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Die Labadisten und Rosenkreuzer

Die Labadisten und Rosenkreuzer

Das von den Krefelder Mennoniten gegebene Beispiel veranlasste viele der in Deutschland schweren Bedrängnissen ausgesetzten Sekten zur Nachfolge. Noch war kein Jahr seit der Landung der Krefelder in Philadelphia verstrichen, als in Friesland die Labadisten sich zur Übersiedlung nach Amerika anschickten. Sie waren Anhänger des im Jahre 1610 geborenen französischen Jesuiten de la Badie, der nach seinem Übertritt zum Protestantismus in Frankreich, der Schweiz, den Niederlanden, in Norddeutschland und Holstein mehrere Gemeinden gegründet hatte. Eine in dem friesischen Städtchen Wieward bestehende Labadistengemeinde sandte bereits im Jahre 1679 zwei erprobte Männer, Petrus Schlüter oder Sluyter, und Jaspar Dankers, nach Amerika, um dort einen Landstreifen anzukaufen, der sich für eine Niederlassung eigne. Die beiden entschieden sich für ein 3.750 Acker großes Grundstück an dem in Maryland gelegenen Bohemiafluss, welches zum Besitz des in einem früheren Abschnitt erwähnten Landvermessers Augustin Herrman gehörte.

Der Kaufakt wurde am 11. August 1684 vollzogen. Als bald darauf die 100 Köpfe starke Hauptschar der Labadisten eintraf, begann dieselbe sofort mit dem Bau eines Klosters. Seine Insassen entschlossen sich, in Gütergemeinschaft zu leben. Niemand durfte – auch im Fall seines Austritts – etwas vom Gesamtvermögen beanspruchen.

Da Trennung der Geschlechter und strenge Enthaltsamkeit zu den Grundsätzen der Labadisten gehörte, so wurden der Sektierer im Lauf der Jahre immer weniger. Bereits um das Jahr 1724 war die ganze Kolonie ausgestorben, ohne irgendwelchen Einfluss auf die Kultur Amerikas ausgeübt zu haben.

Ebenso unfruchtbar blieb der Zuzug einer anderen Schar von Sektierern, die am 23. Juni 1694, 40 Personen stark in Philadelphia anlangte und großes Aufsehen erregte. Ein Teil der Ankömmlinge war in grobe Pilgergewänder gekleidet; andere trugen die Talare der deutschen Gelehrten und Studenten oder die bunte Tracht mitteldeutscher Landbewohner. Nicht minder erregte es Befremden, als bei Anbruch der Dunkelheit die seltsamen Gäste hinauszogen und auf einem Hügel unter geheimnisvollen Zeremonien ein St. Johannis- oder Sonnewendfeuer entzündeten, wohl das erste, welches auf der westlichen Erdhälfte emporflammte.

Die seltsamen Gäste waren sogenannte „Rosenkreuzer“, die in den Wildnissen Amerikas eine theosophische Gemeinde gründen wollten. Ihr Führer war Johann Kelpius, „Dokter der Freien Künste und Weltweisheit“.

In der Stadt der Bruderliebe bewies man den Fremdlingen großes Entgegenkommen. Ein Bürger, Thomas Fairman, schenkte ihnen sogar ein 175 Acker großes Grundstück, das in der wildromantischen Einöde am Wissahickonbach lag. Dorthin siedelten die Mystiker über und bauten auf dem höchsten Punkt des Landes ein großes Blockhaus, dessen Seiten genau nach den vier Hauptpunkten des Kompasses gerichtet waren.


Johannes Kelpius

Nach einer alten Malerei im Besitz der Historical Society of Pennsylvania.

Es umschloss einen für die gemeinschaftlichen religiösen Übungen bestimmten Saal sowie eine Anzahl zellenartiger Kammern, die den Theosophen als Wohnung dienten. Auf dem Dach erhob sich ein Observatorium, wo die frommen Brüder mit einem Fernrohr beständig Ausschau hielten, ob am Firmament gewisse Zeichen das Nahen des sehnsüchtig erwarteten himmlischen Bräutigams und den Anbruch des tausendjährigen Reiches verkünden möchten. Da diese Ereignisse ihrer Meinung nach jederzeit eintreten konnten, so sollte der himmlische Bräutigam sie nicht unvorbereitet finden. Außer dem Observatorium besaß das Tabernakel – so nannten die Einsiedler ihr Blockhaus – noch eine Besonderheit: das hoch an einer Stange aufgerichtete Zeichen der Rosenkreuzer, ein in einem Kreise stehendes Kreuz, das uralte Symbol des Sonnenjahres.

