Für Immer und Einen Tag

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From the series: Die Pension in Sunset Harbor #5
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KAPITEL VIER

Emily stand immer noch da und starrte wie ein Fisch auf die tätowierten Männer, die bald zu ihrer Hochzeitsgesellschaft gehören würden, als Daniels Pick-up die Auffahrt hinaufrollte.

„Das muss der Bräutigam sein!“, sagte einer der tätowierten Männer und drehte sich um.

Der Pick-up hielt an, und Daniel sprang mit einem federnden Schritt heraus, der Emily nicht vertraut war. Sie sah fassungslos zu, wie die drei Männer die Verandatreppe hinunterwalzten und Daniel takelten.

Sie sollten ihm besser keine blauen Flecken im Gesicht verpassen, dachte sie und zuckte bei dem heftigen Gerangel alter Freunde zusammen.

Schließlich tauchte Daniels Gesicht aus dem Knäul von Jeans und Leder wieder auf. Er hatte eine rosige Wange und grinste breit. Inzwischen hatte Roy die Beifahrertür geöffnet und war halb ausgestiegen. Zu Emilys Überraschung lächelte auch er.

„Nun, sieh mal einer an, ihr drei seid ja erwachsen geworden.“, sagte Roy lachend.

„Ist das Roy?“, fragte der erste Mann.

„Na, was hab‘ ich dir gesagt?“, schrie der Zweite und schmetterte dem Dritten auf die Brust.

„Es ist schon Jahrzehnte her“, argumentierte der Dritte. „Wie soll ich mich da erinnern?“

„Weil es der beste Urlaub war, den wir je hatten!“, rief der Erste aus.

Roy war nun ganz ausgestiegen und streckte die Hand aus. „Stuart?“

Der Mann nickte. „Ja. Und du erinnerst dich an Clyde und Evan?“ Er zeigte zuerst auf den Mann mit dem krausen, rötlichen Bart, dann auf den kleineren, übergewichtigen Mann.

„Wie könnte ich dieses Wochenende vergessen, als Daniel euch zum Angeln eingeladen hat?“, antwortete Roy antwortete.

„Das war großartig“, fügte Evan hinzu. „Weißt du, ich glaube nicht, dass wir seit diesem Wochenende noch einmal alle zur gleichen Zeit am selben Ort waren.“

„Also, ich nehme an, sie sind deine Trauzeugen?“, fragte Roy.

Stuart strahlte breit. „Natürlich sind wir das. Es ist nur recht und billig, dass Daniels älteste Schulfreunde auf seiner Hochzeitsfeier sind.“

„Selbst, wenn es über ein Jahrzehnt her ist, seit wir alle zusammen waren“, fügte Evan hinzu.

„Habt ihr schon meine Tochter Emily kennengelernt?“, fragte Roy und zeigte auf Emily, die weiterhin ungläubig zusah. „Ich hätte nie gedacht, dass Daniel eines Tages meine kleine Prinzessin heiraten würde!“

Jetzt waren die drei Freunde an der Reihe, schockiert auszusehen. Sie starrten Emily, die immer noch an der Türschwelle stand, mit offenen Mündern an. Aber statt sich für ihren Irrtum zu schämen, genossen sie es, wie Emily gerade klar wurde. Sie waren eindeutig die Typen von Männern, denen es Spaß machte, andere in Verlegenheit zu bringen. Sie zuckte innerlich zusammen.

„Das ist deine bessere Hälfte?“, rief Clyde aus. „Nun, warum hat sie das nicht gesagt?“

Er lachte und rannte die Verandatreppe zu Emily rauf. Als er sie erreichte, zog er sie in eine ungestüme Umarmung. Wie vorauszusehen war, roch er nach abgestandenem Schweiß.

Emily versuchte, ihre Fassung zu bewahren. Aber in ihrem Inneren machte sich Panik breit. Sie wollte Daniel nicht zu sehr nach seiner Wahl seiner Kumpel beurteilen, vor allem, wenn es sich um alte Schulfreunde handelte - Schulkinder neigten schließlich dazu, ihre Freunde willkürlich auszuwählen -, aber sie konnte sich die vier nicht zusammen vorstellen. Sie war vorher noch nie mit Daniels Bad-Boy-Vergangenheit in Berührung gekommen. Ein Blick auf den Jungen, der er einmal gewesen war und den Mann, zu dem er leicht hätte werden können, hätte er Maine nicht verlassen, um nach Tennessee zu gehen. Sie sollte wirklich dankbar dafür sein, dass er diese drei ausgewählt hatte, wenn die andere Option Sheilas Tennessee-Freunde waren.

