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Die Höhlenkinder im Steinhaus

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Die Höhlenkinder im Steinhaus
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Einander gut sein bis zum Tod

Peters Genesung zog sich länger hin, als Eva geglaubt hatte. Mehr als der Blutverlust schwächte ihn der dauernde Aufenthalt im geschlossenen Raum. Sein Schlafbedürfnis war geschwunden, er lebte in einem Zustand unruhigen Wachträumens, sprach mit sich selber, war einmal am Verzweifeln und ein anderes Mal voller Hoffnungen und Pläne, was er erfinden und arbeiten wollte. Das spröde Grauzeug, das sich in den Ofenschlacken gezeigt hatte, weil er das braune Sumpferz als Baustein verwendet hatte, wollte er schmiedbar machen. Vielleicht war das das Eisen, aus dem Ähnls harte Messer und Beile, die Säge und die Sichel bestanden hatten, die nun mit dem Alten unter den Trümmern des Steinschlags in der Klamm lagen. Peters Worte klangen so klug, so wohlüberlegt, daß Eva weinen mußte, wenn sie an die Möglichkeit dachte, der flackernde Geist des Erfinders könnte verlöschen.

Kaum war der frühzeitig gefallene Schnee verschwunden, zog Eva mit ihrem flachen Besenrechen, der gelegentlich auch als Heugabel diente, aus, das abgeworfene Laub zu sammeln, Trockenfutter für die Scheckin. Zum Befördern flocht sie an einem Regentag einen hohen geräumigen Buckelkorb, den sie an Fellstreifen über die Schultern hängen konnte. Beim Laubrechen fand sie eine Menge abgefallener Nüsse, Kastanien, Mispeln, Beeren, auch Holzbirnen und zwei abgeworfene Rehkrickel. Sie breitete die Früchte zum Trocknen auf den Fußböden der drei Hütten aus, später wollte sie sie nach und nach auf erhitzten Steinplatten dörren.

Endlich, zur Zeit der ersten Fröste, besserte sich Peters Zustand, seine Eßlust nahm zu, sein Schlaf wurde ruhiger. Die Ziege hatte längst aufgehört, Milch zu geben, und Eva mußte für Peter allerlei dünne Suppen kochen. Als Zukost reichte sie gebratene Kastanien. Als die Scheckin unausgesetzt meckerte, weil sie das Eingesperrtsein nicht gewöhnt war, brachte Eva die Geiß auf die Grableiten und band sie an eine krumme Föhre, an der sie äsen sollte. Die Scheckin meckerte trotzdem weiter; ihr Geschrei wurde von den Mischlingen gehört, den Nachkommen der zahmen Geiß, die einst die Ahnl bei ihrer Flucht in den Heimlichen Grund mitgebracht hatte, und von den Steinböcken im Gewand. Und als Eva das dritte Mal ihre Scheckin heimholen kam, fand sie oberhalb der Föhre gröbere Losung, offenbar von einem Bock. Von da an wurde die Geiß wieder ruhig und erfreute ihre Pflegerin durch einen gesegneten Appetit. Die Tageszeit, die Eva für Außenarbeiten nützte, verschlief Peter oder verträumte sie wachend.

Wenn Eva dann, von der Tagesarbeit erschöpft, sich zu ihm setzte und von der Zukunft sprach, wie sie ihr vorschwebte, da überbot er sie an Plänen. Die Siedlung im Pfahlbau werde er durch ein neues Heim ersetzen — die Hüttenwände zeigten ja vielfach Risse im Lehmbelag. Ihr ganzes Gefüge war durch die wachsenden Eckbäume gelockert.

Die toten Pfähle neben ihnen wuchsen nicht mit. Die Sonnige Leiten am Fuß der Südwand, in deren Höhlen die Bären hausten, war für Peter ein Ort der Sehnsucht geworden. Dort, wo im Schutz der Südwand keine Lawinengefahr drohte, wo die Tage milder waren als im Talgrund, reiften die Kastanien, die Walnüsse, die Mispeln, Quitten, Wildbirnen und Wildäpfel. Er beneidete die Bären um den besten Platz an der Sonne, und er haßte sie als gefährliche Mitbewohner des Heimlichen Grunds. Mitten im Winter, wenn sie in den Höhlen schliefen, werde er sie mit Feuer und Rauch vertreiben. Ja, und dann wolle er die Bärenhöhlen durch einen starken Vorbau nach außen erweitern und dort mit Eva hausen. Ja, so werde es sein ... Eva wußte, daß der Genesende seine Kräfte überschätzte, aber sie widersprach ihm mit keinem Wort.

