Mein Arbeitszeugnis

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Mein Arbeitszeugnis
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Rolf Summermatter

Praxiswissen aus dem Alltag

Mein Arbeitszeugnis

Tipps zum Überprüfen von

Arbeits- und Zwischenzeugnissen

Der Autor

Rolf Summermatter (geb. 1962) lebt im Berner Seeland. Er arbeitet in einer leitenden Funktion in einer Non-Profit-Organisation und ist als Seminarleiter, Coach und Supervisor in den Bereichen Kommunikation und Motivation mit Schwerpunkt Bewerbungsprozess, Mitarbeitergespräch, Arbeitszeugnis und Führung tätig.

Das Thema

Ein Arbeitszeugnis ist kein Selbstläufer. Es ist immer subjektiv gefärbt. Es ist immerhin das einzige von fremder Hand bestätigte Dokument, das aufzeigt, wie die Arbeitsleistung und das Verhalten eines Mitarbeitenden in der Vergangenheit waren.

Cornelia erhält ihr Arbeitszeugnis und ist über den Inhalt dermassen enttäuscht und wütend. Emotionen pur. Bei einem gemütlichen Essen erfährt Cornelia, was es mit dem Arbeitszeugnis auf sich hat, wie dieses Zeugnis überprüft und zwischen den Zeilen gelesen werden kann. Zum Schluss lernt sie, wie sie sich praktisch für ihr Arbeitszeugnis einsetzen kann, für ein Zeugnis, dass sie wirklich verdient.

Rolf Summermatter

Mein Arbeitszeugnis

Tipps zum Überprüfen von Arbeits- und Zwischenzeugnissen

1. Auflage 250

© 2016 Rolf Summermatter

www.apluscoaching.ch

Umschlaggestaltung: Michael Hildbrand, www.fotoweb-marketing.ch

Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

ISBN 978-3-033-05590-2

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet oder verbreitet werden.

Der Autor ist beim Schreiben des Buches sorgfältig umgegangen. Dennoch können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der Autor kann für fehlerhafte Angaben und deren Folgen weder eine juristische Verantwortung noch irgendeine Haftung übernehmen. Der Autor ist für Verbesserungsvorschläge und Hinweise auf Fehler sehr dankbar.

1 Vorwort

In meiner Tätigkeit als Seminarleiter für motivierende Bewerbungen werden mir von den Teilnehmenden immer wieder Fragen zu Arbeitszeugnissen gestellt. Mir fällt auf, dass die Bedeutung der Arbeitszeugnisse zunächst meist unterschätzt wird und die Rechte der Arbeitnehmenden (Zeugnisempfänger/Innen) in Bezug auf die Arbeitszeugnisse weitgehend unbekannt sind. Dabei lohnt es sich wirklich, von Anfang an gut hinzuschauen und sich für ein Arbeitszeugnis respektive Zwischenzeugnis einzusetzen, das man tatsächlich verdient.

Dieses Buch soll dazu dienen, Arbeitnehmenden die Wichtigkeit der Arbeitszeugnisse aufzuzeigen. Es soll ihnen einen Einblick in die Welt der Arbeitszeugnisse gewähren und dazu beitragen, künftig für ihre Leistung und ihr Verhalten ein wahres1, wohlwollendes, vollständiges, einheitliches, individuelles und klares Arbeitszeugnis zu erhalten. Ich wünsche allen Arbeitnehmenden Mut, Kraft und Grösse, um gut hinzuschauen, sich selbst zu hinterfragen und sich für ihre Rechte, wenn es um ihre Leistung und ihr Verhalten geht, stark zu machen! Die Namen und die Geschichte sind frei erfunden und jede Ähnlichkeit mit Personen ist unbeabsichtigt und rein zufällig.

