Read the book: «Der Hund, der die Welt rettet»
Bisher sind von Ross Welford im Coppenrath Verlag erschienen:
eISBN 978-3-649-62514-8
eISBN 978-3-649-62906-1
eISBN 978-3-649-63242-9
eISBN 978-3-649-63643-4
© 2020 für die deutschsprachige Ausgabe
Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG, Hafenweg 30, 48155 Münster
Alle Rechte vorbehalten, auch auszugsweise
Originally published by HarperCollins Publishers under the title:
The dog who saved the world
© Ross Welford 2018
Translation © Petra Knese 2019 translated under licence from
HarperCollins Publishers Ltd
Ross Welford asserts the moral rights to be identified
as the author of this work.
Aus dem Englischen von Petra Knese
Umschlaggestaltung © HarperCollins Publishers 2019
Umschlagillustration © Tom Clohosy Cole
Übersetzung des Gedichts von Alfred Tennyson (S. 81)
© Werner von Koppenfels. Englische und Amerikanische
Dichtung 2, C. H. Beck 2000
Lektorat: Jutta Knollmann, Susan Niessen
Satz: Sabine Conrad, Bad Nauheim
Das Buch erscheint unter der ISBN 978-3-649-63124-8.
Ross Welford
Aus dem Englischen von Petra Knese
Inhalt
Whitley Bay in ein paar Jahren
Auftakt
1. Teil
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
2. Teil
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel
40. Kapitel
41. Kapitel
42. Kapitel
43. Kapitel
44. Kapitel
45. Kapitel
46. Kapitel
47. Kapitel
48. Kapitel
49. Kapitel
50. Kapitel
3. Teil
51. Kapitel
52. Kapitel
53. Kapitel
54. Kapitel
55. Kapitel
56. Kapitel
57. Kapitel
58. Kapitel
4. Teil
59. Kapitel
60. Kapitel
61. Kapitel
62. Kapitel
63. Kapitel
64. Kapitel
65. Kapitel
66. Kapitel
67. Kapitel
68. Kapitel
69. Kapitel
70. Kapitel
71. Kapitel
72. Kapitel
73. Kapitel
74. Kapitel
75. Kapitel
76. Kapitel
77. Kapitel
Epilog
Danksagung
Über den Autor
Whitley Bay in ein paar Jahren
In meinem Zimmer hängt ein gerahmtes Poster, das ich von Dad zum Geburtstag bekommen habe. Da ich es jeden Morgen und jeden Abend sehe, kenne ich es mittlerweile auswendig.
Hundeweisheiten
Trau keinem, der keine Hunde mag.
Wenn du etwas haben willst, das vergraben ist,
musst du eben buddeln.
Beiß nicht, wenn ein Knurren reicht.
Hab die Menschen trotz ihrer Fehler gern.
Begrüße jeden neuen Tag mit wedelndem
Schwanz.
Sei mutig, egal wie groß du bist.
Lerne immer dazu, egal wie alt du bist.
Wenn jemand einen schlechten Tag hat, halt
die Schnauze und schmus ein bisschen mit
ihm.
Stimmt alles. Wort für Wort. Ist mir letzten Sommer klar geworden, als die Welt beinahe untergegangen wäre.
Auftakt
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mädchen und Jungs, darf ich vorstellen (Trommelwirbel …):
Mister Masch: Der Hund, der die Welt rettete!
Er ist mir das Liebste auf der Welt. Dad und Clem gegenüber klingt das vielleicht ein wenig hart, aber sie werden es verstehen, besonders nach diesem Sommer.
Wie alt er ist, wissen wir nicht, auch nicht, wie er zum Streuner wurde, nicht mal, was für eine Rasse er ist. Mister Masch hat zotteliges Fell – grau, braun und weiß – und Schlappohren. Und so ein süßes, aufgewecktes Gesicht wie ein Schnauzer; große, liebe Augen und einen kräftigen, sehr wedelfreudigen Schwanz wie ein Labrador. Sprich, er ist ein Mischmasch.
Als wir ihn nach ein paar Tagen offiziell aus dem Tierheim Sankt Bello geholt haben, meinte der Pfarrer, ich könnte ihm einen Namen geben. Und als ich »Mischmasch« sagte, verstanden alle Miss Masch, aber weil er ein Rüde ist, wurde aus ihm Mister Masch.