Nachdem die Theosophen für ihr Haus gesorgt, begannen sie das umliegende Land zu bestellen. Außer Getreide und Gemüse zogen sie allerhand Heilkräuter, deren Samen sie aus Deutschland mitgebracht hatten.

Den größten Teil ihrer Zeit verbrachten die Rosenkreuzer mit frommen Betrachtungen. Zu stiller Einkehr, zum Grübeln über die Rätsel des Lebens und die Geheimnisse des Jenseits waren die Wälder am rauschenden Wissahickon allerdings wie geschaffen. Zwischen ragendem Geklipp und unter tausendjährigen Eichen, Buchen und Fichten gab es überall Plätze, die durch ihre Weltentrücktheit und Stille zu philosophischen Betrachtungen einluden. Höchst selten wurden die frommen Einsiedler durch Besucher gestört, denn die Bewohner der Umgegend hielten sich in scheuer Ehrfurcht fern, zumal sie glaubten, dass die Einsiedler im Besitz geheimnisvoller Kräfte seien, die „weiße Magie“ verstünden, Umgang mit unsichtbaren Geistern hielten und ihre Seele nach Wunsch vom Körper loszulösen vermöchten.

In der Tat gab es bei den Rosenkreuzern manches, was befremden konnte. Schon der Name, den die Theosophengemeinde sich zugelegt hatte, war seltsam genug. Er war den Versen 1 und 6 des 12. Kapitels der Offenbarung Johannis entlehnt, wo es heißt: „Es erschien ein großes Zeichen am Himmel: ein Weib mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen. Auf ihrem Haupt trug es eine Krone von zwölf Sternen.“ Und weiter: „Dies Weib entfloh in die Wüste, wo es eine von Gott hergerichtete Stätte hatte, dass sie daselbst ernähret würde tausend zweihundert und sechzig Tage.“ Nach diesen Versen nannten die Theosophen sich „Das Weib in der Wüste“. Sie verstanden unter diesem Namen eine Gemeinschaft von Auserwählten inmitten der Wüste der vom wahren Glauben abgewichenen Christen.

In dieser Wüste warteten sie der Wiederkunft Christi. Mit welch heißer Inbrunst Kelpius diesem Ereignis entgegensah, bekundet folgende seiner noch erhaltenen Dichtungen:

„O quälende Liebe! O süßeste Plag!

Verlege, verschiebe nicht länger den Tag!

Verkürze die Zeiten, lass kommen die Stund!

Denk an den getreuen, gnädigen Bund!

Und mache denselben für alle Welt kund!“ ...

Aber Jahr auf Jahr rollte dahin, ohne dass der Seelenbräutigam erschien. Verzagend ließen manche Brüder in ihrem frommen Eifer nach und zogen nach Germantown, um wieder am bürgerlichen Leben teilzunehmen.

Auch die Zurückgebliebenen wurden lässiger in ihren religiösen Übungen. Ja, sogar das Observatorium, auf dem man so lange Wacht gehalten, vereinsamte. Nur Kelpius harrte mit wenigen Gestählten aus, obwohl ihre Ungeduld sich häufig zu förmlicher Seelenqual steigerte. Einzelne seiner Gesänge legen davon Zeugnis ab. Tief niedergeschlagen brach er in die Worte aus:

„So manches kummervolle Jahr

hab ich nun dein geharret,

doch ach! umsonst, ich fürcht' fürwahr,

ich werd' doch eingescharret,

eh ich dich seh',

eh denn ich steh'

geschmückt zu deiner Rechten

gekrönt mit den Gerechten.“

In dem Wahn, in seiner Selbstkasteiung noch nicht genug getan zu haben, ließ Kelpius in der Nähe einer noch heute seinen Namen tragenden Quelle eine künstliche Höhle herrichten, in die er sich mit seinen Büchern und wissenschaftlichen Apparaten zurückzog, um völlig ungestört seinen Gedanken nachhängen zu können.


Kelpius' Höhle

Aber infolge des langen Verweilens in diesem halbunterirdischen feuchten Raum zog der dürftig gebaute, durch frugales Leben geschwächte Gelehrte sich eine starke Erkältung zu, die in Schwindsucht überging.

