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bb) Anforderungen an die mit der Aufforderung verbundene Gefahrschaffung – zugleich zum untauglichen Versuch und zum agent provocateur

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Unter dem Aspekt der Gefahrschaffung (Rn. 44) erweist sich der Fall als problematisch, wenn der Außenstehende den Haupttäter zu einer Handlung auffordert, deren Untauglichkeit zur Tatverwirklichung nur der Außenstehende erkennt. Beispielhaft: A fordert H auf, auf einen Menschen einen tödlichen Schuss abzugeben, wobei nur A erkennt, dass es sich bei dem vermeintlichen Menschen um einen Baumstamm handelt. Eine Anstiftung zum (untauglichen) Totschlagsversuch von H würde die h.M. hier unter Hinweis auf den fehlenden Vollendungsvorsatz bei A ablehnen.[208] Es stellt sich aber schon die Frage, ob überhaupt eine Bestimmungshandlung vorliegt. Die Annahme einer Bestimmungshandlung wäre nur dann angemessen, wenn die Veranlassung der Haupttat als solcher, also unabhängig von deren Vollendbarkeit, Unrecht begründen würde. Das entspräche dem Standpunkt der Unrechtsteilnahmetheorie, denn der Haupttäter wird auch durch die Anstiftung zur Begehung eines untauglichen Versuchs in Unrecht verstrickt.[209] Verlangt man dagegen einen akzessorischen Rechtsgutsangriff des Anstifters, so fehlt es an einem solchen, wenn der Außenstehende bewusst zu einer Handlung auffordert, die das Rechtsgut gar nicht in Gefahr zu bringen vermag. Dabei ist der h.M. durchaus Recht zu geben, dass hier auch der auf einen (eigenen) Rechtsgutsangriff gerichtete Vorsatz fehlt. Aber es fehlt darüber hinaus schon objektiv an einem Verhalten, das mit Blick auf die Schaffung eines Verletzungsrisikos zu Lasten des Opfers rechtliche Missbilligung verdient. Fordert der Außenstehende also sehenden Auges zu einem untauglichen Versuch auf, so liegt schon keine Bestimmungshandlung im Sinne von § 26 StGB vor.[210]

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Auf den ersten Blick irritierend sind freilich die dogmatischen Konsequenzen, die sich von diesem Ansatz aus ergeben, wenn der Außenstehende ebenfalls nicht über die Untauglichkeit der Haupttat orientiert ist: Hier kann kein Zweifel daran bestehen, dass der objektive (wie auch der subjektive) Tatbestand der Anstiftung erfüllt sind.[211] Glaubt also im vorstehenden Beispiel (Rn. 64) auch A, dass es sich bei dem fraglichen Gegenstand um einen Menschen handelt, so liegt eine Anstiftung zum untauglichen Versuch vor. Das führt dann aber dazu, dass die irrtümliche Annahme der Gefährlichkeit der Haupttat die Erfüllung des objektiven Anstiftungstatbestandes nach sich zieht. Der objektive Tatbestand wird hier also trotz Ungefährlichkeit des Verhaltens aufgrund einer bloß vorgestellten Gefährlichkeit bejaht. Das liegt quer zur üblichen Maßgeblichkeit objektiver Gefährlichkeit für das Vorliegen des tatbestandsmäßigen Verhaltens beim vollendeten Delikt. Der Grund dafür, dass die subjektive Tatseite (die individuelle Fehleinschätzung der Gefährlichkeit) den Ausschlag für die Erfüllung des objektiven Tatbestandes gibt, liegt darin begründet, dass vom Standpunkt der Lehre vom akzessorischen Rechtsgutsangriff aus die Anstiftung in Fällen, in denen die Haupttat im Versuchsstadium stecken bleibt, materiell Versuchscharakter aufweist, weil sich der Rechtsgutsangriff des Anstifters nicht in einer vollendeten Haupttat realisiert (s. schon Rn. 29).[212] Materiell umschreibt § 26 StGB in Fällen, in denen die Haupttat lediglich das Versuchsstadium erreicht, den Unwert einer Versuchstat. Auf die versuchstypische Vorabklärung der Intention des Handelnden kann hier verzichtet werden, weil der objektive Sinngehalt des Verhaltens aus der Bestimmungshandlung folgt. Der subjektiven Seite kommt aber gerade dann Bedeutung zu, wenn es an der objektiven Gefährlichkeit der Bestimmungshandlung fehlt. Hier, beim untauglichen Versuch, ergibt sich der Sinngehalt als Rechtsgutsangriff des Anstifters erst aus dessen Tatentschluss, der die Annahme der Tauglichkeit voraussetzt. Die auf den ersten Blick merkwürdige Konstituierung objektiver Tatbestandsmäßigkeit aufgrund der unzutreffenden Annahme der Gefährlichkeit resultiert also daraus, dass die Anstiftung zur versuchten Haupttat nach § 26 StGB materielles Versuchsunrecht formell in die Form eines Vollendungstatbestands gießt.

