Read the book: «Erfolgreiche Gespräche durch aktives Zuhören»
Rolf H. Bay
Erfolgreiche Gespräche
durch aktives Zuhören
10., durchgesehene Auflage
Umschlagabbildung: © Antonio Guillem/Shutterstock.com
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2021 · expert verlag GmbH
Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autoren oder Herausgeber übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
Internet: www.expertverlag.de
eMail: info@verlag.expert
ISBN 978-3-8169-3526-1 (Print)
ISBN 978-3-8169-8526-6 (ePDF)
ISBN 978-3-8169-0049-8 (ePub)
Vorwort
Die Welt um uns herum bauen wir jeden Tag aufs Neue. Diese Erkenntnis gilt auch für jedes Gespräch und ist ein wichtiger Schlüssel für das eigene Zuhörverhalten.
Wo wir mit vorgefassten Meinungen, Vorurteilen und stereotypen Verhaltensweisen ins Gespräch gehen, blockieren wir uns und den Partner, indem wir nicht mehr zuhören, was gesagt wird. Richtiges Zuhören ist aber die Basisvoraussetzung für Verstehen und erfolgreiche Kommunikation.
Dieses Buch geht alle an, die im Privatleben und in der beruflichen Lebenswelt die eigene Kommunikationsfähigkeit verbessern wollen. Es ist aus der Arbeit mit vielen hundert Menschen in berufsbezogenen Kommunikationstrainings entstanden. Dem Leser wird auf der Basis neuerer Erkenntnisse der Kommunikationspsychologie das Entschlüsseln von Aussagen durch aktives Zuhören vermittelt. In zahlreichen Dialogen werden die möglichen Störquellen im Gespräch dargestellt, so dass der Leser sehr schnell sein eigenes Verhalten überprüfen und verändern kann.
Aktives Zuhören bedeutet im Wesenskern, Gesprächspartner anzunehmen; es ist deshalb auch mehr als nur eine andere Art des Gesprächsverhaltens. Viele Hintergrundinformationen über die psychologischen Prozesse des Zuhörens sollen helfen, das aktive Zuhören als kommunikative GrundeinsteIlung zu verdeutlichen. Die meisten Kapitel sind durch umfangreiche Übungen ergänzt, die Ihnen helfen sollen, Ihr eigenes Zuhörverhalten Schritt für Schritt zu vervollkommnen.
Und da Wissen ohne Mut unfruchtbar ist, sind Sie herzlich aufgefordert, das Gelesene und Geübte dann schon im nächsten Gespräch auszuprobieren. Dazu wünsche ich Ihnen viel Erfolg.
Dr. Rolf H. Bay
Inhalt
1Kommunikation aus psychologischer Sicht
1.1Die Verarbeitung von Reizen
1.2Die Bedeutung von Reizen
1.2.1Die Sachebene und die Beziehungsebene
1.2.2Die Selbstmitteilungsebene und die Appellebene
2Die 4 Ebenen in der Kommunikation
2.1Der 4-Kanal-Sender
2.2Der 4-ohrige Empfänger
Übung 1: Die vier Seiten einer Mitteilung
3Zuhören – Eine vernachlässigte Dimension in Gesprächen
3.1Passives Zuhören
3.2Aktives Zuhören
3.2.1Das Bild vom Gesprächspartner beim aktiven Zuhören
3.2.2Die Philosophie des Problembesitzes
4Die typischen Gesprächsstörer – Eine Anleitung zum Verhindern effektiver Gespräche
4.1Von sich selbst reden
4.2Lösungen liefern, Ratschläge erteilen
4.3Herunterspielen, bagatellisieren, beruhigen
4.4Ausfragen, dirigieren
4.5Interpretieren, Ursachen aufzeigen, diagnostizieren
4.6Vorwürfe machen, moralisieren, urteilen, bewerten
4.7Befehlen, drohen, warnen
Übung 2: Gesprächsstörer identifizieren
5Die Gesprächsförderer –Was man tun kann, um aktiv zuzuhören
5.1Paraphrasieren
5.1.1Wiederholung mit eigenen Worten
5.1.2Zusammenfassende Wiederholung
5.2Verbalisieren
5.2.1Nicht-festlegende Aufmerksamkeitsreaktionen
5.2.2Die weiterführende Frage
5.2.3Die klärende Frage
5.2.4Statements
Übung 3: Aktive Zuhörreaktion
6Wo kann aktives Zuhören angewandt werden?