Kelpius hatte gehofft, dass er nicht dem Tode verfallen, sondern von Gott ‚überschattet’ und gleich Elias zum Himmel emporgetragen werde. Die drei letzten Tage vor seinem Tode verbrachte er mit inbrünstigen Gebeten und unter Anrufung des Herrn. Als aber kein Zeichen ankündigte, dass sein Sehnen erfüllt werde, brach er in tiefe Klagen aus, dass ihm nicht beschieden sei, was er so inbrünstig erstrebt habe. „Nichts bin ich als irdischer Staub; und zum Staube werde ich zurückkehren. Es ist bestimmt, dass ich sterben soll gleich allen andern Adamskindern!“

Kurz vor seiner Auflösung berief er, wie in den an allen religiösen Vorgängen Amerikas Anteil nehmenden ‚Hallischen Nachrichten’ (p. 1265) ausführlich erzählt ist, seinen Diener und Freund Daniel an sein Lager und übergab ihm eine versiegelte Schachtel mit dem Befehl, dieselbe unverzüglich in den Schuylkillfluss zu werfen. Daniel aber dachte, dass die Schachtel einen Schatz enthalte, der ihm von Nutzen sein könne. Deshalb habe er den Befehl nicht erfüllt, sondern die Schachtel am Ufer versteckt. Als er zu dem Sterbenden zurückkam, habe dieser ihm scharf in die Augen geschaut und ihm die Nichterfüllung des Befehls vorgehalten, worauf Daniel tief erschrocken über die Allwissenheit seines Herrn schleunigst an den Fluss zurückkehrte und die Schachtel ins Wasser warf. Kaum kam sie mit demselben in Berührung, als sie unter Blitz und Donner zersprang. Als Daniel an das Bett des Sterbenden zurückkehrte, rief dieser „Es ist vollbracht!“ Gleich darauf, im April 1703, hauchte Kelpius, kaum 35 Jahre alt, seine Seele aus. Die wenigen Überlebenden seiner Gemeinde begruben ihn unter geheimnisvollen Zeremonien bei Sonnenuntergang. Als die letzten Strahlen über das Gelände glitten, ließen sie den einfachen Sarg unter den feierlichen Klängen des ‚De Profundis’ in die Gruft hernieder, aus der im selben Augenblick eine bereitgehaltene weiße Taube sich himmelwärts in die Lüfte schwang. Mit gefalteten Händen sahen die Trauernden ihr nach, dreimal die Worte rufend: „Gott gebe ihm eine selige Auferstehung!“

Nach Kelpius Tode ließ die Auflösung der Theosophengemeinde sich nicht länger verhüten. Ein Glied nach dem andern fiel ab. Manche gerieten, wie die Chronik des benachbarten Klosters Ephrata berichtete, ‚ans Weib’, andere schlossen sich den um jene Zeit ins Land einwandernden Mährischen Brüdern oder Herrnhutern an oder zogen mit Conrad Beissel, dem merkwürdigen Begründer der Sekte der ‚Erweckten’ nach den Wildnissen am Conestoga.

Der letzte Rosenkreuzer hieß Conrad Matthäi. Man sah ihn nur selten; dann aber verfehlte seine Erscheinung nicht, auf alle tiefen Eindruck zu machen. Er trug stets ein aus grobem ungefärbtem Zeug hergestelltes Pilgergewand, das bis auf die mit Sandalen bekleideten Füße reichte. In den Händen trug er einen langen Pilgerstab, auf den von weißen Locken und einem wallenden Bart umgebenen Haupt einen breitkrämpigen Hut, an dessen Vorderseite eine Pilgermuschel befestigt war. Die Augen des ehrwürdigen Eremiten leuchteten stets in eigentümlichem überirdischem Feuer; über der ganzen Erscheinung ruhte der Hauch des Weltentrückten.

Im August des Jahres 1748 erlag auch dieser letzte Theosoph dem Allbezwinger Tod. Sein Wunsch, zu Füßen seines Meisters Kelpius begraben zu werden, wurde von der zionitischen Brüderschaft Ephratas erfüllt.

So ruhten nun alle im Schatten ihres zerfallenen Tabernakels, die Brüder einer Gemeinde, in deren Herzen das heilige Feuer mittelalterlicher Schwärmerei noch einmal in hellen Flammen emporgeflackert war. Durchdrungen von der Überzeugung, dass die Verheißung der Bibel in Erfüllung gehen und eines Tages das tausendjährige Reich anbrechen werde, hatten sie in den Wildnissen Amerikas ein an Mühseligkeiten und Entbehrungen reiches Leben geführt. Sich als Fremdlinge auf dieser Erde betrachtend, schlummerten sie, an ihrem Glauben unverrückt festhaltend, in die Ewigkeit hinüber.

