Für Immer und Einen Tag

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From the series: Die Pension in Sunset Harbor #5
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KAPITEL ZWEI

Am nächsten Morgen erwachte Emily früher als sonst und fühlte sich beschwingt. Sie hüpfte nach unten, um Frühstück zu machen. Sie kochte ein Festmahl aus Eiern, Toast, Speck und Pfannkuchen und summte die ganze Zeit fröhlich vor sich hin. Ein bisschen später kam auch Daniel mit Chantelle runter. Nach einer Weile schaute Emily schaute auf die Uhr und begann sich Sorgen zu machen, da ihr Vater noch nicht erschienen war.

„Warum klopfst du nicht an seine Tür?“, schlug Daniel, der die Gründe für ihre verstohlenen Blicke erkannt hatte, vor.

„Ich möchte ihn nicht stören“, antwortete Emily.

„Ich kann das machen“, sagte Chantelle und sprang von der Frühstücksbar auf.

Emily schüttelte den Kopf. „Nein, du isst. Ich werde gehen.“

Sie war sich nicht sicher, warum sie sich überhaupt Sorgen darum machte, ihren Vater zu stören. Vielleicht war es das nervende Gefühl in ihrem Hinterkopf, dass er nicht da sein würde, wenn sie klopfte, dass sich alles als Traum herausstellen würde.

Sie ging vorsichtig zu seinem Zimmer, räusperte sich und fühlte sich albern. Sie klopfte laut.

„Papa, ich habe Frühstück gemacht. Bist du bereit runter zu kommen?“

Als sie keine Antwort bekam, spürte Emily erste Panik aufwallen. Aber sie redete sich selbst ein, dass alles okay sei. Roy könnte gut unter der Dusche sein und sie deshalb nicht hören.

Sie drückte den Türgriff runter und fand die Tür unverschlossen. Sie öffnete sie und spähte in sein Zimmer. Sein Bett war leer, aber aus der offenen Badezimmertür drang kein Geräusch fließendes Wasser, es gab kein Zeichen von Roy.

Emily konnte ihre Angst nicht länger unterdrücken. Plötzlich wurde sie davon überrollt. Hatte sie ihn letzte Nacht zu sehr gedrängt? Hatte sie es ihm unerträglich gemacht zu bleiben?

Sie eilte aus dem Zimmer in den Korridor und flog die Treppe hinunter in die Küche. Nur Chantelle, die immer noch an der Frühstücksbar saß und sie verwirrt anschaute, hielt sie davon ab, nach Daniel zu schreien. Stattdessen blieb sie stehen und schaffte es, sich zu sammeln.

„Daniel, kannst du mir schnell helfen?“, sagte Emily und versuchte zu verhindern, dass ihr Fassade zusammenbrach.

Daniel sah auf und runzelte die Stirn. Offensichtlich konnte er durch ihr aufgesetztes Lächeln hindurchsehen. „Wobei?“

„Ähm ...“ Emily fuhr herum. „Etwas Schweres zu heben.“

„Was musst du heben?“, hakte Daniel nach.

Emily platzte das erste Wort heraus, das ihr einfiel. „Toilettenpapierrollen.“

Chantelle kicherte. „Schwere Toilettenpapierrollen?“

„Daniel“, blaffte Emily. „Bitte! Hilf mir einfach für einen Moment.“

Daniel seufzte und stand vom Tisch auf. Emily griff nach seinem Arm und zog ihn in den Korridor hinaus.

„Es ist wegen Papa“, flüsterte sie. „Er ist nicht in seinem Zimmer.“

Durch die Veränderung in Daniels Ausdruck wusste Emily, dass er endlich begriffen hatte, warum sie sich so seltsam benahm.

„Er ist nicht gegangen“, beruhigte Daniel sie und rieb ihre Arme. „Er ist wahrscheinlich auf dem Gelände unterwegs.“

„Das weißt du nicht“, antwortete Emily. Sie gab ihrer Panik jetzt vollständig nach und war kurz davor, in Tränen auszubrechen.