7ICH-Botschaften und DU-Botschaften – über das Beziehungsgerangel in Gesprächen
7.1Was eine DU-Botschaft aussagt
7.2Übung 4: ICH-Botschaften formulieren
7.2Was eine ICH-Botschaft aussagt
Übung 4: ICH-Botschaften formulieren
8Aktives Zuhören im Überblick
ANHANG
ÜBUNG: Mein persönlicher Antwortstil in Gesprächen
Auswertung der Übung
Literaturverzeichnis
Sachregister
1 Kommunikation aus psychologischer Sicht
Jeder von Ihnen wird schon einmal mit der Aussage konfrontiert worden sein, dass wir in einem besonderen Zeitalter leben, dem Kommunikationszeitalter. Damit wird üblicherweise abgehoben auf den sich ständig vergrößernden Anteil technisch ausgefeilter Kommunikationsmittel, die als Überträger von Informationen zwischen Menschen dienen.
Was aber trotz aller Kommunikationsneuerungen immer bestehen bleiben wird, das ist die zwischenmenschliche Kommunikation – jenes direkte, unmittelbare Reden, Diskutieren und Verhandeln zwischen zwei oder mehr Personen, ob am Telefon oder im Kontakt vis-à-vis.
Und unabhängig davon, worüber geredet, diskutiert und verhandelt wird, gibt es gesicherte psychologische Erkenntnisse über das, was wir zwischenmenschliche Kommunikation nennen.
Wir wollen zunächst die für das Grundverständnis jeglicher zwischenmenschlicher Kommunikation wichtigsten psychologischen Gesetzmäßigkeiten betrachten.
1.1 Die Verarbeitung von Reizen
Kommunikation ist immer Austauschen und Verarbeiten von Reizen. Wie dieser Austausch- und Verarbeitungsprozess funktioniert und welche einzelnen Schritte er beinhaltet, wollen wir uns jetzt anschauen.
In jeder Kommunikation gibt es einen Sender und einen Empfänger. Der Sender gibt einen Reiz ab, zum Beispiel eine Frage, und der Empfänger zeigt daraufhin eine Reaktion, zum Beispiel antwortet er zustimmend, ablehnend oder gar nicht. Auch das Nicht-Reagieren auf einen Reiz ist eine Reaktion. Denken Sie nur einmal an das Überhören einer Frage, egal ob bewusst oder unbewusst. Wir nennen diesen Vorgang Reiz-Reaktions-Verhalten.
In Bild 1.1 ist dieser Ablauf dargestellt. Was das Fragezeichen zu bedeuten hat, werden wir im Verlauf der weiteren Überlegungen noch klären.
Wir können hier zunächst einmal die Behauptung aufstellen, dass in aller Regel auf einen positiven Reiz eine positive Reaktion folgt, hingegen auf einen negativen Reiz wahrscheinlich eine negative Reaktion.
Bild 1.1:Reiz-Reaktions-Modell
Im Verlauf eines Gesprächs nehmen nun die beteiligten Personen abwechselnd die Sender-Rolle und die Empfänger-Rolle ein. Es entsteht ein Regelkreissystem. Dieses Zusammenspiel von Sender und Empfänger nennen wir Interaktion.
Auf der folgenden Seite ist dieser Kommunikationsablauf in Bild 1.2 modellhaft dargestellt.
Zum besseren Verständnis wollen wir uns die einzelnen Schritte des Kommunikationsmodells etwas genauer ansehen. Wir haben es hier mit einem psychologischen Vorgang zu tun, der objektiv gesehen wie ein nachrichtentechnischer Austauschprozess aussieht.
