Die Stadt Zürich, die im Laufe der Jahrhunderte neben der königlichen Pfalz und der Abtei Fraumünster herangewachsen war, gehörte mit dem Bischof von Konstanz, dem Abt von St. Gallen, Savoyen und Bern zu den Reichsgliedern, die sich durch die Bildung eines habsburgischen Staates in den Oberen Landen bedroht fühlten. Das gab den Anlass zu dem auf drei Jahre geschlossenen Bunde Zürichs mit Schwyz und Uri. Die Eidgenossen bildeten einen ständigen Rat von sechs Züricher Bürgern und sechs Vertretern der Länder: es waren für Uri Werner von Attinghausen, Bernhard Schüpfer und Konrad Herr von Erstfelden, für Schwyz Konrad ab Iberg, Rudolf Stauffacher und Konrad Huser. So hören wir endlich bestimmte Namen, und es sind Namen darunter, denen Sage und Dichtung edlen Erzklang verliehen haben. Über zwanzig Jahre später leitete Werner Stauffacher die Schwyzer, als sie wieder einmal das Kloster Einsiedeln überfielen, mit dem sie über ein zwischen ihnen liegendes Stück Land stritten. Ohne Scheu vor der gottgeweihten Stätte führten sie Mönche und Knechte des Klosters gefangen fort, nachdem sie das Kloster verwüstet hatten. Vielleicht war er ein Sohn der stolzen Stauffacherin, die ihrem verzagenden Manne den Rat gab, sich mit den Urnern zur Befreiung der Länder zu verschwören.
Der Bund mit Zürich ging bald wieder auseinander, weil die Politik der Reichsstädte in dieser Sache mehrfach wechselte. Die Männer am See dagegen hielten an ihrem Grundgedanken fest, dem unzerbrechlichen Zauberring, den sie um sich geschlossen hatten und wenn es nützlich schien und möglich war, ein wenig, nicht zu viel erweiterten. Dass die Verbindung gegen Habsburg zunächst eine Niederlage erlitt, focht sie nicht an. Die Schwyzer machten damals ein wichtiges Gesetz im Sinne der Freiheit: sie verboten jede Übertragung von Grundbesitz an Landfremde und Klöster und bestimmten, dass kirchliches und grundherrliches Gut im Lande steuerpflichtig sei. Übrigens fuhren sie fort, die Kaiserkämpfe auszunützen. Adolf von Nassauen, Feind der Habsburger, bestätigte willig den Urnern und Schwyzern ihre Freiheitsbriefe. Mit Albrecht, dem Sohne Rudolfs, erneuerte sich die Gefahr, bis ein früher, gewaltsamer Tod sie verscheuchte. Heinrich VII. bestätigte nicht nur den Urnern und Schwyzern, die sich ihm vorstellten, als er im Jahre 1309 sich in Konstanz aufhielt, ihre von den früheren Kaisern ausgestellten Privilegien, sondern auch den Unterwaldnern, die solche gar nicht besaßen, sodass nun die drei Waldstätte sich über ihre Reichsunmittelbarkeit ausweisen konnten. Die Söhne des ermordeten Habsburgers beruhigten sich dabei nicht; nachdem sie sich mit dem Kaiser versöhnt hatten, hielt Leopold ihm vor, dass die den Waldstätten erteilten Rechte gewissen Rechten ihrer Dynastie widersprächen, und erlangte von Heinrich das Versprechen, er werde die Habsburger Herrschaftsansprüche untersuchen lassen und dann die Entscheidung treffen. Das war im Jahre 1311, als er vor Brescia lag. Zwei Jahre später räumte wieder der Tod die den Waldstätten drohende Gefahr hinweg: der noch junge Kaiser starb. Die darauf erfolgende doppelte Königswahl war für die Waldstätte ein glücklicher Umstand, denn Ludwig der Bayer suchte natürlich alle Gegner Habsburgs an sich zu fesseln und lud sie selbst ein, sich ihm anzuschließen, hob auch die Reichsacht auf, der die Schwyzer wegen ihrer gegen das Kloster Einsiedeln verübten Übeltaten verfallen waren. So waren die kleinen Länder in die große Zwietracht hineingerissen, die das Reich zerteilte, die nur mit den Waffen ausgefochten werden konnte. Herzog Leopold