Erziehungskunst I

Text
Read preview
Mark as finished
How to read the book after purchase
Font:Smaller АаLarger Aa

Zweiter Vortrag
22. AUGUST 1919, STUTTGART

Jeder Unterricht in der Zukunft wird gebaut werden müssen auf eine wirkliche Psychologie, welche herausgeholt ist aus anthroposophischer Welterkenntnis. Dass der Unterricht und das Erziehungswesen überhaupt auf Psychologie gebaut werden müsse, erkannte man selbstverständlich an den verschiedensten Orten, und Sie wissen ja wohl, dass zum Beispiel die in der Vergangenheit in sehr weiten Kreisen wirkende Herbartsche Pädagogik ihre Erziehungsmaßnahmen auf die Herbartsche Psychologie aufgebaut hat. Nun liegt heute und auch in der Vergangenheit der letzten Jahrhunderte eine gewisse Tatsache vor, welche eigentlich eine wirkliche, eine brauchbare Psychologie gar nicht aufkommen ließ. Das muss darauf zurückgeführt werden, dass in dem Zeitalter, in welchem wir jetzt sind, in dem Bewusstseinsseelenzeitalter, bisher noch nicht eine solche geistige Vertiefung erreicht worden ist, dass man wirklich zu einer tatsächlichen Erfassung der menschlichen Seele hätte kommen können. Diejenigen Begriffe aber, die man sich früher auf psychologischem Gebiete, auf dem Gebiete der Seelenkunde gebildet hatte aus dem alten Wissen noch des vierten nachatlantischen Zeitraumes heraus, diese Begriffe sind eigentlich heute mehr oder weniger inhaltleer, sind zur Phrase geworden. Wer heute irgendeine Psychologie oder auch nur irgend etwas in die Hand nimmt, das mit Psychologiebegriffen zu tun hat, der wird finden, dass ein wirklicher Inhalt heute in solchen Schriftwerken nicht mehr drinnen ist. Man hat das Gefühl, dass die Psychologen nur mit Begriffen spielen. Wer entwickelt heute zum Beispiel einen richtigen deutlichen Begriff von dem, was Vorstellung, was Wille ist? Sie können heute Definition nach Definition aus Psychologien und Pädagogiken nehmen über Vorstellung, über Wille: eine eigentliche Vorstellung über die Vorstellung, eine eigentliche Vorstellung vom Willen werden Ihnen diese Definitionen nicht geben können. Man hat eben vollständig versäumt – natürlich aus einer äußeren geschichtlichen Notwendigkeit heraus, den einzelnen Menschen anzuschließen auch seelisch an das ganze Weltenall. Man war nicht imstande zu begreifen, wie das Seelische des Menschen in Zusammenhang steht mit dem ganzen Weltenall. Erst dann, wenn man den Zusammenhang des einzelnen Menschen mit dem ganzen Weltenall ins Auge fassen kann, ergibt sich ja eine Idee von der Wesenheit Mensch als solcher. Sehen wir einmal auf das, was man gewöhnlich die Vorstellung nennt. Wir müssen ja Vorstellen, Fühlen und Wollen bei den Kindern entwickeln. Also wir müssen zunächst für uns einen deutlichen Begriff gewinnen von dem, was Vorstellung ist. Wer wirklich unbefangen das anschaut, was als Vorstellung im Menschen lebt, dem wird wohl sogleich der Bildcharakter der Vorstellung auffallen: Vorstellung hat einen Bildcharakter. Und wer einen Seins-Charakter in der Vorstellung sucht, wer eine wirkliche Existenz in der Vorstellung sucht, der gibt sich einer großen Illusion hin. Was sollte für uns aber auch Vorstellung sein, wenn sie ein Sein wäre? Wir haben zweifellos auch SeinsElemente in uns. Nehmen Sie nur unsere leiblichen SeinsElemente, nehmen Sie nur das, was ich jetzt sage, ganz grob: zum Beispiel Ihre Augen, die Seins-Elemente sind, Ihre Nase, die ein Seins-Element ist, oder auch Ihren Magen, der ein SeinsElement ist. Sie werden sich sagen, in diesen Seins-Elementen leben Sie zwar, aber Sie können mit ihnen nicht vorstellen. Sie fließen mit Ihrem eigenen Wesen in die Seins-Elemente aus, Sie identifizieren sich mit den Seins-Elementen. Gerade das ergibt die Möglichkeit, dass wir mit den Vorstellungen etwas ergreifen, etwas erfassen können, dass sie Bildcharakter haben, dass sie nicht so mit uns zusammenfließen, dass wir in