BRENNENDE SCHATTEN

Text
From the series: Dan Taylor #2
Read preview
Mark as finished
How to read the book after purchase
Font:Smaller АаLarger Aa

Sie zogen nun die Plane hinunter, die ihnen den ganzen Tag über Schatten gespendet hatte, rollten sie zusammen und verstauten sie auf der Ladefläche von Dans Pick-up. Schließlich bückten sie sich und testeten das Gewicht der Metallbox.

Dan blickte zu Chris hoch und nickte. »Auf drei.«

Vorsichtig hoben sie die schwere Kiste auf die Ladefläche und schlugen anschließend die Heckklappe zu.

Dan fuhr sich mit den Fingern durch sein feuchtes Haar. Schweißtropfen liefen ihm den Rücken herunter, während er das Testgebiet noch einmal überprüfte und kontrollierte, ob sie auch wirklich alles mitgenommen hatten. »Ich fahre dir hinterher«, sagte er zu Chris, der kurz nickte und sein Fahrzeug anließ.

Nachdem er in seinen Wagen gestiegen war, warf Dan die leere Getränkedose und sein Werkzeug auf den Beifahrersitz, zog die Tür zu und startete den Motor. Er ließ ihn eine Minute lang warmlaufen und kurbelte dann sein Fenster herunter. Danach lenkte er den Pick-up auf die holprige Fahrspur und folgte der Staubwolke des vorausfahrenden Wagens.

Als er mit seinem Pick-up den schmalen Weg zum Haus des Generals hinauffuhr, warf er einen Blick auf die Winterlandschaft, die sich vor ihm ausbreitete. Im Rückspiegel bemerkte er, dass er immer noch von den letzten sechs Monaten, die er in der kargen Weite Arizonas verbracht hatte, gebräunt war.

Dann glitt sein Blick über das Städtchen, in dem man ihn trotz der abgeschiedenen Lage mehr als freundlich empfangen hatte.

Was ihm ganz recht war, denn dort befand sich die einzige Pension weit und breit.

Kapitel 2

Grant Swift öffnete seine Augen, doch Dunkelheit umgab ihn. Er versuchte die Finsternis wegzublinzeln, und fühlte, dass er auf der Seite lag. Seine Schulter schmerzte an der Stelle, an der sein Körper durch die Bewegungen des Wagens hin und her geworfen worden war. Er schüttelte den Kopf und bemühte sich, den starken Druck hinter seinen Augen zu vertreiben. Die Kapuze scheuerte über sein Gesicht und als er versuchte, die kratzige Augenbinde mit den Händen zu entfernen, bemerkte er, dass seine Handgelenke gefesselt waren. Inzwischen hatten die Fesseln die Blutzirkulation so stark abgeschnürt, dass er seine Finger kaum noch spüren konnte.

Sein Herz schlug heftig in der Brust, als er sich das Gehirn zermarterte, um herauszufinden, was geschehen war. Wie lange war er schon bewusstlos? Wo war er?

Er spitzte die Ohren. Sie waren offenbar noch immer unterwegs. Der gleichmäßige Fahrrhythmus des Wagens wurde nur gelegentlich durch ein Schlagloch unterbrochen, während sein Körper sich bei jeder Straßenkurve hin und her bewegte. Er erinnerte sich daran, dass er hinter seinem Mercedes einen Van gesehen hatte … wie lange war das her? … und dann … und dann …

Als ihm klar wurde, dass er wahrscheinlich immer noch im hinteren Teil des Vans lag, versuchte er, das Motorengeräusch auszublenden und sich ganz und gar auf die beiden Stimmen zu konzentrieren, die von den Vordersitzen aus nach hinten drangen. Sie sprachen zwar nicht viel miteinander, dafür war aber das Autoradio angeschaltet. Gerade lief ein Werbeblock, der peppige Jingle einer großen Bekleidungskette wurde durch die aufgeregte Stimme eines Sprechers aus dem Off übertönt. Direkt danach hörte er den Jingle des Radiosenders, der in einen weiteren Top-40-Song überblendete. Grant wiederholte den Jingle grübelnd in seinem Kopf. Er kannte ihn irgendwoher, konnte sich aber einfach nicht daran erinnern, wohin er damals unterwegs gewesen war, als er ihn gehört hatte.