beschloss, die Waldstätte, rebellische Bauern, endgültig seinem Hause wieder zu unterwerfen. Es war nicht anzunehmen, dass die unbedeutenden Täler dem österreichischen Herzog, wenn er einmal seine Kräfte sammelte, widerstehen könnten. Etwa 20 000 Mann brachte er zusammen, lauter in den Waffen geübte Ritter, österreichische Lehens- und Dienstleute, hauptsächlich aus den schwäbischen Landen. Während der Herzog diese gegen Schwyz führen wollte, leitete Graf Otto von Straßberg, Leopolds Stellvertreter in den burgundischen Gegenden, ein zweites Heer über den Brünig gegen Unterwalden. Hilfe hatten die Länder keine; Zürich hielt zu Österreich, mit Bern bestand noch keine Verbindung, Luzern war durch die österreichische Herrschaft gebunden. Von den Urnern indessen kam Zuzug nach Schwyz, denn man wusste dort, dass der Herzog beim Engpaß von Morgarten, als dem einzig unbeschützten Punkt, einzufallen beabsichtigte. Dort warteten die Bauern und schleuderten auf die Angreifer, die mit einem leichten Sieg rechneten, Felsblöcke herunter. Die entsetzten Ritter, die zurückweichen wollten, drückten auf die noch nichts ahnenden nachrückenden, und ein furchtbares Gedränge entstand; die nicht vom Feinde vernichtet wurden, ertranken in dem See, der die Flucht versperrte. Der Chronist verglich sie mit Fischen, die in einem Fanggarn gefangen werden. Es war der 15. November des Jahres 1315, als diese erstaunliche Schlacht stattfand, mehr eine Katastrophe als eine Schlacht. Die Kunde davon verbreitete solchen Schrecken, dass Graf Otto von Straßberg für besser fand, mit seinem Heer umzukehren, und so hastig flüchtete, dass er sich eine Verletzung zuzog, an der er starb. In den drei Ländern schlugen die Herzen hoch. In Strömen war das Blut der Ritter geflossen, das ihre hatten sie gespart für die Zukunft. Am 9. Dezember erneuerten sie bei Brunnen ihren Ewigen Bund. Er war diesmal in deutscher Sprache verfasst und nannte Österreich als den Feind, gegen den er sich richtete. Aufrecht standen sie da als bewährte Kämpfer und Sieger, gesättigt mit Ruhm und Ehren. Ludwig der Bayer lobte ihre Treue und beschenkte sie mit Gnaden, indem er, außer dass er ihre Reichsunmittelbarkeit bestätigte, den Habsburgern die Rechte aberkannte, die sie an den Waldstätten zu haben behaupteten. Zwei Jahre nach der Schlacht wurde der Landammann von Uri zum Reichsvogt von Urseren und Livinen und damit zum Aufseher über den Gotthardverkehr ernannt. So waren denn die Waldstätte dicht an den Berg hinangerückt, der ihres Schicksals Herr war; sie hatten, das fühlten sie, an seine Felsen angeklammert einen festen Stand, den menschliche Kraft nicht erschüttern konnte. Nun führten sie allmählich auch die urtümliche Germanenfreiheit wieder ein, die ihrem Sinn entsprach. Es hatte unter ihnen einen Adel gegeben, der sich nicht rechtlich über den Freien erhob, dem nur so viel Ehrerbietung und Gehorsam gezollt wurde, wie persönlicher Tüchtigkeit freiwillig gewährt wurde. Den Lehens- oder Dienst-Adel, der jetzt herrschte, machten seine Ansprüche und Übergriffe verhasst; weil sie keine Geschlechter aufkommen lassen wollten, die den freien Bauern unterdrückten, vertrieben sie die adligen Familien, die unter ihnen heimisch waren. Den Herrschaften, die Rechte in Uri hatten, wurden diese abgekauft. In Unterwalden wurden einzelne Familien, die Lehen von Österreich hatten, unfähig zur Bekleidung öffentlicher Ämter erklärt. Weder sollten Knechte noch sollten Edelleute der engen Verbundenheit aller zu gleicher Treue zur Heimat und Opferbereitschaft für die Freiheit eine Hemmung sein.