In diesem Moment sprang Chantelle vom Truck herunter und warf einen flüchtigen Blick in Richtung der drei Männer. Sie war jedoch nicht verwirrt. Sie war an die verschiedensten Leute gewöhnt, die in die Pension kamen, und war in ihren früheren Jahren in Tennessee sicherlich auch auf Hillbilly-Typen gestoßen.

„Opa Roy, können wir bitte im Gewächshaus anfangen?“, fragte sie.

„Natürlich“, sagte Roy. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit Stuart, Clyde und Evan zu und fügte so höflich wie immer hinzu: „Wenn ihr mich entschuldigen würdet.“

Roy und Chantelle fingen an, die ganzen Gerätschaften, die sie gekauft hatten, vom Pick-up zu entladen.

„Lasst mich euch rumführen“, sagte Daniel zu seinen Freunden.

Er führte sie an Emily vorbei in das B&B.

Sie sah ihnen nach, immer noch verblüfft, und immer noch unfähig, Daniel mit diesen drei stämmigen Männern in Einklang zu bringen. Sie drehte sich um und sah Amy und Jayne die Treppe hinunterkommen.

Stuart pfiff den beiden Frauen nach und Emily verzog das Gesicht. Keiner ihrer Freundinnen war der Typ, der auf so etwas stand. Nicht einmal Jayne, die normalerweise männliche Aufmerksamkeit liebte. Entsetzt, dass das vielleicht nur der Anfang war, stürzte Emily herein, um im Voraus zu intervenieren.

„Amy, Jayne“, rief sie. „Gefallen euch eure Zimmer?“

Amy wendete ihre verengten Augen von Stuart ab und zu ihrer Freundin hin. „Ja. Danke, Em. Aber wir müssen uns an die Arbeit machen. Es gibt jede Menge zu erledigen.“

„Wirklich?“, stöhnte Emily. Sie fühlte sich, als ob alles, was sie in den letzten Wochen gemacht hatte, die Hochzeit zu planen. Könnte es wirklich noch viel mehr zu tun geben? Auf der anderen Seite war es wahrscheinlich eine gute Idee, die Pension zu verlassen. Je weniger Zeit sie mit Daniels Freunden verbrachte, desto besser. „Okay“, akzeptierte sie. „Lass uns von hier verschwinden.“

Sie schob ihre Freunde aus der Tür, bevor Daniel seine Freunde vorstellen konnte. Aus dem Augenwinkel sah sie seinen Gesichtsausdruck. Er schien genervt zu sein von ihrem Verhalten und von ihrer Unhöflichkeit, nicht alle miteinander bekannt zu machen. Aber sie konnte nicht anders. Wenn er sie irgendwie vorbereitet hätte, wäre es vielleicht anders gewesen. Zumindest hätte sie ihm sagen können, dass er sicherstellen sollte, dass sie ihren Freundinnen nicht hinterherpfiffen und sie hätte ihre Freundinnen vor diesem rüpelhaftem Verhalten warnen können. Aber wie immer hatte Daniel sie wegen einiger der unappetitlicheren Elemente seiner Vergangenheit im Dunkeln gelassen. Und wieder einmal nagten die leeren Stellen seiner Vergangenheit an ihr und ließen sie an der Grundlage, auf der ihre Beziehung stand, zweifeln.

*

Emily und ihre Freunde fuhren in die nächste Stadt, um in eine Parfümerie zu gehen, die Amy schon seit Jahren besuchen wollte.

„Sie machen den Duft speziell für dich“, erklärte Amy während sie fuhr. „Ein maßgeschneiderter Duft für eine einzigartige Frau.“

„Klingt nach ...“ Emily hielt inne. Sie wollte „überflüssigem Zeug“ sagen, stoppte sich aber in der letzten Sekunde. Stattdessen endete sie mit einem sanften und wenig Überzeugenden ... Spaß.“

„Jeder macht das heutzutage“, fügte Jayne vom Rücksitz hinzu. "Es wäre einfach unkultiviert, es nicht zu machen.“

Mit sichtlicher Vorfreude parkte Amy den Wagen und lenkte Emily dann bei den Schultern in den Laden, wobei sie mit jedem Schritt hüpfte.

