Jesus Christus

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From the series: Themen der Theologie #9
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4. Jesus Christus im Spiegel von Erfahrungen Gottes im Alten Testament
4.1. Das Alte Testament als theologische Deutung von Erfahrungen

Im Folgenden soll exemplarisch das die einzelnen alttestamentlichen Überlieferungsbereiche bestimmende Gottesverständnis in seinem religionsgeschichtlich und literarisch von einer steten relecture geprägten Charakter sowie hinsichtlich einer auf Jesus Christus hin transparenten Fortschreibung nachgezeichnet werden. Diese |32|Beschreibung zentraler Gottesaussagen des Alten Testaments zielt auf eine Erhellung des Gottesverständnisses, das vor, hinter und in der neutestamentlichen Rede von Jesus als Christus, Herr und Gott steht. Dabei bilden hier bewusst nicht das Verhältnis von »König und Messias« (vgl. Day 1998), »messianische Figuren« (vgl. Collins/Yarbro Collins 2008) oder die »Geschichte der Messiaserwartungen/-vorstellungen« (vgl. Laato 1997; Oegema 1998; Fabry/Scholtissek 2002) den Ausgangs- und Mittelpunkt, auch wenn die israelitisch-jüdischen Königsvorstellungen, der namensgebende Titel »Messias« und die messianischen Weissagungen natürlich hinsichtlich ihrer literatur- und religionsgeschichtlichen Hintergründe sowie ihrer theologischen Bedeutung besonders zur Sprache kommen werden (s.u. 4.6.1.).

Der Ausgangspunkt dieser Darstellung ist die sogenannte Endgestalt der alttestamentlichen Bücher. Dennoch ist immer wieder ein Rückblick auf die Literar- und Traditionsgeschichte nötig, um die Vielfalt der Rede und der Bilder von Gott und seinem Handeln an Welt und Mensch im Alten Testament zu verstehen.

4.2. Gott als Schöpfer oder Jesus Christus im Spiegel alttestamentlicher Schöpfungstheologien

Der biblische Kanon und in seinem Schatten das christliche Credo beginnen mit dem Bekenntnis zu Gott als dem Schöpfer, mithin als der Größe, die der Welt und dem Menschen Sinn gibt und Bestand garantiert. Dabei entspringt der einleitende Schöpfungsbericht in Gen 1,1–2,3 nicht den ältesten Reflexionen der Jhwh-Religion, sondern geht erst auf priesterliche Kreise im 6./5. Jahrhundert v. Chr. zurück. Diese haben unter Rückgriff auf ägyptische und babylonische Vorlagen einen durch das Motiv vom Wort (hebr. dābār, griech. λόγος/logos) Gottes und durch das auf den Sabbat zulaufende Sieben-Tage-Schema strukturierten Prolog eines Gründungsmythos Israels, der auf die Einsetzung des Kultes am Sinai (Ex 25–40*) zielt, geschaffen. Im Zentrum dieses Berichts, der auf Vermittlung von Sicherheit in einer vom Chaos bedrohten Welt und auf ein Lob des Ordnung stiftenden und Leben ermöglichenden Gottes zielt, steht die Kennzeichnung des Menschen als eines Gott in der Welt |33|repräsentierenden und diese in Verantwortung gegenüber Gott gestaltenden Wesens. In modifizierter Aufnahme altorientalischer Königsideologie stilisieren die priesterlichen Autoren von Gen 1,26 den Menschen als »Ebenbild Gottes« (imago dei). Dieses Prädikat, das zugleich eine Funktionsbeschreibung des in königlichen Rang erhobenen Menschen darstellt, gilt nach priesterschriftlichem Verständnis, das auch der Verfasser von Ps 8 teilt, jedem Menschen, unabhängig von Geschlecht, Alter, ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit. Es bleibt gemäß der Konzeption der Priesterschrift auch nach, trotz und in der Verfehlung des Menschen, diese Schöpfungsgabe und -aufgabe zu verwirklichen (Gen 6,13), erhalten (Gen 5,1–2; 9,4–6).