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Die vorstehenden Einsichten sind auf die Fälle des agent provocateur zu übertragen, sofern die Provokation auf die Begehung eines untauglichen Versuchs durch den Haupttäter abzielt; hier fehlt es schon an der Erfüllung des objektiven Tatbestandes. Die Fälle des agent provocateur sind aber vielfältiger: Zum einen geht es häufig um Konstellationen, in denen die provozierte Haupttat ex ante nicht gänzlich untauglich ist, weil etwa ein gewisses Restrisiko besteht, dass es z.B. trotz polizeilichen Zugriffs planwidrig zur Vollendung kommt. Im gleichen Kontext wird man auch Fälle nennen müssen, in denen die Verhinderung der Vollendung von einem aktiven Eingreifen des Auffordernden abhängt. Denn in diesem Fall ist die provozierte Handlung grundsätzlich tauglich und das Scheitern der Tat hängt ganz davon ab, ob der Provokateur sein Vorhaben, die Vollendung zu verhindern, auch durchhält. Zum anderen werden unter dem Schlagwort des agent provocateur auch Fälle diskutiert, in denen zwar die formelle Vollendung der Haupttat, aber nicht deren materielle Beendigung oder jedenfalls keine dauerhafte Rechtsgutsbeeinträchtigung ins Kalkül gezogen wird.[213] Eine Verortung bei der Bestimmungshandlung wäre hier nur mit Hilfe einer teleologischen Reduktion möglich. Mit Blick auf die unterschiedlichen Fallgruppen und Ansätze soll insoweit eine geschlossene Darstellung im Rahmen des subjektiven Tatbestandes, in dem dieser Problemkreis üblicherweise Erörterung findet, vorgenommen werden (unten Rn. 131 ff.).