Der Sender als Informationsquelle (1) verfolgt – bewusst oder unbewusst eine bestimmte Absicht; er hat ein Kommunikationsziel.
Auf Grund seiner Persönlichkeitsstruktur, seines Erfahrungshintergrundes und der subjektiven Einschätzung der momentanen Situation filtert der Sender intern, was er mitzuteilen beabsichtigt (2). Es kann zum Beispiel sein, dass er unangenehme Teile seiner Botschaft nicht durch den Filter lässt oder bestimmte Aspekte färbt.
Was dann durch den Filter gelangt ist, wird verschlüsselt (3), d. h. in Worte, Gesten, Zeichen, Signale und Bewegungen umgesetzt.
Bild 1.2:Der Kommunikationsprozess
Der Sender (4) wählt den Informationskanal (5) aus und übermittelt die Nachricht auf diesem Kanal an den Empfänger (6). Gerade aus der Wahl des Kommunikationskanals ergeben sich unter Umständen nicht unerhebliche Missverständnisse oder kommunikative Schwierigkeiten. Der Sender wählt ja mit dem Kanal sein bevorzugtes Repräsentationssystem für Mitteilungen aus.
Das heißt, er kann zum Beispiel etwas bildhaft, abstrakt oder gefühlsmäßig ausdrücken.
Die Kommunikation wird störungsfreier verlaufen, wenn Sender und Empfänger im Gespräch auf weitgehend gleiche Repräsentationssysteme zurückgreifen.
Der Empfänger entschlüsselt (7) die Informationen mit Hilfe des ihm zur Verfügung stehenden Zeichenvorrats.
Der persönliche Filter (8) sorgt auch hier für eine interne Ausblendung, Aussortierung oder Färbung der entschlüsselten Reize. Was auf diesem Wege zur letzten Station Informationsverarbeitung (9) gelangt, dient dann als Basis für neue Reaktionen seitens des Empfängers, der dadurch in die Sender-Rolle überwechselt.
Anhand dieser Erläuterungen wird deutlich, dass bei den Kommunikationspartnern sehr viel mehr interne als externe Prozesse ablaufen. Gerade deshalb ist in der Kommunikation der Sender die kompetente Interpretationsquelle des abgesandten Reizes. Der Empfänger (Zuhörer) wird seinerseits Vermutungen und Hypothesen über die Bedeutung des Mitgeteilten haben. Letztlich bestätigen kann sie aber nur der Sender.
Die Kommunikation funktioniert also nach dem Regelkreismodell. Das heißt, dass jeder jeden durch sein Verhalten beeinflusst.
Wir haben es mit einem offenen Verhaltenssystem zu tun. Und offen heißt hier: Das Kommunikationssystem ist steuerbar, änderbar, beeinflussbar. Die Steuerungselemente sind dabei die Verhaltensweisen der beteiligten Personen. Diese Tatsache ist außerordentlich wichtig. Machen Sie sich bitte diesen Sachverhalt ganz klar.
Der Kybernetiker Norbert Wiener hat die Systembedingtheit des Verhaltens einmal treffenderweise wie folgt charakterisiert:
„Ich weiß nicht, was ich gesagt habe, solange
ich nicht die Antwort darauf gehört habe.“
Und dem lässt sich hinzufügen:
„Wahr ist nicht, was Sie gesagt haben, sondern
wahr ist auch, was der Partner gehört hat.“
Die Annahme, dass es in der zwischenmenschlichen Kommunikation so etwas wie eine eindeutige Beziehung zwischen einem Reiz und einer Reaktion gäbe, ist falsch und durch die Ergebnisse der Kommunikationsforschung längst widerlegt, aber anscheinend trotzdem unausrottbar.
Je mehr es mir in der Kommunikation gelingt, von der Vorstellung Abschied zu nehmen, dass es eine vorgefertigte Reaktion des anderen auf mich gibt, umso eher nehme ich den Partner ernst und begegne ihm vorurteilsfreier.