ihnen sind. Sie sind also eigentlich nicht, sie sind bloße Bilder. Es ist der große Fehler gerade im Ausgang der letzten Entwicklungsepoche der Menschheit in den letzten Jahrhunderten gemacht worden, das Sein mit dem Denken als solchem zu identifizieren. »Cogito, ergo sum« ist der größte Irrtum, der an die Spitze der neueren Weltanschauung gestellt worden ist; denn in dem ganzen Umfange des »cogito« liegt nicht das »sum«, sondern das »non sum«. Das heißt, soweit meine Erkenntnis reicht, bin ich nicht, sondern ist nur Bild. Nun müssen Sie, wenn Sie den Bildcharakter des Vorstellens ins Auge fassen, ihn vor allem qualitativ ins Auge fassen. Sie müssen auf die Beweglichkeit des Vorstellens sehen, müssen sich gewissermaßen einen nicht ganz zutreffenden Begriff vom Tätigsein machen, was ja anklingen würde an das Sein. Aber wir müssen uns vorstellen, dass wir auch im gedanklichen Tätigsein nur eine bildhafte Tätigkeit haben. Also alles, was auch nur Bewegung ist im Vorstellen, ist Bewegung von Bildern. Aber Bilder müssen Bilder von etwas sein, können nicht Bilder bloß an sich sein. Wenn Sie reflektieren auf den Vergleich mit den Spiegelbildern, so können Sie sich sagen: Aus dem Spiegel heraus erscheinen zwar die Spiegelbilder, aber alles, was in den Spiegelbildern liegt, ist nicht hinter dem Spiegel, sondern ganz unabhängig von ihm irgend woanders vorhanden, und es ist für den Spiegel ziemlich gleichgültig, was sich in ihm spiegelt; es kann sich alles mögliche in ihm spiegeln. – Wenn wir genau in diesem Sinne von der vorstellenden Tätigkeit wissen, dass sie bildhaft ist, so handelt es sich darum, zu fragen: Wovon ist das Vorstellen Bild? Darüber gibt natürlich keine äußere Wissenschaft Auskunft; darüber kann nur anthroposophisch orientierte Wissenschaft Auskunft geben. Vorstellen ist Bild von all den Erlebnissen, die vorgeburtlich beziehungsweise vor der Empfängnis von uns erlebt sind. Sie kommen nicht anders zu einem wirklichen Begreifen des Vorstellens, als wenn Sie sich darüber klar sind, dass Sie ein Leben vor der Geburt, vor der Empfängnis durchlebt haben. Und so wie die gewöhnlichen Spiegelbilder räumlich als Spiegelbilder entstehen, so spiegelt sich Ihr Leben zwischen Tod und neuer Geburt in dem jetzigen Leben drinnen, und diese Spiegelung ist das Vorstellen. Also Sie müssen sich geradezu vorstellen – wenn Sie es sich bildhaft vorstellen, Ihren Lebensgang verlaufend zwischen den beiden horizontalen Linien, begrenzt rechts und links durch Geburt und Tod. Sie müssen sich dann weiter vorstellen, dass fortwährend von jenseits der Geburt das Vorstellen hereinspielt und durch die menschliche Wesenheit selber zurückgeworfen wird. Und auf diese Weise, indem die Tätigkeit, die Sie vor der Geburt beziehungsweise der Empfängnis ausgeführt haben in der geistigen Welt, zurückgeworfen wird durch Ihre Leiblichkeit, dadurch erfahren Sie das Vorstellen. Für wirklich Erkennende ist einfach das Vorstellen selbst ein Beweis des vorgeburtlichen Daseins, weil es Bild dieses vorgeburtlichen Daseins ist. Ich wollte dies zunächst als Idee hinstellen – wir kommen auf die eigentlichen Erläuterungen der Dinge noch zurück – um Sie darauf aufmerksam zu machen, dass wir auf diese Weise aus den bloßen Worterklärungen, die Sie in den Psychologien und Pädagogiken finden, herauskommen und dass wir zu einem wirklichen Ergreifen dessen, was vorstellende Tätigkeit ist, kommen, indem wir wissen lernen, dass wir im Vorstellen die Tätigkeit gespiegelt haben, die vor der Geburt oder Empfängnis von der Seele in der rein geistigen Welt ausgeübt worden ist. Alles übrige Definieren des Vorstellens nützt gar nichts, weil man keine wirkliche Idee von dem bekommt, was das Vorstellen in uns ist. Nun wollen wir uns in derselben Art nach dem Willen fragen. Der Wille ist eigentlich für das gewöhnliche Bewusstsein etwas außerordentlich Rätselhaftes; er ist