Englisch ab Klasse 1 - Grundlage für kontinuierliches Fremdsprachenlernen

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3 Voraussetzungen

Die Untersuchungen zur Effektivität des Fremdsprachenlernens in der Grundschule belegen aber auch, dass der Beginn in Klasse 1 kein Selbstläufer ist. Der Erfolg ist vielmehr an gewisse Voraussetzungen geknüpft. Daniela Elsner ist deshalb zuzustimmen, wenn sie befindet, dass die Frage nicht nur sein dürfe, Was bringt der frühe Fremdsprachenunterricht?, sondern auch Was braucht dieser? (Elsner 2017: 110). Drei Voraussetzungen sollen hier kurz erörtert werden, zu deren Bestimmung auch das PROJEKT Argumente liefert.

3.1 Die Lehrerbildung und die Lehrersprache

Mehr als zehn Jahre nach der flächendeckenden Einführung des Fremdsprachenunterrichts in Deutschland ist die mangelnde Ausbildung der Grundschullehrkräfte nach wie vor ein Problem. Auch das Bemühen der Bundesländer, durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen Lehrkräfte nachzuqualifizieren, die über keine grundständige Ausbildung in der ersten Studienphase verfügten, hat die Situation nicht durchgreifend verändert. Dazu hat u.a. beigetragen, dass diese Maßnahmen schwerpunktmäßig im methodisch-didaktischen Bereich angesiedelt waren, die Entwicklung einer angemessenen fremdsprachlichen Kompetenz hingegen kaum Aufmerksamkeit erfuhr.1

In der BIG-Studie lag der Anteil der für das Fach Englisch ausgebildeten Lehrkräfte bei unter 50 % (Müller 2017: 127). Nur eine Minderheit der Lehrkräfte hat eine längere Zeit im englischsprachigen Ausland verbracht (ebd.: 131). Unter anderem darin begründet liegt auch die Tatsache, dass nur 29 % der befragten Lehrkräfte die eigene Sprachkompetenz im Englischen als sehr gut bezeichnen, 20 % dagegen sogar als nur mittelmäßig (ebd.: 132). Das hat eindeutige Auswirkungen auf den Unterricht: Die Studie zeigt einen klaren Zusammenhang zwischen einer hohen Sprachkompetenz der Lehrkräfte und deren Ansprüchen an das sprachliche Handeln der Kinder (Böttger 2017: 12) sowie dem Vertrauen der Lehrkräfte in ihre eigene Sprachkompetenz und dem Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler (Müller 2017: 262ff.). Auch die Interviewstudie von Deters-Philipp (2018) zeigt, dass viele der befragten Lehrkräfte besonders den fremdsprachlich ausgerichteten Qualifikationskriterien nicht genügen können.

Das PROJEKT war in der komfortablen Situation, dass durch Unterstützung des Schulamts und des Kultusministeriums neu zu besetzende Stellen an den Grundschulen des PROJEKTS ausschließlich mit für das Fach Englisch qualifizierten Lehrkräften besetzt wurden, sodass zum Ende der Projektlaufzeit der Englischunterricht fast ausschließlich von Fachkräften gegeben wurde. Die intensive Arbeit mit den Lehrer*innen im Zusammenhang mit den Unterrichtsbeobachtungen, den monatlichen Fachtreffen und Intensivseminaren verdeutlichte jedoch, dass methodisch-didaktische Kompetenzen keine hinreichenden Voraussetzungen für einen kommunikativen Englischunterricht in der Grundschule bieten, sondern von einer hoch differenzierten Lehrersprache ergänzt werden müssen. Nicht zuletzt die kooperativen Mikroanalysen zur Inszenierung von Lernaufgaben (s. Kapitel 4 in diesem Band) bestätigen in eindrücklicher Weise die herausragende Bedeutung der Lehrersprache für die Ausgestaltung der Unterrichtsroutinen und des fremdsprachlichen Unterrichtsdiskurses (Deters-Philipp 2018). Dieser ist höchst vielschichtig und verlangt deshalb die kompetente Realisierung unterschiedlicher Rollen (teacher as partner in communication, teacher as instructor, teacher as language model and input provider) und die Fähigkeit eine Vielzahl von miteinander verschränkten Microfunktionen auszufüllen (z.B. assigning & directing activities, modeling, presenting new words, giving feedback, small talk, story telling).