Mister Masch ist mein allerbester und allerdümmster Freund. Seine Zunge ist zu groß für sein Maul, deshalb hängt sie meist heraus, wodurch er noch bekloppter aussieht. Weil er einfach nicht lernt, was man fressen kann und was nicht, frisst er einfach alles. Das wiederum führt zu einem »Gasproblem«, wie es der Pfarrer nennt.
Wie recht er hat. »Lautlos, aber tödlich«, sagt Dad immer.
»Widerlich«, sagt Jessica, die den Hund noch nie mochte.
Aber ohne Mister Masch gäbe es die Welt jetzt vielleicht nicht mehr.
Kein Witz.
1. Kapitel
Es ist sechs Uhr an einem heißen Sommerabend. Ramzy Rahman und ich stehen vor dem Hintereingang des Vergnügungszentrums »Spanish City« und trauen uns nicht zu klopfen. Mister Masch hat gerade ein Magnum verschlungen, das jemandem runtergefallen ist. So wie er sich die Lippen leckt, könnte er glatt noch eins vertilgen. Sogar den Holzstiel hat er mitgefressen.
Das Stahltor vor uns ist so gigantisch, dass es zusätzlich mit einer normal großen Tür versehen ist. Mitten an dieser normalen Tür befindet sich ein Türklopfer, der eher zu einem verwunschenen Schloss passt: ein grün angelaufener Wolfskopf, der die Zähne fletscht.
Mister Masch blickt zu dem Wolfskopf auf und zieht die Lefzen hoch, knurrt aber nicht.
Hinter uns, am Meer, schieben Männer in Shorts Kinderwagen über die Promenade, Autos mit getönten Scheiben rollen über die Küstenstraße und auf dem Radweg strampeln Leute auf Leihrädern. Ramzy stößt mich an, um mich auf Saskia Hennesseys große Schwester aufmerksam zu machen, die nur in Bikini und Flip-Flops mit ein paar Freunden zum Strand flattert. Ich halte den Kopf gesenkt, um nicht erkannt zu werden.
Über uns ein strahlend blauer Himmel, es ist noch so heiß, dass sich sogar die Möwen in den Schatten verzogen haben. Ramzy ist furchtbar aufgeregt und vollführt mal wieder seinen üblichen Tanz.
»Ramzy«, sage ich beschwichtigend. »Wir besuchen bloß eine alte Dame. Wahrscheinlich ist sie einsam und will uns nur bei Tee und Scones Fotos von ihren Enkeln zeigen. Und wir sind einfach höflich und bringen die Sache schnell hinter uns. Kein normaler Mensch würde das für ein Abenteuer halten.«
Ramzy schaut mich an, als wolle er sagen: Ich bin aber nicht normal!
Schließlich hebe ich die Schnauze des Wolfs und schlage sie einmal kurz und kräftig nach unten. Es dröhnt lauter, als ich dachte, und Ramzy zuckt zusammen.
Seine Augen leuchten vor Aufregung und er flüstert mir zu: »Tee, Scones, Wölfe und Abenteuer!«
Frau Dr. Pretorius muss uns erwartet haben, denn sofort werden mehrere Riegel zurückgeschoben und die Tür öffnet sich mit einem zufriedenen Seufzen. (Ramzy grinst. Er wäre enttäuscht gewesen, wenn die Tür nicht geseufzt hätte.)
Wäre es nach ihm gegangen, hätte es geblitzt und gedonnert, und Dr. Pretorius hätte uns in einem langen schwarzen Cape begrüßt: »Willkommen, Sterbliche!« Oder so ähnlich.
Stattdessen ist es noch immer sonnig hell und kein bisschen stürmisch, und Dr. Pretorius, die so lang und dürr ist wie ein Katzenschwanz, trägt noch denselben Strickbademantel wie heute Morgen.
Sie sagt bloß: »Hi«, in ihrem kehligen amerikanischen Akzent. Bloß das: »Hi.«
Dann dreht sie sich um und taucht in das Innere eines dunklen Lagerraums. Mit ihrem buschigen weißen Schopf auf dem dunklen schmalen Körper erinnert sie mich an einen Zauberstab.