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Auch in den Fällen, in denen (objektiv oder zumindest nach Vorstellung des Auffordernden) die Aufforderung Aussicht auf eine erfolgreiche Rechtsgutsbeeinträchtigung begründet, lässt sich freilich nicht übersehen, dass Aufforderungen je nach Intensität, gebotenen Anreizen und Adressat sehr unterschiedliche Gefahren dahingehend begründen, dass der Aufgeforderte tatsächlich einen Tatentschluss fasst und die Tat begeht: Wer sich mit seiner Aufforderung zur Tötung seiner Ehefrau an einen Profikiller wendet, hat bessere Aussichten, als wenn er seinen unbescholtenen Nachbarn um diesen Gefallen bittet. Und die an den Nachbarn gerichtete Aufforderung mag bessere Erfolgsaussichten bieten, wenn dieser hoch verschuldet ist und der Ehemann ihm eine stattliche Summe bietet. Es stellt sich damit die Frage, ob die vom Anstifterverhalten und dessen Rahmenbedingungen abhängigen Erfolgsaussichten erst bei der Strafzumessung eine Rolle spielen[214] oder bereits das Vorliegen der Voraussetzungen einer Anstiftung betreffen können.[215] Überlegungen in Richtung auf eine Relevanz für die Erfüllung des Anstiftungstatbestandes finden sich bereits bei verschiedenen Ansätzen zum Strafgrund der Anstiftung: Eine gewisse Intensität der Einflussnahme und eine korrespondierende Reaktion von Seiten des Anzustiftenden verlangt etwa die Lehre vom Unrechtspakt (Rn. 23, auch Rn. 25). Besonders deutlich kommen gesteigerte Anforderungen an die Einwirkungsintensität in der Auffassung von M. Köhler zum Ausdruck, der Formen der Einflussnahme verlangt, die zumindest in der Nähe zur mittelbaren Täterschaft stehen (Rn. 24). Auch der Ansatz von Nepomuck lässt sich hier nennen, demzufolge die „Vermittlung eines typischerweise unersetzbaren Tatanreizes“ zu fordern und damit ubiquitäre Anreize auszuscheiden seien, womit also ein gewisses Gewicht der Einwirkung voraussetzt ist.[216] Verbreitet sind auch differenzierende Ansätze, die die tätergleiche Strafe entweder mit der Planungsleistung des Anstifters oder aber mit einer gesteigerten Intensität der Einwirkung legitimieren wollen. Einen solchen Ansatz legt der Strafgrund der „Planherrschaft“ gerade für solche Konstellationen nahe, in denen es an der Planungsleistung fehlt und damit die den Anstifter auszeichnende Dominanz einer anderweitigen Begründung bedarf (Rn. 22). Vor allem Ingelfinger hat den Ansatz ausgearbeitet, wonach sich die Anstiftung zwar grundsätzlich durch die intellektuelle Lenkung des Haupttäters auszeichne, aber eine fehlende Tatbestimmtheit auch kompensiert werden könne durch eine „voluntative Dominanz“ des Anstifters.[217] Eine solche sei dort anzunehmen, wo der Veranlasser „im Willensbereich einen der mittelbaren Täterschaft angenäherten Einfluss“ besitze.[218] Die damit aufgeworfene Wertungsfrage sei insbesondere dort im Sinne einer voluntativen Dominanz zu beantworten, wo der Anstifter den Haupttäter (unterhalb der Schwelle zur mittelbaren Täterschaft) nötigt oder aber „der Täter den Tatentschluss ausschließlich in Abhängigkeit vom Willen des Anstifters fasst“, was insbesondere dort der Fall sei, wo der Haupttäter die Tat nur gegen Bezahlung begeht.[219] Dabei verortet dieser Ansatz das Problem allerdings mit der Unterscheidung in intellektuelle und voluntative Dominanz nicht im objektiven, sondern im subjektiven Tatbestand. Richtigerweise geht es aber zunächst einmal um unterschiedliche Anforderungen an den objektiven Sinngehalt der Anstiftungshandlungen, die freilich vom Willen des Anstifters getragen sein müssen. Aus dieser Verortung des Problems wird auch deutlich, dass die von Roxin vorgetragene Kritik fehl geht, wonach das „was auf der Grundlage der Tätervorstellung eine ,Tat‘ ist, … nicht von den zu ihrer Herbeiführung angewandten Mitteln abhängen“ könne.[220] Denn die unterschiedlichen Anforderungen betreffen richtigerweise nicht den Tatbegriff, sondern die Bestimmungshandlung und deren Lenkungsleistung in Richtung auf die Tatbegehung. Dass eine Aufforderungshandlung ihre besondere, die tätergleiche Strafe rechtfertigende rechtliche Missbilligung aus der Intensität der Einwirkung beziehen kann, erscheint nicht ausgeschlossen. Roxin wendet sich freilich überhaupt dagegen, Strafwürdigkeitserwägungen Relevanz für die Konturierung einer Erscheinungsform des Unrechts (wie der Anstiftung) zuzusprechen.[221] Aber das kann jedenfalls dort nicht richtig sein, wo sich erst aus diesen Strafwürdigkeitsgesichtspunkten eine Legitimation für die Anwendung des für die Anstiftung vorgesehenen Strafrahmens ergibt. Geht man von dem Gedanken aus, dass die Bestimmungshandlung die Schaffung einer rechtlich missbilligten Gefahr der Hervorrufung des Tatentschlusses voraussetzt und mit Blick auf die tätergleiche Strafbarkeit an das Gewicht dieser rechtlich missbilligten Gefahrschaffung gesteigerte Anforderungen zu stellen sind, so erscheint es durchaus angemessen, die besondere Intensität und Gefährlichkeit der Aufforderung zu berücksichtigen. Es wird sich zeigen (unten Rn. 77 ff.), dass die aus der Beziehung des Auffordernden zum potentiellen Haupttäter gesteigerte Intensität der Aufforderung einen geringeren Grad an Konkretisierung der Anstiftung zu kompensieren vermag, also letztlich eine differenzierende Lösung angemessen ist.