* * *

Die Tunker und das Kloster Ephrata

Die Tunker und das Kloster Ephrata

Fast gleichzeitig mit den Mennoniten erschienen in Pennsylvanien die Tunker oder Dunker, die ihren Namen davon erhielten, dass sie die Taufe durch dreimaliges Untertauchen oder Tunken des ganzen Körpers vollziehen und diese Handlung als die allein richtige Taufe betrachten. In ihren sonstigen Ansichten sind sie den Mennoniten eng verwandt. Die Sekte nahm im Jahre 1708 in Schwarzenau bei Berleburg ihren Ursprung. Es fanden sich daselbst acht Personen im Hause des Alexander Mack zusammen, um in sorgfältigem Studium der Bibel den wahren Glauben zu suchen, den ihrer Meinung nach die Kirchen nicht zu erfassen vermocht hatten. Eine Zweiggemeinde entstand in Marienborn; beide Gemeinden aber zogen, als die Regierung die in den Flüssen vorgenommenen Taufakte nicht länger gestatten wollte, in den Jahren 1719 und 1729 nach Pennsylvanien, in die Nähe von Germantown. Zweigniederlassungen entstanden später in Maryland, Virginien, Ohio, Indiana, Kansas, Missouri und Texas. Im Jahre 1896 zogen 2.500 Tunker nach Norddakota, um neue Kolonien zu gründen. Die Gesamtzahl der Tunker, die in Deutschland völlig ausgestorben sind, beläuft sich in den Vereinigen Staaten auf über 100.000. Sie unterhalten 1.100 Kirchen, 10 Colleges und über 2.500 Pfarrer.

In Tracht und Lebensweise nahmen sie seit ihrem Verweilen in Amerika mancherlei Eigentümlichkeiten an. Stoff, Farbe und Schnitt der Kleidung, die Tracht des Haares und Bartes werden auf den Jahresversammlungen genau bestimmt. Diese Vorschriften erstrecken sich auf die geringfügigsten Kleinigkeiten, ob z. B. die Kleider durch Knöpfe oder Haken zu schließen und wie die Haare zu scheiteln sind. Die Erörterung solcher Fragen führte bisweilen zu Disputen, ja zur Absonderung einzelner Gemeinden, die dann für sich neue Sekten bildeten. So zweigte sich die nach ihrem Führer Jacob Amman genannte Amisch Sekte ab, welche wiederum in mehrere Gruppen zerfällt.

Schon bald nach der Ankunft der Tunker in Pennsylvanien trennte sich von ihnen eine kleine Schar von Mystikern, die gleich den Labadisten und Rosenkreuzern streng religiöses Leben auf die Spitze trieben.


Konrad Beissel. Nach einer gleichzeitigen Silhouette.

Ihr Oberhaupt war der Pfälzer Konrad Beissel aus Ebersbach (geb. März 1696). Sie zogen sich in die Einsamkeit am Cocalicofluss zurück und bauten dort im Jahre 1735 ein Kloster, das unter dem Namen Ephrata weithin bekannt wurde. Es bestand aus einem großen Versammlungshause, dem Brüderhaus Bethanien und dem Schwesternhaus Saron. Die Gebäude standen im Dreieck zueinander. Das Zölibat war den Insassen des Klosters, deren Zahl sich auf etwa 300 belief, nicht streng vorgeschrieben, aber sehr bevorzugt. Sämtliche Angehörigen, auch die verheirateten Familien, die sich in eigenen Hütten in der Nähe des Klosters ansässig machten, verpflichteten sich zur Gemeinsamkeit alles Eigentums, trugen im Sommer weißleinene, im Winter weißwollene Ordensgewänder, lebten von Pflanzenkost und Quellwasser und schliefen in engen Zellen auf Bretterbänken mit einem Holzklotz als Kopfkissen. Ein Schrank und ein Stundenglas vollendeten das Mobilar. Nächtliche Gebetversammlungen, Liebesmähler und Fußwaschungen waren für ihren Gottesdienst bezeichnend. Der Samstag wurde als Sabath streng gefeiert, wohingegen man am Sonntag gewöhnliche Arbeiten verrichtete. Vom Volk wurden sie daher die „Siebentäger“ genannt. Unter den Brüdern gab es verschiedene Männer und Frauen, die große Kenntnisse sowie Fertigkeit in Musik und Dichtkunst besaßen. Mit ihnen gründete Beissel einen Chor, dessen Leistungen von allen Zeitgenossen, die das Kloster besuchten, sehr gerühmt wurde. Man bemühte sich in dem Gesang das Wehen und Klingen der damals sehr beliebten Äolsharfen nachzuahmen. Ein Engländer, der das Kloster besuchte, schreibt: „Die Schwestern saßen da mit zurückgelegten Häuptern. Die Mienen der infolge des strengen Lebenswandels bleichen und abgezehrten Gesichter waren feierlich und klagend. Die Kleidung war schneeweiß und sehr malerisch. Der Gesang der Schwestern schien von Instrumenten zu kommen; die Lippen wurden kaum geöffnet, aber die süßen sanften Töne klangen so, dass sie bis in die tiefste Seele drangen. Dabei war der Gesang von einem bewundernswerten Ausdruck, einer seltenen Bestimmtheit in Zeitmaß und Betonung. Ich war nahe daran, mich in einer Geisterwelt zu glauben.“ Alle von diesem Chor gesungenen Lieder waren von Beissel oder anderen Mitgliedern des Ordens gedichtet und in Musik gesetzt.