Mit der in der heutigen Komposition der Genesis als Interpretation von Gen 1,1–2,3 fungierenden Erzählung von Adam und Eva und deren Söhnen Kain und Abel (Gen 2,5–4,26), die aus einer ursprünglich selbstständigen, wohl auch erst im 6./5. Jahrhundert v. Chr. in weisheitlichem Milieu entstandenen Urgeschichte stammt und die punktuell im Blick auf Gen 1,1–2,3 ergänzt wurde, ist das priesterschriftliche Menschenbild, und damit die Bestimmung der Relation von Gott und Mensch, erheblich problematisiert worden. Die Vorstellung des souveränen Schöpfergottes (Gen 1) ist mit dem Bild des strafenden Richtergottes (Gen 3) kontrastiert. Dem königlichen Menschen (Gen 1) steht der sich vor Gott versteckende, erniedrigte Mensch gegenüber (Gen 3); die mittels des Prokreationssegens betonte Vitalität des Menschen (Gen 1) wird mit dem Ausblick auf die Sterblichkeit und die Hoffnung auf ein ewiges Leben (Gen 3) kontrastiert; dem zur verantwortlichen Gestaltung der Welt aufgerufenen und befähigten Menschen (Gen 1) steht der im und trotz des Wissens um das, was dem Leben dient und was ihm schadet (Gen 3,22), seinen Bruder ermordende und dadurch unmittelbar mit dem Tod konfrontierte Mensch zur Seite (Gen 4). Trotz aller Brüche, die der Mensch in dem als Paradigma für menschliche Existenz konstruierten Geschehen erlebt, bleibt als Kontinuum die Beziehung zu Gott als Spender des Lebens, der als Schöpfer bekannt und im Gebet angerufen werden kann (Gen 4,25–26): Das Gebet bildet eine anthropologische Grundkonstante.

Die grundlegenden Elemente des urgeschichtlichen Proömiums|34| des Alten Testaments, hinter dem die allgemeinen, überzeitlichen Erfahrungen von geordneten und chaotischen Strukturen in der Natur, von der Unverfügbarkeit des Lebens und der Ambivalenz menschlicher Existenz sowie die Hoffnung auf ein mit Sinn erfülltes Leben und auf eine Überwindung der Todesgrenze stehen, verlangen von sich aus eine narrative und sachliche Fortsetzung. Die in der Urgeschichte angelegten und in den auf diese folgenden Überlieferungen des Alten Testaments vertieften Vorstellungen von dem sich in der Geschichte fortlaufend wirksam erweisenden Schöpferwort Gottes, von der mit der Einsetzung des Sabbats (Ex 20,8–11; 31,13–17) ermöglichten, ortsunabhängigen regelmäßigen Wiederkehr intensivster Gemeinschaft mit Gott und von der Spannung zwischen dem zum Bild Gottes geschaffenen und unter seinen kreatürlichen Grenzen leidenden Menschen gipfeln, gesamtbiblisch betrachtet, in ihrer jeweiligen Fokussierung auf Jesus Christus: So kann dieser erstens, religionsgeschichtlich vermittelt über jüdisch-hellenistische Spekulationen zur Rolle der Weisheit (hebr. ḥåkmāh, griech. σοφία/sophia) und des Logos bei der Schöpfung (Prov 8,22–31; Sir 24; SapSal 7,21–30; 9,9; 1Henoch 42; Philo, ebr. 31; QG IV,97; conf. 146), als das eine Schöpferwort Gottes (Joh 1; Apk 19,13) bzw. als entscheidender Mittler der Schöpfung (Kol 1) bezeichnet werden, zweitens als Ermöglichung unmittelbarer Gottesnähe und damit als personaler Ersatz für den Sabbat erklärt werden, was zugleich die Freiheit Jesu im Umgang mit einer gesetzlich verengten Sabbatobservanz verständlich macht (Mk 2,23–3,6), und drittens – und dieser Punkt ist für die Entfaltung der Christologie von besonderer Bedeutung – im Gefolge altorientalischer und jüdischer Vorstellungen über den idealen, weisen Urmenschen (Hi 15,7; Sir 17,7; 4Q504 Frag. 8r 4–7) und jüdischer Reflexionen über das Verhältnis eines ersten (Gen 1,26) zu einem zweiten Adam (Gen 2–3; Philo, opif. 69; LA I,31–42) als neuer Adam (Röm 5,12–21; 1Kor 15,21–22), wahrer Mensch (ecce homo, Joh 19,5), eigentliches Bild Gottes (Kol 1,15) und Vermittler eines ewigen Lebens (1Kor 15,23) verstanden werden.

|35|4.3. Gott als Begleiter oder Jesus Christus im Spiegel der Theologien der Vätergeschichte

Ein wesentlicher theologischer Grundzug der sich von Gen 11,27–50,26 erstreckenden und aus unterschiedlichen Quellen priesterlicher und nichtpriesterlicher Herkunft in der Zeit zwischen dem 8. und dem 4. Jahrhundert v. Chr. komponierten Vätergeschichte (Erzelterngeschichte) ist die Vorstellung von Gott als einem Begleiter (Gen 46,4). Als solcher setzt er sich selbst mittels seines Segens, seiner Verheißungen von Land, Nachkommenschaft und Gemeinschaft sowie der Stiftung eines »Bundes« (hebr. berît, griech. διαθήκη/diathēkē) zum Menschen ins Verhältnis und bewahrt diesen auch in lebensfeindlichen Situationen, sofern er fest auf Gott vertraut. In ihrer redaktionellen Endgestalt bietet die Vätergeschichte eine Kombination aus einer Theologie des Gehorsams gegenüber dem sich selbst verpflichtenden Gott (aus priesterschriftlicher Tradition, Gen 17), aus einer Theologie des Vertrauens auf Gott, auch wenn er sich von seiner dunklen Seite zeigt (aus einer »elohistischen« Tradition, Gen 22), und aus einer Theologie des Segens, den Gott in seiner Freiheit den von ihm paradigmatisch Erwählten zukommen lässt (aus einer »jahwistischen« Tradition, Gen 12,1–3). Dazu kommen narrative Elemente aus redaktionsgeschichtlich sehr spät rezipierten israelitisch-jüdischen Quellen, wie z.B. die merkwürdige Erzählung vom Krieg Abrahams und seiner 318 Knechte gegen die Könige des Orients (Gen 14), deren theologische Botschaft sich auf den Satz komprimieren lässt, dass Gottes Kraft in den Schwachen mächtig ist (2Kor 12,9) und die in einer eigentümlichen frühchristlichen Allegorese auf die Erlösung durch den Kreuzestod Jesu gedeutet wurde (Barnabasbrief 9), sowie verschiedene endredaktionelle Neubildungen, die gesamtbiblisch von besonderer theologischer Bedeutung sind, wie Gen 15 oder Gen 18,20–33.