Dem demokratischen Gedanken fiel in Uri die Familie von Attinghausen zum Opfer, der, wie man annimmt, vorzüglich der großartige Aufschwung der eidgenössischen Politik zu danken war. Im Jahre 1358 wurde Hans von Attinghausen, nachdem er jahrzehntelang die Geschicke des Landes erfolgreich geleitet, sein Bündnis mit den Städten befördert hatte, durch einen Aufstand vertrieben. Seine Burg in der Nähe von Altdorf, deren Trümmer noch vorhanden sind, wurde zerstört. Ruhm und Erfolg hatten das Geschlecht höher getragen, als für den demokratischen Gedanken zulässig war. Es war der führende Stern, der, während das Volk, dem er in dunkler Zeit lange geleuchtet hat, sicheren Ganges in die Zukunft schreitet, tragischem Untergang verfällt. Man weiß nicht, wie und wo der letzte Attinghausen gestorben ist.
Von dem durch die Schlacht am Morgarten gewonnenen Standpunkt aus erweiterten die Länder ihren Ring, indem sie Bündnisse mit Luzern, mit Zürich und Bern schlossen, das bäuerliche Misstrauen gegen die Städte zurückstellend. Sie unterstützten Bern, das sich gegen die Bischöfe von Lausanne und Basel, gegen die Grafen von Kiburg und andere Dynasten wehren musste, und hatten Anteil an der Schlacht bei Laupen, durch welche die ritterliche Stadt ihre Gegner niederwarf. Obwohl mit Bern und Zürich nun ewige Bündnisse eingegangen wurden, waren diese doch nicht so zuverlässige Eidgenossen wie die Länder untereinander; denn da die beiden reichen und mächtigen Städte dem Hause Habsburg unabhängig gegenüberstanden, schien ihnen das Zusammengehen mit demselben zuweilen vorteilhaft, und sie waren dann unter Umständen bereit, die Freundschaft mit den Waldstätten einem von Österreich erhofften Gewinn zu opfern. Trotzdem war es gerade die Einbeziehung der Städte, die die Schwurgenossenschaft zu einem entwicklungsfähigen Staat machte; ohne sie wären die Heldentaten der Leute am Gotthardt zu einem Volkslied geworden, dem wir anteilvoll lauschten, hätten sie sich nicht als eine neue und große Idee in der Geschichte verwirklicht. Darin, dass ihre Bündnisse und Schlachten eine Folge hatten und eine Folge bezweckten, unterschieden sie sich von den heroischen Friesen und Sachsen an der Nordsee; denn die Entstehung der holländischen Republik im 16. Jahrhundert steht mit den mittelalterlichen Unternehmungen der Dithmarscher, Stedinger und Friesen nicht in unmittelbarem Zusammenhange. Gewiss waren die schweizerischen Eidgenossen begünstigt durch die Lage ihres Landes, dessen Berge und Ströme sie zur Einheit zusammendrängen, und an dem die mittelalterlichen Kaiser so lebhaften Anteil nahmen, wie sie ihn sonst wohl für eine noch so tapfere Bauernschaft nicht gehabt hätten; kamen sie doch den entlegenen Friesen bei ihren Freiheitskämpfen nicht zu Hilfe. Man muss aber auch glauben, dass die seltene Vereinigung von elementarer Kraft und besonnener Vernunft eine besondere Gabe des schwäbischen Stammes ist. Mit ihr erwarb er sich früh und lange dauernd eine hohe, sowohl politische wie literarische Kultur.