Ein Versuch, Antworten auf die Frage zu liefern, was der frühe Fremdsprachenunterricht bringt, muss neben der didaktisch-methodischen Lehrkompetenz der Grundschullehrkräfte auch und gerade ihre Lehrersprache in den Blick nehmen. Klassenzimmerbasierte Forschungen zu den Praktiken der Lehrkräfte, wie sie im PROJEKT versucht wurden (s. Kapitel 4 und Kapitel 6), dürften dabei ebenso helfen wie eine Analyse und Evaluation der sprachpraktischen Komponenten der ersten Ausbildungsphase sowie der Fort- und Weiterbildung.

3.2 Einheitliche Mindeststandards

Die Situation des Englischunterrichts in der Grundschule in den einzelnen Bundesländern ist nach wie vor von starker Heterogenität geprägt. Unabhängig vom Beginn in Klasse 1 oder Klasse 3 streben die meisten Bundesländer das Niveau A1 an, die einzelnen sprachlichen Fertigkeiten werden dabei aber durchaus unterschiedlich gewichtet, teilweise geht die Erwartung auch über das Niveau A1 hinaus (für einen Überblick über die Situation in den einzelnen Bundesländern vgl. Lohmann 2017). Im Gegensatz zu den Fächern Deutsch und Mathematik gibt es für das Fach Englisch keine bundesweiten Standards für die Grundschule. Für einen erfolgreichen Fremdsprachenunterricht in der Grundschule sind verbindliche Vereinbarungen, welche Kompetenzen die Schüler*innen am Ende der Primarstufe erreichen sollen, jedoch eine weitere Voraussetzung. Damit würden Verlässlichkeit der Lernziele und eine gewisse Vergleichbarkeit der erworbenen Kompetenzen zu Beginn der Sekundarstufe erreicht (Börner et al. 2017: 91). Sekundarstufenlehrkräfte hätten durch solche Mindesstandards eine Orientierung, auf welche in der Primarstufe erarbeiteten Inhalte und Kompetenzen sie aufbauen können:

Lehrpläne sollten weniger in die Breite gehen und stattdessen fokussierter vorgeben, welche konkreten Ziele bis zum Übergang auf die Sekundarstufe erreicht worden sein müssen. Damit würde eine Basis für verbindliche Abschluss- bzw. Übergangsprofile geschaffen, die von den weiterführenden Schulen aufgegriffen werden könnte (Hempel et al. 2017: 90).

Vorschläge in diese Richtung wurden schon 2005 vom BIG-Kreis (BIG-Kreis 2005) vorgelegt; diese hilfreiche Zusammenstellung von Kompetenzen kann auf der Basis nun vorliegender empirischer Untersuchungen zum Fremdsprachenunterricht in der Grundschule überarbeitet und ergänzt werden (vgl. dazu auch Börner et al. 2017: 92ff.).

In Ermangelung nationaler Mindeststandards wurde im PROJEKT zusammen mit den beteiligten Grundschulen ein Stufenprofil für die erreichten Kompetenzen am Ende von Klasse 4 als Orientierungsrahmen erarbeitet, das sowohl die Standards des BIG-Kreises weiterdachte, als auch den Lehrplan des Landes Nordrhein-Westfalen berücksichtigte. Zum einen sollte damit für Lehrkräfte eine Orientierung geschaffen werden, welche sprachlichen Leistungen realistischerweise am Ende von vier Jahren Englischunterricht in der Grundschule erwartet werden können. Zum anderen diente das Stufenprofil Lehrkräften zu Beginn der Sekundarstufe dazu, die in der Grundschule erworbenen Kompetenzen wahrzunehmen, wertzuschätzen und zu diagnostizieren (Dreßler / Kollmann 2016). Auch der für das PROJEKT entwickelte Sprechtest richtete sich nach diesem Stufenprofil (s. Kapitel 3 in diesem Band).

3.3 Der Übergang in die Sekundarstufe

„Über den Erfolg des Frühbeginns entscheidet ganz wesentlich der Unterricht in Klasse 5/6“ befanden Kahl / Knebler schon 1996 (109) in ihrer Evaluation des Hamburger Schulversuchs. Für den Erfolg des Fremdsprachenlernens in der Grundschule spielt eine kontinuierliche Weiterführung des Englischlernens in der Sekundarstufe eine wichtige Rolle.