Nach ein paar Schritten bleibt sie stehen und sieht sich zu uns um. »Worauf wartet ihr? Braucht ihr ’ne schriftliche Einladung? Kommt schon. Den Köter könnt ihr mitbringen, wenn’s sein muss.«
Am Ende des vollgestopften Lagerraums führt eine schmale Metalltreppe hinauf zu einer Galerie mit Geländer. Da Dr. Pretorius nicht auf uns wartet, sondern weiterläuft, kann ich mich in dem hohen schmuddeligen Raum unbemerkt umsehen. Hier stapeln sich Pappkartons, Ziegelsteine, Zementsäcke, Leitern, Bretter, eine kleine Zementmischmaschine, ein hochkant gestelltes Sofa und ein Container mit Bauschutt. Daneben gibt es aber auch noch Dinge wie einen Pferdesattel, einen Autositz, Barhocker, ein Trimm-dich-Rad, eine riesige Espressomaschine und etwas von der Größe eines alten Wagenrads, das halb verdeckt von einer staubigen blauen Plane auf der Seite liegt.
Ramzy stupst mich von hinten an. »Psst. Guck dir mal den Multi-Copter an!«
Natürlich habe ich schon von Drohnen gehört und mir auf YouTube angeschaut, wie man sie steuert, aber in echt habe ich noch keine vor der Nase gehabt. Clem würde sterben vor Neid, wenn er wüsste, dass ich noch vor ihm eine gesehen habe. Dann fällt mir wieder ein, dass ich ja keinem erzählen darf, dass ich hier bin.
Dr. Pretorius sagt gerade: »… grüner Wolfsklopfer, gefällt der euch? Nennt sich Verdigris. Altfranzösisch für ›das Grün Griechenlands‹. Durch die salzige Luft bildet sich auf dem Messing eine Patina aus Kupfercarbonat. Wie bei der Freiheitsstatue. Aber das wusstet ihr sicher längst, oder etwa nicht?«
Dazu sagen wir nichts, folgen ihr bloß die Treppe hoch und linsen immer wieder zurück zum Lagerraum und der Drohne, die vielleicht oder sogar wahrscheinlich gar keine ist.
Oben bleibt Dr. Pretorius stehen und dreht sich um. »Oder etwa nicht?«
»Doch, doch. Klar.« Ramzy nickt eifrig.
»Lügner!«, faucht sie und reckt ihm ihr spitzes dunkles Kinn entgegen. Mir fällt auf, dass ihr weißer Afro bebt, wenn sie spricht, und stillsteht, sobald sie schweigt. »Wie lautet die chemische Formel für Kupfercarbonat?«
Der arme Ramzy! Ihm fällt die Kinnlade runter. Ramzy ist zwar klug, aber so klug nun auch wieder nicht. »Ähm … ähm …«
Dr. Pretorius wendet sich ab und marschiert mit wehendem Bademantel einfach weiter. »CuCO3«, ruft sie über die Schulter. »Was bringen die euch in der Schule nur bei? Seid ihr immer noch bei Selbstvertrauen und Klimawandel? Ha! Kommt, keine Müdigkeit vorschützen!«
Während wir hinter ihr hertrotten, klackern Mister Maschs Krallen über den Metallboden.
Vor einer Flügeltür mitten in einer hohen, gewölbten Wand bleibt Dr. Pretorius stehen und dreht sich zu uns um. Gerade holt sie tief Luft, da wird sie von einem Hustenanfall geschüttelt, der Ewigkeiten dauert. Beim Husten biegt und krümmt sie sich. Es verdirbt ein wenig den dramatischen Moment, aber der Husten verschwindet genauso plötzlich, wie er gekommen ist. Dr. Pretorius richtet sich auf und ihre Züge werden weicher. »Ach herrje! Schaut nicht so erschrocken. Ich werde alt, das ist alles. Wie heißt ihr?«
»R-Ramzy Rahman. Ma’am.«
Leise lacht sie in sich hinein, dabei zieht sie einen Mundwinkel nach oben. »Ma’am? Ha! Du hast ja bessere Manieren als ich, Junge. Habe euch einfach zu mir eingeladen, ohne dass wir uns ordentlich vorgestellt haben. Da haben wir also Ramzy Rahman und …?«
»Georgina Santos. Oder kurz Georgie.« Das mit Ma’am lass ich bleiben. So wie Ramzy habe ich das nicht drauf.
»Okay, Oder-kurz-Georgie und Ramzy-Ma’am. Damit wollte ich euch auf die Probe stellen. Ab jetzt wird nicht mehr gelogen, klar? Ab sofort vertraue ich euch. Habt ihr irgendjemandem erzählt, dass ihr hier seid?«
Ramzy und ich schütteln den Kopf und sagen beide: »Nein.«
»Neeeeein«, sagt sie gedehnt und nimmt ihre dicke Brille ab, um uns mit ihren seltsam blassen Augen anzuschauen. »Also ist es abgemacht?«
Ramzy und ich nicken, wobei ich nicht ganz sicher bin, was abgemacht ist.
