daniel griff nach dem Preisschild und sah es sich an. „Hast du gesehen, wie teuer es ist?“

Emily beugte sich vor und las das Schildchen. „Es gehörte einem norwegischen Adligen aus dem fünfzehnten Jahrhundert“, las sie vor. „Natürlich wird es teuer sein.“

Daniel warf ihr einen verwirrten Blick zu. „Warum bist du so ruhig? Die Emily, die ich kenne, würde jetzt schon hyperventilieren.“

„Ha, ha“, entgegnete Emily trocken, obwohl sie wusste, dass er Recht hatte. Sie war eine von denen, die sich immer um alles Sorgen machten, doch diesmal war es anders. Vielleicht lag es an der tickenden Uhr, der läutenden Glocke oder dem Sand, der durch die Sanduhr ihrer Beziehung rieselte. Etwas an dieser Endgültigkeit ließ sie alle Vorsicht in den Wind schießen. „Man muss schließlich auch Geld ausgeben, um Geld einzunehmen, nicht wahr?“, bemerkte sie mutig. „Wenn ich jetzt spare, werde ich es später bereuen. Die Pension würde in sich zusammenbrechen.“

„Das klingt zwar ein bisschen dramatisch“, entgegnete Daniel mit einem Lachen. „Aber ich weiß, was du meinst. Du musst jetzt investieren, um eine Grundlage zu schaffen.“

Emily atmete tief durch.

„Okay, gut. Jetzt, da du auf meiner Seite bist, bin ich bereit, die Sache anzupacken.“

Der Gedanke, ihre ganzen Ersparnisse auszugeben und finanziell gesehen kurz vor dem Ruin zu stehen, ließ Emily nicht in einen Freudentanz ausbrechen. Sie war normalerweise vorsichtig und überdachte ihre Entscheidungen gut, sie wog stets die Vorteile mit den Nachteilen ab, bevor sie sich auf etwas einließ – zumindest hatte sie das, bis sie ihren Job überstürzt gekündigt und ihren Freund in New York verlassen hatte und nach Maine geflüchtet war. Vielleicht war sie ja impulsiver als bisher angenommen. War Cynthia deshalb so exzentrisch geworden? Immerhin fügte sie ihrer Garderobe mit jedem Jahr, das verging, eine weitere leuchtende Farbe hinzu und färbte ihr Haar in einem anderen Farbton. So sehr Emily ihre liebe Freundin auch mochte, so erzitterte sie doch bei dem Gedanken, wie sie zu werden.

Emily zwang sich, sich nicht mehr mit der älteren Frau zu vergleichen, sondern sich auf die Aufgabe vor ihr zu konzentrieren.

„Ich glaube, ich werde es kaufen“, sagte sie zu Daniel, wobei sie fast schon darauf hoffte, dass er nein sagte und ihr einen guten Grund nannte, es nicht zu tun.

Er erwiderte jedoch nur: „Cool.“

In diesem Moment trat Rico zu ihnen. „Ellie.“ Er strahlte. „Es ist ja so schön, dich zu sehen.“ Der ältere Mann hatte immer Schwierigkeiten, sich an Emilys Namen zu erinnern.

„Hi Rico“, sagte sie. „Hast du noch mehr Himmelbetten wie dieses hier?“ Sie erinnerte sich an den geheimen Raum, den Rico ihr gezeigt hatte, einen Ort, an dem er die größeren und oft auch teureren Gegenstände lagerte, die man nicht so einfach bewegen konnte. In ihm verbargen sich Unmengen an Schätzen, sogar noch mehr als in dem ausladenden Haus ihres Vaters.

„Natürlich“, erwiderte Rico, während er eine runzelige Hand auf ihren Arm legte. „Sie sind hinten. Weißt du, wo es hingeht?“

Emily nickte. Rico hatte ihr und Daniel vor ein paar Tagen den geheimen Raum am Ende des Korridors gezeigt.