„Ich werde den Hof überprüfen“, sagte Daniel. „Schau du im Haus nach.“

Emily nickte, froh, dass sie eine Anweisung erhalten hatte. Ihr eigener Verstand war von ihrer Angst blockiert.

Daniel eilte nach draußen, und Emily raste die Treppe hinunter, zwei Stufen auf einmal nehmend. Sie überprüfte jedes der offenen Gästezimmer, aber ohne Erfolg. Durch die Fenster im Treppenabsatz konnte sie Daniel auf dem Hof ​​ herumeilen sehen. Also hatte er auch kein Glück gehabt.

Dann hatte Emily einen Gedankenblitz. Sie rannte zum Ende des Korridors und riss die Tür zu Roys Arbeitszimmer auf.

Das Zimmer war dunkel, die Vorhänge waren zugezogen, aber die Schreibtischlampe brannte und erzeugte einen Spotlight-Effekt auf der Holzoberfläche. Hinter dem Schreibtisch zeichnete sich die unverwechselbare Silhouette von Roy Mitchell ab, der sich über etwas gebeugt hatte, an dem er herumbastelte.

Emily stieß einen großen Seufzer aus und lehnte ihre Schulter gegen den Türrahmen, so dass er sie stützen konnte, als die Spannung ihren Körper verließ.

„Oh, guten Morgen“, sagte Roy ahnungslos, als er zu ihrem geräuschvollen Ausatmen aufschaute. „Ich habe das gerade repariert.“ Er hielt eine Kuckucksuhr hoch, deren Hintertür offenstand. Er schloss sie sanft und der Kuckuck sprang aus dem Loch in der Vorderseite. Lächelnd legte er die Uhr zurück. „So gut wie neu!“

Emilys Panik verschwand und wurde genauso schnell von einem Glücksgefühl ersetzt. Zu sehen, wie ihr Vater herumgebastelt hatte, schien so seltsam vertraut. Es war, als wäre er schon immer dort gewesen. Der Anblick erfüllte sie mit Freude.

„Bist du bereit für ein Frühstück?“, fragte Emily.

Roy nickte und stand auf. Als sie zusammen nach unten gingen, klopfte Emily an das Fenster des Treppenhauses, wo sie Daniel durch den Garten hetzen sehen konnte. Er sah zu dem Geräusch auf und Emily zeigte ihm ein Daumen hoch. Sie beobachtete, wie er vor Erleichterung aufatmete.

Sie gingen in die Küche, wo Chantelle noch immer ihr Frühstück aß, ohne auf das Treiben zu achten.

„Sieht so aus, als hättest du ein Festmahl aufgetischt“, sagte Roy und gluckste, als er sich neben Chantelle auf den Platz setzte.

„Wie hast du geschlafen, Opa Roy?“, fragte Chantelle. Sie war am Abend zuvor beim Aufräumen ihres Zimmers eingeschlafen und sah ihn erst jetzt wieder.

Roy schenkte sich ein Glas Saft ein. „Wunderbar, danke meine Liebe. Das Bett war genauso bequem wie das, in dem ich geschlafen hatte, als dies mein Haus war.“

Als sie seine Worte hörte, hatte Emily plötzlich Sorgen. Das Haus gehörte immer noch ihm. Sie hatte angenommen, dass er vermeintlich tot war, aber jetzt, wo das nicht mehr der Fall war, hatte er legal jedes Recht, es von ihr zurückzuholen.

Daniel kam herein, um dem Familienfrühstück beizuwohnen.

„Frühmorgenspaziergang?“, fragte Roy ihn, als er sich setzte.

Daniel fing Emilys bittenden Blick auf. „Nichts ist wie die frische Luft am Morgen“, sagte er mit einem Hauch von Sarkasmus, von dem Emily wusste, dass sie dafür verantwortlich war.