Er zuckte zusammen, als er versuchte, sein Gewicht auf dem harten Boden des Fahrzeugs zu verlagern und sich hinzusetzen. Voller Panik trat er um sich, wobei sein Bein gegen etwas Stabiles und Metallisches stieß, das nun laut schepperte.

Vom Vordersitz übertönte auf einmal eine Stimme das Dröhnen des Motors und das Radio. »Er kommt anscheinend wieder zu sich. Wie weit ist es noch?«

Eine andere Stimme antwortete gedämpft: »Nicht mehr weit. Stell ihn wieder ruhig.«

Grants Körper spannte sich an. Er konnte durch die Kapuze, die sie ihm über den Kopf gezogen hatten, zwar nichts sehen, aber er spürte dennoch, wie sich ihm jemand näherte und roch den schmutzigen Körpergeruch des Mannes, als dieser sich über ihn beugte.

»Bitte, nicht …«, flüsterte Grant.

Urin lief zwischen seinen Beinen hervor, beschämt schloss er die Augen. Der kalte Metallboden des Fahrzeugs ließ seine Muskeln und Gelenke schmerzen. Er versuchte seine Position etwas zu verändern, um die Blutzirkulation in seinen abgeklemmten Beinen wieder in Gang zu bringen, doch eine Hand legte sich schwer auf seine Schulter. »Sei ruhig.«

Grant wimmerte, als ihm der Mann eine weitere Nadel in den Arm stach und er spürte, wie die Welt um ihn herum erneut in Dunkelheit versank.

***

Als er kurz aus der Bewusstlosigkeit aufwachte, hatte Grant das Gefühl, von zwei Leuten getragen zu werden … sein Kopf hing hinunter und er spürte, wie seine Handgelenke und Knöchel festgehalten wurden. Er versuchte den Kopf etwas anzuheben. Seine Kehle war staubtrocken und er musste dringend schlucken, doch sein Hals hing in einem so ungünstigen Winkel hinab, dass er stattdessen heftig zu husten begann. Eine Stimme fluchte daraufhin. Der Griff um seine Handgelenke verstärkte sich, und er hörte, wie jemand eine Tür auftrat, bevor er durch die entstandene Öffnung geschleppt wurde.

Er drehte den Kopf nach links und nach rechts und versuchte irgendetwas zu hören oder zu riechen, was ihm verraten könnte, wo er sich befand. Grant keuchte leise, als er auf dem Boden abgelegt wurde. Sein Hemd war aus der Hose gerutscht und hatte seinen unteren Rücken entblößt. Schmerzhaft trafen die kalten Fliesen auf seine nackte Haut. Von links vernahm er ein schlurfendes Geräusch und dann das Klirren von Schlüsseln, bevor einer ausgewählt wurde und Grant hörte, wie dieser in ein Schloss gesteckt wurde. Das Schloss öffnete sich daraufhin mit einem zarten Quietschen und anschließend bemerkte er, wie eine weitere Tür geöffnet wurde. Ein leises Klick … er vermutete, von einem Lichtschalter … dann wurde er erneut hochgehoben.

Als er spürte, dass er eine Treppe heruntergetragen wurde, stieg wieder Panik in ihm auf und er begann zu strampeln. Seine beiden Entführer fluchten daraufhin.

»Verdammte Scheiße«, rief die Stimme an seinen Füßen.

Grant fiel hin, seine Schultern und Knie schlugen mit voller Wucht auf die hölzernen Treppenstufen auf. Instinktiv zog er den Kopf und die Hände zur Brust, um sie zu schützen. Er schrie laut auf, als sein linker Knöchel umknickte und sein Hinterkopf gegen ein Geländer schlug.

Anschließend lag er auf dem Rücken und wimmerte leise, während über ihm seine Entführer kicherten.

»Das hat bestimmt so richtig wehgetan«, meinte einer lachend.

»Der Chef sagte ausdrücklich, dass er keine Verletzungen haben darf«, wies ihn der andere zurecht.