eine Crux der Psychologen, einfach aus dem Grunde, weil dem Psychologen der Wille entgegentritt als etwas sehr Reales, aber im Grunde genommen doch keinen rechten Inhalt hat. Denn wenn Sie bei den Psychologen nachsehen, welchen Inhalt sie dem Willen verleihen, dann werden Sie immer finden: solcher Inhalt rührt vom Vorstellen her. Für sich selber hat der Wille zunächst einen eigentlichen Inhalt nicht. Nun ist es wiederum so, dass keine Definitionen da sind für den Willen; diese Definitionen sind beim Willen umso schwieriger, weil er keinen rechten Inhalt hat. Was ist er aber eigentlich? Er ist nichts anderes, als schon der Keim in uns für das, was nach dem Tode in uns geistig-seelische Realität sein wird. Also wenn Sie sich vorstellen, was nach dem Tode geistig-seelische Realität von uns wird, und wenn Sie es sich keimhaft in uns vorstellen, dann bekommen Sie den Willen. In unserer Zeichnung endet der Lebenslauf auf der Seite des Todes, und der Wille geht darüber hinaus. Wir haben uns also vorzustellen: Vorstellung auf der einen Seite, die wir als Bild aufzufassen haben vom vorgeburtlichen Leben; Willen auf der anderen Seite, den wir als Keim aufzufassen haben für späteres. Ich bitte, den Unterschied zwischen Keim und Bild recht ins Auge zu fassen. Denn ein Keim ist etwas Überreales, ein Bild ist etwas Unterreales; ein Keim wird später erst zu einem Realen, trägt also der Anlage nach das spätere Reale in sich, so dass der Wille in der Tat sehr geistiger Natur ist. Das hat Schopenhauer geahnt; aber er konnte natürlich nicht bis zu der Erkenntnis vordringen, dass der Wille der Keim des Geistig-Seelischen ist, wie dieses Geistig-Seelische sich nach dem Tode in der geistigen Welt entfaltet. Nun haben Sie in einer gewissen Weise das menschliche Seelenleben in zwei Gebiete zerteilt: in das bildhafte Vorstellen und in den keimhaften Willen; und zwischen Bild und Keim liegt eine Grenze. Diese Grenze ist das ganze Ausleben des physischen Menschen selbst, der das Vorgeburtliche zurückwirft, dadurch die Bilder der Vorstellung erzeugt, und der den Willen nicht sieh ausleben lässt und dadurch ihn fortwährend als Keim erhält, bloß Keim sein lässt. Durch welche Kräfte, so müssen wir fragen, geschieht denn das eigentlich? Wir müssen uns klar sein, dass im Menschen gewisse Kräfte vorhanden sein müssen, durch welche die Zurückwerfung der vorgeburtlichen Realität und das Im-Keime-Behalten der nachtodlichen Realität bewirkt wird; und hier kommen wir auf die wichtigsten psychologischen Begriffe von den Tatsachen, die Spiegelung desjenigen sind, was Sie aus dem Buche »Theosophie« schon kennen: Spiegelungen von Antipathie und Sympathie. Wir werden – und jetzt knüpfen wir an das im ersten Vortrage Gesagte an –, weil wir nicht mehr in der geistigen Welt bleiben können, herunterversetzt in die physische Welt. Wir entwickeln, indem wir in diese herunterversetzt werden, gegen alles, was geistig ist, Antipathie, so dass wir die geistige vorgeburtliche Realität zurückstrahlen in einer uns unbewussten Antipathie. Wir tragen die Kraft der Antipathie in uns und verwandeln durch sie das vorgeburtliche Element in ein bloßes Vorstellungsbild. Und mit demjenigen, was als Willensrealität nach dem Tode hinausstrahlt zu unserem Dasein, verbinden wir uns in Sympathie. Dieser zwei, der Sympathie und der Antipathie, werden wir uns nicht unmittelbar bewusst, aber sie leben in uns unbewusst und sie bedeuten unser Fühlen, das fortwährend aus einem Rhythmus, aus einem Wechselspiel zwischen Sympathie und Antipathie sich zusammensetzt. Wir entwickeln in uns die Gefühlswelt, die ein fortwährendes Wechselspiel – Systole, Diastole – zwischen Sympathie und Antipathie ist. Dieses Wechselspiel ist fortwährend in uns. Die Antipathie, die nach der einen Seite geht, verwandelt fortwährend unser Seelenleben in ein vorstellendes; die Sympathie, die nach der anderen