Vor der alten Reichsstadt Wetzlar im Kaisergrunde, unfern von einem alten Wartturm, liegt ein Denkstein mit einer Inschrift, die anzeigt, dass an dieser Stelle Dietrich Holzschuh oder Tile Kolup, der sich für Friedrich II. ausgab, durch König Rudolf I. verbrannt wurde. Es war im Jahre 1284, vierunddreißig Jahre nach dem Tode Friedrichs, der mit 56 Jahren starb, nun also 90 Jahre alt gewesen wäre. Es war nicht unmöglich, wenn auch unwahrscheinlich, dass er noch lebte. Wie aber hätte es geschehen können, dass ein anderer an Friedrichs Stelle begraben wurde? Und wo war der Kaiser inzwischen gewesen? Und warum hatte er sich so lange verborgen gehalten? Der deutsche Bürger und Bauer, der niemals in Italien, geschweige denn im südlichen Italien gewesen war, der aber von den grimmigen Kämpfen zwischen Papst und Kaiser gehört hatte, von der Reise des Kaisers nach Jerusalem, von seiner Freundschaft mit dem Sultan, von den listigen Sarazenen, mit denen er sich zu umgeben pflegte, mochte es für glaubhaft halten, dass Friedrich, um sich dem nach seinem Blute dürstenden Papst zu entziehen, nach dem Orient gefahren und dort gefangen oder verborgen gehalten war, bis er eines Tages zurückkehrte, um mit Hilfe seiner Deutschen das Reich zurückzugewinnen. Vielleicht berechneten und erwogen sie überhaupt nicht viel, sondern glaubten dem schönen alten Manne, der sich der Treue seines Volkes anvertraute. Er sah zuweilen sehr alt und müde aus, aber es war ein majestätisches Blitzen in seinen Augen, und zuweilen hatte sein Auftreten und entschlossenes Handeln etwas Jugendliches. Hatte jemals ein Kaiser so herzlich zu seinem Volke gesprochen? Man glaubte, was man wünschte.
Das Erscheinen des wiederkehrenden Friedrich fiel in eine Zeit, wo die Reichsstädte sich zu dem später so beliebten Rudolf feindlich stellten, weil er in dem Bestreben, die Ordnung im Reiche wiederherzustellen, ihre Abgaben, seine einzige sichere und reichliche Einnahme, stark in Anspruch nahm. Dazu kam, dass seine Nachgiebigkeit gegen den Papst ihn zum Pfaffenkönig stempelte und die Pfaffen, die keine Steuern zahlten und zum Teil ein nichtsnutziges Leben führten, in den Städten verhasst waren. Anders als Bürger und Bauern dachten die großen Herren; Erzbischof Siegfried von Köln durchschaute mit kühlem Blick den Betrug und vertrieb den falschen Friedrich aus Köln, wo das Volk ihn mit Jubel aufgenommen hatte. Er begab sich nach der Stadt Neuß, deren Dom Zeuge ihrer einstigen Bedeutung ist, und auch dort fiel ihm die Einwohnerschaft begeistert zu. Es ist wahrscheinlich, dass er deshalb die Menschen an sich glauben machen konnte, weil er selbst an sich glaubte, dass er ein Wahnsinniger war, der sich für Friedrich hielt und abgesehen von seinem Wahn verständig und folgerichtig handelte. Offenbar hatte er einst in der Umgebung des Kaisers gelebt, vielleicht als Knappe, denn er wusste vieles, was nur dem Kaiser Nahestehenden bekannt sein konnte; manches mag auch aus der Tiefe seines Traumes aufgewallt sein und ihn selbst und andere bezaubert haben. In Neuß fühlte er sich so sicher, dass er König Rudolf, der in Wetzlar war, aufforderte, seine Krone niederzulegen und sich ihm, als dem rechtmäßigen König, zu unterwerfen.