Was der Sender ausdrücken will, muss nicht beim Empfänger zum gewünschten Eindruck führen, denn jeder sieht sozusagen durch seine eigene Brille.
Zwischen dem ankommenden Reiz und der abgehenden Reaktion findet eine Verarbeitung des Reizes statt.
Welche Faktoren dabei diesen Verarbeitungsprozess mit beeinflussen, ist in Bild 1.3 dargestellt.
Bild 1.3:Einflussfaktoren bei der Informationsverarbeitung
Wir können also festhalten:
Kommunikationsreize werden beim Empfänger in einem internen, für andere nicht sichtbaren Prozess verarbeitet.
Die Reaktion des Empfängers ist nur das äußerlich sichtbare Resultat des internen Verarbeitungsprozesses, den wir als internen Dialog bezeichnen.
Denken Sie bitte einmal selbst darüber nach, wie oft Sie eine Aussage im internen Dialog umformuliert, verworfen oder abgeschwächt haben, bevor Ihr Gesprächspartner mit dem Endprodukt, nämlich Ihrer konkreten Aussage, konfrontiert wurde.
Und weil der Verarbeitungsprozess individuell verschieden ist, kann ein und derselbe Reiz bei verschiedenen Empfängern auch zu verschiedenen Eindrücken führen.
Natürlich spielt hier auch noch ein anderer, wesentlicher Faktor mit hinein: Die Eindeutigkeit des Reizes. Wer sich unklar, unpräzise, undeutlich ausdrückt, lädt sozusagen den Partner zu nicht gewollten Interpretationen seiner Aussage ein.
1.2 Die Bedeutung von Reizen
„Verhalten hat vor allem eine Eigenschaft, die so grundlegend ist, dass sie oft übersehen wird: Verhalten hat kein Gegenteil.
Man kann sich nicht nicht verhalten. Daraus folgt, dass man, wie immer man es auch versuchen mag, nicht nicht kommunizieren kann. Handeln oder Nichthandeln, Worte oder Schweigen haben alle Mitteilungscharakter: Sie beeinflussen andere, und diese anderen können ihrerseits nicht nicht auf diese Kommunikation reagieren und kommunizieren damit selbst.
Der Mann im überfüllten Wartesaal, der vor sich auf den Boden starrt oder mit geschlossenen Augen dasitzt, teilt den anderen mit, dass er weder sprechen noch angesprochen werden will, und gewöhnlich reagieren seine Nachbarn richtig darauf, indem sie ihn in Ruhe lassen.
Dies ist nicht weniger Kommunikationsaustausch als ein angeregtes Gespräch“ (Paul Watzlawick, Menschliche Kommunikation, 2007, Seite 51).
Es ist also offensichtlich unmöglich, nicht zu kommunizieren.
Alles, was Sie in einem Gespräch tun oder unterlassen, ist kommunikationspsychologisch gesehen für den Partner von Bedeutung. Und umgekehrt natürlich auch: Was der Partner tut oder unterlässt, ist für Sie von Bedeutung. Beide beteiligten Gesprächspartner nehmen das Verhalten des jeweilig anderen ständig – bewusst oder unbewusst – wahr und interpretieren und bewerten es. Die Wahrnehmungsqualität ist dabei umso besser, je mehr Bedeutungsebenen in einer Aussage vom Empfänger (Zuhörer) entschlüsselt werden können. Und die Qualität der Wahrnehmung beeinflusst ursächlich die Qualität der darauf aufbauenden eigenen Reaktion.
Welche Bedeutungsebenen in einer Aussage enthalten sind, werden wir ausführlich darstellen.
1.2.1 Die Sachebene und die Beziehungsebene
In der scheinbar so rational beherrschten Welt der Wirtschaft spielt die Sachinformation eine große Rolle. Mitunter hat es den Anschein, als ob der Mensch im Arbeitsleben dann besonders geschätzt wird, wenn er sich möglichst sachlich gibt.
Und bezeichnenderweise versucht man, auftretende Störungen in der Kommunikation bevorzugt auf eben dieser Sachebene zu beheben (und die Betonung liegt hier auf versucht!).