Seite geht, verwandelt uns das Seelenleben in las, was wir als unseren Tatwillen kennen, in das Keimhafthalten dessen, was nach dem Tode geistige Realität ist. Hier kommen Sie zum realen Verstehen des geistig-seelischen Lebens: wir schaffen den Keim des seelischen Lebens als einen Rhythmus von Sympathie und Antipathie. Was strahlen Sie nun in der Antipathie zurück? Sie strahlen Das ganze Leben, das Sie durchlebt, die ganze Welt, die Sie vor der Geburt beziehungsweise vor der Empfängnis durchlebt haben, zurück. Das hat im wesentlichen einen erkennenden Charakter. Also Ihre Erkenntnis verdanken Sie eigentlich dem Hereinschauen, dem Hereinstrahlen Ihres vorgeburtlichen Lebens. Und dieses Erkennen, das in weit höherem Maße vorhanden ist, als Realität vorhanden ist vor der Geburt oder der Empfängnis, wird abgeschwächt zum Bilde durch die Antipathie. Daher können wir sagen: Dieses Erkennen begegnet der Antipathie und wird dadurch abgeschwächt zum Vorstellungsbild. Wenn die Antipathie nun genügend stark wird, dann tritt etwas ganz Besonderes ein. Denn wir könnten auch im gewöhnlichen Leben nach der Geburt nicht vorstellen, wenn wir es nicht doch auch mit derselben Kraft in gewissem Sinn täten, die uns geblieben ist aus der Zeit vor der Geburt. Wenn Sie heute als physische Menschen vorstellen, so stellen Sie nicht mit einer Kraft vor, die in Ihnen ist, sondern mit der Kraft aus der Zeit vor der Geburt, die noch in Ihnen nachwirkt. Man meint vielleicht, die habe aufgehört mit der Empfängnis, aber sie ist noch immer tätig, und wir stellen vor mit dieser Kraft, die noch immer in uns hereinstrahlt. Sie haben das Lebendige vom Vorgeburtlichen fortwährend in sich, nur haben Sie die Kraft in sich, es zurückzustrahlen. Die begegnet Ihrer Antipathie. Wenn Sie nun jetzt vorstellen, so begegnet jedes solche Vorstellen der Antipathie, und wird die Antipathie genügend stark, so entsteht das Erinnerungsbild, das Gedächtnis, so dass das Gedächtnis nichts anderes ist als ein Ergebnis der in uns waltenden Antipathie. Hier haben Sie den Zusammenhang zwischen dem rein Gefühlsmäßigen noch der Antipathie, die unbestimmt noch zurückstrahlt, und dem bestimmten Zurückstrahlen, dem Zurückstrahlen der jetzt noch bildhaft ausgeübten Wahrnehmungstätigkeit im Gedächtnis. Das Gedächtnis ist nur gesteigerte Antipathie. Sie könnten kein Gedächtnis haben, wenn Sie zu Ihren Vorstellungen so große Sympathie hätten, dass Sie sie »verschlucken« würden; Sie haben Gedächtnis nur dadurch, dass Sie eine Art Ekel haben vor den Vorstellungen, sie zurückwerfen – und dadurch sie präsent machen. Das ist ihre Realität. Wenn Sie diese ganze Prozedur durchgemacht haben, wenn Sie bildhaft vorgestellt haben, dies zurückgeworfen haben im Gedächtnis und das Bildhafte festhalten, dann entsteht der Begriff. Auf diese Weise haben Sie die eine Seite der Seelentätigkeit, die Antipathie, die zusammenhängt mit unserem vorgeburtlichen Leben. Jetzt nehmen wir die andere Seite, die des Wollens, was Keimhaftes, Nachtodliches in uns ist. Das Wollen lebt in uns, weil wir mit ihm Sympathie haben, weil wir mit diesem Keim, der nach dem Tode sich erst entwickelt, Sympathie haben. Ebenso wie das Vorstellen auf Antipathie beruht, so beruht das Wollen auf Sympathie. Wird nun die Sympathie genügend stark – wie es bei der Vorstellung war, die durch Antipathie zum Gedächtnis wird, dann entsteht aus Sympathie die Phantasie. Genau ebenso wie aus der Antipathie das Gedächtnis entsteht, so entsteht aus Sympathie die Phantasie. Und bekommen Sie die Phantasie genügend stark, was beim gewöhnlichen Leben nur unbewusst geschieht, wird sie so stark, dass sie wieder Ihren ganzen Menschen durchdringt bis in die Sinne, dann bekommen Sie die gewöhnlichen Imaginationen, durch die Sie die äußeren Dinge vorstellen. Wie der Begriff aus dem Gedächtnis, so geht aus der Phantasie die Imagination