„Opa Roy hat mir gerade erzählt, dass das mal sein Haus war“, informierte Chantelle Daniel.

„Nun, das ist es eigentlich immer noch“, erklärte Emily. Sie sah besorgt zu ihrem Vater auf. „Willst du es zurück?“

Roy fing an zu lachen. „Meine Güte, nein! Ich bin überglücklich, dass du es hast, Schatz. Es ist ja nicht so, als würde ich zurück nach Sunset Harbour kommen.“

Emily hätte froh darüber sein sollen, bestätigt zu bekommen, dass ihr Vater nicht vorhatte, ihr das Haus wegzunehmen. Aber stattdessen empfand sie Traurigkeit bei seiner Bestätigung, dass er nur vorübergehend hier war. Sie war sich nicht sicher, was sie gedacht hatte, ob sie überhaupt so weit voraus gedacht hatte. Aber jetzt fühlte es sich sehr danach an, als ob er sie wieder verlassen würde.

Sie bearbeitete niedergeschlagen ihre Grapefruit und nahm einen bitteren Bissen.

„Wie lange wirst du bei uns bleiben?“, fragte Chantelle fragte in der unschuldigen Art eines Kindes.

„Nur bis nach der Hochzeit“, erklärte Roy mit sanfter Stimme, die er nur für Chantelle abzurufen schien. Eine Stimme, so erinnerte sich Emily, die er auch bei ihr benutzt hatte, als sie in diesem Alter war. „Darum bin ich hier. Um bei den Vorbereitungen zu helfen.“ Er sah zu Emily auf. „Gibt es etwas, bei dem ich dir helfen kann?“

Emily versuchte immer noch die Tatsache zu verdrängen, dass Roys Gastrolle in ihrem Leben nur kurz und flüchtig sein sollte und dass er kaum zurückkehrt, wieder gehen würde. Das Letzte, woran sie jetzt denken konnte, waren die Dinge, die organisiert werden mussten! Und außerdem war er ein wenig spät dran. Es war gerade mal noch eine Woche bis zur Hochzeit, also waren die meisten Dinge schon erledigt.

„Du könntest Chantelle im Auge behalten, wenn ich von den Vorbereitungen auf Trab gehalten werde“, sagte Emily. „Wenn es ihr nichts ausmacht?“

Chantelle grinste. „Wir können Trevors Gewächshaus reparieren!“

Roy sah interessiert aus. „Trevors Gewächshaus?“

„Trevor Mann, unser Nachbar“, begann Emily. Dann versagte ihr die Stimme. Ihr Kummer über Trevors Tod war immer noch frisch. Sie war sich nicht ganz sicher, wie sie die Situation erklären sollte. „Wir sind erst kürzlich Freunde geworden und dann ist er gestorben. Er hat mir in seinem Testament sein Haus hinterlassen.“

Roys Augenbrauen hoben sich. Emily konnte an seinem Gesichtsausdruck erkennen, dass seine eigene Beziehung zu Trevor nicht die beste gewesen war.

„Trevor Mann hat dir sein Haus hinterlassen?“, fragte Roy überrascht.

Emily nickte. „Ich weiß. Es war eine ungewönliche Freundschaft. Ich war am Ende für ihn da.“

„Wie ist er gestorben?“, fragte Roy leise.

„Vielleicht sollten wir das nicht bei Tisch besprechen“, unterbrach Daniel und sah zu Chantelle hinüber, die ziemlich blass geworden war.

 

Roy richtete seine volle Aufmerksamkeit auf Chantelle. Er ließ seine Stimme in seine beruhigende, väterliche Stimme fallen.

„Ich würde gerne das Gewächshaus mit dir reparieren“, sagte er. „Du könntest der Boss sein und mir sagen, was zu tun ist.“

Chantelles Gesicht hellte sich augenblicklich auf. Seit Trevors Tod hatte sie verzweifelt nach den Obstbäumen sehen wollen, aber Emily hatte sie immer zurückgehalten, immer noch nicht bereit, diese Wunde zu öffnen.