„Wenn das so ist, dann schau dich einfach um“, meinte Rico. „Ich vertraue dir.“

Emily lächelte in sich hinein und fragte sich, wie er ihr überhaupt vertrauen konnte, wenn er sich nicht einmal an ihren Namen erinnerte. Dann gingen sie und Daniel den dunklen, unbeleuchteten und gewundenen Flur entlang und betraten schließlich den großen Raum im hinteren Bereich des Ladens. Genau wie bei ihrem letzten Besuch fröstelte Emily schnell und war von der unglaublichen Größe des Raumes überwältigt. Es fühlte sich so an, als würde man eine Höhle betreten. Sie zitterte und schlang die Arme um ihren Oberkörper. Daniel bemerkte ihr Zittern, weshalb er sie dicht an sich zog. Die Wärme, die er abstrahlte, tröstete Emily.

Sie drangen tiefer in den Raum vor, wobei sie an kleinen Schränken und Kommoden, Schreibtischen und Kleiderschränken vorbeikamen.

„Narnia, ich komme“, scherzte Emily, als sie die besonders verzierte Tür eines Holzschrankes öffnete. Dann schrieb sie den Preis und die Artikelnummer auf ihre Einkaufsliste.

Schließlich erreichten sie die Stelle, an der alle Betten gelagert wurden.

„Hier“, sagte Emily mit einem Blick auf einen antiken, aus dunklem Holz gefertigten Rahmen eines Himmelbettes. Die vier senkrechten Balken sahen genau wie die Baumstämme aus, aus denen sie geschnitzt worden waren. Es hatte schon fast etwas Magisches an sich. „Das ist genau das, was ich brauche. Noch so eines und die teuren Zimmer werden einen ziemlich luxuriösen Flair verstrahlen, findest du nicht?“

Daniel schien von diesem Bett besonders beeindruckt zu sein. „Es ist unglaublich gut gebaut. Ich meine, das erkennt man an der Tatsache, wie gut es die Zeit überstanden hat, aber auch an dem Lack, der Art, wie er dem Holz eine natürliche Farbe verleiht.“ Er schien sich in das Bett verliebt zu haben, doch gleich nachdem er die Worte ausgesprochen hatte, wurde er sofort von einem anderen Bett abgelenkt. „Emily, schau dir das hier an, schnell!“

Emily lachte, als er sie an der Hand zu einem weiteren, verzierten Bettrahmen zog. Dieser war in einem blasseren Lack gestrichen und machte fast schon den Anschein, als stammte es aus einer Isländischen Holzhütte. In das Kopf- und Fußteil waren Muster geschnitzt worden. Es war wunderbar und der Anblick raubte ihr den Atem.

 

„Das ist eine absolute Seltenheit, Emily!“, rief Daniel begeistert. „Es wurde per Hand geschnitzt. Wunderbare Holzarbeit. Wenn du das hier kaufst, könntest du die Pension direkt schon auf einer Landkarte vermerken!“

In Emily breitete sich Wärme aus. Es stimmte. Die Betten, die sie in Ricos Laden gefunden hatte, waren wunderschön und einzigartig. Jetzt verstand sie, was Cynthia ihr sagen wollte, als sie ihr erzählt hatte, dass sich die Gäste wie Könige fühlen sollten. Sie würde sich auf jeden Fall wie eine Prinzessin fühlen, wenn sie in einem von ihnen schlief.

„Also“, sagte Emily, während sie mit den Fingern über das Holz eines senkrechten Balkens strich. „Wir können die Betten aber nur unter einer Bedingung kaufen.“

„Oh?“, meinte Daniel mit gerunzelter Stirn.

Emily spitzte die Lippen und zog eine Augenbraue hoch. „Wir müssen jedes einzelne davon testen. Um die Qualität zu überprüfen, natürlich.“

„Du meinst…Oh!“ Daniel verstand, was Emily auf so zweideutige Weise vermitteln wollte, weshalb er mit den Augenbrauen wackelte. Plötzlich erschien die Vorstellung, die Betten zu kaufen, sogar noch reizvoller. „Oh, also, natürlich…“, murmelte er, während er seine Arme um Emily schlang und sie in eine Umarmung zog. „Du könntest nicht ruhig schlafen, ohne selbst ausgetestet zu haben, wofür deine Gäste zahlen.“

Er drückte verführerische Küsse in ihren Nacken und Emily musste lachen.