Die auch von deuteronomistischer und prophetischer Sprache beeinflusste Erzählung in Gen 15 von der Offenbarung Jhwhs (»Ich bin dein Schild«, Gen 15,1; vgl. Ps 3,4; 33,20), die in der Form eines prophetischen Heilsorakels (vgl. Jes 41,10–16) Abraham einen Sohn und Land verheißt (Gen 15,7 vgl. Gen 17,8; 18,10) und die |36|den Glauben Abrahams im Sinne des unbedingten Vertrauens als Kennzeichen der unbedingten Treue zur Gemeinschaft mit Gott bezeichnet (Gen 15,6; vgl. Neh 9,8; Sir 44,20), entfaltet ihre besondere Bedeutung erst im Gesamtkontext des Pentateuchs, der prophetischen Bücher und des Neuen Testaments. Zum einen wird Abraham durch seinen Glauben/sein Vertrauen (hebr. ʼæmîn, griech. πιστεύω/pisteuō) neben Mose (Num 12,5) und Samuel (1Sam 2,35; 3,20) gestellt, zum anderen wird Gen 15,6 in Hab 2,4 zu der Vorstellung variiert, dass der Gerechte (hebr. ṣāddîq, griech. δίκαιος/dikaios) im endzeitlichen Weltgericht durch sein unbedingtes Vertrauen überleben wird. Von Paulus wird Gen 15,6 dahingehend interpretiert, dass Gott selbst dem Menschen Gerechtigkeit (δικαιοσύνη/dikaiosynē), d.h. Gemeinschaft mit sich selbst zuspricht, die im Glauben an seine Heilstat in Jesus Christus ergriffen wird (Röm 1,16–17). Der Ausblick von Gen 15,13–21 auf den Aufenthalt Israels in Ägypten und den späteren Auszug gipfelt in der Kennzeichnung Jhwhs als Richter all derer, die Israel unterdrücken (Gen 15,14), und bildet ein frühgeschichtliches Vorspiel zu Jhwhs universalem Endgericht (vgl. 1Sam 2,10; Jes 3,13; Ps 7,9; Apg 17,31; Apk 18,4–5).

 

Das auf eine späte gerechtigkeitstheologische Bearbeitung zurückgehende Gespräch zwischen Abraham und Jhwh in Gen 18,20–33 mit der Frage, ob Gott einen Gerechten und einen Ungerechten gleichermaßen vernichte, und wie viele Gerechte es in einer Stadt geben müsse, um diese vor der strafweisen Vernichtung durch Gott zu retten, knüpft sachlich an die Sintfluterzählung an (Gen 6–9). Der Dialog thematisiert wie diese das Problem der Gerechtigkeit Gottes. Das Motiv, dass schließlich zehn Gerechte reichen könnten, Sodom vor dem Untergang zu retten (Gen 18,32), gehört zu den Wegbereitern der Vorstellung vom stellvertretenden Sühnetod des einen Gerechten, der im göttlichen Gericht sein Leben für viele geben wird (Jes 52,13–53,12; 1Petr 2,22–25; Janowski/Stuhlmacher 1996). Die Paradigmatik und Anlage auf Fortschreibung des Gesprächs zwischen Abraham und Jhwh zeigen sich auch darin, dass sich Abraham in einem Niedrigkeitsbekenntnis, das seinen Ort in der späten Psalmenfrömmigkeit hat (vgl. Ps 103,14), als Staub und Asche, als Menschen schlechthin bezeichnet (Gen 18,27), und |37|dass in Gen 18,24.28 nur von »der Stadt« die Rede ist. Damit ist Gen 18,23–33 ein Spiegel für das 587 v. Chr. von den Babyloniern zerstörte Jerusalem, ein Appell an jede Stadt, sie möge zehn Gerechte in ihrer Mitte haben, und ein Vorspiel des Weinens Jesu über Jerusalem (Lk 19,41). Mittels des literarischen Dialogs in Gen 18,23–33, in dessen Zentrum wie in Gen 15 das Bekenntnis zu Gott als Richter der Welt steht (Gen 18,25; vgl. Ps 96,13; Apg 17,31; Apk 19,11), erscheint Abraham als beispielhafter Fürbitter (vgl. Hi 42,8 sowie pervertiert in Jes 63,16; Joh 8,39) und als Vorbild des Streitens mit Gott, das unbedingtes Vertrauen zur Basis hat (vgl. Gen 15,6). In Hiob, der in der nachbiblischen Überlieferung oft mit Abraham verglichen wird – nicht zuletzt wegen der Parallele zwischen Gen 18,27 und Hi 30,19; 42,6 (Witte 2012a: 39–61) – besitzt diese Theologie ein Pendant, die im Bild des in Gethsemane betenden Jesus eine entscheidende Transformation erlebt (Mk 14,36; Lk 22,39–46; Joh 17).