Rolf Summermatter

2 Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort 6

3 Das Unfassbare tritt ein 7

4 Erste Lichtblicke 9

5 Codierung 10

6 Kritisches Lesen des Zeugnisses 12

7 Vollständigkeit 13

8 Der Aufwand lohnt sich für alle 14

9 Wohlwollend gut oder wohlwollend wahr? 15

10 Was heisst relevant? 16

11 Wohlwollende Formulierungen 17

12 Referenzauskünfte 18

13 Merkmale eines guten Zeugnisses 20

14 Zwischenzeugnisse verlangen 21

15 Alle Zwischenzeugnisse erscheinen im Arbeitszeugnis 22

16 Das berufliche Vorwärtskommen nicht behindern 23

17 Die innere Haltung muss stimmen 25

18 Cornelias Arbeitszeugnis 25

19 Cornelias Zwischenzeugnis 26

20 Cornelias Zeugnis wird geröntgt 27

21 Ehrlichkeit auch unter Freunden 31

22 Kündigungsgrund und Dankesworte im Zeugnis 32

23 Dürfen Krankheitsabwesenheiten im Zeugnis erwähnt werden? 33

24 Analyse des Zwischenzeugnisses 34

25 Brücken bauen 34

26 Wie geht es weiter? 37

27 Das neue Zeugnis entsteht 38

28 Der neue Vorschlag 42

29 Gegenwart oder Vergangenheit? 43

30 Das Gespräch beim Ex-Chef 44

Nachwort 46

12 Tipps zu Arbeitszeugnissen 47

3 Das Unfassbare tritt ein

Cornelia war eine junge Frau, die wusste, was sie wollte. Im Beruf fühlte sie sich wohl, war selbstbewusst und hatte ein gutes Auftreten. Als sie einen neuen Chef bekam, geriet dieses Selbstbewusstsein jedoch ins Wanken. Es schien ihr, als würde sie sich auf sumpfigem Boden befinden. Sie wusste nicht, wohin sie den nächsten Schritt machen sollte, und zwar bis zu dem Tag, an dem sie Unterstützung erhielt und sie ihren Blick weg vom Vergangenen hin zur Zukunft richten konnte.

Cornelia rannte mit einem Papier in der Hand vom Firmeneingang zur Strasse. Mit Tränen in den Augen stürmte sie blindlings über den Fussgängerstreifen. Sie bemerkte kaum, dass ein Autofahrer brüsk auf die Bremsen treten musste. Auf der anderen Strassenseite angelangt, jagte sie förmlich in den nahegelegenen Stadtpark weiter. Sie liess sich auf eine leere Bank fallen und ihren Tränen der Wut und der Enttäuschung freien Lauf. In ihrem Kopf kreisten viele Gedanken, die sie jedoch kaum ordnen konnte.

Spaziergänger gingen an ihr vorüber, verlangsamten ihren Schritt, schauten zu ihr hin. Einige lächelten, andere schüttelten leicht verlegen den Kopf, zogen dann wieder mit etwas schnellerem Schritt weiter und wieder andere gingen mit geradem Blick achtlos an ihr vorbei.

Ein kleines Mädchen, mit seiner Mutter und seinem Brüderchen im Kinderwagen den sonnigen Spätnachmittag geniessend, sah die weinende Frau auf der Bank. Es rannte zu ihr hin, schaute sie an und begann sie sanft an den Unterarmen zu streicheln. Es dauerte einen Moment, bis die junge Frau den Kopf hob. Sie sah das kleine Mädchen erst mit leerem Blick an, doch rasch füllte sich dieser mit Freude und Dankbarkeit. Es gelang ihr sogar ein Lächeln. Das kleine Mädchen lächelte zurück und rannte wieder zu seiner Mutter.

Cornelia kramte in ihrer Handtasche, nahm ihr Handy hervor und wählte eine Nummer. „Hallo Cornelia“, kam es vom anderen Ende der Leitung. Es tat ihr gut, Retos vertraute Stimme zu hören.

„Ich habe das Arbeitszeugnis erhalten! Es ist schlecht. So finde ich nie eine neue Stelle!“

Erneut kullerten Tränen über ihr Gesicht.

„Ich habe noch einen Termin im Büro, doch in einer halben Stunde kann ich bei dir sein. Bist du im Stadtpark?“

 

„Ja. Danke, dass du kommst.“

Sie legte das Handy weg und wischte sich mit dem Taschentuch die Tränen weg. Dann sah sie auf und blickte direkt in das liebevolle Gesicht einer älteren, weisshaarigen Frau. „Wer wird denn an einem solch strahlenden Tag so traurig sein“, sagte diese mit einer lieblichen Stimme.