»Hey, das war verdammt noch mal seine eigene Schuld.« Die erste Stimme hatte nun einen verteidigenden Ton angenommen. »Wir haben doch gar nichts gemacht.«

Der andere Mann stieß einen Seufzer aus. »Sehen wir uns den Schaden lieber mal an.«

Grant hörte nun Schritte, die sich ihm näherten. Er zuckte zurück, wandte sich von dem Geräusch ab und rappelte sich auf Hände und Knie hoch. Er versuchte aufzustehen, aber sein verletzter Knöchel gab unter seinem Gewicht nach. Grant schrie laut auf, als er erneut zu Boden stürzte und seine Knie auf dem harten Steinboden aufschlugen. Doch wieder rappelte er sich auf und fing an, von den Stimmen wegzukriechen.

»Gottverdammte Scheiße! Halt endlich still oder dein Kopf wird mit der Wand Bekanntschaft machen!«

Eine Hand packte ihn an der Schulter und drückte ihn unsanft zu Boden. Mit einem Ruck wurde ihm der Sack vom Kopf gerissen.

Grant blinzelte im grellen Licht der Glühbirne, die über ihm an der Decke hing und leicht hin und her schwang. Er wandte den Kopf ab, um dem blendenden Licht zu entgehen, dann keuchte er leise, als er einen der Entführer sah. Das Gesicht des Mannes war jetzt allerdings hinter einer schwarzen Maske versteckt. Grant runzelte die Stirn und versuchte sich an die Gesichter der Männer zu erinnern, die ihn in seinem Wagen angegriffen hatten. Welche Droge sie ihm auch immer verabreicht hatten, sie ließ die Details des Angriffs mehr und mehr verschwimmen und hinderte ihn daran, sich zu erinnern.

»Wer zur Hölle bist du?«, krächzte er.

Ein belustigtes Schnauben drang unter der Maske hervor. Der Mann drehte sich um und rief seinem Partner, der am Ende der Treppe stehen geblieben war, zu: »Er wird es überleben. Nur ein paar Kratzer. Wahrscheinlich wird er morgen einige blaue Flecken im Gesicht haben, aber nichts Ernsthaftes.«

»Und was ist mit seinem Knöchel?«

Grant drehte seinen Kopf und starrte den anderen Mann an, der sich ihnen jetzt näherte. Er war kleiner und dünner als der erste Kidnapper.

Grant schrie laut auf, als der Mann gegen seinen Knöchel trat.

»Kannst du ihn bewegen?«

Grant drehte seinen Knöchel vorsichtig nach links und rechts. »Es tut ziemlich weh. Wahrscheinlich verstaucht, aber nicht gebrochen«, keuchte er.

»Gut.«

Der Mann bückte sich und hielt nun ein Messer vor Grants Gesicht.

»Nicht!«, flehte der Entführte.

Der dünne Mann lachte daraufhin, packte Grants Handgelenke und schnitt seine Fesseln durch, dann drehte er sich um, schob sich an seinem Partner vorbei und begann, die Treppe hinauf zu steigen.

»Warte!« Grant zog sich unsicher auf die Füße und stützte sich dabei an der Mauer ab. »Wer seid ihr? Wo bin ich?«

 

Der größere Mann blieb kurz stehen, drehte sich auf halber Treppenhöhe um und starrte Grant böse an. »Keine Fragen.« Dann wandte er sich wieder um und stieg die Treppe hinauf.

Er hörte, wie die Tür zugeschlagen und abgeschlossen wurde. Er blinzelte kurz, lehnte sich gegen die Wand und inspizierte den Raum, in dem er sich befand.

Eine dünne Matratze lag an der gegenüberliegenden Wand und jemand hatte nachlässig ein Kissen und eine Decke darauf geworfen. Grant humpelte langsam hinüber und hob die Decke hoch. Sie war voller Haare und roch nach Hund. Angeekelt warf er sie wieder zu Boden und blickte kurz auf das fleckige Kissen.

Zu guter Letzt starrte er den grauen Metalleimer an, der in einer Ecke des Raumes stand und entdeckte daneben eine Flasche Wasser. Vorsichtig bückte er sich, schraubte den Plastikverschluss ab und trank die halbe Flasche aus, um seinen schrecklichen Durst zu stillen.