Am nächsten Tag schneite es, da verließ Peter zum erstenmal die Hütte. Er freute sich an den Spuren, die er, den Hofzaun entlanggehend, im Neuschnee hinterließ. Spurschnee! Jagdzeit!

Vor dem Lagerplatz der Ziege, die nur durch das vorspringende Dach und eine Wand vor dem Schnee geschützt war, blieb Peter stehen. Die langentbehrte frische, prickelnde Luft berauschte ihn; er war länger im Freien geblieben, als ihm zuträglich war, ein Rückfall seiner körperlichen Schwäche blieb nicht aus.

Widerstrebend ergab er sich darein, die beste Jagdzeit ungenützt verstreichen zu lassen. Inzwischen schmolz der Schnee; Nachtfröste setzten ein, denen das letzte Laub erlag. Als wieder frostfreie Tage kamen, erholte sich Peter wenigstens soweit, daß er mit Evas Netzen in der Umgebung des Pfahlbaus fischen konnte. Ja, eines Tages unternahm er in voller Jagdausrüstung, begleitet von Schnapp, eine Floßfahrt nach der Moorleiten.

Als Beute brachte er einen lebenden Igel heim, den Schnapp in einem hohlen Baum schlafend gefunden hatte. Eva schlug vor Staunen die Hände über dem Kopf zusammen. Sie tippte Peter mit dem Finger an die Stirn: »Ja, bist du denn nicht gescheit? Soll ich dir den Igel braten?«

»Nein, nicht braten, der bleibt am Leben. Die Ahnl hat auch einen Igel im Stall gehabt. Der fängt die Mäuse weg und das Ungeziefer!«

Der Igel gewöhnte sich bald an seine neue Umgebung, verschlief die Tage, strolchte nachts umher und durchstöberte jeden Winkel nach Asseln und anderem Kleingetier.

Nach wenigen Tagen stellte er sich, wenn Eva das Essen brachte, als Bettler bei ihr ein und kratzte mit den Vorderpfoten an ihren Fußknöcheln. Mit einem Happen Fischfleisch, den sie ihm reichte, trollte er sich, kehrte aber bald wieder zurück und ließ seine kleine rosige Zunge spielen. Hielt Eva aber einen Bissen zu hoch, so wurde er zornig und fauchte gewaltig, als wäre er wer weiß wie groß.

An milden Wintertagen, an denen das Herdfeuer die Stube genügend erwärmte, saß Eva am Webstuhl. Aber die abgenützte Webwalze machte die Arbeit zur Qual. Peter begann, einen neuen Webstuhl zu bauen, zuerst ein vierbeiniges Gestell zum Auflegen des Rahmens, so daß Eva von oben auf die liegend gespannten Schichten der Einser- und Zweierfäden sehen und die Webnadel leicht durch die Fadenfächer hin und her führen konnte. Aber an die Webwalze wollte er nicht heran. Das Fadenheben beim Fachwechsel mußte anders gehen, fand er.

Je mehr Peter sich in die neue Aufgabe vertiefte, desto häufiger verbrachte er die Zeit zwischen den Mahlzeiten allein in seiner Pfahlhütte, wo er mit Holzkohle auf Mergelplatten allerlei Entwürfe zeichnete. Er kehrte zum Schiebekamm zurück, bei dem an den Enden der Zinken die Zweierfäden befestigt waren. Aber statt der groben Zinken, mit denen sich die Bastfäden nur locker verweben ließen, wollte Peter dicht gereihte, dünne Zinken verwenden. Das brauchten keine hölzernen zu sein, es konnten auch Fadenschlingen sein, die am Kammstab festgebunden wurden und die Zweierfäden so unterfingen, daß diese hochgehen mußten, wenn der Kammstab in die Höhe gezogen wurde.

Zunächst baute Peter aus vier daumendicken Stäben einen Webrahmen, so breit wie eine halbe Armlänge. Die Längsseiten machte er dreimal so lang. Die Längsfäden wickelte er der Länge nach um den Rahmen, so daß eine Lage Fäden über dem Rahmen, die andere unter ihm eine Schicht bildeten. Die oberen Fäden sollten als Einserfäden in gleicher Lage bleiben, die unteren als Zweierfäden gehoben und gesenkt werden.