»Abgemacht«, sagen wir zusammen.
Scheinbar zufrieden stößt sie die Türflügel auf und knurrt: »Ist das nicht prima? Wir haben eine Abmachung! Willkommen in der Zukunft, meine Täubchen. Hahahahaaa!« Ihr Lachen klettert die Tonleiter immer höher hinauf und endet in einem vergnügten Kreischen.
Ramzy fängt meinen Blick auf und grinst. Wenn Dr. Pretorius einen auf verrückt macht, übertreibt sie es ein wenig. Bloß … dass es wohl nicht gespielt ist.
Mister Masch jault leise. Er will nicht durch die Tür gehen. Kann ich gut verstehen.
2. Kapitel
Ich habe krampfhaft überlegt, womit die ganze Sache anfing. Mit »ganze Sache« meine ich Dr. Pretorius’ Zukunftskuppel, den abgefackelten VW-Bus, die Hundeseuche, den Millionen-Jackpot … einfach alles. Und ich glaube, es fing mit Mister Masch an.
Trau keinem, der keine Hunde mag.
Das ist die Nummer eins auf meinem Hundeposter. Klingt ziemlich drastisch, deshalb mache ich ein paar Ausnahmen:
1. Menschen aus Ländern und Kulturen, in denen Hunde nicht als Haustiere gehalten werden (wie Ramzys Tante Nush zum Beispiel). Dafür können sie ja nichts.
2. Briefträger und Paketzusteller, die von Hunden angegriffen wurden, wobei daran eigentlich der Besitzer schuld ist, weil er den Hund nicht richtig erzogen hat.
3. Leute mit Hundeallergie. Das muss ich wegen Jessica sagen. Von ihr hört ihr gleich mehr.
Doch abgesehen von den Ausnahmen finde ich die Regel ziemlich gut. Hunde sind gern mit uns zusammen. Wusstet ihr, dass Hunde schon mit den Menschen zusammenleben, seit es uns gibt? Deshalb nennt man sie ja auch den besten Freund des Menschen.
Ich kam schon mit dem Wunsch nach einem Hund zur Welt. Das behauptet Dad zumindest. Angeblich waren meine ersten Worte: »Kann ich einen Hund haben?«
Bestimmt macht er nur Spaß, aber mir gefällt die Idee.
Neben dem Hundeposter kleben Bilder von berühmten Leuten mit ihren Hunden. Meine Lieblingsbilder sind:
•Robby Els und sein Pudel
•G-Topp und sein (sehr niedlicher) Chihuahua
•die amerikanische Präsidentin und ihre Deutsche Dogge
•unser König mit seinem Jack Russel Terrier (Als ich klein war, bin ich dem König mal begegnet, aber da war er noch kein König. Seinen Hund hatte er allerdings nicht dabei.)
•die alte Königin mit ihren Corgis
Jedenfalls bekamen wir einen Hund. Es war im vergangenen März, kurz nachdem Dads Freundin Jessica bei uns eingezogen ist. (Zufall? Glaube ich nicht.)
Ich wusste, dass was im Busch ist. Dad hatte einigeAnrufe von seinem Freund Maurice bekommen, der früher mal Pfarrer war und jetzt das Hundeheim Sankt Bello in Eastbourne Gardens führt. Ist eigentlich nicht so seltsam, bloß dass er jedes Mal: »Ah, Maurice! Warte mal kurz«, sagte und aus dem Zimmer ging. Und einmal hat er beim Zurückkommen bis über beide Ohren gegrinst. Natürlich habe ich es nicht mal zu hoffen gewagt.
Daraufhin habe ich Clem gefragt, aber der hatte da schon angefangen, sich in sein Zimmer, auch Teenagerhöhle genannt, zurückzuziehen (dieser Rückzug ist jetzt mehr oder minder komplett). Clem zuckte nur mit den Schultern, und um ehrlich zu sein, war das mit dem Hund auch immer eher meine Sache gewesen und nicht die meines Bruders. Solange es keinen stinkigen Dieselmotor hat, ist es Clem egal.