Dann verschloss er sie wieder und warf einen Blick auf die Glühbirne, die sanft an der Decke schaukelte. Er suchte nach der Vorrichtung, mit der die Lampe eingeschaltet wurde. Grant seufzte leise und lehnte sich frustriert gegen die Wand. Ein Lichtschalter und keine Zugschnur. Die Kidnapper hatten wirklich an alles gedacht.

Ich kann mich also noch nicht einmal erhängen.

Grant ließ sich auf den Rand der Matratze sinken und begann, mit angewinkelten Knien langsam hin und her zu schaukeln, während er seine Augen schloss und zu ergründen versuchte, was zur Hölle er bloß falsch gemacht hatte.

Kapitel 3

Während er das Glas in der Hand hin und her drehte und die Eiswürfel sanft gegen das Kristallglas klirren ließ, ließ sich Dan das Aroma des Bourbons auf der Zunge zergehen.

»Cheers«, sagte der General und hob sein Glas.

»Cheers.« Dan nahm einen weiteren Schluck und genoss dabei den Geschmack, der angenehm in seiner Kehle brannte. Direkt nach seiner Rückkehr aus dem Irak war er einige Zeit alkoholabhängig gewesen und hatte nach seinem Entzug keinen einzigen Tropfen mehr angerührt. Inzwischen trank er aber gelegentlich wieder Alkohol, nun allerdings mit dem Wissen, dass es ein Vergnügen war und keine Krücke.

Er sah hoch, als sich die Tür zum Wohnbereich öffnete und Chris hereinkam.

»Komm rüber, Sohn«, lud ihn der General ein. Er stand hinter der Bar, die in eine Ecke des Wohnbereichs eingebaut worden war und füllte ein weiteres Glas mit Bourbon, das Chris mit einem freundlichen Nicken entgegennahm.

»Danke, General.«

Der General kam nun hinter der Bar hervor und ging durch den großen Wohnbereich auf einen steinernen Kamin zu, der die gegenüberliegende Wand dominierte. Er bückte sich, nahm ein paar kleinere Holzscheite und warf diese auf den Kaminrost. Prasselnd stoben die Funken den Schornstein hinauf. Während er sich aufrichtete, grinste er Dan an, der es sich in einem Sessel neben dem Kamin gemütlich gemacht hatte. »Die Winter in Arizona sind tagsüber meistens herrlich, aber nachts können sie verdammt kalt werden.«

Dan lächelte. »Ich würde sie trotzdem jederzeit einem englischen Winter vorziehen«, antwortete er. Er starrte in die Flammen, denn das flackernde Licht faszinierte und beruhigte ihn gleichermaßen. Doch er zuckte leicht zusammen, als er aus dem Augenwinkel plötzlich eine Bewegung wahrnahm, entspannte sich aber gleich wieder, als der Hund des Generals, ein Golden Retriever namens Ripley, an seinem Bein entlangstrich und zu seinem Platz auf dem Kaminvorleger trottete.

Die Stimme des Generals drang nun in seinen Tagtraum ein. »Also … was fangen wir mit diesen neuen Sprengvorrichtungen an?«

Dan schüttelte kurz den Kopf, dann runzelte er die Stirn. »Für einen Hinterhof-Bombenbauer sind sie eindeutig zu sehr Hightech«, stellte er fest. »Wenn man die Sprengvorrichtung betrachtet, die wir zerlegt haben, sind die einzelnen Teile einfach zu gut verarbeitet.«

Chris kam zu ihnen hinüber und ließ sich neben dem Kamin auf ein Sofa fallen. »Meinst du, sie stammen aus einer Massenproduktion?«

»Nicht so, wie du dir das vorstellst«, erklärte Dan, »aber ich denke, dass sie auf jeden Fall in größeren Mengen hergestellt worden sind.«

Der General stand mit dem Rücken zum Feuer und schwenkte den Bourbon in seinem Glas hin und her. »Ist das der Grund dafür, dass einige von ihnen sehr punktgenau explodieren und andere eine erheblich größere Streuwirkung haben?«

»Ich bin mir noch nicht ganz sicher«, antwortete Dan und nahm einen Schluck von seinem Drink, bevor er fortfuhr. »Uns ist aber aufgefallen, dass die Vorrichtung, die wir auseinandergenommen haben, mit einem blauen Klebeband umwickelt war. Die, die wir heute Nachmittag aktiviert haben und wieder entschärfen wollten, jedoch nicht. Ob das nun die Handschrift von zwei verschiedenen Bombenbauern ist, oder der bewusste Versuch, die Explosionskraft der einzelnen Bomben voneinander zu unterscheiden … ich denke, wir müssen das im Auge behalten.«

Er verstummte abrupt, als sich die Wohnzimmertür öffnete und eine schlanke Blondine hereinkam. Sie ging zum General hinüber und gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange, bevor sie sich den anderen zuwandte.