Dann schnitt er den Kammstab zurecht, lang genug, um quer auf beiden Längsseiten des Rahmens aufzuliegen. In der Hochstellung konnte er durch untergeschobene Klötze gehalten werden. Hierauf knüpfte Peter zunächst einen Faden ans linke Ende des Kammstabes, zog ihn hinter dem ersten oberen Längsfaden herunter, unterfing mit ihm den ersten unteren Längsfaden, zog ihn zwischen dem ersten und zweiten Einserfaden wieder hinauf und knüpfte ihn so an dem Kammstab fest, daß der untere Längsfaden in einer fingerlangen Schlinge ruhte; dies wiederholte er der Reihe nach, bis die Schiingenführung jedes unteren Längsfadens zwischen zwei oberen Längsfaden durchging und alle Schlingen oben am Kammstab festgeknüpft waren. Jetzt lagen alle Einserfäden in den Zwischenräumen der Fadenzinken.

Nun zog er mit der Linken den Kammstab hoch und sah mit Freude, daß alle unteren Längsfäden gleichzeitig von den Zinken emporgezogen wurden, so daß sie sich an zwei Stellen mit den oberen Längsfäden kreuzten. Hinter und vor jeder Kreuzung bildeten die Fäden je ein Fach. Quer durch dieses Fach führte Peter die lange Webnadel mit dem der Länge nach aufgewickelten Arbeitsfaden, den er an den ersten Einserfaden geknüpft hatte.

Als er aber den Kammstab senkte, blieben die Zweierfäden mit den Einsern fast in gleicher Höhe, und sie sollten doch wieder hinuntergehen und den Arbeitsfaden überkreuzen und von ihm ein neues Fach bilden! Da half Peter nach, indem er seine Rechte am oberen Ende des Rahmens ins Fach zwischen die beiden Fadenschichten schob und so die Zweierfäden hinunterzwang. Durch das Fach, das nun vor der neuen Fadenkreuzung entstanden war, zog er wieder den Arbeitsfaden ein. Das Gewebe wuchs! Weil aber die Gänge des Arbeitsfadens zu weit voneinander eingezogen waren, mußten sie mit dem Anschlagkamm aneinandergeschoben werden.

Endlich war der Erfinder mit dem neuen Gerät zufrieden und übergab es Eva. Sie machte große Augen, dankte und sprach vor sich hin: »So hab ich‘s mir auch gedacht.« Peter mußte lachen. Sie hatte sich‘s auch so gedacht! Mehr als ihr karger Dank freute ihn, daß sie sofort zu weben begann. Es ging so lange gut, bis die vom Zug des Webkammes gedehnten Zweierfäden schlaff wurden. Da half sie sich, indem sie alles Garn mit einem klebrigen Brei aus Kastanienmehl und Wasser anfeuchtete und trocknen ließ. Das machte die Fäden straffer und widerstandsfähiger. Was sie dann mit Geduld und Sorgfalt zustande brachte, war ein steifes Gewebe von der Breite einer Armlänge. Solche Webstücke konnte sie aneinandernähen und Kleider daraus machen! Vorher aber mußte das Gewebe durch Bürsten mit Weberkarden aufgerauht und der trockene Kleister daraus entfernt werden. Jetzt erst war das Zeug geschmeidig und dicht.

 

Peter trachtete, die ungleiche Spannung des Garns überhaupt zu verhindern. Unverdrossen baute er einen neuen Webrahmen, dessen Breitenhölzer an den Enden Falze bekamen. Mit diesen umfaßten sie die Innenseiten der Längshölzer und konnten an ihnen nach außen geschoben und durch Holznägel festgesteckt werden.

* * *

Der rauhe Winter war schon fast vorbei. Die untergehende Sonne hatte sich dem Winterhorn genähert, und der Tag der Sonnwende stand bevor. Die Eisdecken des Moorsees und des Klammbachsees gleißten im Widerschein des tiefstehenden Sonnenballs. Peter, der sich nun ganz gesund fühlte, rüstete sich, die Bären zu belagern und erging sich in großartigen Reden. Schon teilte er die Bärenfelle zwischen Eva und sich.

Da nahm sie sich ein Herz, faßte seine Rechte mit beiden Händen und sprach mit einem Ernst, der ihn aufhorchen ließ: »Die Sonne ist am Winterhorn. Morgen ist Sonnwend. Komm mit mir nach den alten Höhlen. Dort zünd ein Feuer an, und vor dem Sonnenbild dank dem Herrgott, daß er dich und mich erhalten hat.«

Peters Gesicht hellte sich auf.