„Ich habe heute meinen letzten Arbeitstag“, erklärte Cornelia und deutete dabei mit einer Kopfbewegung zum Arbeitszeugnis, das offen neben ihr auf der Bank lag. Sie sprach weiter und die ältere Frau hörte ihr einfach zu.

„Ich arbeite seit sechs Jahren dort in der Firma über der Strasse und bis vor elf Monaten war alles genial. Ich hatte einen tollen Chef, ein motiviertes Team, tolle Aufgaben und erreichte gute Resultate. Ich freute mich jeden Tag auf meine Arbeit, ging gerne in die Ferien und kehrte danach auch wieder gerne an meinen Arbeitsplatz zurück. Es war meine Traumstelle! Doch mit dem neuen Chef wurde alles anders. Das Team, dessen Leiterin ich war, wurde vergrössert und neue Aufgaben kamen auf uns zu. Von da an begannen auch meine Probleme. Erst unmerklich…“

Auf einmal hielt sie inne und schaute die ältere Frau mit grossen Augen an, als hätte ein Gedankenblitz sie getroffen.

„Aber was erzähle ich Ihnen das alles.“

„Reden Sie ruhig weiter. Ich höre Ihnen gerne zu und ich glaube, Ihnen tut es auch gut, darüber zu sprechen.“

Cornelia lächelte leicht und sagte: „In der Tat, es tut gut! Danke, dass Sie mir zuhören. Nun, bald merkte ich, dass in meinem Team zwei Personen gegen mich arbeiteten. Da war es allerdings fast schon zu spät. Ich wusste damals nicht, was ich tun sollte. So ging ich zu meinem Chef. Das war allerdings ein Fehler. Statt mich zu unterstützen, sagte er nur, dass es schon gut kommen würde. Das Gegenteil jedoch war der Fall. Um Fehler zu vermeiden und zu korrigieren kam ich am Morgen früher und blieb am Abend länger. Ich spürte, wie das mit der Zeit an meine Substanz ging. Ich hielt den Druck und die Situation im Team nicht mehr aus. Es ging so weit, dass ich bereits am Sonntagnachmittag kaum mehransprechbar war, weil der Montagmorgen unweigerlich näher rückte. Und so habe ich schliesslich gekündigt.“

Die ältere Frau schaute Cornelia an, umfasste ihre Hände und drückte sie einen Moment lang ganz fest. Sie murmelte etwas und liess sie wieder los. Danach schaute sie ihr in die Augen, verabschiedete sich herzlich und ging ihres Weges.

Cornelia schaute ihr dankbar nach. Es hatte ihr gut getan, jemandem ihren Kummer mitzuteilen.

4 Erste Lichtblicke

Cornelia sass auf der Bank und liess ihren Blick in die Ferne schweifen, aber nicht irgendwohin, denn sie hielt ungeduldig Ausschau nach Reto. Endlich kam er! Sie packte rasch ihre Sachen zusammen und eilte ihm entgegen.

„Das kann er doch nicht tun!“, rief sie ihm schon von weitem, das Zeugnis in der Luft schwenkend, zu. Sie fiel Reto buchstäblich in die Arme. Erneut kullerten Tränen über ihre Wangen.

„Komm, zeig mir mal das Zeugnis. Ich will es lesen.“

Als er das Zeugnis überflog, sah Cornelia, wie er von Zeit zu Zeit den Kopf schüttelte.

„Na, habe ich Recht? Das darf er doch nicht, oder?“, sagte sie, wieder mit den Tränen kämpfend.

Reto nahm sie in seine Arme, drückte sie und sprach lächelnd zu ihr: „Ja, so geht das wirklich nicht! Und nach allem, was du für diese Firma getan hast, erst recht nicht!“

Bei diesen Worten fühlte sie sich fürs Erste erleichtert, auch wenn in ihrem Kopf noch so viele Gedankenblitze hin und her zuckten. Die von Reto ausgehende Ruhe schien auf sie überzugehen.

„Und, was kann ich nun tun? Welche Rechte habe ich und wie kann ich diese einfordern?“

Ihr Blick war auf das Arbeitszeugnis in Retos Hand gerichtet. Als sie zu ihm aufblickte, war er dabei, eine gespeicherte Nummer auf seinem Handy anzurufen.