Die Dame an der Theke begrüßte sie mit einem warmen Lächeln. Emily war dankbar, als Amy die Führung übernahm. Sie hatte nicht viel Lust zu interagieren. Ihre Gedanken hingen immer noch bei Daniels Freunden.

„Hier“, sagte Amy und schob einen duftenden Streifen unter Emilys Nase. „Wonach riecht es? Blutorange.“

Emily runzelte die Nase. „Ich denke nicht, dass das zu mir passt.“

„Nein, vermutlich nicht“, sagte Amy. Sie senkte den Kopf und sah sich die anderen Geruchsoptionen an.

„Du scheinst abgelenkt zu sein“, sagte Jayne zu Emily.

„Entschuldigung“, antwortete Emily. „Ich denke nur nach.“

„Ich gehe davon aus, dass es sich nicht um Düfte handelt“, fragte Jayne. „Komm schon, Em. Du weißt, dass du mir alles erzählen kannst.“

Emily schüttelte den Kopf. „Ich will nicht darüber reden. Ich will nicht wie eine Zicke klingen.“

Jayne sah sie an. „Ehrlich, du redest mit mir. Ich bin die Königin der Zicken. Ich bezweifle, dass irgendetwas, was du sagen würdest, in meinen Ohren auch nur annähernd zickig klingen würde.“

Genau in diesem Moment eilte Amy wieder zu ihnen und griff sich Emilys Armen. Sie tupfte etwas Parfüm auf ihr Handgelenk.

„Riech daran!“, schrie sie vor Aufregung auf.

Emily roch daran. Der Duft war frisch und blumig. „Das ist viel besser“, sagte sie.

Amy grinste. „Okay. Ich habe es. Ich habe den perfekten Geruch, um das zu komplettieren.“ Sie eilte davon und beugte sich zu dem Mädchen hinter dem Tresen, während sie aufgeregt durch die Proben schnupperte.

„Also?“, drängte Jayne Emily. Sie würde es offensichtlich nicht zulassen, dass sie das Thema fallen ließ.

Emily seufzte laut. „Es sind nur diese Typen in der Pension.“

„Die Wildschweine, die aussahen als hätten sie seit einer Woche nicht geduscht?“

„Genau die“, antwortete Emily. Sie biss sich auf die Lippe. „Nun, sie sind Daniels Freunde. Seine Trauzeugen.“

 

„Oh mein Gott!“, schrie Jayne mit einem theatralischen Keuchen auf. „Sie werden auf den Fotos sein?“

Emily spürte, wie ihre Wangen brannten. Jaynes entsetzte Antwort ließ sie sich noch schlechter fühlen.

„Es ist einfach so, dass er diese Dinge über seine Vergangenheit von mir fern hält“, erklärte Emily. „So wie ich mir in einer Million Jahren nie hätte vorstellen können, dass seine besten Freunde so sein würden.“

„Ich auch nicht“, antwortete Jayne. „Ich dachte, er hätte ein paar attraktive Holzfäller-Typen.“

Emily vergrub ihren Kopf in ihre Hände. „Nun wünsche ich mir, dass ich ihn hätte seinen Chef fragen lassen“, antwortete sie düster. „Ich würde jederzeit liebend gern verfärbte Malerhände diesen Drei vorziehen.“

Amy kam mit einem anderen Teststreifen herüber, einen konzentrierten Ausdruck auf dem Gesicht. Ohne etwas zu sagen packte sie Emilys Arm und tupfte den neuen Duft in ihr Handgelenk, oben auf dem ersten. Amy schnupperte. Runzelte die Stirn. Schnupperte noch einmal. Dann grinste sie.

„Ich denke, ich habe es“, sagte sie.

Emily schniefte. „Ja, das ist nett“, erwiderte sie mit matter Stimme.

„Du magst es nicht?“, fragte Amy.