Wie das geht? Meist so: Man versucht, Widerstände mit noch rationaleren Argumenten zu widerlegen. Man versucht, sich noch präziser, ja vielleicht sogar hochgestochener auszudrücken.
Die Kommunikationspsychologie lehrt uns, dass die Sachebene nicht allein ausschlaggebend ist. Wenn wir mit einer Person kommunizieren, beziehen wir automatisch immer auch eine persönliche Stellungnahme zum anderen.
Der Sender drückt mit jeder Kommunikation also auf zwei Ebenen gleichzeitig etwas aus. Auf der Sachebene wird der sachliche Inhalt der Aussage transportiert. Auf der Beziehungsebene wird das persönliche Verhältnis der Partner zueinander bestimmt.
Sie werden sich jetzt wahrscheinlich fragen, ob man denn in der Kommunikation immer so genau diese beiden Ebenen unterscheiden kann. Die Antwort lautet: „Wenn Sie wissen, woran man die Ebenen erkennen kann, können Sie sie auseinanderhalten.“
Es sind vor allem die Kommunikationsreize aus dem nicht-sprachlichen Bereich, die die Beziehungsebene bestimmen. Dazu gehören: Tonfall, Sprechtempo, Gesichtsausdruck, Gestik, Körperhaltung, Blickkontakt und so weiter.
Es sei noch hinzugefügt, dass die Beziehungsebene viel weniger auffällig in der Kommunikation in Erscheinung tritt als die Sachebene. Und in einer gesunden Beziehung zwischen zwei Gesprächspartnern rückt die Beziehungsebene auch stärker in den Hintergrund. Sie gewinnt aber umso mehr an Bedeutung, je konfliktträchtiger die Beziehung ist.
Was beispielsweise auf den ersten Blick auf der Sachebene wie ein Ringen um eine zutreffende Formulierung aussieht, entpuppt sich auf den zweiten Blick als ein versteckter Kampf um die Definition der Beziehung zwischen den Gesprächspartnern. Es geht um die Frage: „Wer ist der Bessere von uns?“
Das bedeutet für die Kommunikation: Je konfliktträchtiger die Beziehung zwischen zwei Gesprächspartnern ist, desto stärker bestimmt die Beziehungsebene die Leseart der Sachaussage.
Generell gilt der Satz: „Die Qualität der Beziehungsebene bestimmt, wie die Aussage auf der Sachebene aufgefasst wird.“
Welche Beziehungsdefinitionen überhaupt denkbar sind, wollen wir jetzt eingehender behandeln.
Im Kommunikationsprozess nehmen die Beteiligten – meist unbewusst – eine sogenannte Grundposition ein. Diese Grundposition bestimmt ihr Verhalten. Sie kann während eines Gesprächs mehrfach wechseln. In den entscheidenden, weichenstellenden Gesprächsmomenten aber nimmt man bevorzugt eine Grundposition ein.
Wir unterscheiden insgesamt vier solcher Grundpositionen.
ICH + / DU + = | Ich bin okay, und beim näheren Hinsehen gibt es keinen Grund, dich nicht auch als okay zu sehen. Es ist auch in Ordnung, dass du anderer Meinung bist als ich. Wir wollen gemeinsam Probleme lösen, zum beiderseitigen Wohl. |
ICH + / DU – = | Ich bin okay, du bist nicht okay. Ich werde dir sagen, wo dein Platz ist. Probleme sind deine Schuld, nicht meine. Wenn du nicht wärst, hätte ich keine Probleme. Ich werde also versuchen, dich loszuwerden. |
ICH – / DU + = | Ich bin nicht okay, du bist okay. Ich sehe, dass du der Stärkere bist, und mache, was du sagst. Es wird das Beste sein, wenn ich mich zurückziehe. Sag du mir doch, was ich tun soll. Ich halte mich erst mal mit meinen Forderungen, Ansprüchen, Wünschen usw. zurück. |
ICH – / DU – = | Ich bin nicht okay, du bist nicht okay. Und weil das so ist, will ich mit dir nichts erreichen. Es ist mir egal, was bei unserem Gespräch herauskommt. Wofür soll man sich noch anstrengen? Es hat ja alles sowieso keinen Sinn. |
Wir schauen uns jetzt einmal an, wie denn diese Grundpositionen in einem konkreten Beispiel die Sachaussage färben können.