Im Zentrum des Redens von Jhwh in der Geschichte der Erzeltern steht die Erfahrung, dass Jhwh konkret in die Lebensgeschichte einzelner Menschen eingreift. Jhwh handelt am Menschen, indem er segnet und verheißt, sich selbst verpflichtet und begleitet. Jhwh redet zum Menschen, aber er schweigt auch; er offenbart sich, aber verhüllt sich auch; er erscheint an vertrauten Stätten, aber auch an Orten, wo keiner mit ihm rechnet und lässt diese zum Haus Gottes (hebr. bêt-ʼel) werden (Gen 28,19). Gott, so wie ihn die Erzählungen von den Erzeltern bekennen, hat helle und dunkle Seiten: Der Gott, der Abraham erwählt und segnet, ist derselbe, der Abraham testet (»versucht«) und die Opferung des »einzigen und geliebten Sohnes« fordert (vgl. Gen 12,1–3 versus Gen 22,1–2); der Gott, der Abrahams Glauben als Zeichen seines Gottvertrauens wertet, ist derselbe, der nächtlich mit Jakob ringt und diesem Wunden schlägt (vgl. Gen 15,6 versus Gen 32,26); der Gott, der Lea und Rahel Fruchtbarkeit schenkt, ist derselbe, der es zulässt, dass Abraham Hagar, die Mutter seines Sohnes Ismael, recht- und schutzlos verjagt (vgl. Gen 29–30 versus Gen 16 par. 21). Gemeinsam ist diesen unterschiedlichen theologischen Aspekten, dass Gott Anteil am Leben des Menschen nimmt. Gott ist nach der Vätergeschichte nicht |38|beziehungslos, geschichts- und gesichtslos, sondern ein personales Wesen.

Dabei durchziehen allem zwei Motive die Theologie der Vätergeschichte: das Motiv des Segens und das Motiv des Weges. So erzählt Gen 11,27–50,26 davon, wie Gott Segen verheißt, wie dieser Segen stets gefährdet ist und wie sich dieser Segen auswirkt – Segensverheißung, Segensgefährdung und Segensauswirkung ereignen sich immer auf einem Weg, den die einzelnen Figuren der Vätergeschichte gehen. Damit präfiguriert die Vätergeschichte im Duktus des Pentateuchs die ursprünglich als eigenständiger Ursprungsmythos komponierte Erzählung vom Auszug aus Ägypten und Einzug ins Heilige Land unter der Führung Jhwhs und seines Knechtes Mose (Ex–Jos*) (Kratz 2000: 314–327; Gertz 2010: 214–217) sowie im gesamtbiblischen Horizont die narrative Ausgestaltung des Lebens Jesu als Weg-Geschichte. Für letztere spielt die Vorstellung der Partizipation am Segen Abrahams, die sich im Motiv der Abraham-Kindschaft verdichtet (Jes 51,2; 63,16) eine zentrale Rolle, wenn Jesus Christus einerseits in die Genealogie Abrahams eingezeichnet wird (Mt 1,1), andererseits der mit Abraham inaugurierte Ritus der Beschneidung (Gen 17) scharf mit der durch Jesus Christus ermöglichten Freiheit vom Gesetz kontrastiert (Gal 4; vgl. Röm 4) oder die Abraham-Kindschaft problematisiert wird (Mt 3,9; Joh 8,56) (s.o. 2.3.).