Nicht zu hoffen, ist super, super schwer, vor allem, wenn man wie verrückt hofft. Immer wieder schaute ich mir den Kalender Mit Hundebabys durch das Jahr an und fragte mich, ob wir wohl eines bekämen. So sah meine Liste aus, die ich in meiner Nachttischschublade aufbewahrte:
1. Golden Retriever (kinderlieb)
2. Cockapoo
3. Schokoladenfarbiger Labrador
4. Deutsche Dogge (Schon klar, die sind riesig. »Da kannst du gleich ein Pferd kaufen«, sagt Dad immer.)
5. Border Collie (sehr klug, brauchen eine gute Ausbildung)
Ich habe sogar versucht, mir vorzustellen, was in Dad vor sich geht. So nach dem Motto: Jessica zieht ein, Clem wird erwachsen, über beides ist Georgie unglücklich, kaufen wir ihr einen Hund.
Wogegen ich absolut nichts hatte. Und dann … spazierte ich eines Freitags nach der Schule in die Küche, wo Dad saß. »Mach die Augen zu!«, rief er, doch da hatte ich schon das Winseln hinter der Tür gehört.
Ich bin noch nie so glücklich gewesen wie in dem Moment, als Dad die Tür zum Wohnzimmer öffnete und ich dieses Fellbündel sah, dessen Schwanz so wedelte, dass der gesamte Rücken wackelte. Ich fiel auf die Knie, und als der Hund mir das Gesicht leckte, verliebte ich mich auf der Stelle unsterblich in ihn.
Dad hatte ihn aus Sankt Bello, und wir wussten nicht, wie alt er war. Der Pfarrer, der sich damit ganz gut auskennt, schätzte ihn auf fünf Jahre. Natürlich erfüllte er auch sonst keine Kriterien meiner Lieblingshunderassen.
Also habe ich eine neue Liste geschrieben, auf der Mischlinge an erster Stelle stehen.
Es hat einen Monat gewährt. Siebenundzwanzig Tage, um genau zu sein. Siebenundzwanzig Tage reinen Glücks und dann war es vorbei. Zerstört von Jessica. Ich versuche echt, sie zu mögen – vergeblich.
3. Kapitel
An Mister Maschs »Gasproblem« lag es nicht.
Also, ich wäre damit auf jeden Fall klargekommen. Obwohl einem der Geruch schon mal die Tränen in die Augen treiben konnte, hielt er nie lange vor. Nein, es lag hundert Prozent an Jessica.
Erst kam der Husten, dann der pfeifende Atem und dann der Ausschlag an ihren Händen. Jessica reagierte total allergisch.
»Hast du das denn nicht gewusst?«, jammerte ich.
Jessica schüttelte den Kopf. Ob ihr’s glaubt oder nicht, Jessica war einfach noch nie zuvor lange genug mit Hunden in engem Kontakt gewesen, um zu wissen, dass sie auf die Haare, den Speichel oder sonst was allergisch reagierte. Oder vielleicht hat sie es auch erst als Erwachsene entwickelt. Ich glaube nicht, dass sie uns was vorspielt. So gemein ist sie auch wieder nicht.
Okay, manchmal habe ich das schon gedacht. Aber nachdem Jessica einen Asthma-Anfall hatte und sie anschließend völlig erschöpft war und ihr Haar ganz verschwitzt, war klar, dass Mister Masch zurück ins Tierheim musste.
Dass man den besten und den schlimmsten Tag seines Lebens innerhalb eines Monats hat, kommt wohl nicht oft vor, zumal ich da erst zehn war.
Eine Woche lang habe ich nur geweint. Jessica hat immer wieder beteuert, wie leid es ihr tut, und wollte mich in ihre knochigen Arme nehmen, aber ich war stinksauer. Manchmal bin ich es immer noch.
Mister Masch landete wieder im Sankt Bello. Und das einzig Gute ist, dass er noch da ist. Der Pfarrer erlaubt mir auch, ihn jederzeit zu besuchen.
Ich arbeite jetzt nämlich ehrenamtlich im Sankt Bello. Offiziell bin ich natürlich viel zu jung dafür, aber Dad hat seinen Freund überredet, die Regeln ein wenig zu beugen.
Dass Mister Masch nach wie vor da ist, ist eigentlich nicht das einzig Gute. Gut ist auch, dass es in Sankt Bello ganz viele Hunde gibt und ich sie alle gernhabe.
Aber am liebsten habe ich Mister Masch und ohne ihn hätten wir anderthalb Jahre später nie Dr. Pretorius kennengelernt.