„Kann ich es Opa Roy jetzt zeigen?“, fragte Chantelle und sah zuerst zu Daniel und dann zu Emily.

Daniel zeigte auf Emily und überließ ihr die Entscheidung. Sie hatte ihm so oft gesagt, dass sie noch nicht bereit war, das Haus zu betreten. Er hielt es für das Beste, sie die Entscheidung treffen zu lassen, anstatt Chantelle etwas zu versprechen, das sie nicht halten konnten.

„Sicher, okay“, sagte Emily.

Sie zögerte ein wenig, in das Haus des Verstorbenen zu gehen, aber mit ihrem Vater und ihren Lieben an ihrer Seite würde es vielleicht nicht so schmerzhaft sein, wie sie befürchtete.

*

Emily holte tief Luft und drehte den Schlüssel in Trevors Tür. Sie schwang auf und die abgestandene Luft, die sich monatelang im Haus gesammelt hatte, strömte heraus. Der Flur lag im Dunkeln und Emily zitterte und war verunsichert.

Sie ging zuerst hinein und ging voran. Hinter ihr hielt Daniel Chantelles fest bei der Hand und beruhigte das kleine Mädchen.

Während sie den Korridor entlangging, erinnerte sich Emily bruchstückhaft an die Gespräche, die sie mit Trevor geführt hatte. Als sie den Anblick des Tisches wahrnahm, an dem sie gesessen und Tee getrunken hatten als ein Stück Putz von der Decke gefallen war, während ein Sturm das Haus durchschüttelte, überrannten sie die Erinnerungen. Dieser Ort war voller Erinnerungen an Trevor. Daran zu denken, eines Tages diesen Ort beräumen zu müssen, war überwältigend.

„Zum Gewächshaus geht es hier entlang“, sagte Chantelle.

Emily trat zurück und erlaubte dem Mädchen, das Kommando zu übernehmen. Sie alle folgten ihr durch den Hinterausgang und durch die Glastür des Gewächshauses.

Obwohl Trevor es in seinen letzten Wochen genossen hatte, hier draußen zu sitzen, war das Gewächshaus in einem schrecklichen Zustand. Alle schauten sich um und erkannten die enorme Menge an Arbeit, die getan werden musste, um diesem Ort wieder seinen früheren Glanz zu verleihen.

Chantelle zog ihren Notizblock heraus und fing an, sich Notizen zu machen. „Ich denke, wir brauchen einen Brunnen“, sagte sie. „Und Bänke, damit wir im Sommer hier sitzen und lesen können. Eine Schaukel. Einen Platz, an dem Papa sein Gemüse anbauen kann. Und ein Blumengarten.“

„Ich weiß alles darüber, welche Pflanzen in welchen Klimazonen wachsen“, erzählte Roy Chantelle. „Ich kann dir helfen, die richtigen Sorten auszuwählen.“

Er nahm Chantelle sehr ernst, was Emily erfreute. Er trug sogar ihren Notizblock und den dazu passenden Stift mit der rosa Feder, mit denen er nun die benötigten Sachen aufschrieb.

„An welches Farbschema hast du gedacht?“, fragte Roy sachlich.

„Gelb und Pink“, sagte Chantelle. „Oder Regenbogenfarben.“

„Alles ausgezeichnete Möglichkeiten.“ Er schrieb ein paar Notizen in den Block. „Wir werden neues Glas brauchen“, fügte er hinzu. „Um sicherzustellen, dass dieser Ort wasserdicht ist und um ihn warm zu halten. Willst du einen Ausflug in den Baumarkt machen?“

Chantelle nickte aufgeregt. „Dann können wir zu Raj gehen und die Samen für die Blumen holen.“

„Sag mal, hast du deine eigenen Gartengeräte? Handschuhe? Eine Schürze?“

Chantelle schüttelte den Kopf.