Rudolf hatte bisher den Lärm um den falschen Friedrich nicht ernst genommen; wie sollte er auch, da ja 34 Jahre seit dem Tode des Kaisers verflossen waren; aber nun, da der Widerstand der südwestlichen Städte sich damit verbündete, fand er es nötig, einzuschreiten. Er war wohl von vornherein überzeugt, dass der Mann ein Betrüger war, und entschlossen, ihn so zu behandeln; aber er fühlte sich doch verpflichtet, selbst zu sehen und zu urteilen. Nicht ohne seltsame Rührung mag er sich der Vergangenheit erinnert haben, wo er als junger Ritter dem großen König, seinem Paten, folgte, der ihm stets gnädig gewesen war. Wie undenkbar fern hatte ihm damals der Gedanke an die Höhe gelegen, die er jetzt erreicht hatte. Ihn und die um ihn versammelten Fürsten und Herren blendete der seltsame Träumer nicht. Er wurde gefangengenommen und gestand, der Folter unterworfen, dass er Tile Kolup heiße und ein Betrüger sei. Die Marter hatte ihn grausam aus seinem Traume gerissen. Der Kunstgriff, Feinde als Ketzer erscheinen zu lassen, war damals gebräuchlich; auch in diesem Falle folterte man das Geständnis, schwarze Kunst ausgeübt zu haben, aus dem Angeklagten heraus und konnte demgemäß das Urteil sprechen. So verzehrten die Flammen das Gespenst des großen Friedrich.
Unaufgeklärt blieben fast alle die näheren Umstände, die mit diesem Zwischenspiel verbunden waren. War der Fremdling wirklich Tile Kolup? Was hatte ihn zu dem gefährlichen Abenteuer verleitet? Hatte ihn ein Wahn ergriffen, weil er dem Staufer ähnlich sah? Oder war er von den Feinden Rudolfs gedungen, die seinen Wahn oder seinen Ehrgeiz und seine Geldgier benützten? Woher hatte er die Geldmittel, die sein Auftreten ermöglichten?
Wäre er nichts als ein Abenteurer gewesen, brauchte man seiner nicht zu gedenken. Aber er war etwas ganz anderes: er war eine Vision, die aus der Zerrissenheit der kaiserlichen Zeit aufstieg, der Adler, von dessen Schwingen Kaiserblut tropfte. Der Scheiterhaufen, den Rudolf vor Wetzlar anzündete, verzehrte mit dem Leib des alten Träumers das unwiederbringliche Heldenzeitalter des Reiches, er war ein Symbol wenigstens dieses Unterganges.