Ein Liebesmahl der Tunker

Um das Jahr 1740 schaffte das Kloster auch eine Druckerpresse an, auf welcher zahlreiche religiöse Bücher in deutscher und englischer Sprache hergestellt wurden. Man hatte diese Erbauungsbücher früher bei William Bradford und Benjamin Franklin in Philadelphia, später bei Christoph Saur in Germantown drucken lassen. Als Beissel aber mit letzterem wegen religiöser Fragen in Meinungsverschiedenheiten geriet, erbauten die Ephratenser nicht nur eine eigne Papiermühle, sondern schafften auch eine Presse an, die noch jetzt im Museum der Historischen Gesellschaft zu Philadelphia aufbewahrt wird.


Eine Klosterschwester von Ephrata. Aus einer im Kloster angefertigten Handschrift.


Die Handpresse des Klosters Ephrata.

Jetzt im Besitz der Historischen Gesellschaft zu Pennsylvanien.

Aus dieser Presse gingen viele mit absonderlichen Titeln versehene Bücher hervor, wie z. B. die Liedersammlungen: „Das Gesäng der einsamen und verlassenen Turteltaube, nämlich der Christlichen Kirche. Von einem friedsamen und nach der stillen Ewigkeit wallenden Pilger“; „Ein angenehmer Geruch der Rosen und Lilien, die im Thale der Demuth unter den Dornen hervorwachsen – geistliche Lieder der Schwestern“; ferner „Das Paradisische Wunderspiel“ u. a. m.

Das bedeutendste Erzeugnis der Presse zu Ephrata war ein mächtiger Großfolioband von 1.514 Seiten, eine Übersetzung des im Jahre 1660 von Tilemann Jans vom Braght in Holland geschriebenen „Märtyrerspiegels“. Dieses Buch galt den Mennoniten als besonders wertvoll, weil es die Leidensgeschichte vieler Glaubensgenossen enthielt, die in den Niederlanden, der Schweiz und in Süddeutschland den Märtyrertod auf flammenden Scheiterhaufen oder durch das Richtschwert erlitten hatten.

Das Werk wurde in Ephrata zunächst von dem Bruder Peter Miller aus dem Holländischen ins Deutsche übersetzt. Über seine technische Herstellung berichtet die „Chronik von Ephrata“ folgendermaßen:

„Nach geendetem Mühlenbau wurde der Druck des Marterbuchs vor die Hand genommen, zu welcher wichtigen Arbeit fünfzehn Brüder ausgesetzt wurden, davon neun ihre Arbeit in der Druckerei hatten, nämlich ein Corrector, welcher auch Übersetzer war, vier Setzer und vier Pressleute; die übrigen fanden ihre Arbeit in der Papiermühle. Mit diesem Buche hat man drey Jahre zugebracht, doch nicht anhaltend, weilen es oft an Papier gebrach. Und weilen während der Zeit sonst wenig Geschäfte im Lager (im Kloster) war, so ist darüber der Brüder Haushaltung tief in Schulden geraten, welche aber durch den starken Abgang des Buches bald getilgt wurden. Das Buch wurde in groß Folio gedruckt, enthielt sechzehn Buch Papier und war die Auflag 1.300 Stück.