„Dann müssen wir all das auch einkaufen“, erklärte Roy. „Jeder Gärtner braucht sein eigenes Outfit. Du würdest in einem grün-karierten ziemlich großartig aussehen.“

Chantelle grinste und Emily stellte fest, dass sie selbst genauso breit lächelte. Als sie sah, wie sich ihr Vater mit dem Kind durch das Gewächshaus verband, war das ein Moment, den sie für immer schätzen würde. Sie dankte Trevor im Stillen dafür, dass er ihr so ​​ein großzügiges Geschenk gemacht hatte, das nun einen so schönen Moment ermöglichte.

Daniel zerzauste Chantelles Haar. „Komm schon! Ich werde dich und Opa Roy in die Stadt fahren.“

Sie gingen zurück in Trevors Garten, dann überquerten sie den Rasen in Richtung der Einfahrt, wo Daniels Pick-up geparkt war.

„Kommst du auch mit, Emily?“, fragte Chantelle, als sie das Auto erreichten.

Emily öffnete die Hintertür und half ihr hinein. „Ich kann nicht“, erklärte sie. „Ich erwarte Gäste, Amy und Jayne. Du erinnerst dich bestimmt an sie.“

Chantelle verzog das Gesicht. Sie hatte Emilys Freunde in New York City nicht besonders gemocht, als sie das letzte Mal dort gewesen waren. Emily konnte es ihr nicht verdenken. Sie waren keine Kuscheltypen und nicht so ruhig wie Opa Roy.

Emily schloss die Tür und Daniel erweckte den Truck zum Leben.

„Habt Spaß“, rief sie und winkte ihrer Familie zu, als der Truck aus der Einfahrt kroch.

Sie entsprachen vielleicht nicht dem konventionellen Bild einer Familie, aber sie gehörten zu ihr, und das war es, was Emily wichtig war.

Gerade als sie um die Ecke bogen und außer Sichtweite waren, sah Emily, wie Amys Wagen am anderen Ende erschien. Sie hatte plötzlich das seltsame Gefühl, dass, egal, wie verrückt sich die Dinge gestern angefühlt haben mögen, der Wahnsinn gerade erst begonnen hatte.

KAPITEL DREI

„Entschuldigung, wir sind zu spät!“, rief Amy, als sie aus ihrem Auto stieg. „Ich wollte die Fahrt wirklich an einem Tag erledigen, aber es gab ein Problem mit einem unserer japanischen Lieferanten und es hat ewig gedauert.“

„Ein PR-Albtraum“, fügte Jayne hinzu und stieg aus der Beifahrerseite aus. „Hinzu kam die Tatsache, dass wir in einem ekelhaften Motel am Straßenrand übernachten mussten.“

„Ich bin einfach nur froh, dass ihr jetzt hier seid“, erwiderte Emily und umarmte sie beide.

Amy öffnete den Kofferraum und begann, Taschen auszuladen. Sie hatte viel Gepäck mitgebracht, bemerkte Emily.

„Was ist das ganze Zeug?“, fragte Emily und hievte einen Koffer von der Rücksitzbank. Er wog eine Tonne.

„Hochzeitsausstattung“, antwortete Amy. „Farbproben für Farbschemata. Stoffe. Düfte. Alle möglichen Dinge.“

„Aber das ist alles schon organisiert“, protestierte Emily.

Amy rollte mit den Augen. „Du wirst deine Meinung noch andauernd ändern. Bis zur letzten Sekunde. Was für eine Freundin wäre ich, wenn ich nicht für alle Eventualitäten gewappnet wäre?“

Emily lachte. Sie glaubte nicht, dass sie ihre Meinung über irgendetwas ändern würde, aber sie vertraute Amy. Außerdem war ihre Freundin immer glücklicher, wenn sie ein Projekt hatte. So war sie bereits im Teenageralter zu einer erfolgreichen Geschäftsfrau geworden.