„Hallo Roland!“

„Ah, du bist es, Reto, Wie geht’s denn so?“

„Ach, ganz gut. Du, Roland, entschuldige, dass ich dich während der Arbeit störe. Hast du zwei Minuten Zeit?“

„Sicher. Aber du klingst irgendwie aufgeregt. Was ist geschehen?“

„Wir, das heisst Cornelia und ich, brauchen deine Unterstützung und deinen Rat. Cornelia hatte ja heute ihren letzten Arbeitstag in ihrer Firma.“

„Ja, stimmt, du hast mir davon erzählt. Das war schon heute? Ich dachte erst in einem Monat.“

„Sie hat heute ihr Arbeitszeugnis erhalten und wir haben den Eindruck, dass einiges darin nicht stimmt. Da habe ich natürlich sofort an dich gedacht. Du beschäftigst dich ja sehr intensiv mit Arbeitszeugnissen.“ „Ja, richtig. Erst letzte Woche habe ich wieder ein Seminar darüber abgehalten. Aber was glaubst du, stimmt denn nicht?“

„Das Zwischenzeugnis ihres ehemaligen Chefs, der im letzten Jahr in Pension ging, ist mit keiner Silbe im Arbeitszeugnis erwähnt. Ausserdem wurde Cornelia dieses Zeugnis einfach so von der Sekretärin ausgehändigt, ohne Besprechung.“

„Ja, das klingt allerdings interessant. Solche Fälle habe ich sehr gerne! Aber wie kann ich euch beiden helfen?“

„Könntest du nicht mal die beiden Zeugnisse, ich meine das Zwischenzeugnis und das Arbeitszeugnis, unter die Lupe nehmen und uns deine Meinung darüber sagen?“

„Sicher, mach‘ ich sehr gerne. Wann ginge es bei euch denn?“

„Hast du Lust auf eine Cholera bei uns?“ (Speise aus dem Goms/VS)

„Natürlich, du weisst ja, das ist eine meiner Leibspeisen, vor allem wenn sie aus eurer Küche kommt.“

„Schön, das freut mich sehr! Geht es morgen Abend?“

„Ja, das passt sehr gut. Gegen Sieben?“

„Ja, wir freuen uns! Tschüss Roland.“

Cornelia hatte ungeduldig daneben gestanden und versucht, jedes Wort aufzuschnappen, was ihr auch gelungen ist. So musste Reto ihr nichts mehr über das Gespräch erzählen. Stattdessen lud er sie zu einem Apéro und einer Pizza ein.

„Um deinen Abschluss einer schwierigen Zeit zu feiern und auf eine bessere berufliche Zukunft anzustossen!“, unterstrich er seinen Vorschlag. Sie lächelte, hakte sich bei ihm ein und gemeinsam verliessen sie den Stadtpark. Den ganzen Abend über erzählte Cornelia von ihrer Arbeitsstelle, von den Schwierigkeiten, die nach dem Chefwechsel aufgetreten waren, und vom Arbeitszeugnis. Reto hörte geduldig zu und stellte zwischendurch Fragen. Er wusste, dass dies Cornelias Art war, Dinge zu verarbeiten.

Es war sieben Uhr am darauffolgenden Abend. Fast auf die Sekunde genau klingelte Roland an Cornelias und Retos Tür. Beim Apéro im stilvoll eingerichteten Wintergarten hielt es Cornelia vor Spannung kaum aus. Sie platzte heraus: „Das ist ein codiertes Zeugnis! So geht das einfach nicht! Dem werde ich es noch zeigen!“

Die ganzen Emotionen kamen wieder hoch. Roland lächelte. Solche Situationen kannte er aus seiner Beratertätigkeit sehr gut. Er fragte sie nach beiden Zeugnissen, dem Zwischenzeugnis und dem Arbeitszeugnis. Nach dem Lesen schaute er in Cornelias erwartungsvolle Augen und bemerkte: „Ja, da können wir wohl etwas machen.“

„Was heisst eigentlich genau ‚codiert‘?“, wollte Reto wissen. Roland beantwortet diese Frage jeweils sehr gerne.

„Viele sprechen von Codierung, ohne genau zu wissen, was damit gemeint ist“, begann er.

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