Titelblatt des in Ephrata gedruckten Märtyrerspiegels

In einem mit den Mennoniten gehaltenen Rat war der Preis auf 20 Schilling auf ein Exemplar gesetzt, welches sie kann überzeugen, dass man zu desselben Druck ganz andere Ursachen als Gewinnsucht gehabt.“ –

Ein Teil der Auflage dieses Märtyrerspiegels verfiel übrigens während des Unabhängigkeitskrieges einem seltsamen Schicksal. Er wurde von den amerikanischen Soldaten beschlagnahmt und zu Papierpfropfen für die Gewehre verarbeitet.

Auch die mittelalterliche Miniaturmalerei lebte in Ephrata wieder auf. Vornehmlich unter den Ordensschwestern gab es manche vorzügliche Kalligraphen, die prachtvoll ausgeführte Manuskripte für das Kloster anfertigten und die Wände des Versammlungssaales mit großen Frakturschriften und allegorischen Bildern verzierten.

Nach dem am 6. Juli 1768 erfolgten Tode Beissels fiel die Leitung des Klosters an Peter Miller, ehemaligen Doktor der Theologie an der Universität zu Heidelberg. Er stand bis zu seinem 1796 eintretenden Tode dem Kloster vor, das dann aber verfiel und im Jahre 1814 ganz einging. Ein bei Waynesboro gegründetes Zweigkloster erhielt sich bis in die neueste Zeit, besaß aber im Jahre 1890 nur noch drei hochbetagte Insassen. Von der Sekte der Siebentäger sind in Pennsylvanien noch geringe Reste in den Grafschaften Franklin und Lancaster vorhanden.

Gleich den bisher beschriebenen Sekten fanden auch die nach dem schlesischen Edelmann Kaspar Schwenkfeld von Ossing (geb. 1490, gest. 1561) benannten Schwenkfelder in Pennsylvanien eine Zuflucht. Schwenkfeld hatte in Köln den Titel eines Doktors der Rechtswissenschaften und Philosophie erworben. Seine Ansichten über die Lehre vom Abendmahl wichen von denjenigen Luthers ab; so lehrte er, dass der Körper Christi ebenfalls göttlicher Natur sei. Dieser und einiger andern Besonderheiten wegen wurden er und seine Anhänger sowohl von den Lutheranern wie von den Katholiken verfolgt; ja, Kaiser Karl VI. forderte im Jahre 1725 die Schwenkfelder unter harten Strafandrohungen auf, in den Schoss der katholischen Kirche zurückzukehren. Die Sektierer aber zogen vor, nach der Neuen Welt überzusiedeln, wo sie, 184 Köpfe stark, am 22. September 1734 eintrafen. Ihre Niederlassungen befinden sich noch jetzt in den pennsylvanischen Grafschaften Berks, Montgomery und Lehigh.

Wegen ihres Fleißes und ihrer Sparsamkeit sind die Schwenkfelder bekannt. Schönere Farmen als die ihrigen gibt es im ganzen Lande nicht. Ihr Eigentum vererbt sich von Generation auf Generation. Niemals wird es zugelassen, dass ein Schwenkfelder bettelt oder gar in ein Armenhaus geht. Um dies zu verhüten, legten sie einen Armenfonds an, der aber selten in Anspruch genommen wird. Schon lange, ehe im Staate Pennsylvania das Volksschulsystem eingeführt wurde, besaßen sie auch einen Schulfonds, aus welchem sie die Kosten der Erziehung ihrer Kinder bestritten.

Die Salzburger in Georgia


Pastor Johann Martin Bolzius.

Zu den religiösen Flüchtlingen zählten auch die protestantischen Salzburger, welche im Jahre 1734 nach Georgia kamen. Sie waren Nachkommen der im 13. Jahrhundert in Südfrankreich entstandenen Sekte der Waldenser, welche dort bekanntlich äußerst harten Verfolgungen ausgesetzt gewesen und endlich zur Aufgabe ihrer schönen Heimat Savoyen gezwungen worden war. Ein Teil dieser Flüchtlinge wandte sich nach den Tiroler und Salzburger Alpen, wo sie deutsche Sprache und Sitten annahmen, tüchtige lutherische Prediger erhielten und Luthers Bibel und Schriften lasen. Durch Fleiß und Genügsamkeit brachten sie es zu großem Wohlstand.