Die mitgebrachten Kompetenzen der Schüler*innen wahrzunehmen und systematisch auszubauen, scheint jedoch für viele Sekundarstufenlehrkräfte nach wie vor eine große Herausforderung darzustellen. Die Lehrer*innen sind unsicher, mit welchen Strategien und mit welchen methodischen Möglichkeiten sie am besten mit den teils sehr heterogenen Leistungen der Kinder umgehen können. Dazu kommen unterschiedliche Lernkulturen und methodische Orientierungen in den beiden Schulstufen. Ein Brennpunkt ist dabei beispielsweise die Schriftlichkeit. Auch wenn die Anbahnung schriftsprachlicher Kompetenzen inzwischen auch in der Primarstufe systematischer betrieben wird, kann von den Schüler*innen nicht erwartet werden, dass sie mit Eintritt in die fünfte Klasse selbständig und korrekt schreiben können. Wahrzunehmen und wertzuschätzen gilt es vielmehr die mündlichen sprachlichen Fähigkeiten, mit denen die Kinder in die Sekundarstufe kommen. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt dabei auch das informelle Sprachenlernen:

Diese nicht-intentionalen impliziten Prozesse der Sprachaufnahme, -verarbeitung und ersten -produktion des frühen Fremdsprachenlernens können dabei allerdings nicht wie explizit zur Verfügung stehendes bewusstes Sprachwissen und -können reproduziert werden, weil die jungen Fremdsprachenlerner einfach (noch) nicht wissen, was sie alles an fremder Sprache behalten haben und verwenden können (Börner et al. 2017: 101-102).

Im PROJEKT galt der Kontinuität zwischen Primar- und Sekundarstufe von Anfang an besonderes Interesse. Dabei wurde angestrebt, die Übergangsphase im Hinblick auf ihre Potentiale und Herausforderungen näher zu charakterisieren sowie erprobte Modelle für die Unterrichtspraxis zu erarbeiten. Wichtig war eine enge Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften der Primar- und der Sekundarstufe, um den Austausch zu befördern, Lehrkräften Einblicke in die jeweils andere Schulstufe zu ermöglichen und gemeinsame schulstufenübergreifende Projekte zu planen. In den Schulverbund miteinbezogen wurden deshalb von Beginn an fünf Schulen der Sekundarstufe, welche häufig Schüler*innen aus den beteiligten Grundschulen aufnehmen. An den Projektsitzungen nahmen Lehrkräfte der Primar- und der Sekundarstufe teil. Die Lehrer*innen tauschten sich hier über relevante Fragen aus, diskutierten eigene videografierte Unterrichtsstunden und erarbeiteten kompetenzorientierte Stufenprofile und Lernaufgaben für die Primar- und den Beginn der Sekundarstufe (s. Kap. 4 und 5). Die erarbeiteten Lernaufgaben wurden dann im Unterricht erprobt und ihre Durchführung in den Projektsitzungen reflektiert. Außerdem trugen gegenseitige Unterrichtshospitationen zum Austausch bei. Intensiviert wurde dieser in der zweiten Projektphase durch Übergangsprojekte, bei denen jeweils eine Klasse aus der Primar- und eine Klasse aus der Sekundarstufe an einem gemeinsamen Thema arbeitete und die Ergebnisse bei einem Treffen aller Schüler*innen ausgetauscht wurden (Dreßler / Kollmann 2016a, Legutke 2018).

 

4 Das PROJEKT – der Sonderfall und seine Implikationen

Blickt man aus der Distanz von nunmehr zwei Jahren nach Ende des PROJEKTS auf dessen Erträge – einige von ihnen werden in den folgenden Kapiteln im Einzelnen erörtert – dann kann die Frage, ob sich der Aufwand lohnt, zumindest für den konkreten Fall ohne Bedenken mit „ja“ beantwortet werden. Auch und gerade wenn man die Herausforderungen in den Blick nimmt, die das Setting mit sich brachte, in dem Lerner*innen, Forscher*innen, Vertreter*innen der Schulaufsicht und-verwaltung sowie des Kultusministeriums über sechs Jahre zusammenwirkten, bleibt die Einschätzung positiv. Alle Beteiligten haben ohne Frage viel gelernt.