So war es gewiss nicht, als sei Rudolf ein unwürdiger Nachfolger der Staufer gewesen, als habe er durchaus andere Bahnen eingeschlagen. Rudolf von Habsburg, der persönliche Anhänger Friedrichs II., der auch seinem Sohn und Enkel treugeblieben war, folgte in der Art, das Reich zu verwalten, der Methode, die Friedrich II. in Sizilien angewandt hatte, soweit das im Reich möglich war, das heißt er versuchte die königliche Macht zu verstärken und durch Leute in beamtenähnlicher Stellung zu verwalten. Er leistete in dieser Hinsicht eine überaus mühevolle und verdienstvolle Arbeit. Die bedeutende Masse des Königsgutes, das die Staufer besaßen, war von den Päpsten, die das eigentlich gar nichts anging, der Habgier der Fürsten preisgegeben. Gesichert durch päpstliche Autorität, raffte jeder so viel er konnte, das meiste, nämlich Österreich, Steiermark, Kärnten, Krain, die Windische Mark und das Egerland, nahm Ottokar von Böhmen. Bayern nahm die Oberpfalz, der Bischof von Worms Burg und Stadt Wimpfen, der Bischof von Basel Rheinfelden und Breisach, der Graf von Jülich Düren, der Graf von Nassau Wiesbaden, andere anderes. Die Verblendung Ottokars und der Hass des österreichischen Adels, den er sich durch ein straff zentralisiertes Regiment zugezogen hatte, sowie die Feindschaft des Erzbischofs von Salzburg und des Patriarchen von Aquileja, die sich durch das neu entstehende böhmisch-österreichische Reich beeinträchtigt fühlten, ermöglichten es Rudolf, Ottokar zu besiegen und sich in Besitz der entfremdeten östlichen Länder zu setzen. Mit einer Urkunde vom 27. Dezember 1282 belehnte er seine Söhne Albrecht und Rudolf mit den Ländern Österreich, Steiermark, Krain und Windische Mark und erhob sie zugleich in den Fürstenstand; ein höchst denkwürdiges, folgenschweres Ereignis. Auch damit führte er aus, was Friedrich II. geplant hatte. Seine Absicht, das Herzogtum Schwaben wiederherzustellen, das den Staufern entrissen war, glückte nicht; doch vergrößerte er sein Eigen zwischen Aare und Reuß und die Besitzungen seines Hauses im Elsaß und am Oberrhein. Gründete er sich eine Hausmacht, die dem König zugute gekommen wäre, wenn er die Nachfolge seiner Söhne und Enkel hätte durchsetzen können, so unterließ er doch auch nicht, entwendete oder verpfändete Königsgüter und Königsrechte wieder an das Reich zu bringen; doch musste das zum Teil an den Verpflichtungen scheitern, die er den Fürsten und ganz besonders den Wahlfürsten gegenüber hatte; denn diese fingen damals an, sich ihre Stimmen ausgiebig bezahlen zu lassen. Zur Verwaltung von Reichsgut setzte er Landvögte ein, die er zugleich als Landfriedensbeamte verwertete. Soweit es die Rücksicht auf die Fürsten erlaubte, hob er auch die ungerechten Zölle auf.
Wenn Rudolf in der Verwaltung an die Staufer anknüpfte, wich er ganz von ihnen ab in seinem Verhalten zum Papst. Die Niederlage der Kaiser in ihrem Kampf mit dem Papsttum war so entschieden, dass er nicht anders konnte als sie anerkennen und sich von ihrer Politik förmlich lossagen, indem er auf Sizilien verzichtete. Damit war die Möglichkeit friedlichen Zusammenwirkens zwischen Papst und Kaiser gegeben, wie es die mittelalterliche Anschauung eigentlich erforderte und wie es einst Kaiser Lothar durch Zugeständnisse erreicht hatte. Wenn Rudolf die Kaiserkrönung in Rom nicht erlangte, so lag das nicht daran, dass er ihren Wert unterschätzt, sie nicht aufrichtig angestrebt hätte. Während seiner Regierung wechselte fast regelmäßig ein italienischer Papst mit einem französischen ab, entsprechend der Parteiung unter den Kardinälen. Alle die italienischen Päpste, wie leidenschaftlich sie auch unter Umständen einen deutschen Kaiser bekämpften, gingen doch davon aus, dass ein Kaiser da sein und dass er deutscher Nation sein müsste; das war ein Stück ihrer Weltanschauung, abgesehen davon, dass sie mit einem deutschen König am ehesten fertig werden zu können glaubten. Die französischen Päpste waren im Grunde gar keine Päpste, sondern französische Geistliche, die die Deutschen hassten und das Kaisertum an Frankreich bringen wollten. Hatte sich Rudolf eben mit einem italienischen Papst verständigt und war eben der Termin der Krönung festgesetzt, so machte ein französischer Papst alles rückgängig und türmte neue Hindernisse auf. Vielleicht, wenn Rudolf länger gelebt hätte, wäre er doch zum Ziele gekommen und dann, wie so mancher Kaiser in früherer Zeit getan hatte, entschiedener aufgetreten, hätte vielleicht sogar den Verzicht auf die Romagna, die er auf päpstliches Drängen abgetreten hatte, zurückgenommen. Dass er seine Stellung dadurch verbessert hätte, ist nicht anzunehmen; zu einem ernsten Aufschwung der Kaisermacht waren keine Kräfte mehr zu schöpfen. Am meisten beleidigt das deutsche Empfinden, dass Rudolf dem Papst zu Gefallen eine seiner Töchter einem Enkel Karls von Anjou verheiratete. Als die Königin bald nach Vollzug dieser traurigen Ehe noch nicht fünfzigjährig starb, schrieben es viele dem Gram über eine solche Erniedrigung zu.