hervor, welche die sinnlichen Anschauungen liefert. Die gehen aus dem Willen hervor. Es ist der große Irrtum, dem sich die Menschen hingeben, dass sie fortwährend in der Psychologie erzählen: Wir schauen die Dinge an, dann abstrahieren wir und bekommen so die Vorstellung. Das ist nicht der Fall. Dass wir zum Beispiel die Kreide weiß empfinden, das ist hervorgegangen aus der Anwendung des Willens, der über die Sympathie und Phantasie zur Imagination wird. Wenn wir uns dagegen einen Begriff bilden, so hat dieser einen ganz anderen Ursprung, denn der Begriff geht aus dem Gedächtnis hervor. Damit habe ich Ihnen das Seelische geschildert. Sie können unmöglich das Menschenwesen erfassen, wenn Sie nicht den Unterschied ergreifen zwischen dem sympathischen und antipathischen Element im Menschen. Diese, das sympathische und das antipathische Element, kommen zum Ausdruck an sich – wie ich es geschildert habe – in der Seelenwelt nach dem Tode. Dort herrscht unverhüllt Sympathie und Antipathie. Alles Seelische drückt sich aus, offenbart sich im Leiblichen, so dass sich auf der einen Seite alles das im Leiblichen offenbart, was sich ausdrückt in Antipathie, Gedächtnis und Begriff. Das ist gebunden an die Leibesorganisation der Nerven. Indem die Nervenorganisationen gebildet werden im Leibe, wirkt darin für den menschlichen Leib alles Vorgeburtliche. Das seelisch Vorgeburtliche wirkt durch Antipathie, Gedächtnis und Begriff herein in den menschlichen Leib und schafft sich die Nerven. Das ist der richtige Begriff der Nerven. Alles Reden von einer Unterscheidung der Nerven in sensitive und motorische ist, wie ich Ihnen schon öfter auseinandergesetzt habe, nur ein Unsinn. Und ebenso wirkt Wollen, Sympathie, Phantasie und Imagination in gewisser Beziehung wieder aus dem Menschen heraus. Das ist an das Keimhafte gebunden, das muss im Keimhaften bleiben, darf daher eigentlich nie zu einem wirklichen Abschluss kommen, sondern muss im Entstehen schon wieder vergehen. Es muss im Keime bleiben, es darf der Keim in der Entwicklung nicht zu weit gehen; daher muss es im Entstehen vergehen. Hier kommen wir zu etwas sehr Wichtigem im Menschen. Sie müssen den ganzen Menschen verstehen lernen: geistig, seelisch und leiblich. Nun wird im Menschen fortwährend etwas gebildet, das immer die Tendenz hat, geistig zu werden. Aber weil man es in großer Liebe, allerdings in egoistischer Liebe, im Leibe festhalten will, kann es nie geistig werden; es zerrinnt in seiner Leiblichkeit. Wir haben etwas in uns, was materiell ist, aber aus dem materiellen Zustand fortwährend in einen geistigen Zustand übergehen will. Wir lassen es nicht geistig werden; daher vernichten wir es in dem Moment, wo es geistig werden will. Es ist das Blut – das Gegenteil der Nerven. Das Blut ist wirklich ein »ganz besonderer Saft«, denn es ist derjenige Saft, welcher, wenn wir ihn aus dem menschlichen Leib entfernen könnten – was innerhalb der irdischen Bedingungen nicht geht – so dass er noch Blut bliebe und durch die anderen Agenzien nicht vernichtet würde, als Geist aufwirbeln würde. Damit nicht das Blut als Geist aufwirble, damit wir es so lange, als wir auf der Erde sind, in uns behalten können, deshalb muss es vernichtet werden. Daher haben wir immerwährend in uns: Bildung des Bluts, Vernichtung des Bluts usw. durch Einatmung und Ausatmung. Wir haben einen polarischen Prozess in uns. Wir haben diejenigen Prozesse in uns, die längs des Blutes, der Blutbahnen laufen, die fortwährend die Tendenz haben, unser Dasein ins Geistige hinauszuleiten. Von motorischen Nerven so zu reden, wie dies üblich geworden ist, ist ein Unsinn, weil die motorischen Nerven eigentlich die Blutbahnen wären. Im Gegensatz Jun Blut sind alle Nerven so veranlagt, dass sie fortwährend Absterben, im Materiellwerden begriffen sind. Was längs Nervenbahnen liegt, das ist eigentlich ausgeschiedene Materie; der