Der Beitrag von Lambrini Loumbourdi und Darja Brotzmann (Kap. 3) dokumentiert nicht nur die Entwicklung eines Testinstruments für die Viertklässler*innen des Projekts, sondern zeigt, welche Leistungen im Bereich Sprechen die Kinder, um die es ja in erster Linie geht, erreichten. Constanze Dreßler und Michael Legutke führen im 2. Kapitel in das PROJEKT ein und untersuchen die Frage, wie es gelingen kann, dass Lehrer*innen und Forscher*innen auf Augenhöhe über einen längeren Zeitraum zusammenarbeiten können. Constanze Dreßler legt im 4. Kapitel dar, zu welchen Einsichten ihre Mikroanalysen von Unterrichtssituationen mit Projektlehrkräften führten, wenn diese Lernaufgaben mit Grundschulkindern inszenieren. Im 5. Kapitel stellt Annika Kolb ausgewählte Lernaufgaben für die 5. Klassen vor, die zusammen mit Lehrer*innen entwickelt und erprobt wurden. Diese Aufgaben sollen u.a. dabei helfen, von Kindern aus der Grundschule mitgebrachte (Teil)Kompetenzen sichtbar und ausbaubar zu machen. Wie Lehrkräfte den Schüler*innen im Unterricht Räume dafür schaffen können, verdeutlicht eine Fallstudie zu den ersten Wochen Englischunterricht in Klasse 5 (Kapitel 6). Sonja Brunsmeier thematisiert mit zwei Interviewstudien zum Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule die Kontinuität des Fremdsprachenlernens: Kapitel 7 beleuchtet den Übergang aus der Sicht der Schüler*innen, während im 8. Kapitel Lehrkräfte zu Wort kommen. Michael Legutke skizziert im Schlusskapitel einige Perspektiven für die Weiterarbeit in dem spannenden Feld des Frühbeginns, die sich aus dem Projekt ergeben könnten.

Die Argumente für einen frühen Beginn des Englischunterrichts, die die folgenden Seiten präsentieren, sind zunächst und vorwiegend an die besonderen Bedingungen des PROJEKTS gebunden und wollen deshalb auch in diesem Kontext verstanden werden. Es war ohne Frage ein Glücksfall: entstanden aus einer Basisinitiative, unterstützt durch Eltern, Schulleiter*innen und Schulverwaltung, gefördert durch ein Ministerium und begleitet von einem Team von Wissenschaftler*innen. Es entstand eine Lern- und Forschungsgemeinschaft, deren Praktiken jedoch über den Einzelfall hinaus als Modell wirken können und deren Einsichten verdienen, im Fachdiskurs wahrgenommen zu werden. Was diese Gemeinschaft trotz aller Herausforderungen, die die unterschiedlichen Rollen und Aufgaben mit sich brachten, konsequent versuchte, in die Tat umzusetzen, hat Mark Clarke in einem viel beachteten Aufsatz wie folgt formuliert:

Of primary importance is the need for time to reflect; collaborate; observe other teachers; develop personal theories, curriculum, materials… In short, the day-to-day business of teaching must become more conducive to thoughtful work (Clarke 1994: 23).

Ob das PROJEKT diesem Anspruch gerecht wurde, mögen die Leser*innen kritisch prüfen.

Literatur

BIG-Kreis (2015). Der Lernstand im Englischunterricht am Ende von Klasse 4. München: Domino Verlag.

BIG-Kreis (2005). Standards, Unterrichtsqualität, Lehrerbildung. Empfehlungen des BIG-Kreises in der Stiftung Lernen. München: Domino Verlag.

Börner, Otfried / Böttger, Heiner / Kierepka, Adelheid / Lohmann, Christa (2017). Fremdsprachenunterricht in der Primarstufe – Potenziale für zukünftige Standards. Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL), 46 (2), 85–103.

Böttger, Heiner (2017). Frühe Fremdsprachenlerner – Prädispositionen und Potenziale. FLuL, 46 (2), 8–17.

Clarke, Mark (1994). The dysfunctions of the theory/practice discourse. TESOL Quarterly 28/1, 9-26.

Deters-Philipp, Ann-Cathrin (2018). Lehrersprache im Englischunterricht an deutschen Grundschulen. Eine Interviewstudie mit Lehrkräften. Münster: Waxmann.

Dreßler, Constanze / Kollmann, Sabine (2016). Wo stehen die Kinder am Ende der 4. Klasse? Stufenprofil mit Lernaufgaben. In: Dreßler, Constanze / Kolb, Annika / Kollmann, Sabine / Legutke, Michael K. (Hg.). Herausforderung Übergang: Kontinuität im Englischunterricht. Handreichungen für die Praxis in den Klassen 4 und 5. Braunschweig: Diesterweg, 14-29.

Dreßler, Constanze / Kollmann, Sabine (2016a). Übergangsprojekte. In: Dreßler, Constanze / Kolb, Annika / Kollmann, Sabine / Legutke, Michael K. (Hrsg.). Herausforderung Übergang: Kontinuität im Englischunterricht. Handreichungen für die Praxis in den Klassen 4 und 5. Braunschweig: Diesterweg, 42-50.