Die Veränderung, die stattgefunden hatte, zeigte sich in der Behandlung der Juden. Schon zurzeit Friedrichs II. war der Ausdruck Kammerknechte auf sie angewandt worden, was damals nur besagen sollte, dass ihre Abgaben, da sie unmittelbar unter dem König standen, der königlichen Kammer gehörten. Jetzt wurde er in dem Sinne gebraucht, als wären sie Sklaven des Königs, und als mit solchen verfuhr man mit ihnen. Als im Jahre 1286 eine Anzahl von Juden aus den rheinischen Städten, darunter ihr berühmtester Gesetzeslehrer, Rabbi Meir ben Baruch, nach Syrien auswandern wollte, zog Rudolf die Güter derselben ein und setzte den Rabbi, der unterwegs erkannt und festgehalten worden war, gefangen. Obwohl sich selbst Papst Nikolaus IV. für ihn verwendete, ließ der König ihn nicht frei; er ist nach ihm in der Gefangenschaft gestorben.
Es ist anzunehmen, dass das Verhalten Rudolfs gegen die Juden und gegen den Rabbi finanzielle Gründe hatte; er forderte für die Freilassung desselben ein bedeutendes Lösegeld, das die Juden nicht zahlen konnten, oder das der Rabbi, wie erzählt wird, ihnen zu zahlen verbot. War die Judensteuer von jeher eine wichtige Einnahmequelle für die Könige gewesen, so war sie es umso mehr für Rudolf, der zerrüttete Verhältnisse ordnen musste und der überhaupt Nachdruck auf die finanzielle Seite seines Amtes legte. Die Umstände waren so, dass er es tun musste; aber es scheint auch seine Anlage so gewesen zu sein, dass er es tun konnte. Auch die Art, wie er die Hand seiner Kinder zu politischen Zwecken ausbot und vergab, hatte etwas von der Geschäftigkeit eines Handelsmannes, selbst wenn man in Betracht zieht, dass fürstliche Ehen niemals zum Vergnügen geschlossen wurden. Er hatte drei Söhne und sechs Töchter; mancher hätte das viel gefunden, allein Rudolf hätte weit mehr verwerten können. Dennoch reihte er sich seinen Vorgängern würdig an, königlich in der Erscheinung, königlich in der Haltung. Er war sehr groß und sehr schlank; das, und der kleine Kopf, die schmalen Hände und Füße, die Adlernase gaben ihm etwas Aristokratisches. Sein Humor und seine Schlagfertigkeit machten ihn beim Volke beliebt, aber er fand auch, wenn die Gelegenheit dazu war, klangvolle Königsworte. Als er in Frankfurt die Huldigung entgegennahm und das Zepter fehlte, ergriff er ein Kruzifix und sagte: »Seht, das Zeichen, in welchem wir und die ganze Welt erlöst worden sind, das soll unser Zepter sein.« Und wenn er bei der Krönung gelobte, »ein Schirmer des Landfriedens zu sein, wie ich bisher ein unersättlicher Kriegsmann gewesen bin«, so war das kein leerer Redezierat, sondern er empfing die Würde, die ihm zugefallen war, als Verantwortung und Vertiefung seiner Lebensauffassung. Der Ritt des dreiundsiebzigjährigen Kaisers, dem die Ärzte gesagt hatten, dass er nur noch kurze Zeit zu leben habe, von Germersheim nach Speyer, damit, wie er sagte, niemand ihn dahin zu führen brauche, wo seine Vorfahren ruhten, wurde von den bewundernden und wissenden Augen eines dankbaren Volkes begleitet und ergreift uns noch heute. Es war der 14. Juli 1291; am folgenden Tage starb er.