„Also, wo ist die Sahneschnitte?“, fragte Jayne.

„Du meinst Daniel?“, antwortete Emily und zog eine ihrer Augenbraue hoch. „Er ist mit Chantelle und meinem Vater in der Stadt. Sie kaufen ein paar Sachen, um das Gewächshaus zu reparieren.“

„Dein Vater, hm“, sagte Jayne und schüttelte den Kopf mit etwas, was Emily von sich selbst als Unglaube kannte. „Als Ames mir erzählte, konnte ich es nicht glauben. Damit hatte ich echt nicht gerechnet.“

Amy warf ihr einen vernichtenden Blick zu.

„Was?“, sagte Jayne verteidigend. „Ich bin eben davon ausgegangen, dass er tot ist.“

In diesem Moment erschien Lois, um ihnen mit ihrem Gepäck zu helfen. Sie zerrte zwei der Koffer hinter sich die Auffahrt entlang und die Verandatreppe hinauf.

„Sie ist immer noch hier?“ Jayne fragte vernehmbar aus einem Mundwinkel. „Ich dachte, du würdest sie feuern.“

Emily schüttelte den Kopf. „Sprich etwas leiser“, zischte sie.

Sie gingen in die Pension und Lois checkte sie ein. „Ich kann Ihnen Ihre Räume zeigen und einige Ihrer Koffer tragen“, sagte sie.

Amy sah beeindruckt aus. „Wenigstens macht sie ihre Arbeit!“, flüsterte sie Emily zu, während Lois anfing, einige der Koffer nach oben zu schleppen.

Emily zuckte zusammen. Sie liebte ihre Freunde, aber sie konnten manchmal unsensibel und unhöflich sein.

„Ich brauche eine Dusche“, sagte Jayne. „Ich muss diesen Motelkeim von meinem Körper waschen!“

Als sie nach oben verschwunden waren, um sich einzurichten und sich frisch zu machen, hörte Emily die Glocke läuten. Sie konnte schon jetzt sagen, dass heute es ein hektischer Tag werden würde. Sie lief die Stufen hinunter und öffnete die Tür.

Eine junge Frau mit schwarzen Locken und einer Brille stand davor. Sie trug lange auffällige Ohrringe und viele Perlenketten, die über einem Schal mit Paisley-Muster hingen.

„Hallo, ich bin Bryony“, sagte sie gut gelaunt und streckte eine Hand aus, die mit Ringen bedeckt war. „Serenas Freundin von der Maine U. Ich bin hier, um das Marketing für deine Webseite zu machen.“ Sie grinste und zeigte eine Lücke zwischen ihren Zähnen.

„Natürlich“, sagte Emily. „Komm rein!“

Bryony wirbelte herein und brachte den Geruch von Weihrauch mit sich. Sie hatte einen Laptopkoffer über der Schulter.

„Ist es okay, wenn ich mich in deinem Empfangszimmer breitmache?“, fragte sie und nickte zur Gäste-Lounge.

„Natürlich. Brauchst du noch etwas?“, erwiderte Emily.

„Das WLAN-Passwort“, antwortete Bryony. „Oh, und ein Kaffee wäre großartig. Kaffee ist mein Lebenselixier.“

„Da geht’s mir wie dir“, antwortete Emily.

Sie holte Bryony Kaffee, hatte aber keine große Chance, weiter mit ihr zu reden, denn es klingelte erneut. Sie öffnete die Tür.

Diesmal war es ein schlanker Mann in Lederhosen, der vor ihrer Haustür stand. Unter seinem Filzhut hatte er lange Haare, und seine Augen waren mit einer Sonnenbrille bedeckt. Sie wusste, dass einige von Daniels Freunden heute ankommen sollten, aber dieser Mann sah nicht so aus, wie sie es von einem Freund von Daniel erwarten würde.