cc) Mittel der Anstiftung

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Mittel der Anstiftung können zum einen explizite verbale Aufforderungen zur Tatbegehung sein. Diese Aufforderungen können, müssen aber im Regelfall nicht (s. aber Rn. 82 f.), verstärkt werden durch Drohungen (wozu etwa auch die Ankündigung der Achtungsverweigerung wegen Feigheit gehört) oder Belohnungen (wozu auch schon das Inaussichtstellen besonderen Wohlwollens gehört).[222]

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Der Aufforderungscharakter einer Anstiftungshandlung wird nicht nur durch eine explizite verbale Äußerung begründet, sondern auch konkludent durch Verhaltensweisen, die einen entsprechenden Sinngehalt tragen und damit vom Adressaten im Sinne einer Aufforderung verstanden werden können.[223] In Betracht kommen insbesondere auffordernde Gesten oder zweideutige Äußerungen oder Fragen[224], die aber in der konkreten Situation für den Adressaten den Sinngehalt einer Aufforderung tragen.[225] Nahe liegt der konkludent auffordernde Charakter bei einer Raterteilung an den Täter.[226] Selbst ein scheinbares Abraten kommt in Betracht.[227] Auch die Aussage: „Dann müsstest Du eine Bank oder eine Tankstelle machen“, kann je nach den konkreten Umständen – etwa dann, wenn der Adressat zuvor Fluchtpläne geäußert hat, für die er auf Geld angewiesen ist – als Aufforderung verstanden werden.[228]

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Auch Tatsachenarrangements können Aufforderungscharakter tragen, wenn für den potentiellen Haupttäter erkennbar ist, dass es sich um eine arrangierte Situation handelt.[229] So liegt es etwa im Fall des fliehenden, Geldscheine wegwerfenden Täter nach einem Raubüberfall (s. Rn. 50 ff.): Ein solches Verhalten kann durchaus als konkludente Aufforderung an die Verfolger verstanden werden, die Verfolgung einzustellen und sich stattdessen der Unterschlagung der Geldscheine zu widmen. Dagegen wird das Nach-Hause-Locken des Ehemannes, der dort seine Ehefrau in flagranti ertappt (s. Rn. 50 ff.), einen solchen Aufforderungscharakter nicht aufweisen.

dd) Die Konkretheit der Tataufforderung

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Hinsichtlich des Inhalts der Aufforderung ist nach dem Wortlaut von § 26 StGB klar, dass sich diese auf die Begehung einer Haupttat beziehen muss.[230] Begrifflich ist damit ein weites Spektrum eröffnet, das von der Begehung (irgendeiner) vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat bis zur Tat in einer in allen Einzelheiten bestimmten Gestalt reicht.

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Die beiden Extrempositionen werden zu Recht von niemandem vertreten: Die Aufforderung zur Begehung (irgendeiner) Straftat (z.B. zur Begehung einer beliebigen Straftat zum Bestehen einer Mutprobe) bleibt zu unbestimmt, als dass sie den Handlungsunwert einer Anstiftung, der auch durch das Prinzip der Akzessorietät geprägt wird, begründen könnte.[231] Mit dem Bestimmtheitsgrundsatz wäre es nicht vereinbar, wenn je nach tatsächlich realisierter Haupttat jede Strafandrohung zwischen Geldstrafe und lebenslanger Freiheitsstrafe eingreifen könnte. Auch wäre in einem solchen Konzept die tätergleiche Strafandrohung nicht legitimierbar, weil die dem Anstifter anzulastende motivatorische Kraft im Verhältnis zu der eigenen Entscheidung des Haupttäters für die Begehung gerade dieser Tat ganz in den Hintergrund träte.[232] Das alles gilt letztlich in abgeschwächter Form auch dann, wenn die Aufforderung so weit gefasst ist, dass sie qualitativ ganz unterschiedliche Angriffe gegen das gleiche Rechtsgut einbezieht.[233] Unzureichend bestimmt ist danach etwa die Aufforderung, irgendwelche Vermögensdelikte zu begehen. Die Extremposition am anderen Ende der Skala, wonach eine die Tat in allen Einzelheiten konkretisierende Aufforderung zu verlangen wäre, ist ebenfalls unangemessen. Abgesehen davon, dass dies mit Blick auf die Unwägbarkeiten der Tatausführung und die Freiheit des Haupttäters praktisch in nahezu allen Fällen zu Abweichungskonstellationen führen würde,[234] fänden solche Anforderungen keine Begründung im Unwert der Anstiftung: Das Vorliegen eines Rechtsgutsangriffs durch den Anstifter hängt nicht davon ab, dass dieser alle Details des Haupttäterverhaltens determiniert, und die Akzessorietät dieses Angriffs verlangt nicht nach der Vorgabe aller tatbestandlich irrelevanten Einzelheiten der Tatausführung.[235]