Nerv ist eigentlich abgesonderte Materie. Das Blut will immer geistiger werden, der Nerv immer materieller; darin besteht der polarische Gegensatz. Wir werden in den späteren Vorträgen diese hiermit gegebenen Grundprinzipien weiter verfolgen und werden sehen, wie ihre Verfolgung uns wirklich das geben kann, was uns auch in Bezug auf die hygienische Gestaltung des Unterrichtes dienlich sein wird, damit wir das Kind zur seelischen und leiblichen Gesundheit heranerziehen und nicht zur geistigen und seelischen Dekadenz. Es wird deshalb so viel misserzogen, weil so vieles nicht erkannt wird. So sehr die Physiologie glaubt, etwas zu haben, indem sie von sensitiven und motorischen Nerven spricht, so hat sie darin doch nur ein Spiel mit Worten. Von motorischen Nerven wird gesprochen, weil die Tatsache besteht, dass der Mensch nicht gehen kann, wenn gewisse Nerven beschädigt sind, zum Beispiel die, welche nach den Beinen gehen. Man sagt, er könne das nicht, weil er die Nerven gelähmt hat, die als »motorische« die Beine in Bewegung setzen. In Wahrheit ist es so, dass man in einem solchen Fall nicht gehen kann, weil man die eigenen Beine nicht wahrnehmen kann. Dieses Zeitalter, in dem wir leben, hat sich eben notwendigerweise in eine Summe von Irrtümern verstricken müssen, damit wir wieder die Möglichkeit haben, uns aus diesen Irrtümern herauszuwinden, selbständig als Menschen zu werden. Nun merken Sie schon an dem, was ich jetzt hier entwickelt habe, dass eigentlich das Menschenwesen nur begriffen werden kann im Zusammenhang mit dem Kosmischen. Denn indem wir vorstellen, haben wir das Kosmische in uns. Wir waren im Kosmischen, ehe wir geboren wurden, und unser damaliges Erleben spiegelt sich jetzt in uns; und wir werden wieder im Kosmischen sein, wenn wir die Todespforte durchschritten haben werden, und unser künftiges Leben drückt sich keimhaft aus in dem, was in unserem Willen waltet. Was in uns unbewusst waltet, das waltet sehr bewusst für das höhere Erkennen im Kosmos. Wir haben allerdings selbst in der leiblichen Offenbarung einen dreifachen Ausdruck dieser Sympathie und Antipathie. Gewissermaßen drei Herde haben wir, wo Sympathie und Antipathie ineinanderspielen. Zunächst haben wir in unserem Kopf einen solchen Herd, im Zusammenwirken von Blut und Nerven, wodurch das Gedächtnis entsteht. Überall, wo die Nerventätigkeit unterbrochen ist, überall, wo ein Sprung ist, da ist ein solcher Herd, wo Sympathie und Antipathie ineinanderspielen. Ein weiterer solcher Sprung findet sich im Rückenmark, zum Beispiel wenn ein Nerv nach dem hinteren Stachel des Rückenwirbels hingeht, ein anderer Nerv von dem vorderen Stachel ausgeht. Dann ist wieder ein solcher Sprung in den Ganglienhäufchen, die in die sympathischen Nerven eingebettet sind. Wir sind gar nicht so unkomplizierte Wesen, wie es scheinen mag. An drei Stellen unseres Organismus, im Kopf, in der Brust und im Unterleib spielt das hinein, da sind Grenzen, an denen Antipathie und Sympathie sich begegnen. Es ist mit Wahrnehmen und Wollen nicht so, dass sich etwas umleitet von einem sensitiven Nerven zu einem motorischen, sondern ein gerader Strom springt über von einem Nerven auf den anderen, und dadurch wird in uns das Seelische berührt: in Gehirn und Rückenmark. An diesen Stellen, wo die Nerven unterbrochen sind, sind wir eingeschaltet mit unserer Sympathie und Antipathie in das Leibliche; und dann sind wir wieder eingeschaltet, wo die Ganglienhäufchen sich entwickeln im sympathischen Nervensystem. Wir sind mit unserem Erleben in den Kosmos eingeschaltet. Ebenso wie wir Tätigkeiten entwickeln, die im Kosmos weiter zu verfolgen sind, so entwickelt wieder mit uns der Kosmos fortwährend Tätigkeiten, denn er entwickelt fortwährend die Tätigkeit von Antipathie und Sympathie. Wenn wir uns als Menschen betrachten, so sind wir wieder selbst ein Ergebnis von Sympathien und