4.4. Gott als einzigartiger Befreier, Leiter und Lehrer Israels oder Jesus Christus im Spiegel der Theologien der Exodus- und Sinaiüberlieferung

Der auf die Bücher Exodus bis Deuteronomium verteilte Erzählkomplex, der erst redaktionell durch die Trennung der Auszugs-/Exodus-Erzählung von der im Buch Josua überlieferten Einzugs-/Eisodus-Erzählung sowie durch die stufenweise Integration (spät-)priesterlichen Materials (Lev; Num) und des Deuteronomiums entstanden ist (Kratz 2000: 324–330; Gertz 2010: 216), besitzt drei Schwerpunkte mit einem jeweils spezifischen Gottesbild. So steht die eigentliche Exoduserzählung (Ex 1–15) unter dem theologischen Leitgedanken der Befreiung bzw. der Herausführung Israels |39|durch Jhwh. In der Wüstenerzählung (Ex 16–18; Num 10,11–36,13) dominiert das theologische Motiv der Begleitung bzw. der Führung Israels durch Jhwh trotz des Widerspruchs Israels gegen seinen Gott. Eingebettet in die Erzählung von der Wüstenwanderung ist der Bericht vom Aufenthalt Israels am Sinai und der Gabe der dort erlassenen gesetzlichen und rituellen Gebote (Ex 19,1 – Num 10,10) mit dem theologischen Leitbild von Jhwh, der sich seinem Volk als der allein zu verehrende Gott offenbart und sein Volk als Lehrer in allen grundlegenden Fragen des gesellschaftlichen und religiösen Lebens unterweist. Die als Abschluss der Mosezeit fungierende und als Testament gestaltete Rede des Mose (Dtn 1–34) wiederholt deutend Ereignisse aus den Überlieferungen vom Exodus, der Wüste und dem Sinai, bietet neue Gesetze und eröffnet einen Blick in die Zukunft Israels. In dieser Rede kulminieren die theologischen Spitzensätze der Exodus-, der Wüsten- und der Sinaidarstellung: Jhwh ist der einzigartige Befreier, Leiter und Lehrer des von ihm erwählten und verpflichteten Volkes Israel.

4.4.1. Nach der Darstellung der Exodus-Eisodus-Erzählung stellt die Herausführung der Israeliten aus Ägypten durch Jhwh das Gründungsdatum der Geschichte Israels dar. Zusammen mit der Offenbarung Jhwhs am Sinai erscheint der Exodus als ein Urbekenntnis Israels zu Jhwhs rettendem Handeln: Theologie ist hier Soteriologie. Dabei sind in der Schilderung des Exodus wie in der Vätergeschichte, neben zahlreichen nicht eindeutig zuzuordnenden literarischen Fortschreibungen, eine mehrschichtige nichtpriesterschriftliche (früher auf einen »Jahwisten« und einen »Elohisten« verteilte), eine priesterschriftliche und eine deuteronomistische Quelle sowie eine endredaktionelle, priesterschriftliche und deuteronomistische Elemente kombinierende Schicht mit jeweils charakteristischen theologischen Zügen greifbar.

Die für die Erhebung des Gottesverständnisses in der Exodus-Eisodus-Erzählung eigentümlichen theologischen Differenzen zeigen sich beispielhaft an den unterschiedlichen literarischen Stilisierungen des Mose. Im Zentrum der priesterschriftlichen Mose-Figurationen steht der Mittler zwischen Gott und Mensch: Mose ist der Repräsentant Jhwhs und Stifter des Kultes, der selbst |40|aber auch nicht sündlos ist (Num 20,1–12.22–29). Seine kultische Vermittlung ist nach priesterschriftlicher Vorstellung nötig, weil es keine unmittelbare Beziehung zwischen Gott und Mensch gibt. Die deuteronomistische Schicht betont das Stellvertretersein des Mose. So nimmt der (spät-)deuteronomistische Mose stellvertretend die Schuld seines Volkes, das heißt den beständigen Ungehorsam gegenüber dem Alleinverehrungsanspruch Jhwhs, auf sich (vgl. Ex 32,32; Num 11,11–17) und erhält das Prädikat eines einzigartigen Propheten (Dtn 18,15; 34,10). In den nichtpriesterschriftlichen und nichtdeuteronomistischen Texten kann Mose zum einen als charismatischer Führer (vgl. Ex 3,11; Num 11,24–25) erscheinen: Seine Tätigkeit ist auf die Betonung der Unverfügbarkeit und Transzendenz Gottes zentriert, wobei die personale Beziehung zwischen Gott und Mensch dadurch nicht aufgehoben ist. Zum anderen kann Mose als Ankündiger, Bote und Deuter (vgl. Ex 7,16–17) sowie Fürbitter (vgl. Ex 8,26) gezeichnet werden.

Alle genannten Aspekte der Mose-Figur fließen in der Endgestalt des Pentateuchs zu einem vielstimmigen Bild einer literarischen Biographie zusammen. Die Mose-Miniaturen in den späten Psalmen (Ps 105; 106) und im jüdischen Schrifttum der hellenistischen Zeit (Sir 45,1–5; SapSal 10,15–11,1; Artapanos; Philo, Mos.) steuern weitere Aspekte der Glorifizierung bei. Diese gipfelt – neben der Stilisierung als Schreiber der Tora, so dass sein Name zum Synonym für die Tora selbst werden kann (Mk 12,19; Lk 16,29.31; 24,27) – in seiner Kennzeichnung als »göttlichem Menschen« (θεῖος ἀνήρ/theios anēr) und in der Vorstellung eines in der Endzeit wiederkehrenden Mose (Mose redivivus) (vgl. Joh 1,21; 6,14; 7,40 vor dem Hintergrund von Dtn 18,15.18; Bousset/Gressmann 1926: 233; Jeremias 1942: 860–861; 871–878). Diese Mose-Bilder stehen im Hintergrund der zahlreichen Mose-Typologien und Mose-Antithesen, welche die neutestamentlichen Autoren im Rahmen ihrer Beschreibungen und Deutungen von Person und Leben Jesu entwerfen und die im Motiv von Jesus Christus als dem neuen Mose eine besondere Transformation erfahren (vgl. Mt 5–7; Mk 10,1–12; Apg 3,22; 7,37) (Saito 1977).