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Zwischen den beiden Extrempositionen – völlige Unbestimmtheit und Bestimmtheit bis in alle Einzelheiten – rangiert ein breites Meinungsspektrum. Dabei wird die Diskussion zum Teil nicht im Bereich des objektiven Tatbestandes, sondern zum Vorsatz geführt:[236] Lässt man nämlich mit einer häufig vertretenen Auffassung objektiv das Hervorrufen eines Tatentschlusses durch beliebiges Verhalten ausreichen, so spielt die Konkretheit der Aufforderung im Rahmen der Anstiftungshandlung keine Rolle (s. Rn. 37). Dies entspricht traditionell der Position der Rechtsprechung.[237] So hatte der BGH in der für diese Frage zentralen Entscheidung BGHSt 34, 63 keinen Zweifel daran gelassen, dass der Satz: „Dann müsstest Du eine Bank oder Tankstelle machen“ die objektiven Voraussetzungen einer Anstiftung erfüllt, sofern er den Haupttäter tatsächlich zur Begehung eines Überfalls auf eine Bank motiviert hatte. Erst hinsichtlich des Vorsatzes stelle sich das Problem, dass dieser sich auf eine bestimmte Haupttat beziehen müsse.[238]

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Diese Verortung im subjektiven Tatbestand vermag aber so wenig zu überzeugen wie die Reduktion des objektiven Tatbestandes auf eine für die Haupttatbegehung kausale Handlung.[239] Wollte man objektiv einen bloßen Verursachungszusammenhang genügen lassen und erst subjektiv die Gerichtetheit auf eine bestimmte Haupttat verlangen, so würde dies darauf hinauslaufen, dem subjektiven Tatbestand des § 26 StGB eine überschießende Innentendenz zu unterlegen.[240] Verlangt man objektiv bereits eine rechtlich missbilligte Gefahrschaffung in Richtung auf eine Haupttat, so ist die Bestimmtheit kein Attribut der Haupttat, sondern es kommt darauf an, inwieweit schon die Anstiftungshandlung eine hinreichend bestimmte Haupttat zum Gegenstand hat.[241]

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Hinsichtlich der Frage, welche Anforderungen an die Haupttat zu stellen sind, herrscht lediglich eine vordergründige Einigkeit dahingehend, dass die Haupttat „bestimmt“ sein müsse.[242] Hinsichtlich der Frage aber, was darunter zu verstehen ist, herrscht weitgehend Uneinigkeit: Die Rechtsprechung hat hierzu (im Rahmen des Vorsatzes) keine klare Linie entwickelt.[243] Regelmäßig wird aber vorausgesetzt, dass die Anstiftung auf einen bestimmten Tatbestand bezogen ist.[244] Es finden sich zunächst Entscheidungen, die hinsichtlich der Anforderungen an die Bestimmtheit der Haupttat relativ großzügig sind. So hat es das RG für maßgeblich gehalten, „was dem Anstiftenden als das Wesentliche erschienen ist“. „Von den einzelnen Umständen der Tat werden häufig Ort, Zeit und Art der Verübung als unwesentlich erscheinen … Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass auch die Person, gegen welche sich die Straftat richten soll, dem Anstifter unwesentlich ist, insbesondere wenn es ihm nur auf die Erlangung einer Sache bestimmter Art ankommt“.[245] Auch der BGH hat es zunächst für nicht erforderlich gehalten, dass der Täter hinsichtlich der Identität des Opfers orientiert ist. Es genüge die allgemeine Aufforderung, von zehn- bis zwölfjährigen Mädchen unzüchtige Fotos zu fertigen.[246] In einem Fall der Kettenanstiftung hat der BGH erklärt, dass die Angeklagten die „Art der Ausführung nach Zeit, Ort und Art und die Person des Ausführenden“ nicht zu kennen brauchen.[247] Von diesem großzügigen Ansatz hat sich der BGH dann aber in seiner grundlegenden Entscheidung BGHSt 34, 63 entfernt und die Auffassung vertreten, dass es nicht genüge, wenn der Anstifter hinsichtlich des allgemeinen Tatbildes (räuberische Erpressung zu Lasten des Inhabers einer Bank oder Tankstelle) orientiert sei, sondern eine weitere Konkretisierung des Tatbildes durch individualisierende Umstände wie „Objekt, Ort, Zeit und sonstige Umstände der Tatausführung“ erforderlich sei. „Welche zur Tatindividualisierung tauglichen Merkmale jeweils erforderlich sind, entzieht sich einer generell-abstrakten Bestimmung und kann nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles entschieden werden“[248] – was natürlich sogleich den Einwand mangelnder Bestimmtheit provozieren musste.[249] Hintergrund dieser Auffassung ist die Annahme, dass sich die tätergleiche Bestrafung des Anstifters erst aus einer hinreichend engen Verknüpfung zwischen Anstiftung und Haupttat legitimieren lasse.[250] In Abgrenzung zur Beihilfe hat der BGH später ausgeführt, dass der Anstifter eine Tat vorzeichne während der Gehilfe zu einer bereits geplanten Tat einen davon „losgelösten Beitrag“ erbringe.[251] Deshalb könne ein Gehilfenbeitrag – im Unterschied zur Anstiftung – auch ohne Bindung an einen bestimmten Tatbestand erbracht werden, „sofern die vorgestellte Haupttat in ihrem Unrechtsgehalt von der tatsächlich begangenen nicht gänzlich abweicht".[252]