Antipathien des Kosmos. Wir entwickeln Antipathie von uns aus: der Kosmos entwickelt mit uns Antipathie; wir entwickeln Sympathie: der Kosmos entwickelt mit uns Sympathie. Nun sind wir ja als Menschen, indem wir uns äußerlich offenbaren, deutlich gegliedert in das Kopfsystem, in das Brust-System und in das eigentliche Leibessystem mit den Gliedmaßen. Nun bitte ich aber zu berücksichtigen, dass diese Einteilung in gegliederte Systeme sehr leicht angefochten werden kann, weil die Menschen, wenn sie heute systematisieren, die einzelnen Glieder hübsch nebeneinander haben wollen. Wenn man also sagt: Man unterscheidet am Menschen ein KopfSystem, ein Brustsystem und ein Unterleibssystem mit den Gliedmaßen, dann muss nach Ansicht der Menschen jedes System eine strenge Grenze haben. Die Menschen wollen Linien ziehen, wenn sie einteilen, und das kann man nicht, wenn man von Realitäten spricht. Wir sind im Kopf hauptsächlich Kopf, aber der ganze Mensch ist Kopf, nur ist das andere nicht hauptsächlich Kopf. Denn wie wir im Kopfe die eigentlichen Sinneswerkzeuge haben, so haben wir über den ganzen Leib ausgebildet zum Beispiel den Tastsinn und den Wärmesinn; indem wir daher Wärme empfinden, sind wir ganz Kopf. Wir sind nur im Kopfe hauptsächlich Kopf, sonst sind wir »nebenbei« Kopf. So gehen also die Teile ineinander, und wir haben es nicht so bequem mit den Gliedern, wie es die Pedanten haben möchten. Der Kopf setzt sich also fort; er ist nur im Kopfe besonders ausgebildet. Ebenso ist es mit der Brust. Brust ist die eigentliche Brust, ab er nur hauptsächlich, denn der ganze Mensch ist wiederum Brust. Also auch der Kopf ist etwas Brust und auch der Unterleib mit den Gliedmaßen. Die Glieder gehen also ineinander über. Und ebenso ist es mit dem Unterleib. Dass der Kopf Unterleib ist, haben einige Physiologen bemerkt, denn die sehr feine Ausbildung des Kopf-Nervensystems liegt eigentlich nicht in dem, was unser Stolz ist, im Gehirn, in der äußeren Hirnrinde, sondern die liegt unter der äußeren Hirnrinde. Ja, der kunstvollere Bau, die äußere Hirnrinde, ist gewissermaßen schon eine Rückbildung; da ist der komplizierte Bau schon in Rückbildung begriffen; es ist vielmehr schon ein Ernährungssystem im Gehirnmantel vorliegend. So dass der Mensch, wenn man das so vergleichsweise ausdrücken will, sich auf seinen Gehirnmantel gar nichts Besonderes einzubilden braucht; der ist ein Zurückgehen des komplizierteren Gehirns in ein mehr ernährendes Gehirn. Wir haben den Gehirnmantel mit dazu, dass die Nerven, die mit dem Erkennen zusammenhängen, ordentlich mit Nahrung versorgt werden. Und dass wir das über das tierische Gehirn hinausgehende bessere Gehirn haben, das ist nur aus dem Grunde, weil wir die Gehirnnerven besser ernähren. Nur dadurch haben wir die Möglichkeit, unser höheres Erkennen zu entfalten, dass wir die Gehirnnerven besser ernähren, als die Tiere es können. Aber mit dem eigentlichen Erkennen hat das Gehirn und das Nervensystem überhaupt nichts zu tun, sondern nur mit dem Ausdruck des Erkennens im physischen Organismus. Nun fragt es sich: Warum haben wir den Gegensatz zwischen Kopfsystem – lassen wir zunächst das mittlere System unberücksichtigt – und dem polarischen Gliedmaßensystem mit dem Unterleibssystem? Wir haben ihn, weil das Kopfsystem in einem bestimmten Zeitpunkte »ausgeatmet« wird durch den Kosmos. Der Mensch hat durch die Antipathie des Kosmos seine Hauptesbildung. Wenn dem Kosmos sozusagen gegenüber dem, was der Mensch in sich trägt, so stark »ekelt«, dass er es ausstößt, so entsteht dieses Abbild. Im Kopfe trägt wirklich der Mensch das Abbild des Kosmos in sich. Das rund geformte menschliche Haupt ist ein solches Abbild. Durch eine Antipathie des Kosmos schafft der Kosmos ein Bild von sich außerhalb seiner. Das ist unser Haupt. Wir können uns unseres Hauptes als eines Organs zu unserer Freiheit deshalb