Zu den verschiedenen Mose-Bildern tritt das für die Theologie der Exodus-Eisodus-Erzählung charakteristische und für das |41|Verständnis der im Neuen Testament erzählten Machterweise Jesu wichtige Motiv der Wunder (hebr. ʼôt, niplāʼôt, môpet, »Zeichen«; griech. σημεῖον/sēmeion, θαυμάσιος/thaumasios), die Gott in den ägyptischen Plagen, der Rettung Israels am Schilfmeer und der Bewahrung Israels in der Wüste wirkt. Dabei sind in der priesterschriftlichen Schicht die Plagen eher »Beglaubigungszeichen« bzw. »Legitimationswunder« für die von Mose empfangene und von Aaron dem Pharao eröffnete Forderung Jhwhs. Sie dienen der Demonstration der Macht Jhwhs in Ägypten und lassen den Pharao als dessen Marionette erscheinen, der jenen mittels Verstockung in seinen Geschichtsplan einbindet (vgl. Ex 7,13.22; 8,15; 9,12). Demgegenüber sind in der nichtpriesterschriftlichen Schicht die Plagen stärker göttliche »Erzwingungswunder«, um den Widerstand des Pharao zu brechen und Jhwhs Gerechtigkeit zu beweisen, der den verstockten Pharao (vgl. Ex 7,23; 8,11.28) straft (Schmitt 2001a: 44–58). Ähnlich stilisiert die Priesterschrift in Ex 14,1–4.21.27 die Rettung der aus Ägypten ausziehenden Israeliten am Schilfmeer als Wunder und Herrlichkeitserweis Jhwhs, der sich dabei des Mose bedient, der das Meer spaltet, so dass Israel hindurchziehen kann (Schmitt 2001b: 209–213). Diese priesterschriftliche Darstellung vom geteilten Meer (vgl. Jos 4,21–23; Neh 9,9–11; Ps 74,13–15; 106,7–10.22; Jes 51,10–11; 63,12–13) geht religionsgeschichtlich auf eine Auseinandersetzung mit dem babylonischen Schöpfungsmythos zurück, demzufolge der Gott Marduk den Urmeer-Drachen Tiamat unschädlich gemacht hat, und spiegelt ein für die Theologie des Alten Testaments grundlegendes hermeneutisches Grundmuster der Interpretation einer geschichtlichen Erfahrung mittels des Rekurses auf den Mythos wider. In den neutestamentlichen Reflexionen über Jesus Christus begegnet dieses Muster, wenn das geschichtlich erfahrene Heilshandeln Gottes in Jesus Christus mittels des Motivs von dessen mythischer Macht über das Meer (Mk 4,35–41; 6,45–52) narrativ ausgestaltet und das Wunder als ein sich im Glauben erschließender Hinweis auf Gottes Handeln verstanden wird. In den nichtpriesterschriftlichen Teilen der Schilfmeererzählung dominiert die Betonung des alleinigen Rettungshandelns Jhwhs (vgl. vor allem Ex 14,13–14; 15,21b): Jhwh allein streitet als Krieger für sein Volk (vgl. Ex 15,3; Jes 40,10; 42,13), indem|42| er einen Ostwind kommen lässt, der die Wasser des Meeres zurücktreibt (vgl. Dtn 11,4; Jos 24,6–7; Ps 66,6; 114,3–5; Nah 1,4), und über die Ägypter einen Gottesschrecken fallen lässt. Theologisches Kennzeichen für die endredaktionelle Exodusschilderung sind die Stichworte »Geschichte« und »Befreiung«. So wird im Exodus Jhwh in einem einmaligen geschichtlichen Geschehen erfahren. Das Bekenntnis zu Jhwhs Sein als Gott erscheint als Bericht von seinem geschichtlichen Handeln. Ganz analog dazu trägt das Bekenntnis zu Gott im Neuen Testament eine narrative Struktur, indem dort die Geschichte Jesu Christi als Geschichte des Handelns Gottes erzählt wird.