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Insbesondere Roxin hat dagegen die Auffassung vertreten, dass es (auch) für die Anstiftung ausreiche, wenn die wesentlichen Dimensionen des Unrechts feststünden.[253] Allerdings bleibe auch dabei vorausgesetzt, dass der Tatbestand, zu dessen Verwirklichung aufgefordert wird, feststeht.[254] Jedenfalls bei Tatbeständen, die ein weites Unrechtsspektrum zwischen Bagatelltat und schwerer Rechtsverletzung abdecken,[255] sei damit aber das Haupttatunrecht noch nicht hinreichend klar. Hier müsse das konkrete Unrecht zumindest „nach allgemeinen Artmerkmalen“ umrissen sein.[256] Im Unterschied zu BGHSt 34, 63 sollen damit nur unrechtsrelevante Merkmale, wie insbesondere die Angriffsrichtung und das Gewicht der Haupttat, zur Konkretisierung herangezogen werden, nicht aber unrechtsindifferente Umstände wie Ort und Zeit der Tat oder die Identität des Opfers.[257] Freilich wirft der Ansatz von Roxin die Frage auf, ob die Orientierung an Tatbeständen ausgehend von der Maßgeblichkeit der wesentlichen Unrechtsdimensionen in allen Fällen sachgerecht ist. Um beim Beispiel des Überfalls auf eine Bank oder Tankstelle zu bleiben: Hier liegt es nahe, dass die Haupttat eine räuberische Erpressung sein wird. In Betracht kommt aber auch ein Raub; die Bestimmungshandlung gibt darüber nicht eindeutig Aufschluss. Die beiden Tatbestände unterscheiden sich hinsichtlich der Art der Ausführung nur unwesentlich und weisen den gleichen Unrechtsgehalt auf. Unabhängig von dem systematischen Verhältnis der beiden Normen zueinander, dürfte die wesentliche Unrechtsdimension auch dann feststehen, wenn die Anstiftung ihrem Sinngehalt nach beide Formen eines abgenötigten Vermögensverlusts beim Opfer abdeckt.[258] Neben solchen verwandten Tatbeständen kommt auch eine fallgruppenbezogene Nähe von Tatbeständen, die sich hinsichtlich der vorausgesetzten Angriffsart grundsätzlich unterscheiden, in Betracht. Eine solche Nähe der Ausführungshandlungen besteht etwa bei Trickdiebstahl und Betrug: Ob die Täuschung lediglich eine Gewahrsamslockerung oder eine Gewahrsamsübertragung bewirkt, macht tatsächlich und auch wertungsmäßig keinen erheblichen Unterschied, so dass man auch hier wird sagen müssen, dass eine Anstiftungshandlung, die einen Angriff auf den Gewahrsam durch Täuschung beinhaltet, die wesentlichen Dimensionen des Unrechts beider Tatbestände umfasst.[259]