»Und dort sag laut, daß du immer mit mir gut sein willst — immer gut, hörst du? Auch ich werde geloben, daß ich dein gutes Weib sein werde, solange ich lebe. Sag, Peter, willst?«

Da drückte er ihre Rechte, und mit aller Entschlossenheit sprach er schlicht und laut: »Ja, Eva!«

Am nächsten Tage fuhren sie, mit ihren besten Pelzen angetan, über die blanke Eisdecke des Klammbachsees. Eva saß auf dem Schlitten, die Stirnbinde mit bunten Federn und Ebereschendolden geschmückt, vor sich den Feuertopf, dem bläulicher, nach Wacholderbeeren duftender Rauch entstieg; und Peter lief auf seinen knöchernen Schlittschuhen hinter dem Schlitten her. Er trieb ihn vorwärts, die Arme gegen die Rückenlehne gestemmt, die er aus einem armdicken Waldrebenbogen hergestellt hatte.

Am Sonnstein angelangt, verließen sie das Eis, sammelten am Rande des Urwalds dürres Holz und schichteten es vor den alten Höhlen auf. Als der feurige Sonnenball sich zum Gipfel des Winterhorns senkte, züngelten die ersten Flammen an den harzigen Nadeln empor. Gerötet vom Widerschein der untergehenden Sonne, umweht vom würzig duftenden, bläulichen Rauch standen die groß gewordenen Kinder des Heimlichen Grunds Hand in Hand. Dann stiegen sie zum Heiligtum in Evas alter Höhle auf.

Vor dem Sonnenbild knieten sie nieder.

Eva begann feierlich vorzusprechen, und Peter sprach ihr Satz für Satz nach: »Gott, du hast uns vor den Menschen da draußen errettet — wir danken dir. Du hast uns am Leben erhalten, als die Wasser kamen — wir danken dir. Du hast uns die Gewalt gegeben, uns der Bären und der Geier zu erwehren — wir danken dir!

Vater! Wir sehen dich nicht, aber wir sehen, was du hast werden lassen und werden läßt. So erkennen wir dich. Du gibst allen deinen Geschöpfen Licht und Wärme durch deine Sonne.

Dein Hauch bringt die Wolken. Sie tränken die Erde und laben alles Lebendige. Du läßt alle satt werden von dem, was du erschaffen hast. Dein Atem durchweht auch uns. Du willst das Leben und liebst alles Lebendige. Du bist unser Vater, wir sind deine Kinder. Wir lieben dich, wir wollen, daß du an uns Freude habest. Darum tun wir, was dein Wille ist. Wie du gut bist zu allem, was da lebt, wollen auch wir gut sein einer dem andern. Was dem einen gehört, gehöre dem andern. — In Arbeit, in Schmerz und Leid wollen wir uns beistehen bis zum Tode!«

Eva faßte Peters Rechte und hielt sie umklammert. Seine Hand erwiderte den Druck der ihren. Peter und Eva küßten sich.

So war vor Gott der Ehebund geschlossen worden.

Feuer dran!

Von nun an lebte Eva als Peters Frau in seiner geräumigen Hütte. Ihr verlassenes Heim diente als Vorratshaus für Heu und Brennholz. Da Peter sich Evas Fröhlichkeit erhalten wollte, achtete er auf ihr Mienenspiel. Aus ihrem Gesicht las er unwillkürlich Zustimmung oder Ablehnung. Evas Gefühl für das, was sich gehört, ging auch in Peters Wesen über. Ihrem Sinn für das Schöne, von dem ja Ordnung und Sauberkeit untrennbar sind, versuchte Peter sich anzupassen. Der tägliche Gebrauch von Seifenbrei und Kamm wurde auch ihm zum Bedürfnis. Beim Essen aus gemeinsamer Schüssel strich er sich das Mus nicht mehr mit der Hand in den Mund, sondern benützte den plumpen irdenen Löffel. Auch die Fleischbrocken schob er nicht mehr mit der Hand in den Mund, sondern spießte sie auf ein spitzes Stäbchen. Wenn Eva morgens und abends mit Gott und den Ahnen Zwiesprache hielt, war Peter zwar nur schweigsamer Gefährte, aber er dachte mit, was sie sprach, und wurde unter Evas Einfluß anders, ruhiger, ordentlicher.

