Motel

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Roxanne Works

Motel

nichts ist, wie es aussieht...

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Motel....nichts ist, wie es aussieht...

Impressum neobooks

Motel....nichts ist, wie es aussieht...

Seit Stunden fuhr Mila diesen endlosen, geraden Highway entlang, der irgendwo ganz hinten am Horizont zu enden schien. Alabama war heiß, trocken und ernüchternd schön. Diese endlose Weite, so viel Land im Überfluss, das sich zu beiden Seiten der Straße ausbreitete und ihr das deutliche Gefühl vermittelte, klein und unbedeutend zu sein. Das Land hatte auf sie eine merkwürdige Wirkung. Sie war an unzähligen verlassenen Wohnwagen vorbeigekommen, die zum Durchrosten im Nirgendwo zurückgelassen worden waren, und an einsamen Farmhäusern, die eingebettet in riesige, gelbe Kornfelder ihr spürbar den Eindruck von Einsamkeit vermittelten. Die Beschriftungen der Straßenschilder waren verblichen und wiesen auf etwas hin, das anscheinend in Anbetracht der Weite des Landes an Bedeutungslosigkeit gewonnen hatte.Mila dachte an ihn und den Grund ihrer Reise quer durch dieses Land. War es richtig, sich Hals über Kopf in dieses Abenteuer zu stürzen? Sie schüttelte unwillkürlich den Kopf und lächelte dabei. Natürlich war es nicht vernünftig, aber war sie in ihrem Leben nicht lange genug ein Ausbund an Tugend und Vernunft gewesen? Endlich wollte sie das Leben wieder spüren – sich wieder fühlen, und er war ihr Lebensspender. Seit sie Nicolas kannte, fühlte sie sich unglaublich lebendig. Es kam ihr vor, als wäre sie aus einem langen Schlaf erwacht, und die Welt, die sie kannte, existierte nicht mehr. Er hatte alles verändert. Von der ersten Mail bis zum heutigen Tag hatte Mila das Gefühl, durch Nicolas sich selbst begegnet zu sein. Wie skeptisch war sie dem Internet gegenüber eingestellt gewesen, und wie groß waren ihre Zweifel, auf diesem Weg einen Mann kennen und lieben zu lernen. Aber es war passiert, und nun saß Mila hinter dem Steuer ihres Wagens und war auf dem Weg zu ihrem ersten persönlichen Date. Natürlich hatten beide endlose Zeit am Telefon verbracht, Bilder ausgetauscht und sich aus ihren Leben erzählt. Sie wussten schon so viel voneinander, und doch regten sich hin und wieder Zweifel in ihr. Das Engelchen auf der Schulter mahnte Mila von Zeit zu Zeit, sprach von übereilten Entschlüssen und drängte sie zu mehr Vorsicht: Was weißt du schon von ihm? Nur das, was er dir erzählt hat!, flüsterte es ihr ins Ohr. Es stimmte. Das Internet gab keine Möglichkeiten preis, seine Angaben zu überprüfen. Schließlich war es nicht so, dass sie nicht versucht hätte, seine Angaben zu überprüfen. Ganz konnte eben niemand aus seiner Haut.Der glühende, rote Sonnenball versank gerade hinter dem Horizont und färbte den Himmel in ein grandioses Orangerot ein. Sunset in Alabama, mitten im Niemandsland. Ihr war seit mehr als einer halben Stunde kein Auto mehr begegnet, und der letzte Hinweis auf Zivilisation in Form einer Farm oder eines Diners lag noch eine längere Zeit zurück. Es wurde Zeit für Mila, endlich an ihrem Ziel anzukommen. Der Tag war lang, heiß, staubig und tierisch anstrengend gewesen. Ihr Rücken schmerzte schon seit hundertfünfzig Meilen. In der Ferne erschien die Leuchtreklame eines Motels. Mila war erleichtert und entspannte sich sofort, als ihr bewusst wurde, dass der gemeinsame Treffpunkt unmittelbar vor ihr lag.

Im zweiten Gang und mit gedrosseltem Motor lenkte sie den Range Rover direkt vor das Gebäude. Über der blauen Holztür leuchtete ein flackernder Neonschriftzug, der ihr mitteilte, dass sich dort die Rezeption befand. Das Bestreben, sich elegant aus dem Van zu schälen, wurde bei jeder Bewegung von einem heftigen Stechen im Rücken begleitet. Vom langen steifen Sitzen hatte Mila so geschwollene Füße, dass diese bei den ersten Schritten fast gänzlich die Mitarbeit verweigerten und sie sich fast auf den Allerwertesten gesetzt hätte. Aber das zirkulierende Blut belebte die Enden ihrer Beine blitzartig, und ein unangenehmes Kribbeln löste das Taubheitsgefühl ab. O.k., sie war endlich soweit und ging, zwar noch etwas staksig, auf den Eingang zu.

Hinter dem Tresen aus dunklem Holz, der übrigens nicht größer war als der in ihrer Küche, kauerte ein hagerer Typ auf einem Stuhl und las. Er wirkte ungepflegt und unfreundlich. Der erste Eindruck wurde noch verstärkt, da er keinerlei Anstalten machte, sie nach ihren Wünschen zu fragen. Er zog es vielmehr vor, Mila einfach zu ignorieren. Mit dieser Geste signalisierte er ihr überdeutlich: Du bist hier nicht erwünscht. Sie war jetzt schon heilfroh, möglichst bald aus seinem Dunstkreis verschwinden zu können. Nachdem sie ihn nach der Zimmerreservierung auf den Namen Smith gefragt hatte, schaute er zum ersten Mal zu ihr hoch, seit sie den Raum betreten hatte. Seine leicht wässrigen, grünen Augen fixierten Mila neugierig. Er hatte sich erhoben und legte ihr wortlos das Gästebuch vor. Sie trug sich auf den Namen Mila Smith ein und schob es zu ihm zurück. Interessiert schaute er auf den Eintrag, gab ein seltsam gurgelndes Geräusch von sich, das wohl ein verkümmertes Lachen darstellen sollte und knallte den Zimmerschlüssel auf den Tresen. Ohne eine weitere Erklärung wendete er sich wieder seiner Zeitung zu. Irritiert erkundigte Mila sich nach der ungefähren Lage des Zimmers. Unwillig nuschelte er etwas von »einfach rechts herum« in seinen Fünftagebart, und damit hatte ihre Kommunikation definitiv ein Ende gefunden.

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