„Das ist es nicht“, unterbrach Jayne. „Emily hat heute die Trauzeugen getroffen.“

Amy hob eine Augenbraue. „Oh, Daniels mysteriöse Freunde?“

Jayne packte Amy am Arm. „Du wirst es nie erraten. Es waren diese drei Kerle im Foyer!“

Amys Augen weiteten sich. „Die, die ich fast zur Hölle gewünscht hätte?“

„Genau die.“

Dann sah Amy Emily an. „Oh, Schatz. Das tut mir leid.“

Emily zuckte erneut zusammen. Daniels Freunde waren Trampel, aber sie zeichnete eine sehr unangenehme Seite von ihrem Charakter und denen ihre beiden Freundinnen. Sie wusste, dass sie kleinlich und voller Vorurteile waren. Aber sie konnte nicht anders.

„Schau“, sagte Amy und übernahm die Verantwortung für die Situation, wie sie es oft tat. „Warum beenden wir das hier nicht, jetzt da wir den Duft gefunden haben und fahren zurück zur Pension? Wir können ein paar Drinks nehmen und die Zungen aller Beteiligten lockern. Dann werden wir dem auf den Grund gehen. Alles herausfinden. Wer sie sind, was sie tun. Finden jedes schmutzige Detail heraus.“

„Es sind die schmutzigen Details, wegen den ich mir Sorgen mache“, erwiderte Emily düster. „Ich verstehe einfach nicht, wie Daniel der sein kann der er ist, mit dieser geheimnisvollen Vergangenheit und diesen seltsamen Freunden. Nichts davon passt zusammen. Es ist als ob nur der junge Daniel, der sein Leben zu Hause hasste, in der Schule sitzengeblieben und fast davongelaufen war, derjenige ist, der mit diesen dreien befreundet war. Dann ist da noch Tennessee Daniel, der ein Kind gezeugt und einen Kerl zu blutigem Brei geschlagen hat. Keiner von ihnen ist mein Daniel. Es macht mich einfach verrückt.“

Amy rieb sich die Schulter. „Du bekommst nur kalte Füße. Das ist okay. Jeder hat eine Vergangenheit.“

„Aber nicht jeder verbirgt sie wie Daniel.“

„Es ist ihm nur peinlich“, sagte Jayne. „Mir wäre es das, wenn das meine Freunde wären!“, gackerte sie.

Emily wollte ihre Freunde gern ihre Stimmung heben lassen, aber es funktionierte einfach nicht. Die Vorstellung, dass sie alle an einem Tisch saßen und sich mit Alkohol lockerten, schien ihr nicht zu gefallen. Aber das musste früher oder später passieren. Sie wollte es nur hinter sich bringen.

„Okay, gut“, sagte Emily. „Lass es uns einfach aus dem Weg schaffen.“

Amy bezahlte den Duft, tauschte Visitenkarten mit dem Mädchen hinter der Theke und sie verließen den Laden. Emilys Freunde hakten sie unter und unterstützten sie wie immer bei jedem Schritt ihrer Reise.

„Ich weiß nicht, was ich ohne euch machen würde“, sagte Emily, als sie zusammen zu Amys Auto schlenderten.

„Ich aber“, sagte Amy mit einem schelmischen Funkeln in ihren Augen. „Du würdest viel schlechter riechen!“

KAPITEL FÜNF

Es war eine peinliche Mischung von Leuten, gelinde gesagt. Als sie die seltsame Anordnung von Gesichtern ansah, die um den Verandatisch saßen, war Emily nur erleichtert, dass ihr Vater und Chantelle nicht hier waren. Sie waren zu sehr mit ihrer Arbeit im Gewächshaus beschäftigt, um hier rumzusitzen.

Die Unterhaltung wirkte gestelzt. Selbst ein Krug Bier schien nicht zu helfen.

„Wie habt ihr euch damals eigentlich alle kennengelernt?“, fragte Amy, die offenbar versuchte so freundlich wie möglich zu sein.

„Ich bin Daniels ältester Freund“, sagte Stuart. „Ich habe ihn während der Schulzeit getroffen. Damals, als er noch Dashiel hieß!“

„Je weniger darüber gesprochen wird, umso besser, danke“, antwortete Daniel. Er hatte seinen Namen, der auch der Name seines Vaters war, in jungen Jahren geändert.