»Hallo, Dad … hey, ihr zwei«, meinte sie grinsend. »Wir haben euch heute Nachmittag sogar bis hier draußen gehört … Mom hat Stein und Bein geschworen, dass das Küchenfenster dieses Mal wirklich fast aus dem Rahmen gefallen ist.«

»So schlimm war es nun auch wieder nicht, Anna«, antwortete Dan lächelnd.

Chris lachte. »Das sagt der Typ, der eine Nanosekunde, bevor es losging, mit dem Kopf zwischen seinen Händen den dreckigen Boden geküsst hat.«

»Wirklich?« Annas Augen weiteten sich vor Sorge. »Alles in Ordnung mit dir?«

Dan nickte. »Ist schon eine Weile her, seit es mich fast erwischt hat … aber ja, ich bin okay.«

»Wirst du jetzt wieder Albträume bekommen?«, platzte Anna heraus und wurde sofort rot, als sie ihren Fauxpas bemerkte. »Ich meine, sorry, aber …«

Dan winkte ab. »Ist schon in Ordnung, mach dir keine Sorgen. Ich hoffe, dass sie nicht wieder losgehen, aber wir werden sehen. Wenn ich mich heute Nacht entspannen kann, wird es mir danach hoffentlich wieder gut gehen.«

Anna lächelte unbeholfen, aber ihre grünen Augen blickten ihn traurig an.

»Nimm dir doch etwas zu trinken, Liebling«, sagte der General, als er sie in Richtung Bar schob.

Dan beobachtete Anna, als sie geschmeidig durch den Raum schlenderte. Sie war von durchschnittlicher Größe und schlank und bewegte sich vollkommen ungezwungen, fast schwebend durch den Wohnbereich. Dabei war sie sich der Wirkung, die sie auf die Gäste ihres Vaters hatte, absolut nicht bewusst. Dan schüttelte den Kopf, als er bemerkte, dass Chris ihn angrinste, stellte aber im nächsten Augenblick fest, dass ihm der General mit dem Finger drohte.

»Vorher friert die Hölle zu«, knurrte der General verhalten. »Sie macht zuerst die Universität fertig.«

Dan hob kapitulierend seine Hand und versuchte ihn ganz unschuldig auszusehen. »General, ich habe wirklich keine Ahnung, wovon Sie sprechen.«

Er wurde nun zum Glück durch einen vertrauten Ruf, der durch das Haus schallte, gerettet. »Essen fassen!«

»Diese Frau«, sagte der General grinsend, während er seinen Kopf schüttelte, »hätte einen verdammt guten Staff Sergeant abgegeben.«

Dan leerte seinen Drink mit einem Schluck, stand auf und reckte sich. Dann bückte er sich kurz, um den Hund hinter den Ohren zu kraulen und folgte den anderen ins Speisezimmer.

***

Obwohl sein Bauch nach dem gewaltigen Abendessen immer noch mehr als voll war, öffnete Dan die Heckklappe seines Pick-ups und zog die schwere Metallbox mit den zerlegten Bombenteilen zu sich heran. Chris nahm den Griff auf der anderen Seite, und nachdem sie die Box von der Ladefläche gehoben hatten, trugen sie diese quer über den ausgedehnten Hof auf eine große Scheune zu.

Eine Seite der zweiflügeligen Tür stand halb offen. Dan und Chris schlüpften durch die Öffnung und inzwischen atmeten sie wegen des Gewichts des Metallbehälters bereits schwer. Sie gingen nun auf eine niedrige Werkbank zu, die an einer der Scheunenseiten stand und hoben die Box auf die Arbeitsfläche.