Kaum ein Kaiser hat es sich so sauer werden lassen wie Rudolf von Habsburg; man glaubt es von den Linien abzulesen, die sein melancholisches Gesicht durchfurchen. Was ihm fehlte, war die umfassende Bildung, die überlegene Geistesfreiheit der Staufer und war vielleicht mehr als alles die blühende Zeit, die jene trug. Das Reich, dass er kaiserlich vertreten sollte, war keine Weltmacht mehr, der Adler war gerupft und ein etwas schäbiger Vogel geworden. Der Papst und die Fürsten hatten ihn heruntergebracht, und beide wachten darüber, dass der Kaiser ihn nicht wieder schwungkräftig mache. Wenn das Volk Friedrich II. zurückwünschte, der als Person viel weniger volkstümlich gewesen war als Rudolf von Habsburg, viel weniger für Ordnung und Recht gesorgt hatte, so war es, weil die Kaisermacht als solche zu Friedrichs Zeit viel ansehnlicher gewesen war und alle dunkel fühlten, dass sie es nicht mehr war und nie mehr werden würde. Einen mächtigen Kaiser aber wollte das niedere Volk, einen Kaiser, der die Grenzen nach außen und im Inneren den Frieden erhielte, der über den Ständen stehend, einem jeden an Rechten und Freiheiten zuteilte, was ihm zukomme, der die Armen und Schwachen vor den Übergriffen der Großen schütze: Das Bild eines solchen Kaisers sah man an den Ratäusern und an den Toren, mit langem Bart und ernstem, sorgenvollem Antlitz, den Reichsapfel in der Hand, das Reichsschwert an der Seite, daneben der Adler mit herrischem Kopf und zermalmender Klaue, tödlich dem Räuber, dem fürstlichen und adligen wie dem niedriggeborenen. Ein solcher Richter an Gottes Statt, wie man ihn ersehnte, glaubte man gern, dass Friedrich gewesen sei. Da man sein fernes Grab nicht gesehen hatte, konnte man sich einbilden, er lebe noch und werde wiederkommen.
Friedrich II. war über hundert Jahre tot, als das Gedicht eines Meistersängers weissagte, wenn Streit und Krieg übergroß geworden wären, werde Kaiser Friedrich wiederkommen und seinen Schild an einen dürren Baum hängen, der dann erblühen werde. Er werde das Heilige Grab gewinnen, werde das Recht wiederherstellen, er werde nur den siebenten Teil der Pfaffen bestehen lassen, die Klöster zerstören und die Nonnen verheiraten, dass sie Wein und Korn bauten; dann würden gute, glückliche Jahre kommen. Es waren Wünsche aus dem Herzen des niederen Volkes. Aus solchen Kreisen war auch der falsche Friedrich gekommen, kamen auch die meisten seiner Anhänger und diejenigen, die nach seinem Tode dieselbe Rolle zu spielen versuchten. Einer von ihnen, der behauptete, er sei aus der Asche des vor Wetzlar Verbrannten erstanden, wurde in Utrecht erhängt, ein anderer in Lübeck ertränkt. Im Jahre 1295 wurde in Esslingen der letzte falsche Friedrich verbrannt.