„Ich bin der Gang in der Mittelschule beigetreten“, fügte Evan hinzu. „Wir haben Clyde in der High-School aufgelesen.“

„Wir haben von da an nur Unfug getrieben“, beendete Clyde. „Dann gingen wir irgendwann getrennte Wege.“

„Daniel war der einzige, der den Staat verlassen hat“, fügte Stuart hinzu. „Vielleicht, um von uns wegzukommen.“ Er lachte.

Genau das fragte sich Emily. Vielleicht hatte Daniel einen Neuanfang von seiner Vergangenheit machen wollen, als er nach Tennessee gegangen war.

„Es gibt nichts Besseres als eine Hochzeit, um alte Freunde wieder zusammen zu bringen“, sagte Clyde.

„Und das Timing ist perfekt, Danny Boy“, sagte Stuart und packte Daniel grob um den Hals. „Ich bin gerade erst auf Bewährung rausgekommen.“

Emily nahm einen großen Schluck ihres Drinks. Sie spürte, wie Amy und Jayne unbehaglich neben ihr hin und her rutschten.

„Wofür hast du eingesessen?“, fragte Jayne.

Amy und Emily hätten sie schlagen wollen. Jayne versuchte offensichtlich nur, Konversation zu machen, und niemand, der mehr als eine Millisekunde vor dem Sprechen nachdachte, hätte die eine Frage gestellt, die allen im Kopf rumspuckte.

„Nur Trunkenheit am Steuer“, sagte Stuart und zuckte mit den Schultern, als wäre es überhaupt nichts.

Emily wurde es heiß. Sie zerrte am Kragen ihres Hemdes.

„Oh“, sagte Jayne und atmete erleichtert aus. „Ich hatte befürchtet, dass du Mord oder so etwas sagen würdest.“

Clyde und Evan lachten laut. Emily trat Jayne scharf unter den Tisch.

„In diesen Punkten haben sie ihn freigesprochen“, informierte Clyde Jayne.

Ihre Augen traten ungläubig hervor. „Wirklich?“

Clyde und Evan lachten diesmal noch lauter.

„Nein!“, rief Clyde. „Aber du hättest dein Gesicht sehen sollen.“

Jayne war nicht die einzige, die das nicht witzig fand. Stuart selbst sah wütend aus.

„Das sagt der Richtige, Clyde“, sagte er. „Ich bin nicht der einzige hier an diesem Tisch, der im Knast war.“

Emily spürte, wie ihr ganzer Körper zusammensackte. Diese Jungs kamen als völlig instabil rüber. So viel dazu, dem Geheimnis dieser Typen auf den Grund gehen zu wollen; je mehr sie enthüllten, desto mehr wünschte sie sich, sie wüsste nichts davon.

„Ihr kennt doch sicher ein paar lustige Geschichten über Daniel“, sagte Amy und versuchte die Situation zu beruhigen.

Daniel wurde knallrot. „Oh Gott, nein, lasst das lieber blieben.“

Aber es war zu spät. Die Gesichter seiner Freunde hellten sich sofort auf.

„Ich bin froh, dass du gefragt hast‘, sagte Stuart. „Was würdet ihr Mädels gerne hören? Die Geschichte in der sich Daniel zum ersten Mal betrinkt und am Ende seine Hose zerreißt, als er über einen Maschendrahtzaun klettert, oder die, bei der er seine Jungfräulichkeit verliert?“

„Weder noch“, sagte Emily kopfschüttelnd und spürte, wie die Panik sie erfasste.

Auch Daniel war versteinert bei der Aussicht, dass eine dieser beiden besonderen Geschichten ausgeplaudert werden sollte.

Stuart stieß Emily an. „Erzähl mir nicht, dass ihr euch nicht schon all eure schmutzigen Geheimnisse erzählt habt?“

Emilys Verlegenheit wuchs immer mehr. Vielleicht lag es daran, dass ihre eigene Vergangenheit so schwierig und verworren war, dass sie Daniel nicht gezwungen hatte, mehr über seine eigene Vergangenheit zu erzählen, aber jetzt begann sie es zu bereuen. Was, wenn beide Geschichten so entsetzlich waren, dass sie sie dazu brachten, ihre Hochzeit abzusagen?

„Da war dieses Mädchen, Astrid“, begann Stuart.

Daniel vergrub sein Gesicht in seinen Händen.