Elsner, Daniela (2017) Fremdsprachenunterricht in der Grundschule: Where Are You Now et Où Vas-Tu? FLuL, 46 (2), 104–118.

Engel, Gaby / Groot-Wilken, Bernd / Thürmann, Eike (Hg.) (2009). Englisch in der Primarstufe – Chancen und Herausforderungen. Berlin: Cornelsen.

Enever, Janet (2018) Policy and politics in global primary English. Oxford: Oxford University Press.

Hempel, Margit / Kötter, Markus / Rymarcyzk, Jutta (2017). Fremdsprachenunterricht in der Grundschule in den Bundesländern Deutschlands. Eine Bestandsaufnahme zum Status Quo und seiner gewünschten Weiterentwicklung. Frankfurt a.M.: Peter Lang.

Jaekel, Nils / Schurig, Michael / Merle, Florian / Ritter, Markus (2017). From early starters to late finishers? A longitudinal study of early foreign language learning in school. Lanuage Learning 67 (3), 631-664.

Kahl, Peter / Knebler, Ulrike (1996). Englisch in der Grundschule – und dann? Evaluation des Hamburger Schulversuchs „Englisch ab Klasse 3“. Berlin: Cornelsen.

Legutke, Michael (2018). Gemeinsam den Übergang meistern. At work 28, 8-9.

Lohmann, Christa (2017). Konsolidierung des Grundschul-Englischunterrichts. FLuL, 46 (2), 36–54.

Mourão, Sandie/ Lorenço, Mónica (2015). Introduction. In: Mourão, Sandie / Lorenço, Mónica (eds.). Early years second language education. International perspectives on theory and practice. London: Routledge, 1-11.

Müller, Tanja (2017). Einflussfaktoren auf den Lernkontext im Fach Englisch am Ende von Klasse 4. Aspekte der vertieften Auswertung der BIG-Studie 2013. Herne: Gabriele Schäfer Verlag.

Pfenninger, Simone / Singleton, David (2016). Affect trumps age: A peron-in-context relational view of age and motivation in SLA. Second Langauge Research 32 (3), 311-345.

Wilden, Eva / Porsch, Raphaela / Ritter, Markus (2013). Je früher desto besser? – Frühbeginnender Englischunterricht ab Klasse 1 oder 3 und seine Auswirkungen auf das Hör- und Leseverstehen. Zeitschrift für Fremdsprachenforschung, 24 (2), 171-201.

Kapitel 2

Zur Dynamik kollaborativer Forschung. Das Projekt Englisch ab Klasse 1.

Constanze Dreßler / Michael K. Legutke

Auch wenn sich in den letzten drei Dekaden die Gewichte fremdsprachendidaktischer Forschung deutlich in Richtung auf empirische Forschung verschoben haben und die komplexen Zusammenhänge unterrichtlicher Interaktionen verstärkt in den Blickpunkt rückten, sind Forschungen, in denen Lehrende als Forschungspartner gleichberechtigt mitwirken, kaum dokumentiert. Im „Projekt Englisch ab Klasse 1“ (PEAK1) arbeiteten etwa dreißig Grund- und Sekundarstufenlehrende aus 12 Schulen sechs Jahre mit professionellen Forschenden zweier Universitäten zusammen. Der folgende Beitrag skizziert die Genese einer Gemeinschaft der Forschenden (community of inquiry) und erörtert am Beispiel eines Teilprojekts, das der Frage nachging, wie Lehrer*innen Lernaufgaben im Englischunterricht der Grundschule inszenieren, Brennpunkte solcher Zusammenarbeit. Der Beitrag schließt mit Überlegungen, ob und wenn ja, in welcher Weise dieser konkrete Fall Anstöße für Folgeprojekte kollaborativer Forschung liefern kann.

1 Das PROJEKT1. Ein Fall

Der Kontext: In der deutschen Großstadt (ca. 740 000 EW), in der dieser Fall situiert ist, wird Englisch gemäß den Richtlinien des zuständigen Kultusministeriums (Schulgesetz) verbindlich ab der dritten Jahrgangstufe an allen Grundschulen unterrichtet. Angeregt durch eine Gruppe bildungsinteressierter Eltern haben drei Grundschulen eine Initiative gestartet, Englisch schon ab Klasse 1 anzubieten. Nach zwei Jahren Erprobung auf der Basis selbst entwickelter Curricula und Materialpakete stellen die Schulen beim Ku ltusministerium den Antrag auf Förderung des PROJEKTS durch eine weitere Zuweisung zusätzlicher Stunden für die Klassen 1 und 2. Das Kultusministerium stimmt dem Antrag unter der Bedingung zu, dass das PROJEKT über den Zeitraum von zunächst drei Jahren wissenschaftlich begleitet wird.