 

Die Wüstenerzählungen, die literarisch die Sinai-Perikope rahmen, redaktionell die Themen »Exodus«, »Sinai« und »Eisodus in das Kulturland« ausschmücken und genetisch auf Lokaltraditionen unterschiedlicher Gruppen bzw. auf gezielte literarische Konstruktionen zurückgehen, kreisen um existentielle Bedrohungen Israels in der »Wüste« (Durst, Hunger, Feinde). Wesentliches pragmatisches Ziel ist die Darstellung des Wüstenvolks als Urbild Israels und des fürbittenden Mose als Beispiel des priesterlichen Fürbitters im Falle eines Schuldbekenntnisses. Die Wüste erscheint als Beschreibung der mit dem Untergang Israels 722/720 v. Chr. und Judas 587 v. Chr. eingetretenen exilischen Wirklichkeit, als Chiffre für das Exil und für die jüdische Diaspora sowie als Modellfall menschlicher und göttlicher Geschichte. Die Wüste ist so, theologisch betrachtet, ein wesentlicher Ort der Nähe und Ferne Gottes (vgl. Mk 1,12–13). Das zentrale Gottesbild der Wüstenerzählungen ist die Vorstellung von Jhwh als einem rettenden Kriegsgott, bewahrenden Schöpfergott und geleitenden Schutzgott.

Unabhängig von der Frage, wie Exodus-Eisodus und Sinaioffenbarung historisch zusammengehören, ergibt sich aus der Kombination beider Überlieferungselemente das theologische Konzept von einem »Heilsindikativ«, der dem »Heilsimperativ« vorausgeht: Durch Jhwh geschenkte Befreiung ist das Vorwort zu der von Jhwh gegebenen Unterweisung. Dem Exodus als Offenbarung Jhwhs als Befreier und Führer folgt am Sinai die Offenbarung Jhwhs als einzigartiger Gesetzgeber und Lehrer.

|43|4.4.2. Die Hauptmasse der Sinai-Perikope besteht aus den dem Mose am Gottesberg mitgeteilten, göttlich verordneten Geboten (Ex 25–31; 34–40; Lev; Num 1–10 u.v.a.), traditionell zusammengefasst unter dem Begriff »das Gesetz« (griech. νόμος/nomos, lat. lex). Den vielleicht ältesten Kern der Überlieferung – und die zugleich für die neutestamentliche Interpretation des Todes Jesu wichtigste Passage der Sinai-Perikope – bildet Ex 24 mit der Erzählung von einer Theophanie, die auf eine (Mahl‑)Gemeinschaft (Ex 24,1–2.9–11) zwischen dem sich offenbarenden Gott und den Offenbarungsempfängern zielt. Sekundär wurde die Theophanie mit einem Opfer (Ex 24,4b–5) und einem Blutritus verbunden (Ex 24,6.8a) und die Gottesgemeinschaft mittels des aus dem altorientalischen Vertragsdenken stammenden, und den von Gen 15 und Gen 17 herkommenden Lesern schon bekannten Begriffs »Bund« gedeutet (Ex 24,8; vgl. 1Kor 11,25; Hebr 9,20): Die Beziehung zwischen Gott und Volk wird dabei durch einen Altar verdeutlicht, der die Gegenwart Jhwhs symbolisiert. Dem von Mose versprengten Blut als dem Träger der Lebenskraft wird eine zwischen Gott und Volk verbindende Kraft zuerkannt.

Theologisch prägend für die »Bundes«-Konzeption waren deuteronomistische und priesterschriftliche Kreise. Dabei wurde der »Bund« einerseits als Verpflichtung Israels als Folge der Verheißung Gottes interpretiert (vgl. Dtn 28,69), andererseits als feierliche Zusage Gottes selbst verstanden (vgl. Gen 17,2). Tertiär wurden in mehreren Schüben in die Sinai-Perikope umfangreiche Rechtssätze als Kehrseite des »Bundes« in die Darstellung integriert, deren Beachtung nach deuteronomistischem und postdeuteronomistischem Verständnis Leben schlechthin schenkt (Dtn 30,15–20). Wo das Schicksal des unter dem Exil leidenden Israel als Folge eines Bruchs des »Bundes« verstanden und die Frage nach den Gründen eines solchen Bruchs radikal auf die Konstitution des Menschen als eines fragmentarischen und zum Bösen (»Lebenszerstörenden«) neigenden, mithin sündhaften Wesens zurückgeführt wird, wie in späten Texten des Jeremiabuchs (Jer 13,22; 17,9; vgl. Gen 6,5; 8,21; Hi 25,4–6; 1QHa XII,29–31), taucht fast zwangsläufig die Hoffnung auf einen neuen von Gott gestifteten »Bund« und eine radikale Wandlung des Menschen durch Gott selbst auf (Jer 31,31–34; Ps 51,7–10; |44|vgl. Hebr 8,8–10; Lk 22,20; 1Kor 11,25; 2Kor 3,6) (Schmitt 2011: 200–204).