Dan streckte seinen Rücken durch und blickte sich dabei um. Die Scheune hatte früher auf der östlichen Seite Stallungen für Pferde enthalten, während auf der westlichen Seite die Sattelkammer und ein Büro untergebracht gewesen waren. Nachdem der General seine neue Aufgabe gefunden hatte, waren die Pferde sowie das Sattel- und Zaumzeug in Ställe umgezogen, die eine halbe Meile entfernt auf der anderen Seite des Haupthauses errichtet worden waren, und die Scheune hatte man anschließend in eine große, offene Werkstatt umgebaut.

An den Seitenwänden befanden sich jetzt Stahlregale und die Böden waren mit Metallteilen, Drähten und verschiedenen Kisten übersät, deren Inhalt man auf Etiketten an der Vorderseite notiert hatte. Ein Waffenständer, in dem verschiedene Gewehre hingen, war auf dem Boden festgeschraubt, während neben der Tür mehrere Werkbänke standen. Darunter auch die, die Dan und Chris benutzten, um ihre Untersuchungen an den neuen Sprengstoffvorrichtungen durchzuführen.

An einer weiteren Werkbank saßen zwei Männer, die gerade akribisch ein Sturmgewehr reinigten. Als Chris sich wieder auf den Weg zurück ins Haus machte, schlenderte Dan zu den beiden Männern hinüber, nickte und setzte sich dann ans Tischende.

»Noch mehr Spielzeug, Hatton?«, fragte er grinsend.

Der Ältere der beiden nickte kurz, wobei sein grau meliertes Haar im Schein der Deckenbeleuchtung silbrig schimmerte. »Ja.«

Dan sah sich die zusammengewürfelte Ansammlung von Pistolen auf dem Tisch an. »Wie lange warst du denn dieses Mal draußen, Steve?«

Der andere Mann schaute auf; sein jugendliches Alter wurde von den Jahren des Kampfes überschattet, was ein Blick in seine Augen sofort verriet. Sie hatten einen Ausdruck, den Dan aus eigener Erfahrung nur zu gut kannte.

»Sechs Monate. Der Einsatz wurde dieses Mal nicht verlängert«, antwortete er. »Ich bleibe jetzt erst mal für sechs Wochen hier, danach geht’s wieder los.«

»Und wo hast du das ganze Zeug gefunden?«, fragte Dan neugierig.

Hatton warf dem Mann neben sich einen schnellen Blick zu und schaute dann wieder Dan an. »Kann ich nicht sagen.«

Dan grinste. Er wusste verdammt gut, dass Marines die Tendenz hatten, von ihren Einsätzen Souvenirs mitzubringen, und die Männer vor ihm waren da keine Ausnahme. Er ging also davon aus, dass ein paar der Waffen letzten Endes in privaten Sammlungen enden würden.

Er drehte sich um, als ein Jeep schlitternd vor der Scheune zum Stillstand kam. Anna sprang heraus und rannte auf ihn zu.

Dan stand sofort auf und runzelte die Stirn. »Was gibt es denn?«

»Da ist ein dringender Anruf für dich«, sagte sie und reichte ihm ein Handy. »Er hat mir leider nicht verraten, wer er ist.«

Dan griff nach dem Telefon. »Hallo?«

»In Phoenix wartet ein Flugzeug darauf, dich nach London zurückzubringen«, sagte eine vertraute Stimme.

»Was ist denn passiert?«

»Das erkläre ich dir, wenn du hier bist. Was machst du denn gerade?«

»Ich arbeite mit General Collins.«

»Pack alles zusammen und übergib die Sachen den Leuten des Generals. Mach, was immer du machen musst. Hauptsache, du kommst so schnell wie möglich nach London zurück … du arbeitest jetzt für mich«, bellte David Ludlow ins Handy. Obwohl er inzwischen zum Leiter einer geheimen Dienststelle ernannt worden war, die man gegründet hatte, um die Sicherheit der Energiereserven des Vereinigten Königreichs zu schützen, verhielt er sich immer noch so wie damals, als er Dans Oberbefehlshaber in der britischen Armee gewesen war.

Die Verbindung wurde abrupt unterbrochen. Dan starrte das Handy in seiner Hand an, während sein Herz in der Brust hämmerte.

Zeit, zu gehen.