Der Auftrag: Die wissenschaftliche Begleitung (WiBe) soll die PROJEKT-Schulen kontinuierlich beraten, den von den Kindern am Ende von Klasse vier erreichten Leistungsstand einschätzen und untersuchen, welche Formen der Weiterführung der Programme in Klasse 5 etabliert werden. D.h. es gilt darzulegen, wie die Grundschulen mit den weiterführenden Schulen zusammenarbeiten und mit welchen Maßnahmen die aufnehmenden Sekundarstufenschulen die erreichten (Teil)Kompetenzen der Kinder systematisch weiterentwickeln. Die Leistungsfähigkeit der jeweils realisierten Modelle für die Weiterführung in Klasse 5 ist einzuschätzen. Dabei sollen die besonderen Bedingungen einer Großstadtregion berücksichtigt werden (freie Schulwahl für die Sek I).

Das Team: Das Kultusministerium beauftragt eine Forschergruppe (bestehend aus einer Juniorprofessorin, einem Professor und einer Wissenschaftlichen Mitarbeiterin). Diese nimmt den Auftrag unter der Bedingung an, dass mindestens eine weitere Grundschule aus einem deutlich bildungsferneren Umfeld der Großstadt mit einer Gesamt- und einer Realschule als aufnehmende Schulen in das PROJEKT integriert werden. Das Kultusministerium stimmt zu. Allerdings zieht sich die Integration der weiteren Schulen fast zwei Jahre hin. Am Ende des zweiten Projektjahres gehören fünf Grundschulen, drei Gymnasien, eine Real- und eine Gesamtschule zum PROJEKT. Eine Lehrkraft einer der PROJEKT-Schulen wird mit Projektbeginn mit halber Stelle für die Koordination der Aktivitäten auf Schulebene und die Kommunikation zwischen den Schulen und der WiBe freigestellt. Zwei weitere Grundschulen schließen sich dem PROJEKT an und werden in die Förderung aufgenommen. Damit arbeiten schließlich 7 Grundschulen in dem PROJEKT mit. Die Juniorprofessorin wird zwischenzeitlich auf eine W3-Professur an eine andere Hochschule berufen. Sie ist bereit, die Zusammenarbeit fortzusetzen.

Die Arbeitstreffen: Während der Schulzeit treffen sich Vertreter*innen aller beteiligten Schulen und die WiBe einmal pro Monat für zwei Stunden abwechselnd an einer der PROJEKT-Schulen. Einmal pro Schuljahr findet eine Klausurtagung von 1 ½ Tagen in einem Bildungszentrum des Bundeslandes statt. Vertreter*innen der Schulverwaltung und des Kultusministeriums nehmen regelmäßig an diesen Treffen teil.

 

Die Genehmigungen: Mit der Erteilung des Auftrags zur WiBe genehmigt das Kultusministerium Unterrichtsbeobachtungen in allen Schulen, Videoaufnahmen, die Durchführung von Interviews mit Schüler*innen und Lehrkräften und die Durchführung von Tests.

Die Laufzeit: Nach 6 Jahren endet das PROJEKT mit einer öffentlichen Abschlussveranstaltung an einer der PROJEKT-Schulen. Die beteiligten Grundschulen erhalten weiterhin je eine Extrastunde für die ersten beiden Schuljahre zur Fortführung des Englischunterrichts ab Klasse 1. Die zweite Stunde müssen sie aus dem Stundenkontingent der Schule für die Profilbildung bestreiten. Eine darüberhinausgehende Verstetigung seitens der Schulbehörde findet nicht statt.

Im Folgenden sollen forschungsmethodische, forschungsstrategische und forschungsethische Aspekte und Herausforderungen erörtert werden, die sich im Zusammenhang mit diesem besonderen Fall, dem PROJEKT, ergaben und die über diesen hinaus für ähnliche Konstellation beachtenswert sind, nämlich für Projekte, in denen Lehrer*innen und professionelle Forscher*innen gemeinsam forschen, indem sie versuchen eine Gemeinschaft der Forschenden (community of inquiry) zu bilden.