In der Endgestalt von Ex 19 – Num 10 kommen vor allem zwei theologische Konzeptionen zur Sprache: erstens die deuteronomistische Theologie vom Gehorsam Israels gegen das erste Gebot, und zweitens die priesterliche Theologie vom sühneschaffenden Kult (s.u. 4.5.). Beide Theologien sind durch die Vorstellung verbunden, dass Jhwh der einzige Gott und als solcher bildlos zu verehren ist (Ex 20,4; vgl. Dtn 5,8). Alleinverehrungsanspruch und Bilderverbot sind aber zugleich die Grundmerkmale des alttestamentlichen Monotheismus, der von Jesus selbst wie von allen neutestamentlichen Autoren geteilt wurde (vgl. Mt 6,24; Röm 3,29f.; 1Kor 15,28). Dieser hat durch die bereits im Neuen Testament angelegte Bezeichnung von Jesus Christus als Gott (Joh 20,28) sowie die sich daran anschließende Bestimmung des Verhältnisses von Gott und Mensch in der Gestalt Jesu Christi im trinitarischen Dogma eine entscheidende Modifikation erhalten.

Der alttestamentliche Monotheismus ist das Produkt einer langen religionsgeschichtlichen Entwicklung und trägt viele Facetten. Die historischen Anfänge könnten noch in der vorstaatlichen Zeit mit der Vorstellung der alleinigen Verehrung Jhwhs als Gott Israels, die aber die Existenz anderer Götter (noch) nicht ausschließt (Monolatrie/Alleinverehrung; Ex 22,19) und dem Verständnis Jhwhs als Garanten des Rechts liegen (vgl. Ex 22,20–26). Eine entscheidende Rolle spielt dann die Konzentration des israelitischen und judäischen Staatskultes auf den Gott Jhwh seit dem 9./8. Jahrhundert v. Chr., begleitet von einer (neuassyrisch beeinflussten) Übertragung solarer Vorstellungen auf Jhwh (»Solarisierung Jhwhs«) und besonders in Juda verstärkt durch deuteronomische Theologen im 7./6. Jahrhundert v. Chr. (Janowski 1999: 192–219). Wesentliche Impulse verdankt der Jhwh-Monotheismus erst dem Zusammenbruch des Königreichs Juda und damit des Staatskultes im 6. Jahrhundert v. Chr. Im Schatten des babylonischen Exils (587–520/515 v. Chr.) und der jüdischen Diaspora entsteht die Vorstellung einer nicht mehr an den Tempel in Jerusalem gebundenen ortsunabhängigen und weltweiten Jhwh-Verehrung. Als ein wesentlicher Katalysator wirken dabei die unmittelbaren Begegnungen der jüdischen Eliten mit der babylonischen |45|Marduk-Religion, die im 7./6. Jahrhundert v. Chr. eine Fokussierung auf die alleinige Verehrung Marduks erlebt, und mit dem auf den Gott Ahura-Mazda konzentrierten persischen Zoroastrismus. Aus dem Vergleich Jhwhs mit den Göttern des Alten Orients schließen jüdische Theologen des 6./5. Jahrhunderts v. Chr. auf die absolute Unvergleichlichkeit Jhwhs (Jes 40,18). Weltgeschichtliche Vorgänge werden nun als Handlungen des einen Weltengottes Jhwh gedeutet (s.u. 4.6.). Am Ende des babylonischen Exils steht nicht die Restitution des davidischen Königtums (s.u. 4.6.), aber der theologisch reflektierte Gedanke von der Einzigartigkeit des himmlischen Königs Jhwh (Jes 43,10–11; Dtn 4,39): Jhwh als der Schöpfer, als Herr der Geschichte und als Gott Israels kann nur ein einziger Gott sein (Mal 1,11). Diese Idee geht auch mit der Wiedererrichtung des Jerusalemer Tempels, der in persischer und hellenistischer Zeit zum Mittelpunkt der Jhwh-Religion wird, nicht mehr verloren. Das Šemaʻ Jiśrāʼel (Dtn 6,4–5), das ursprünglich gegenüber einer Verehrung Jhwhs in unterschiedlichen Manifestationen und an unterschiedlichen Orten (Polyjahwismus, vgl. Ex 20,24; 2Sam 15,7; und die Inschriften von Kuntillet ʽAğrud) nur die Einheit Jhwhs betonte, kann nun im Sinne der Einzigkeit Jhwhs verstanden werden, der dementsprechend den Titel »der Eine« (hebr. ʼæḥad, griech. εἷς/eis) trägt (Hi 31,15; Sach 14,9). Mit dem Titel »der Eine« tritt Jhwh schließlich in Konkurrenz zu den hellenistischen Ein- und Allgottheiten, sei es Zeus, Sarapis oder Isis, die ebenso als »ein Gott« angerufen werden können (Markschies 2002: 209–234). Am literarhistorischen und am sachlichen Ende steht nach dem alttestamentlichen Zeugnis die Erwartung, dass einst alle Welt den einen und einzigen Gott Jhwh erkennen und verehren wird (Jes 2,2–3; Sach 14,16).