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte Emily.

„Ich habe ein Zimmer gebucht“, sagte der Mann. Er schien ziemlich von sich überzeugt und triefte vor Selbstvertrauen.

Als Emily ihn nach drinnen führte und hinter die Rezeption ging, hörte sie ein Flüstern aus einem der Zimmer kommen. Sie sah hinter sich und sah Marnie, Vanessa und Tracey, die kichernd hinter der Küchentür hervorlugten.

Als Emily zurückkehrte, sah sie, dass der Mann seine Sonnenbrille abgenommen hatte, und zu ihrer Überraschung starrte sie auf ein sehr vertrautes Gesicht. Es war der berühmte Sänger Roman Westbrook.

„Herr Westbrook?“, sagte Emily, während sie versuchte, ihre Fassung zu bewahren, aber gleichzeitig ausflippte. Zu denken, dass ihr kleines B & B Gastgeber für jemanden sein könnte, der so berühmt ist! Sie war wirklich weit gekommen!

„Sie können Roman zu mir sagen.“

Emily spürte, wie ein Blitz der Erregung sie durchfuhr.

„Sie haben für zwei Wochen unser Cottage gebucht“, las sie laut vom Monitor ab. Sie sah, dass Serena die Buchung getätigt hatte und fragte sich, warum in aller Welt ihre Freundin die Informationen, dass ein berühmter Sängers bei ihr absteigen würde, nicht mit ihr geteilt hatte. Es war sehr unwahrscheinlich, dass Serena nicht wusste, wer Roman Westbrook war. Sie musste es geheim gehalten haben, um sie zu überraschen.

Emily drehte sich um und bemerkte, dass ihre Finger zitterten, als sie denn Schlüssel zum Cottage vom Brett nahm. Hinter der Küchentür erblickte sie Marnie, Vanessa und Tracey, die immer noch mit großen Augen und kichernd zusahen. Emily warf ihnen ein überraschtes und aufgeregtes Grinsen zu.

In diesem Moment erschien Lois am oberen Ende der Treppe, nachdem sie Amy und Jayne in ihre Räume gebracht hatte. Sie blieb auf der Treppe stehen, als sie Roman Westbrook im Flur stehen sah und ihre Augen wurden so groß wie Untertassen.

 

Emily kämpfte mit sich, um die Fassung zu bewahren, wandte sich an Roman und lächelte ein, wie sie hoffte, professionelles Gastgeber-Lächeln. „Wenn Sie mir bitte folgen würden, ich werde Ihnen alles zeigen.“

Sie führte ihn durch den Korridor und durch den Haupteingang hinaus und drehte sich um, um nachzusehen, ob Lois noch auf der Treppe festgefroren war. Vanessa, Marnie und Tracey waren alle aus der Küche gekommen und hatten sich auf Zehenspitzen so dicht hinter ihnen hergeschlichen, wie sie es gewagt hatten, und kicherten wie ein Haufen Schulmädchen. Lois galoppierte die Treppe hinunter und gesellte sich zu ihnen, flüsterte aufgeregt hinter ihrer Hand.

Emily führte Roman den Weg entlang zum Kutschenhaus und ihr Herz flatterte jedes Mal, wenn sie sich erlaubte, darüber nachzudenken, mit wem sie gerade herumlief. Als sie die Tür erreicht hatte, öffnete sie diese in ihrer Aufregung ein wenig ungeschickt und bedeutete dann Roman, hereinzukommen.

„Das passt“, sagte Roman und sah sich mit einem zufriedenen Nicken in dem Gäste-Apartment um.

Emily war aufgeregt, als sie begriff, dass ihr kleines Pension gut genug für einen Popstar wie Roman Westbrook war! Es war fast so, als würde sie träumen.