„Ihre Augen trafen sich durch den Raum“, fuhr Stuart fort. „Es war Liebe auf den ersten Blick. Sie näherte sich. Daniel konnte sein Glück nicht fassen. Dann sagte sie die Worte, die sein Herz entbrannten. ‚Kann ich mir deinen Winkelmesser ausleihen?‘“

„Warte“, sagte Emily stirnrunzelnd. „Was?“

„Es war im Mathematikunterricht!“, kam Stuarts Pointe. „In der fünften Klasse.“

Daniel war hellrot geworden.

Jayne sah verwirrt aus. „Ich dachte, das wäre die Geschichte, wie Daniel seine Jungfräulichkeit verloren hat?“

„Ich komme noch zu diesem Teil“, sagte Stuart. „Also ... Schnellvorlauf, wieviel? Fünf Jahre? Sechs Jahre? Daniel hat diese armselige Schwärmerei für Astrid all diese Jahre und hat schließlich den Mut gefunden, sie zum Tanzen einzuladen.“

„Der Rest ist Geschichte“, sagte Clyde zwinkernd. „Wie lange seid ihr am Ende zusammengeblieben? Vier Jahre?“

Daniel nickte angespannt. „Viereinhalb ungefähr.“

Emily spürte, wie ein eiskalter Schauer ihren Köper durchlief. Daniel hatte den Namen Astrid nie erwähnt. Jetzt stellte sich heraus, dass sie seine erste Liebe gewesen war? Ein Mädchen, dass er jahrelang angeschmachtet hatte? Sie wollte sich nicht mit einem Teenager aus der Vergangenheit vergleichen, aber es klang, als hätte sie Daniel mehr bedeutet als eine durchschnittliche erste Liebe. Es klang, als wäre seine Beziehung zu Astrid bedeutend und wichtig gewesen. Aber er hatte sie überhaupt nicht erwähnt.

„Ich nehme an, ihr zwei seid nicht in Verbindung geblieben?“, fragte Stuart.

Daniel schüttelte den Kopf.

„Schade“, sagte Stuart. „Sie war großartig. Ich dachte irgendwie, dass ihr beide irgendwann wieder zusammenkommen würdet.“

Emilys Gesicht musste blass geworden sein, denn sie spürte ein beruhigendes Drücken unter dem Tisch, das aus Amys Richtung kam.

„Was ich jetzt wissen will“, sagte Clyde, „ist, was ihr Damen für den Junggesellinnenabschied geplant habt?“

„Es gibt keinen“, sagte Emily. „Daniel und ich haben uns gegen geschlechtsspezifische Partys entschieden.“

„Oh“, sagte Clyde und sah Daniel an. „Erwischt.“

Emily runzelte die Stirn. „Was?“

Daniel sah schuldbewusst aus. „Ich hatte noch keine Chance, es dir zu sagen“, sagte er. „Die Jungs haben beschlossen, eine überraschende Junggesellenparty für mich zu schmeißen. Wir fahren übers Wochenende weg.“

Emily konnte nicht einmal mehr sprechen. Sie konnte nur noch blinzeln.

„Wir machen einen Roadtrip“, sagte Clyde. „Wir besuchen die besten Strip-Lokale, die Maine zu bieten hat.“

Emily konnte sehen, wie Amy neben ihr die Hände zu wütenden Fäusten ballte und spürte, wie ihr Gesicht alle Farbe verlor. In ihrer peripheren Sicht konnte sie Daniels besorgten Gesichtsausdruck sehen.

Plötzlich brachen die drei Männer in Gelächter aus.

„Oh, ihr hättest eure Gesichter sehen sollen!“, schrie Evan.

„Wir werden nicht wirklich in Strip-Lokale gehen“, lachte Stuart. „Wir gehen auf die Jagd!“ Er packte Daniel wieder am Hals und zog ihn in eine grobe Umarmung. „Wir fahren am Freitagmorgen los.“

 

Emily hatte genug gehört. Sie hielt es nicht mehr aus, hier zu sitzen und zuzuhören, ihre Gedanken wurden zunehmend chaotisch, ihre Nerven immer angespannter. Den ganzen Tag hatte sie versucht nicht auszuflippen, aber jetzt konnte sie es nicht länger aushalten. Sie stand auf, brachte in ihrer Eile den Tisch zum Wackeln und stürzte hinein.

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