Ein dauerndes Asyl war ihnen aber auch dort nicht beschieden. Die religiösen Verfolgungen begannen aufs Neue. Ihre Prediger wurden vertrieben oder ins Gefängnis geworfen, einer sogar enthauptet. Im Jahre 1684 erließ der Erzbischof von Salzburg den Befehl, sämtliche Protestanten, die sich weigerten, in den Schoss der alleinseligmachenden Kirche zurückzukehren, des Landes zu verweisen. Es bedurfte der Vorstellungen aller protestantischen Fürsten Deutschlands, dass jene Verfügung den Beschlüssen des Westfälischen Friedens zuwiderlaufe, um den Widerruf jener Maßregel zu veranlassen.

Dieselbe lebte aber in voller Härte wieder auf, als im Jahre 1727 Graf Leopold von Firmian Erzbischof von Salzburg wurde. Die Wiederherstellung der früheren Glaubenseinheit seines Erzbistums betrachtete er als sein höchstes Ziel. Wer nicht freiwillig dem Protestantismus entsagte und keine feste Wohnstätte besaß, musste innerhalb einer Woche das Land verlassen. Den Hausbesitzern und Landwirten gewährte man eine Frist von einem bis drei Monaten. Hatten sie innerhalb dieser Zeit nicht ihre Rückkehr zur römischen Kirche angekündigt, so sollten sie aller Bürgerrechte verlustig sein und der Acht verfallen.

Die Proteste und Drohungen der reformierten Fürsten Deutschlands blieben diesmal ohne Wirkung und so begann im Dezember 1731 der Auszug der Protestanten aus Salzburg. Ihrer 30.000 verließen die ihnen so liebgewordenen Gebirge, ohne zu wissen, wo sie neue Heimstätten finden würden.

Aber es öffneten sich an anderen Orten Deutschlands, in Schwaben, Franken und Preußen, wohin die Kunde von dem Schicksal und guten Ruf der Auswandrer gedrungen war, tausend Arme, um sie gastlich aufzunehmen.

Ihre Wanderung nahm den Charakter eines Triumphzuges an. Näherten sie sich einer protestantischen Stadt, so zogen die Prediger und Behörden an der Spitze der Einwohnerschaft den Fremdlingen entgegen und geleiteten sie unter dem feierlichen Geläute der Glocken in den Ort. Hier bewirtete man die Wanderer und erbaute sie durch zu ihren Ehren veranstaltete Kirchenfeierlichkeiten. Man stritt sich darum, wer sie beherbergen dürfe. Zum Andenken an ihren Durchzug prägte man silberne Denkmünzen. Mehrere protestantische Fürsten, vor allen der edle König Friedrich Wilhelm I. von Preußen, boten ihnen Ländereien an. (Siehe Band 139e dieser gelben Buchreihe: Jochen Kleppers Roman „Der Vater“)

Eine in warmen Worten gehaltene Einladung zur Übersiedelung nach Amerika kam auch aus der südlich von Virginien und Karolina gegründeten englischen Kolonie Georgia. Die Leiter derselben hatten im Juni des Jahres 1732 von der englischen Regierung die Genehmigung zur Organisierung der Kolonie unter der Bedingung empfangen, dass man daselbst „den armen Bewohnern Englands wie auch den bekümmerten Salzburgern und andern Protestanten eine Zuflucht eröffne“.

Man hatte in England von dem traurigen Schicksal der Salzburger durch den Augsburger Pfarrer Samuel Urlsperger Kunde erhalten, und an demselben herzlichen Anteil genommen. Als man den Salzburgern sogar Schiffe zur freien Überfahrt zur Verfügung stellte und die „Society for the Propagation of Christianity“ in London die Reisekosten der Auswandrer bis Rotterdam zu tragen übernahm, entschlossen sich zunächst 50, insgesamt 91 Köpfe zählende Familien, der Einladung zu folgen. Sie versammelten sich in Berchtesgaden, und begaben sich dann unter der Führung des Freiherrn von Reck zunächst nach Rotterdam, wo sie am 27. November 1733 eintrafen. Hier gesellten sich die vom Waisenhaus in Halle entsandten Pastoren Johann Martin Bolzius und Israel Christian Gronau zu ihnen, um der kleinen Gemeinde fortan als geistliche Berater zu dienen.

Die Ankunft der Salzburger in Georgia am 12. März 1734 gestaltete sich zu einem förmlichen Festtag. Die Neulinge wurden mit Kanonensalven begrüßt und aufs herzlichste bewillkommt. Sie fanden unter den Bewohnern der ein Jahr zuvor angelegten Stadt Savannah auch bereits einige Deutsche. Der menschenfreundliche Leiter der Kolonie, General Oglethorpe, stellte den Salzburgern anheim, ein ihnen zusagendes Stück Land zur Anlage einer Ortschaft auszuwählen. Sie entschieden sich für einen 24 englische Meilen von Savannah entfernten Platz, der an einem Nebenfluss des Savannah inmitten ungeheurer Fichtenwälder lag.