Ein Käufer sagt zu einem Verkäufer: „Wie meinen Sie das genau, können Sie mir das erklären?“ Das ist nun die Sachaussage.
Je nach dem, welches ICH-DU-Verhältnis die beiden zueinander haben, liest sich dieser Satz wie folgt:
ICH + / DU + = | Du bist für mich kompetent. Wenn du mir das erklärst, dann weiß ich, dass es stimmt. |
ICH + / DU – = | Jetzt zeig mal. ob du was drauf hast. Ich bin gespannt, was dir jetzt Kluges einfällt. |
ICH – / DU + = | Drück dich doch bitte klarer aus. Ich kann dir nicht folgen. Du bist der Fachmann, ich bin auf dich angewiesen. |
ICH – / DU – = | Ich weiß nicht Bescheid, und so wie du dich ausdrückst, kapier ich das auch nicht. Aber versuchen wir das Unmögliche noch einmal, es wird ja doch nicht klappen. |
Kommunikationsstörungen treten immer dann auf, wenn sich einer der Beteiligten gegen die Beziehungsfestlegung durch den anderen wehrt.
Zu bemerken ist dies an zunehmenden „Missverständnissen“, „So-habe-ich-das-nicht-gemeint-Aussagen“, falschen Interpretationen, Unterstellungen, schneller und lauter werdendem Sprechen, gegenseitigem „Sich-ins-Wort-fallen“, dem Beantworten von Fragen mit Gegenfragen und so weiter.
Woran liegt das? Nun, mit der Beziehungsfestlegung wird unter anderem das Selbstwertgefühl und Selbstbild des Partners angesprochen.
Und fragen Sie sich doch bitte selbst einmal: Möchten Sie gern in die DU-Position gedrängt werden? Bestimmt nicht.
Auch im Geschäftsleben ist die Beziehungsebene von weitreichender Konsequenz für die Qualität des Miteinander. Das hängt mit der einfachen und ebenso bedeutungsvollen Tatsache zusammen, dass jeder Mensch – wie Eric Berne es formuliert hat – einen Hunger nach Anerkennung hat (Spiele der Erwachsenen, 2008, S. 14).
Und durch die Art und Weise, wie wir mit unserem Gesprächspartner reden, teilen wir ihm immer auch mit, wie wir ihn annehmen, welchen Wert wir ihm beimessen. Auf der Beziehungsebene werden die Weichen für die Qualität des Verständigungsprozesses gestellt.
Hierzu einige Beispiele von Suggestivfragen, die ein Gesprächspartner einem anderen stellt:
„Ich gehe doch recht in der Annahme, dass sie eigentlich sagen wollten..., nicht wahr?“
„Sie sind doch ein verantwortungsbewusster Mensch, und denken, bevor Sie handeln – oder nicht?“
„Sie haben doch sicherlich den Artikel über ... in der Zeitung gelesen, so dass wir von einer gemeinsamen Basis ausgehen können, nicht wahr?“
Wer häufig mit solchen Suggestivfragen arbeitet, signalisiert: ICH +/ DU – Im Klartext heißt das nämlich: Ich leg mal für dich fest, was du meinen sollst.
Damit wird über die Beziehungsbotschaft gleich zweierlei ausgedrückt:
1. Wie ich den Partner sehe.
2. Wie unser Verhältnis zueinander ist.
Soweit die Bedeutung der Sachebene und der Beziehungsebene in der Kommunikation. Wir werden gleich feststellen, dass es noch weitere Ebenen gibt, die für die Gestaltung einer partnerorientierten Kommunikation von Wichtigkeit sind.