bedienen, weil der Kosmos dieses Haupt zuerst von sich ausgestoßen hat. Wir betrachten das Haupt nicht richtig, wenn wir es etwa in demselben Sinne intensiv eingegliedert denken in den Kosmos wie unser Gliedmaßensystem, mit dem die Sexualsphäre ja zusammengehört. Unser Gliedmaßensystem ist in den Kosmos eingegliedert, und der Kosmos zeiht es an, hat mit ihm Sympathie, wie er dem Haupt gegenüber Antipathie hat. Im Haupte begegnet unsere Antipathie der Antipathie des Kosmos, die stoßen dort zusammen. Da, in dem Aufeinanderprallen unserer Antipathien mit denen des Kosmos, entstehen unsere Wahrnehmungen. Alles Innenleben, das auf der anderen Seite des Menschen entsteht, rührt her von dem liebevollen sympathischen Umschlingen unseres Gliedmaßensystems durch den Kosmos. So drückt sich in der menschlichen Leibesgestalt aus, wie der Mensch auch seelisch aus dem Kosmos heraus gebildet ist und was er in seiner Trennung wiederum aufnimmt aus dem Kosmos heraus. Sie werden daher auf Grundlage solcher Betrachtungen leichter einsehen, dass ein großer Unterschied ist zwischen der Willensbildung und der Vorstellungsbildung. Wirken Sie besonders auf die Vorstellungsbildung, wirken Sie einseitig auf die Vorstellungsbildung, so weisen Sie eigentlich den ganzen Menschen auf das Vorgeburtliche zurück, und Sie werden ihm schaden, wenn Sie ihn rationalistisch erziehen, weil Sie dann seinen Willen einspannen in das, was er eigentlich schon absolviert hat: in das Vorgeburtliche. Sie dürfen nicht zu viel abstrakte Begriffe in das einmischen, was Sie in der Erziehung an das Kind heranbringen. Sie müssen mehr Bilder darin einmischen. Warum? Das können Sie an unserer Zusammenstellung ablesen. Bilder sind Imaginationen, gehen durch die Phantasie und Sympathie. Begriffe, abstrakte Begriffe, sind Abstraktionen, gehen durch das Gedächtnis und durch die Antipathie, kommen vom vorgeburtlichen Leben. Wenn Sie also beim Kinde viele Abstraktionen anwenden, werden Sie fördern, dass das Kind sich besonders intensiv verlegen muss auf den Prozess des Kohlensäurewerdens, Kohlensäurebildens im Blute, auf den Prozess der Leibesverhärtung, des Absterbens. Wenn Sie dem Kinde möglichst viele Imaginationen beibringen, wenn Sie es möglichst so ausbilden, dass Sie in Bildern zu ihm sprechen, dann legen Sie in das Kind den Keim zum fortwährenden Sauerstoffbewahren, zum fortwährenden Werden, weil Sie es auf die Zukunft, auf das Nachtodliche hinweisen. Wir nehmen gewissermaßen, indem wir erziehen, die Tätigkeiten, die vor der Geburt mit uns Menschen ausgeübt werden, wieder auf. Wir müssen uns heute gestehen: Vorstellen ist eine Bildtätigkeit, die herrührt von dem, was wir vor der Geburt oder Empfängnis erlebt haben. Da ist mit uns von den geistigen Mächten so verfahren worden, dass Bildtätigkeit in uns gelegt wurde, die in uns nachwirkt noch nach der Geburt. Indem wir den Kindern Bilder überliefern, fangen wir im Erziehen damit an, diese kosmische Tätigkeit wieder aufzunehmen. Wir verpflanzen in sie Bilder, die zu Keimen werden können, weil wir sie hineinlegen in eine Leibestätigkeit. Wir müssen daher, indem wir uns als Pädagogen die Fähigkeit aneignen, in Bildern zu wirken. das fortwährende Gefühl haben: du wirkst auf den ganzen Menschen, eine Resonanz des ganzen Menschen ist da, wenn du in Bildern wirkst. Dieses in das eigene Gefühl aufnehmen, dass man in aller Erziehung eine Art Fortsetzung der vorgeburtlichen übersinnlichen Tätigkeit bewirkt, dies gibt allem Erziehen die nötige Weihe, und ohne diese Weihe kann man überhaupt nicht erziehen. So haben wir uns zwei Begriffssysteme angeeignet: Erkennen, Antipathie, Gedächtnis, Begriff – Wollen, Sympathie, Phantasie, Imagination; zwei Systeme, die uns dann im speziellen Anwenden für alles dienen können, was wir praktisch auszuüben haben in unserer pädagogischen Tätigkeit. Davon wollen wir dann morgen weitersprechen.