„Ich werde Rico meine Liste geben“, sagte sie, bevor sie sich aus seiner Umarmung löste. „Und mich von all meinem Geld verabschieden.“

Daniel pfiff durch die Zähne. „Darüber wird er sehr glücklich sein. An diesem einen Einkauf verdient er wahrscheinlich genauso viel wie sonst in einem ganzen Monat!“

Sie ließ Daniel in dem großen Raum zurück und machte sich auf die Suche nach Rico.

„Evie“, begrüßte er sie, als sie wieder in den Verkaufsraum trat. „Hast du gefunden, was du wolltest?“

„Das habe ich“, erwiderte Emily. „Ich würde gerne drei Kleiderschränke, einen Frisiertisch, zwei Schreibtische, sechs Nachttischschränkchen, eine hohe Kommode, zwei normale Kommoden, drei Teppiche und drei antike Betten kaufen.“

„Oh“, brachte Rico hervor, der ein wenig überrascht wirkte, als sie ihm die Liste mit den Artikeln und Preisen überreichte. „Das sind aber ganz schön viele.“ Er begann, alles mit seiner antiken Kasse zusammenzuzählen.

„Ich richte zwei weitere Räume in der Pension ein und gestalte einen um.“

„Ah ja, du bist die junge Frau mit der Pension“, sagte Rico nickend. „Dein Vater wäre sehr stolz auf das, was du erreicht hast.“

Emily trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Obwohl sie seine netten Worte schätzte, fühlte sie sich unwohl dabei, an ihren Vater zu denken.

„Danke“, erwiderte sie leise.

„Also“, sagte Rico mit trockener Stimme, „da du eine geschätzte Kundin bist und etwas tust, von dem die ganze Stadt profitieren wird, gebe ich dir einen Rabatt.“ Er drückte ein paar Knöpfe und eine neue Zahl erschien auf der staubigen Anzeige.

Emily verengte die Augen, das konnte doch nicht stimmen. „Aber Rico, das ist ein Rabatt von fünfzig Prozent.“ Sie war sich nicht sicher, ob sich der ältere Mann nicht vertippt hatte; sie wollte ihn auf keinen Fall prellen.

„Das stimmt. Du bekommst einen besonderen Sunset Harbour-Memorial-Wochenendrabatt.“ Er zwinkerte.

Emily brachte kein Wort heraus, weshalb sie ihm einfach ihre Kreditkarte gab. Sie konnte kaum glauben, dass er so großzügig war.

„Bist du dir sicher?“

Rico winkte nur ab, um sie zum Verstummen zu bringen. Dann fuhr er mit dem Verkauf fort, doch Emily konnte nur stumm und leicht benommen herumstehen.

„Vielen Dank, Rico“, sagte sie atemlos. Dann drückte sie dem alten Mann einen Kuss auf die Wange. „Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll.“

Sein Lächeln wurde größer und sagte schon alles.

Als sie zurück durch den Antiquitätenladen lief, um Daniel zu finden, war sie so aufgeregt wie ein kleines Kind.

„Rico hat mir die Hälfte des Preises nachgelassen!“, rief sie, als sie ihn erreichte.

Er hatte einen überraschten Ausdruck auf dem Gesicht.

„Das ist ja wunderbar“, erwiderte Daniel.

„Komm schon“, meinte Emily, die plötzlich ungeduldig war. „Lass uns das Zeug hier rausholen und dann damit beginnen, die Pension auf den neuesten Stand zu bringen.“

Daniel lachte. „Ich habe noch nie erlebt, dass sich jemand so sehr auf das Ende eines Dates gefreut hat.“

„Tut mir leid“, sagte Emily mit hochrotem Kopf. „Es ist nur so, dass es so viel zu tun und vorzubereiten gibt, bist Jayne ankommt.“

„Wer ist Jayne?“, wollte Daniel wissen. „Du hast mir gar nicht gesagt, dass du noch einen Gast erwartest.“ Er schien sich für sie zu freuen, machte aber auch einen leicht überraschten Eindruck.