Sein niederes Bett, unter dem noch nie hervorgekehrt worden war, so daß der Igel dort stets erfolgreich nach Asseln gejagt hatte, ersetzte Peter durch ein kniehohes, vierbeiniges Bettgestell. Unter dem konnte Eva täglich saubermachen. Für die Koch- und Vorratsgefäße brachte er an der Wand breite Borde an, die er mit seinen Bronzekeilen aus Fichtenholz gespalten und mit der Axt behauen hatte. Damit die Asche nicht mehr im Wohnraum herumlag und zertreten wurde, führte er um die Feuerstelle eine fast kniehohe Mauer auf. Im Herdwinkel stellte er die Bildstöckel der Ahnen auf und hängte die brennende Ampel davor. Während Eva alle Risse im Lehmbelag der Wände verstrich, bereitete er aus gebranntem Kalk einen Topf voll Kalkmilch, mit der sie den Anstrich der Wände erneuerte. Am Herd fügte er zwei Bänke im Winkel aneinander. Die Mergelscheibe, die ihm bisher als Tischplatte gedient hatte, wenn er, auf dem Boden hockend, aß, versah er mit vier hüfthohen Füßen und stellte den so entstandenen Tisch vor den Bänken auf; ein warmer, bequemer Platz zum Arbeiten, Essen und Schwätzen war geschaffen.

Fröhlich verrichtete Eva ihre häuslichen Arbeiten. Als Peter seine Jagdgänge wieder aufnahm, gab es frisches Wildbret, einmal sogar eine Wildgans, die er über dem Moor abgeschossen hatte. Seit Eva Peters Frau war, bereitete sie die Mahlzeiten mit erfinderischer Liebe, denn ihr Mann hielt viel auf gutes Essen. Ob sie auf dem flachen Mahlstein den granitenen Quetscher über Kastanien oder Schwadenkorn hin und her führte, ob sie mit dem Küchenschlegel Fleisch weichklopfte oder, vor dem Herde kauernd, mit einem Gänseflügel die Glut anfachte, sie freute sich darauf, ihren Mann schmausen zu sehen.

Bald kamen Stürme auf, die schwer lastende Schneemassen antrieben. Das Dach der Wohnstube bog sich durch, und der Schilfhut über dem Rauchloch wurde abgerissen.

Höchste Zeit, ein anderes, besseres Heim zu finden! Peter entschloß sich, die Bärenhöhlen zu erobern. Ehe er daran ging, die noch im Winterschlaf befangenen Bewohner durch Feuer und Rauch zu ersticken oder zu vertreiben, forschte er nach, ob die Höhlen irgendwo oben noch einen Ausgang hätten. Vom Moorbachursprung kletterte er mühsam über die Schichten der Kalkfelsen und gelangte an ein verlassenes schmales Bachbett, das sich nach rechts, den Bärenhöhlen zu, senkte. Je weiter er darin abwärts ging, desto dünner wurde die Schneedecke des Geröllbodens. Dort, wo das Rinnsal in einen Felsspalt mündete, war aller Schnee weggeschmolzen. Aus dem unten breiteren, oben schmaleren Durchlaß stieg ein lauer Hauch herauf; er roch nach schimmeliger Losung.

Aha, diese Windluke da war der obere Ausgang der Bärenhöhlen! Vergebens versuchte Peter, auf allen vieren kriechend, sich hier durchzuzwängen. Wenn er in der untersten Höhle ein Feuer anfachte, könnten die vor dem Gluthauch flüchtenden Bären wohl bis hierher gelangen, aber hinaus könnten sie nicht, auch unten nicht; denn kein Tier geht durch Feuer! In Gedanken versunken, machte sich Peter auf den Heimweg.

Föhnwetter brachte einen warmen Tag. Schnee und Eis wurden zu Matsch. Dann aber setzte dichtes Schneetreiben ein, unaufhörlich fielen die Flocken.