Sie zeigte ihm das Schlafzimmer und das Badezimmer, sowie einige der Annehmlichkeiten, die er während seines Aufenthalts zur Verfügung hatte, kniff sich dabei die ganze Zeit und dachte: Habe ich wirklich gerade Roman Westbrook den Waschtrockner / den Ofen / die Kaffeemaschine gezeigt? Passiert das gerade wirklich?

Als es an der Zeit war, ihm seinen Schlüssel zu geben und sich dabei ihre Finger streiften, hatte Emily so wackelige Knie wie ein Teenager. Es passierte nicht jeden Tag das man Haut-zu-Haut-Kontakt mit einem berühmten Popstar hatte!

„Ich werde Sie sich jetzt in Ruhe einrichten lassen“, sagte Emily. „Das große Haus ist immer offen für Gäste, also zögern Sie nicht herein zu kommen, wann immer Sie wollen. Wir haben eine Bar und Gäste-Lounge.“

Roman warf ihr eines seiner berühmten Lächeln zu.

Sie wirbelte aus dem Kutscherhaus, fühlte sich leicht, als würde sich in der Luft schweben und eilte zurück in die Pension, um die Freude an dem Erlebnis mit ihren Mitarbeitern zu teilen.

Als sie ins Pension zurückkam, fand sie die vier immer noch kichernd vor.

Lois war neben dem Computer. „Serena hat ihn gebucht“, verkündete sie. „Ich wette, sie hat kein Wort gesagt, weil sie uns überraschen wollte.“

„Nun, das hat funktioniert“, lachte Marnie und gesellte sich zu Lois. Sie zeigte begeistert auf den Monitor. „Oh mein Gott! Er ist für zwei Wochen hier!“

„Das heißt, er wird während der Hochzeit hier sein!“, quietschte Lois.

Alle fingen vor Aufregung an zu jubeln und zu schreien.

„Ich frage mich, warum er in der Stadt ist“, sagte Tracey.

„Es kann kein Urlaub sein“, fügte Marnie hinzu. „Er könnte überall auf der Welt Urlaub machen. Ich bezweifle, dass er dafür hierherkommen würde.“

„Vielleicht nimmt er hier sein neues Album auf?“, vermutete Tracey.

„In welchem ​​Aufnahmestudio?“, rief Vanessa aus.

„Vielleicht dreht er ein Video!“, rief Lois und wurde noch aufgeregter. „Und wir werden alle zu Komparsen!“

Die Glocke läutete noch einmal, aber die Mädchen waren so verloren in ihrer Unterhaltung, die sie nicht einmal zu hören schienen; Wenigstens nahm Emily das an, weil keiner von ihnen sich bewegte. Also war es an ihr, zur Tür zu gehen.

Zu dem Hintergrundgeräusch ihres schwatzenden weiblichen Personals öffnete sie die Tür und sah drei Männer auf der Stufe stehen. Stämmig. Tätowiert. Rau aussehend, in verblichenen Jeans und geflickten Lederjacken. Emily fragte sich, ob sie Teil von Roman Westwoods Gefolge waren. Sicherheitsleute oder so etwas. Sie sahen mit Sicherheit nicht so aus, als wären sie hier, um die malerische Stimmung am Meer zu genießen.

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie.

„Wir sind wegen Daniel da“, sagte einer von ihnen. „Er heiratet eine Braut aus New York City!“

Sie begannen zu lachen.

„Wir sind seine Freunde“, fügte einer hinzu. „Seine Trauzeugen.“

Emily spürte, wie sich in ihr Blut aus dem Gesicht wich. Das waren Daniels Schulfreunde? Die, die sie ihn gedrängt hatte, einzuladen? Diejenigen, die in der Hochzeitsgesellschaft sein würden?

Sie öffnete den Mund, um ihnen zu sagen, dass sie reinkommen sollte, aber ihre Stimme versagte vollkommen. Alles, was sie schaffte, war ein schrilles Quietschen und ein schwaches Lächeln.