Dort schlug man Zelte und Blockhütten auf und nannte diese Ansiedlung Ebenezer, „bis hierher hat der Herr geholfen“.

Leider machte der ungesunde Charakter der Gegend bald eine Verlegung der Ansiedlung an eine günstigere Stelle nötig. Diese fand sich direkt am Ufer des Savannah, wo nun die Niederlassung Neu-Ebenezer entstand. Die Entwicklung dieser Ortschaft hat mit derjenigen von Germantown viel Gemeinsames. Auch hier gab es manches Ungemach, aber die an harte Arbeit Gewöhnten ertrugen dasselbe mit christlicher Geduld und in der Zuversicht, dass ihrem Fleiß, ihrer Ausdauer der Lohn nicht fehlen könne.

Bald stellte sich Verstärkung ein; 75 andere Salzburger langten im Jahre 1735 an, denen sich später noch mehrere kleine Nachschübe zugesellten. Im Jahre 1741 betrug die Bevölkerung von Ebenezer bereits 1.200 Köpfe.

Das Leben in Ebenezer war von arkadischer Einfachheit. Neben dem Ackerbau trieb man Viehzucht; als besondere Spezialität auch Seidengewinnung. Letztere war durch den Piemontesen Nicolas Amatis im Jahre 1739 nach Georgia übertragen worden. Pastor Bolzius bewog die Salzburger, die Seidenkultur aufzunehmen. Er sorgte für die Anpflanzung von Maulbeerbäumen und begründete dadurch in Ebenezer eine gewinnbringende Industrie, die umso lohnender wurde, als die englischen Kolonisten nach mehreren Misserfolgen die Seidenkultur aufgaben. Bereits im Jahre 1751 sandten die Bewohner von Ebenezer 1.000 Pfund Kokons und 74 Pfund Rohseide nach England, wofür sie 110 Pfund Sterling erzielten. Um diese Industrie zu fördern, schenkten die Behörden jeder derselben sich zuwendenden Frau eine Haspelmaschine. Ferner bewilligten sie zwei Pfund Sterling zum Ankauf von Seidenwürmern und Anpflanzen von Maulbeerbäumen. Auch der Anbau von Indigo wurde von den Salzburgern betrieben.

Die beiden Pastoren Bolzius und Gronau erwiesen sich als echte Väter ihrer Gemeinde. Sich nicht bloß auf die geistliche Fürsorge beschränkend, nahmen sie an allen weltlichen Angelegenheiten lebhaften Anteil. Sie sorgten für den Bau einer Kirche, einer Schule und eines Waisenhauses. Das letzte richteten sie so vorzüglich ein, dass es den berühmten englischen Methodisten George Whitfield geradezu begeisterte und ihm als Vorbild für seine Waisenanstalt Bethesda diente.

Der wackere Bolzius diente seiner Gemeinde 32 Jahre. Mit der Heimat, insbesondere mit dem in Augsburg wohnenden Prediger Samuel Urlsperger unterhielt er regelmäßigen schriftlichen Verkehr. Urlsperger redigierte seine Berichte über das tägliche Leben in Ebenezer mit großer Sorgfalt und gab sie unter dem Titel „Ausführliche Nachrichten von der königlich Großbritannischen Kolonie der Saltzburgischen Emigranten in America“ in Buchform heraus. Sie bildeten die wichtigste Quelle zur Geschichte der Salzburger in Georgia.

Aus ihr ist zu ersehen, dass auch die Salzburger Anstoß an der Einfuhr von Negersklaven in die englischen Kolonien nahmen. Wenn sie auch nicht, wie die Bewohner von Germantown gegen die Sklaverei öffentlichen Protest erhoben, so gaben sie ihre Abneigung doch so deutlich zu erkennen, dass sie die Opposition ihrer anglo-amerikanischen Nachbarn erregten. Um ihr Gewissen zu beruhigen, riefen sie die Meinung ihres Beraters Urlsperger in Augsburg an. Dieser erwiderte folgendes: „Wenn ihr Sklaven nehmt als Christen und in der Absicht, sie als Christen zu erziehen, so wird diese Handlung keine Sünde sein, sondern mag euch Segen bringen.“

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351 p. 103 illustrations
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9783753191836
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