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Im Ansatz zutreffend ist ein differenzierendes Konzept:[260] Zur Beantwortung der Frage, welches Maß an Konkretisierung die Tataufforderung aufweisen muss, ist mit Blick auf die ratio der Anstifterstrafbarkeit von der Einsicht auszugehen, dass die Anstiftungshandlung auf die Unrechtsmaxime bezogen sein muss (Rn. 61 f.). Da der Haupttäter die Entscheidung gegen das Rechtsgut selbst treffen, also selbst den Tatentschluss fassen muss, kann die Aufforderung nur darauf abzielen, dass der Haupttäter die Unrechtshandlung für sich als gesollt definiert. Auch dort, wo der Anstifter mehr bietet, etwa schon den konkreten Tatplan bereithält, ist die spezifische Leistung des Anstifters nicht diese Planungsleistung, die auch ein Gehilfe im Rahmen eines schon bestehenden Vorhabens erbringen kann, sondern gerade die Aufforderung an den Haupttäter, sich die Unrechtsmaxime zu eigen zu machen. Auf der Grundlage der Unrechtsmaxime als eines persönlich verstandenen Richtigseins konkretisiert der Haupttäter dann im Tatentschluss die Realisierung dieser Maxime in der Tat. Erst damit wird manifest und rechtlich relevant, dass der Haupttäter die Maxime tatsächlich für sich akzeptiert hat. Die Aufforderung zielt also nicht nur darauf, dass der Haupttäter gewissermaßen abstrakt eine in gewissem Umfang rechtsgutsfeindliche Einstellung übernimmt, sondern darauf, dass er diese Maxime als konkrete Handlungsanleitung übernimmt und sein praktisches Handeln mit der Begehung einer Haupttat an ihr ausrichtet.

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Das Problem der Konkretheit der Tataufforderung gewinnt auf der Grundlage dieser Überlegungen präzisere Gestalt: Unrechtsmaximen können sehr unterschiedliche Grade an Allgemeinheit aufweisen. Sie reichen (theoretisch) von der Maxime, alle fremden Rechtsgüter zu verletzen, bis hin zu konkreten Maximen etwa des Inhalts, dass es richtig sei, einem durch bestimmte Eigenschaften gekennzeichneten Opfer eine ganz konkrete Beeinträchtigung zuzufügen. Dazwischen liegen etwa Maximen wie die, dass die Verletzung von Personen aus einer bestimmten Gruppe von Menschen oder die Bereicherung an fremdem Eigentum bei günstiger Gelegenheit richtig seien. Es ist eine blanke Selbstverständlichkeit, dass sich solche Unrechtsmaximen nicht an tatbestandlichen Grenzen orientieren, denn (potentielle) Anstifter wie Haupttäter handeln aus Motiven oder zur Verfolgung von Interessen, die mit tatbestandlichen Typisierungsbemühungen schlechterdings nichts zu tun haben.[261] Dies dürfte der Grund dafür sein, dass sich die Konkretheit der Aufforderung trotz aller Bemühungen einer trennscharfen, an den gesetzlichen Tatbeständen orientierten Bestimmung sperrt. Man kann sich vor diesem Hintergrund fragen, ob und warum es überhaupt angemessen sein soll, an die Aufforderung besondere Konkretisierungsanforderungen zu stellen. Auch die Aufforderung, eine wenig spezifizierte Unrechtsmaxime zu übernehmen und zur Grundlage für die Begehung von Straftaten zu machen, liegt außerhalb des Rahmens rechtlich zu schützender Handlungsfreiheit. Der Grund dafür, dass dennoch ein gewisses Maß an Spezifizierung zu verlangen ist, liegt zum einen in den Anforderungen an die gesetzliche Bestimmtheit von Straftatbeständen (oben Rn. 55 f.) und zum anderen in dem mit Blick auf die tätergleiche Strafbarkeit erforderlichen Gewicht des Fehlverhaltens.