Emily lachte. „Oh, so ist das nicht. Jayne ist meine älteste Freundin aus New York.“

Plötzlich schien sich Daniel unwohl zu fühlen. Bei Amys Besuch war er das Gefühl nicht losgeworden, dass sie ihn abschätzig betrachtete, weshalb er nur ungern weitere Freundinnen von Emily treffen wollte.

„Okay“, murmelte er fast schon.

„Sie ist sehr nett“, versicherte ihm Emily. „Und sie wird dich lieben.“ Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

„Das kannst du doch gar nicht wissen, widersprach Daniel. „Man weiß nie – manchmal kommen Menschen einfach nicht miteinander klar. Und ich bin nicht gerade der umgänglichste Mann auf der Welt.“

Emily schlang ihre Arme um seinen Hals und drückte ihren Kopf an seine Brust. „Ich verspreche es dir. Sie wird dich leiben, weil ich dich liebe. So funktioniert das nun einmal bei besten Freundinnen.“

Nachdem ihr die Worte entschlüpft waren, erkannte Emily, dass sie das L-Wort gesagt hatte. Sie hatte Daniel ihre Liebe gestanden, doch der Gedanke jagte ihr keine Angst ein. Es auszusprechen hatte sich sogar wie das Natürlichste auf der Welt angefühlt. Ihr fiel jedoch auf, dass Daniel ihre Worte nicht erwidert hatte, weshalb sie sich fragte, ob sie diese Grenze wohl zu früh überschritten hatte.

Die beiden standen eine Weile lang einfach nur in dem alten Antiquitätenladen und umarmten sich stumm. Doch die ganze Zeit über dachte Emily darüber nach, was Daniels Schweigen wohl bedeuten mochte.

*

Als sie die schweren Himmelbetten aus Daniels Truck ausluden und sie in die jeweiligen Zimmer trugen, dämmerte es bereits. Die nächsten paar Stunden verbrachten sie damit, die Möbelstücke aufzustellen und sie im Raum zu platzieren, wobei keiner von ihnen über die Worte sprach, die im Hinterzimmer von Ricos Laden zwischen ihnen gefallen waren.

Während der Himmel draußen immer dunkler wurde, hatte Emily das Gefühl, dass das Haus nun immer mehr wie eine echte Pension aussah, als ob sie sich noch weiter auf die Vorstellung eingelassen hätte. Auf mehr als nur eine Art und Weise hatte sie einen Punkt erreicht, von dem aus sie nicht mehr umkehren konnte, und zwar nicht nur mit ihrer Pension, sondern auch mit ihren Gefühlen für Daniel. Sie liebte ihn. Sie liebte die Pension. Und an keinem der beiden zweifelte sie.

„Ich denke, wir sollten die Nacht in meinem Cottage verbringen“, verkündete Daniel, als es gerade Mitternacht schlug.

„Okay“, antwortete Emily leicht überrascht. Sie hatte noch nie in Daniels Kutscherhaus übernachtet und fragte sich, ob es wohl seine Art war, ihr zu zeigen, dass er es mit ihrer Beziehung ernst meinte, nachdem er ihr zuvor schon nicht die drei kleinen Worte hatte sagen können.

Sie schlossen die Pension ab und überquerten den Rasen bis sie an dem Ort ankamen, an dem Daniels kleines Kutscherhaus in der Dunkelheit stand. Er öffnete die Tür und ließ Emily eintreten.

Sie fühlte sich immer so viel jünger, wenn sie sein Haus betrat. Etwas an seiner großen Sammlung an CDs und Büchern schüchterte sie leicht ein. Nun ließ Emily ihren Blick über die Regale wandern und überflog die Titel aller akademischen Werke, die Daniel besaß. Psychologie. Fotografie. Er besaß so viele Bücher zu so vielen unterschiedlichen Themen. Und zu Emilys Erheiterung befanden sich zwischen all diesen einschüchternd aussehenden, akademischen Texten auch kommerzielle Krimiromane.