In einer grauenvollen Nacht, als Gestänge, Geflecht und Gebinde des Pfahlbaus, von wuchtigen Sturmstößen erschüttert, kreischten und ächzten, saßen Eva und Peter in Pelze gehüllt auf dem Bettrand, in Ängsten wachend. Sie lauerten auf den Augenblick, wo die baufällig gewordene Hütte zusammenkrachen und vom Sturm davongetragen würde. Eng an Peter geschmiegt, starrte Eva ins Licht der Ampel, das nur matt durch das Gehäuse aus Schweinsblase schimmerte. Sie fühlte die Spannung in Peters Armen. Er war entschlossen, sich dem stürzenden Dach entgegenzustemmen und seine Frau vor dem drohenden Tode zu bewahren oder mit ihr zu sterben. Müde vom Harren, Bangen und Lauern, schlummerten die beiden ein und merkten nicht, daß es draußen still wurde. Als Eva, frostgeschüttelt, im Morgengrauen erwachte, löste sie sich sacht aus Peters Umarmung. Sie sah die Tür klaffen und trat ins Freie — es war windstill.

Vom farblosen Himmel blinzelten die Sterne verblassend durch dünne Wolkenfetzen, die, in einem hohen Luftstrom schwimmend, von den Salzwänden her nach den Hochgipfeln jenseits der Klamm flogen. Eva rüttelte den Schläfer wach: »Peter, Peter, es friert!« Der Schlaftrunkene begriff nicht gleich. Kaum aber hatte er sich vergewissert, daß trockener Frost eingesetzt hatte, sagte er frisch, als hätte er die ganze Nacht geruht: »Jetzt wird‘s richtig! Wenn‘s friert, schlafen die Bären in ihren Höhlen, und heut noch räuchere ich sie aus!«

Vergnügt bereitete Eva das Frühstück: zwei geräucherte Forellen, einen Topf Eichelbrühe, den sie mit Honig süßte, und zwei Hände voll Kastanien. Das heiß genossene Frühmahl wärmte sie, und von neuer Zuversicht erfüllt, bestiegen sie das Floß und fuhren, durch die dünne Eisdecke brechend, mit Feuerkorb und Schlitten zur Triftleiten hinüber und stiegen quer durch den Eichwald zu den Bärenhöhlen hinauf. Unterwegs beluden sie den Schlitten mit dürrem Fichtenreisig und belegten damit den Boden der untersten Höhle. Vom Walde holten sie abgestorbene Äste, Moderholz und feuchtes Laub. Damit füllten sie die Höhlen bis zur Decke; denn es sollte nicht nur ein starkes Feuer werden, sondern auch viel stinkenden Rauch geben. An drei Stellen stopfte Peter Bäusche von fettgetränktem Nesselwerg zwischen die Fichtenreiser der Bodenauflage, nahm glimmende Holzkohlen aus dem Feuerkorb und legte sie ins Nesselwerg. Es fing Feuer. Knisternd leckten die Flammen an Reisig und Ästen. Eva kehrte mit dem Schlitten heim.

Langsam entwickelte sich gelber Qualm, da und dort flammte ein Zweig Nadelholz auf. Weil die Höhle hoch oben einen Ausgang hatte, saugte sie die Rauchmassen an. Hoch und breit bis zur Decke und den Seitenwänden loderte das Feuer im ganzen Höhlenraum. Vor seinem heißen Atem wich Peter bis an den Waldrand zurück. Da begann es sachte zu schneien. Unbekümmert um den dichter fallenden Schnee, starrte Peter auf das qualmende Feuer, den Jagdspeer wurfbereit in der Hand. Nichts rührte sich. Falls die Bären nicht schlafend erstickt waren, mußten sie vor dem Gluthauch und Qualm zur Windluke fliehen! Nichts zeigte sich. Gegen Mittag entschloß sich Peter zum Heimgehen. Das Feuer mochte noch lange fortbrennen, das Moderholz noch lange glimmen und qualmen.

Als er drei Tage später, mit Pechfackeln und Beil wohlversehen, die verrußten Höhlen durchstöberte, fand er darin fünf tote Bären; zwei davon waren aufrechtstehend erstarrt, festgeklemmt im Spalt der Windluke. Nach Peters Ansicht waren alle Bären vernichtet. Peter eilte mit der guten Kunde heimwärts. Lehm- und rußverschmiert, wie er war, schloß er Eva im Taumel der Freude in seine Arme, dann mußte sie mit ihm nach den Bärenhöhlen.

Als die beiden die eroberten Behausungen daraufhin ansahen, wie sie sich wohnlich einrichten ließen, entsprach keine ihren Anforderungen. Den oberen fehlte es an Licht, und die unterste hatte einen viel zu abschüssigen Felsboden. Dennoch zogen sie in aller Eile ein, weil Peter sofort einen Vorbau errichten wollte, der nur eine Erweiterung der Höhlen zu sein brauchte.