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Für den letztgenannten Aspekt, also für die zur Legitimation der tätergleichen Strafe vorausgesetzte rechtliche Missbilligung, ist die Einsicht von Bedeutung, dass ein höherer Konkretisierungsgrad eine gesteigerte Gefährlichkeit des Anstifterverhaltens begründet. Die Anforderungen an die Konkretisierung der Aufforderung sind also (jedenfalls: auch) teleologisch mit Blick auf die Gefahren, die das Anstifterverhalten für das potentielle Opfer schafft, zu entwickeln.[262] Zu Recht erwähnt der BGH – ins Subjektive gewendet – die Bedeutung der Haupttatkonkretisierung für das in der Anstiftung liegende Risiko: Der maßgebliche Hintergrund des Konkretisierungserfordernisses soll sein, „dass nur derjenige Teilnehmer ernstlich mit der Begehung der Haupttat rechnet, der bereits wesentliche Einzelheiten des Tatplans kennt. Diejenigen Tatumstände sind als wesentlich für den Vorsatz des Teilnehmers anzusehen, deren Kenntnis die Begehung der Haupttat hinreichend wahrscheinlich werden lässt“.[263]

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Die Berechtigung dieser Überlegungen ergibt sich, wenn man die Frage einbezieht, unter welchen Voraussetzungen ein Auffordernder erheblichen Grund zu der Annahme hat, dass die von ihm angebotene Unrechtsmaxime vom potentiellen Haupttäter zur Grundlage seines Verhaltens gemacht wird. Dann zeigt sich sehr schnell, dass Aufforderungen dahingehend, sich eine unspezifische, rechtsgüterübergreifende Unrechtsmaxime zu eigen zu machen, kaum Befolgungsgefahren bergen. Die grundsätzliche Möglichkeit der Begehung von Straftaten ist allgemein bekannt und der bloße Umstand, dass ein anderer das Ergreifen dieser Möglichkeit als richtig darstellt und dazu auffordert, ist (jenseits besonderer persönlicher Beziehungen, dazu Rn. 82) nahezu so wenig relevant wie das allgemeine Wissen, dass es Personen in einer Gesellschaft gibt, die die Begehung von Straftaten befürworten. Die für eine Anstifterstrafbarkeit erforderliche Gefahrschaffung nimmt erst mit der Einsicht Gestalt an, dass die Übernahme einer Unrechtsmaxime eines Motivs bedarf. Erst ein Motiv gibt einer Aufforderung die Kraft, eine ernstzunehmende, erwägenswerte Option für den potentiellen Haupttäter zu sein. Für die motivatorische Kraft der Anstiftung spielt nun die Konkretisierung eine erhebliche Rolle: Die Maxime, die z.B. generell die Verletzung fremder körperlicher Integrität oder fremden Lebens vorschreibt, ist praktisch für niemanden akzeptabel. Die Unrechtsmaxime erhält ihre Attraktivität gerade durch ihre einschränkenden Voraussetzungen, die es dem Täter erlauben, sich nicht gänzlich außerhalb des Rechts zu stellen, sondern Bedingungen zu definieren, bei deren Vorliegen eine bestimmte Verletzungshandlung ausnahmsweise richtig sein soll. So wird eine Maxime, die eine Beeinträchtigung der körperlichen Integrität oder des Lebens vorschreibt, ihren Sinn für den Haupttäter in der Regel aus seinem Verhältnis gerade zu einem bestimmten Opfer erhalten. Die Maxime ist dann darauf beschränkt, gerade das konkrete Opfer zu verletzen. Ausnahmsweise kann die Interessenlage aber auch anders liegen, wenn etwa zu Gewalttaten gegen eine bestimmte Gruppe in der Bevölkerung aufgefordert wird. Hier kommt es nicht auf das konkrete Opfer, sondern auf bestimmte Eigenschaften an, die es aufweisen muss.[264] Dagegen liegen etwa bei Eigentums- und Vermögensdelikten die Motive meist schon im Ansatz anders: Hier geht es dem Täter im Regelfall nicht um die Schädigung als solcher und damit auch nicht um die Schädigung einer bestimmten Person, sondern um die Erlangung eines wirtschaftlichen Vorteils, für den das Opfer nicht in seiner Individualität, sondern nur in seiner Eigenschaft als Inhaber bestimmter Vermögenswerte, vielleicht noch in Verbindung mit günstigen Voraussetzungen für einen Angriff auf diese Werte, relevant ist. Daran wird schon deutlich, dass je nach dem Inhalt der Maxime sehr unterschiedliche Aspekte der Konkretisierung bedürfen, damit der Haupttäter sich zu einer Übernahme dieser Maxime als Grundlage einer Tat entschließen kann.

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